Infobrief 380 (38/2017): Tag der deutschen Sprache im Ausland

22. September 2017

1. Presseschau vom 15. bis 21. September 2017

  • Tag der deutschen Sprache im Ausland
  • Bericht zur Lage der deutschen Sprache
  • Leichtes und Einfaches
  • Mehr rot als blau

2. Unser Deutsch

  • Leidensdruck

3. Berichte

  • Spende für den VDS in Sachsen-Anhalt
  • Schorlemmer und Luther
  • Würdiger Preisträger

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Mit Schund zum Welterfolg
  • An die Sprachverhunzer

 

 

1. Presseschau vom 15. bis 21. September 2017

Tag der deutschen Sprache im Ausland


Fakultät für Ökonomie und Recht der Staatlichen Universität A. A. Kuleschow in Mogilov

Der Tag der deutschen Sprache am 9. September bot nicht nur den VDS-Regionalgruppen im Inland zahlreiche Gelegenheiten für Aktionen. Auch viele VDS-Vertreter in mehr als 110 anderen Ländern nutzten den Tag, um für Deutsch als Fremdsprache oder den Erhalt ihrer Minderheitensprache zu werben. An der Staatlichen Universität A. A. Kuleschow in Mogilov organisierte VDS-Vertreter Dr. Vladimir Stawski (auf dem Foto 5. v. r.) eine Informationsveranstaltung mit einem landeskundlichen Vortrag rund um das Deutsch-Studium in Weißrussland. Unterstützt wurde er von Sebastian Scheipers (5. v. l.), der als Stipendiat des VDS einen Monat Deutsch in Weißrussland unterrichtet hat, und von Dr. Jan Capek (3. v. r.), dem tschechischen VDS-Vertreter, der als Gastdozent nach Mogilov gekommen war.

In Dänemark besucht die VDS-Vertreterin Ulla Weinreich mit Bezug zum Tag der deutschen Sprache im September und Oktober Veranstaltungen von dänisch-deutschen Partnerschaftsorganisationen, unter anderem die Thomas-Mann-Gesellschaft und ein Fest zur Bundestagswahl am 24. September. An der Elfenbeinküste stellte Regionalleiter Kakou Konin Franck den VDS in den Städten Yamoussoukro und Abidjan vor. Im Rathaus der polnischen Stadt Białystok war Regionalleiterin Malgorzata Biergiel in Zusammenarbeit mit der örtlichen Musikuniversität verantwortlich für ein gut besuchtes Konzert mit Stücken von Franz Schubert, Johannes Brahms und Robert Schumann.

Im rumänischen Reschitza leitete Sonia Maria Chwoika eine interaktive Veranstaltung für die Angehörigen der deutschsprachigen Minderheit im „Diaconovici-Tietz“-Nationalkolleg.  (fep.msu.by, facebook.com)

 

Bericht zur Lage der deutschen Sprache

Anglizismen, Kiezdeutsch und die Kommunikation in sogenannten Chats und sozialen Netzwerken gelten gemeinhin als Gefahr für die deutsche Sprache. Dabei ist die „Lage der deutschen Sprache sehr gut“, urteilt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in ihrem zweiten „Bericht zur Lage der deutschen Sprache“. Weder wirke sich fehlerhaftes Schreiben an Smartphones oder im Internet negativ auf andere Textsorten aus, noch müsse man befürchten, die Schreiber seien nicht dazu fähig, ihre Sprache situativ anzupassen, beruhigt die Sprachwissenschaftlerin Angelika Storrer. Zwar falle besonders die Jugendsprache mit Entwicklungen wie der „Vong-Sprache“ (siehe Infobrief 371) oder denglischen Begriffen auf, aber dabei handele es sich nur um eine witzig gemeinte Abgrenzung von der Standardsprache, die im Alltag keinen negativen Einfluss auf die Sprachkompetenz der Sprecher nehme, berichtet die Augsburger Allgemeine. Auch der Einfluss von Zuwanderern auf die deutsche Sprache war eine Forschungsfrage. Besonders das Weglassen von Präpositionen sei bei Migranten zu beobachten, die diese aus ihrer eigenen Sprache nicht kennen. Dies könne sich auch auf deutsche Muttersprachler auswirken, „aber es ist begrenzt auf eine relativ kleine Gruppe“, so der Sprachwissenschaftler Wolfgang Klein. Allein bei den Dialekten sei die Entwicklung besorgniserregend, beobachtet der Sprachwissenschaftler Jürgen Erich Schmidt. Vor allem „im Nordhessischen, im Rheinischen und im Mecklenburg-Vorpommerschen sei der Dialekt an die unter 30-Jährigen praktisch nicht weitergegeben worden“, sagt Schmidt. (stern.de, nwzonline.de, augsburger-allgemeine.de, deutschlandfunk.de, tagesspiegel.de)

