Infobrief 391 (49/2017): Neue Ausgabe der Sprachnachrichten

8. Dezember 2017

1. Presseschau vom 1. bis 7. Dezember 2017

  • Neue Ausgabe der Sprachnachrichten
  • „Deutsch als Landessprache“ nicht in hessischer Verfassung
  • Vom Geschichtenerzählen
  • Blauer Brief für Bildung

2. Unser Deutsch

  • Evangelisch

3. Berichte

  • VDS macht Schlagzeilen
  • Sprachtünnes 2017
  • VDS auf der Deutsch-Französischen Jahrestagung in Köln
  • Mündliche Verhandlung zur Klage des VDS gegen die Europäische Kommission

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Deutscher Kinderhörbuchpreis BEO

6. Denglisch

  • „Stelle offen“ oder „job offer“?

 

1. Presseschau vom 1. bis 7. Dezember 2017

Neue Ausgabe der Sprachnachrichten

© VDS 2017

Am 17. November 1997 gründeten zehn Sprachfreunde in Dortmund einen Verein, aus dem zwanzig Jahre später eine Bürgerinitiative mit 36.000 Mitgliedern geworden ist. Die neue Ausgabe der Sprachnachrichten blickt zurück auf die Vereinsgeschichte und zeigt einige unveröffentlichte Fotos aus dem VDS-Archiv. Auf einer Sonderseite gratulieren einige der vielen prominenten Mitglieder. Zu den Erfolgen des VDS gehören gegenwärtig sicherlich auch die Wahl der „Schlagzeile des Jahres“, der Tag der deutschen Sprache am 2. Samstag im September und die jährliche Verleihung des Kulturpreises Deutsche Sprache, gemeinsam mit der Eberhard-Schöck-Stiftung. Über alle drei Themen berichtet die aktuelle Ausgabe.
Weihnachtlich wird es in der Rubrik „Schönes Deutsch“, in der sich Reiner Pogarell mit dem Abendlied von Matthias Claudius beschäftigt. (vds-ev.de)

 

„Deutsch als Landessprache“ nicht in hessischer Verfassung

Die Untersuchungskommission des Landesparlaments Hessen („Enquetekommission ‚Verfassungskonvent‘“), die über 250 Eingaben, dazu Wortmeldungen aus Bürgerforen des „Hessentags“ zur Veränderung der Landesverfassung zu entscheiden hatte, lehnte die Aufnahme von Deutsch als Landessprache in die Verfassung ab. Hierzu berichtete die Oberhessische Presse: „[…] Gehäuft gab es Forderungen nach dem Schutz der deutschen Sprache beziehungsweise den Wunsch nach Aufnahme von ‚Deutsch als Landessprache‛ oder auch die Förderung und den Schutz der hessischen Dialekte. Letztere setzten sich in der Kommission nicht durch.“ (op-marburg.de)

 

Vom Geschichtenerzählen

Den Einfluss von Geschichtenerzählern auf heute existierende Jäger-Sammler-Kulturen untersuchte eine Forschergruppe um den Anthropologen Daniel Smith des University College London mithilfe von Gemeinschaften des Naturvolks der Agta auf der philippinischen Insel Luzon. Die Agta sind vermutlich Nachfahren der ersten Menschen, die vor mehr als 35.000 Jahren das Archipel besiedelten, und leben in weitgehend isolierten Regionen. Smith und Kollegen fanden heraus, dass die Erzählungen für die Organisation des menschlichen Sozialverhaltens innerhalb der Gruppierungen entscheidend sind, da sie die Kooperation fördern, soziale Regeln kommunizieren und die Folgen für ihr Durchbrechen aufzeigen. Geschichtenerzählern kommt deshalb eine besondere Wertschätzung zu. Die Forscher sehen in solchen Erzählkulturen die Vorgänger für moderne religiöse Konzepte. (wissenschaft.de)

 

Blauer Brief für Bildung

Wieder einmal hagelt es kräftige Kritik am deutschen Schulsystem, ausgelöst durch die neue Iglu-Studie (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung), die am 5. Dezember in Berlin vorgestellt wurde. Demnach kann beinah jeder fünfte Schüler (18,9 %) der vierten Klasse nicht richtig lesen. „Die Betroffenen sind laut der Studie kaum in der Lage, Verständnisfragen zu einfachen Texten zu beantworten“, heißt es dazu in der WELT. Unterschiede bei der Lesekompetenz ergaben sich zwischen den für Kinder einfacheren literarischen im Gegensatz zu Sachtexten und hinsichtlich der Herkunft der Kinder: Vor allem Kinder aus bildungsfernen Familien mit wenig Büchern wiesen Schwächen beim Lesen auf. Die Iglu-Studie wird seit 2001 alle fünf Jahre durchgeführt. An der neuesten Untersuchung des Jahres 2016 nahmen 57 Staaten und Regionen teil. Weltweit schnitten die Russische Föderation, Singapur sowie Hongkong am besten ab, Deutschland befindet sich im Mittelfeld. Vor allem im europäischen Vergleich wurden die deutschen Schüler deutlich überholt: Mehr als die Hälfte der EU-Länder schnitt besser ab, allen voran Irland und Finnland. (tagesspiegel.de, welt.de, spiegel.de, deutschlandfunk.de)