 

Leichtes und Einfaches

Vielleicht auch wegen der Kritik des VDS (siehe Pressemitteilung) an der in „Leichter Sprache“ verfassten Wahlbenachrichtigung Schleswig-Holsteins hat das Land Bremen in seiner Volkshochschule eine Servicestelle für „Einfache Sprache“ eingerichtet. Damit Behördenbriefe künftig verständlicher sind, können die Ämter Arbeitsgruppen besuchen oder ihre Texte überarbeiten lassen. Die „Einfache Sprache“ solle „ein Mittelweg sein zwischen unverständlicher Fachsprache und der „Leichten Sprache“ für Menschen mit kognitiver Behinderung“, so der Leiter der Stelle, Mansour Ismaiel. Dabei verletze die „Einfache Sprache“ – im Gegensatz zur „Leichten Sprache“ – „die Regeln der Grammatik nicht“, heißt es im Weser-Kurier. Das Angebot sei nicht an eine spezielle Zielgruppe gerichtet, sondern diene in erster Linie der Vereinfachung von Arbeitsprozessen durch unmissverständlich formulierte und dadurch korrekt ausgefüllte Formulare.

Die Kritik an der „Leichten Sprache“ hält Christiane Maaß, Professorin für Medienlinguistik an der Universität Hildesheim und Leiterin der Forschungsstelle „Leichte Sprache“, hingegen für berechtigt. Zum einen dürfe sich diese nicht über die Regeln der deutschen Sprache hinwegsetzen und zum anderen sei die „Leichte Sprache“ ausschließlich als Ergänzungsangebot gedacht: „Es muss zusätzlich verschickt werden zu einem standardsprachlichen Text. Und der Leser entscheidet, was er für sich braucht und verwenden möchte.“ In Deutschland können rund 7,5 Millionen Menschen nicht richtig lesen und schreiben, weitere 5,5 Millionen haben Schwierigkeiten beim Verstehen von Behördenschreiben. (weser-kurier.de, deutschlandfunk.de)

 

Mehr rot als blau

Die Farbe schränkt die Farbwahrnehmung ein. Zwar könne „das menschliche Auge theoretisch Millionen Farbtöne unterscheiden, doch in den westlichen Industrieländern unterteilt man sie in der Regel sprachlich in zehn bis zwölf Kategorien“, schreibt das Wissenschaftszeitschrift Spektrum. Somit werden Farben zwar unterschiedlich wahrgenommen, allerdings ist die Übereinstimmung bei warmen Tönen häufiger, auch gibt es mehr treffsichere Bezeichnungen für das Rot-, Gelb- und Orangespektrum. Zu diesem Ergebnis kam der Neuro- und Kognitionswissenschaftler Edward Gibson vom Massachusetts Institute of Technology. Den Grund dafür sehen die Wissenschaftler in der Relevanz von Farben für den Alltag. Demnach „zeigte sich, dass kühlere Farben im Normalfall im Hintergrund auftauchten, während die Objekte im Vordergrund meist warme Farbtöne hatten“, wodurch sie in der Kommunikation eine größere Bedeutung einnehmen. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Sprachen Farbkategorien entsprechend ihrer Nützlichkeit bilden“ schlussfolgert Gibson. (derstandard.de, spektrum.de)

 

 

2. Unser Deutsch

Leidensdruck

Der Ausdruck ist vielen Patienten aus Arztbriefen vertraut. Nach einer Diagnose und dem Rat zu einer OP, zum Beispiel für eine Endoprothese an Hüfte oder Knie – was das ist, hat er mündlich „ausführlich“, wie er behauptet, erläutert –, folgt der Hinweis, es hänge vom Leidensdruck ab, wann er (also der Patient) sich dazu entscheide. Zu weiterer Beratung sei er jederzeit bereit (Telefonnummer in Klammern). Damit ist die therapeutische Entscheidung geschickt in die Hände des Patienten verlagert. Es heißt, die meisten entschieden sich zu spät, der ideale Zeitpunkt sei allerdings schwer zu treffen. Immerhin seien Patienten nach einer erfolgreichen, zuvor selbst bestimmten OP viel glücklicher als nach einer verordneten.

Wo ist hier der sprachwissenschaftliche Kommentar? Als erstes das Erstaunen, wie gewandt Ärzte ihre Fachsprache verlassen können, wenn die Beihilfe (und Mitverantwortung) des Patienten erwünscht ist. Und das Wort selbst? Es hat nichts Ungewöhnliches, außer einem: Es steht nicht im Grimm und nicht im Duden. Man versteht es, ohne es je zuvor gehört oder gelesen zu haben. Ein Kompositum aus zwei Substantiven, etwa in der Bedeutung ‚Druck, den ein Leiden erzeugt‛. Die Frage ist: Wie funktioniert das Verstehen solcher Neubildungen? Wir finden sie ja nicht in dem lexikographischen Speicher in unserem Kopf. Unsere Sprache verfügt jedoch zusätzlich über ein Regelwissen, wie neue Wörter gebildet werden können, eine Art Wort-Syntax. Und das funktioniert auf zweierlei Weise: produktiv, wenn wir selbst ein neues Wort kreieren und benutzen, und reproduktiv, wenn wir ein zuvor nie gehörtes hören und gleich verstehen. So geschehen beim ‚Leidensdruck‛, der keines weiteren Kommentars bedarf – außer der Prüfung der eigenen Leidenserfahrung und der Nötigung zur Entscheidung: wann, wo, von wem und ob überhaupt.

Horst Haider Munske

Die Artikel der Rubrik „Unser Deutsch“ bieten häufig Anlass zur Diskussion. Wer mitdiskutieren möchte, ist im VDS-Rundbriefforum herzlich dazu eingeladen: http://rundbrief.vds-ev.de.

 

 

 

3. Berichte

Spende für den VDS in Sachsen-Anhalt

Arne-Grit Gerold, Regionalleiterin in Halle, und Jörg Bönisch vom VDS-Bundesvorstand bekamen Besuch von Fred Freiheit, dem Maskottchen der Wohnungsgenossenschaft Freiheit e.G. Dabei hatte er einen Scheck in Höhe von 1.000 Euro, den die VDS-Vertreter für ein Kinder- und Jugendprojekt in der Region verwenden wollen. Dirk Neumann vom Vorstand des Wohnungsgenossenschaft Freiheit e.G. begründete die Spende damit, dass die deutsche Sprache ein Stück kulturelle Identität sei. „Gute Sprachkenntnisse sind der Schlüssel für schulischen und beruflichen Erfolg sowie zur gelingenden Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft“, so Neumann. (vds-ev-sachsen-anhalt.de)

 

Schorlemmer und Luther

Großen Zuspruch fand der Vortrag des Wittenberger Theologen und Bürgerrechtlers Friedrich Schorlemmer, den die VDS-Regionalleiterin Eva-Maria Oelschlegel gemeinsam mit der Dresdner Zweigstelle der Gesellschaft für deutsche Sprache organisiert hatte. Schorlemmer verstand seinen Vortrag über „Luther und die deutsche Sprache“ auch als weiteren Beitrag zum Reformationsjahr und sprach über Luther als Sprachgestalter. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der Kammersängerin Barbara Hoene.

Auch die Ausgabe 74 der Sprachnachrichten (pdf) hatte diesen Schwerpunkt.

 

Würdiger Preisträger

Für die Verleihung des Elbschwanenordens des Hamburger VDS bedankt sich der diesjährige Träger, Peter Schmachthagen, noch einmal in der „Deutschstunde“ des Hamburger Abendblattes. In seiner Kolumne geht es diesmal um die politisch korrekte Sprache mit einem schönen Beispiel für die Euphemismus-Tretmühle: „Jahrelang war der Ausdruck Eskimo verpönt, weil der in der Sprache der nordkanadischen Ureinwohner, die allerdings kaum ein Deutscher beherrscht, so viel wie ‚Rohfleischesser‘ bedeutet. Dafür sollte es Inuit (Mensch) heißen. Das gilt jetzt auch nicht mehr, weil angeblich einige Stämme ausgeschlossen und somit diskriminiert wären.“ (abendblatt.de)

 

 

4. VDS-Termine

26. September, Sprachrettungsklub Bautzen/Oberlausitz e. V.
Erleben Sie im Rahmen der Interkulturellen Wochen gemeinsam mit Bautzens Sprachrettern den Weltbürger Yuri Lévano García bei seinem musikalisch umrahmten Vortrag „Peru – seine landschaftliche, sprachliche und kulturelle Vielfalt“.
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Stadtbibliothek Bautzen, Schlossstraße 12, 02625 Bautzen
Eintritt frei

27. September, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

27. September, Region 84 (Landshut)
„Leselupe“ – Literaturstammtisch in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Bildungswerk Landshut e. V.
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Evangelisches Bildungswerk Landshut, Luitpoldstraße 3 (II. Stock), 84034 Landshut

28. September, Region 70,71,73,74 (Stuttgart, Nordwürttemberg)
Regionalversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Brauereigaststätte Dinkelacker,Tübinger Straße 46, 70178 Stuttgart

29. September, Region Dänemark
Hieronymustag
Zeit: 10:30 Uhr
Ort: Universität Kopenhagen, Nørregade 10, 1165 København, Dänemark

 

 

5. Literatur

Mit Schund zum Welterfolg

Horrorromane wie „Es“, „Shining“ oder „Friedhof der Kuscheltiere“ machten Stephen King weltweit erfolgreich, mehr als 400 Millionen Bücher hat er bis heute verkauft. Seinen 70. Geburtstag nutzte die Presse für einen Rückblick auf die Arbeit des Autors, der für seinen „Schund“ häufig kritisiert wurde. „Dass sie glauben konnten, in seinen Werken stecke auch nur ein bisschen literarischer Wert, ästhetische Errungenschaft oder erfinderische Intelligenz, bezeugt einfach ihre eigene Dummheit“, urteilte der Yale-Professor Harold Bloom über die Jury des National Book Awards, die King 2003 mit einem der angesehensten Literaturpreise der USA auszeichnete. Dabei gehe es bei King um weit mehr als eine gruselige Erzählung, schreibt Thomas von Steinaecker in der Süddeutschen. „In Wahrheit erzählen seine Werke zutiefst moralische Geschichten“, bei denen „hinter all dem Schock-Feuerwerk, das King ohne Frage zuweilen abfackelt, eine tiefe Menschlichkeit und Sympathie für den ‚Klub der Verlierer‛ zu spüren ist, die Schwachen der Gesellschaft, Kinder, Frauen, Schwarze, Behinderte.“ (rnz.de, sueddeutsche.de)

 

An die Sprachverhunzer

Mit seinem Buch „Im Land der Dealer und Denker. Deutsch zwischen Kulturgut und Flatrate“ richtet Gunther Grabowski eine außerordentlich schöne, eine lustige Kampfansage an die Sprachverhunzer. Und zwar an die Sprachverhunzer aller Verhunzungsvorlieben. Somit geht es um Anglizismen und Genderei. Um Apostrophitis und um dumme Redewendungen. Um die Eskapaden der „Leichten Sprache“ und andere Verdummungsversuche. Freunde der deutschen Sprache werden Freude an diesem Buch haben. Es ist auch zum Verschenken an diejenigen geeignet, die unserem Kulturgut gleichgültig gegenüber stehen, denn es ist angenehm und leicht zu lesen.

Gunther Grabowski: Im Land der Dealer und Denker. Deutsch zwischen Kulturgut und Flatrate. IFB-Verlag 2017. 167 Seiten. 14,50 Euro. ISBN 978-3-942409-68-1

 


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Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel

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