 

2. Unser Deutsch

Evangelisch

Das ist heutzutage ein Etikett für die Religionszugehörigkeit: Mitglieder der Evangelischen Kirche Deutschlands, in der Einkommenssteuererklärung mit ev. abgekürzt. Wie kam es zu dieser Bezeichnung? Das Adjektiv gehört zu den ältesten Wörtern der deutschen Kirchensprache, schon im frühen 9. Jahrhundert als evangêlisc überliefert, entlehnt aus lateinisch evangelicus, dieses aus griechisch εύαγγɛλικός [euanggelikos], abgeleitet aus dem Substantiv εὐαγγέλιον [euanggelion], die „gute Botschaft“ von Geburt, Wirken und Sterben Jesu Christi. Wir haben das lateinische Wort Evangelium übernommen. Nur den Angelsachsen gelang eine Übersetzung, altenglisch god-spell, aus dem der Gospel, der religiöse Gesang der Afroamerikaner hervorging.
Seine heutige Bedeutung erhielt evangelisch erst durch Martin Luther, der das Evangelium zum alleinigen Richtpunkt seines Glaubens machte. Luther hat die ganze Bibel durch seine geniale Übersetzung zum Leittext der Reformation gemacht. Evangelisch wurde das Fahnenwort des neuen Glaubens und schließlich zur Bezeichnung der neuen, der evangelischen Kirche.
Die Evangelischen nennen sich auch Protestanten und ihre Religion protestantisch. Warum? Das Wort nimmt Bezug auf die sogenannte Protestation der evangelischen Stände auf dem Reichstag zu Speyer am 29. April 1529. Dies war ein Bekenntnis für die Reformation und richtete sich gegen die Aufhebung der zugesicherten Glaubensfreiheit. Als protestantisch verstehen sich seitdem alle nachreformatorischen Kirchen von den Anglikanern bis zu den Mennoniten.
Manche denken bei dieser Selbstbezeichnung wohl auch an den Protest gegen alles Katholische: die erzwungene Ehelosigkeit der katholischen Priester, die ungleiche, die entwürdigende Behandlung der Frauen und natürlich das autokratische Regiment der Päpste. Im Lutherjahr allerdings scheinen die Protestanten ihren Kampfgeist aufgegeben zu haben für einen ökumenischen Status quo. Eine große Koalition, welche die christliche Tradition lustlos verwaltet. Was sagt hier ein Vergleich mit der Glaubensgewissheit muslimischer Flüchtlinge?
Besinnen wir uns auf den alten Sinn des Wortes evangelisch! Auf das Studium unserer Lutherbibel, das Buch der Bücher, dieses einzigartige Dokument aller christlichen Religionen!

Von Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

Die Artikel der Rubrik „Unser Deutsch“ bieten häufig Anlass zur Diskussion. Wer mitdiskutieren möchte, ist im VDS-Rundbriefforum herzlich dazu eingeladen.

 

3. Berichte

VDS macht Schlagzeilen

Die Pressemeldung des VDS über die Wahl der „Schlagzeile des Jahres“ wurde mehrfach aufgegriffen. So brachten unter anderem die ZEIT, der Pfälzische Merkur und die Saarbrücker Zeitung Artikel über den Gewinner, „1:0 verloren“ der Süddeutschen Zeitung.
(saarbruecker-zeitung.de, wuv.de, lifepr.de, pfaelzischer-merkur.de, zeit.de)

Auch die Reaktion des VDS auf das Verbot der geschlechtergerechten „Pünktchen-Schreibweise“ in amtlichen Dokumenten in Frankreich schaffte es in die Schlagzeilen. Unter anderem gab Holger Klatte, Geschäftsführer des VDS, der taz ein Interview zum Thema Gendern. „Niemand weiß mehr genau, wie man diskriminierungsfrei formulieren soll“, meint Klatte. Dieses ist auf der Internetseite der taz zu finden: taz.de.
(wz.de, zeit.de, n-tv.de, welt.de)

 

Sprachtünnes 2017

Die VDS-Region Köln mit ihrem Leiter Dietmar Kinder hat in der vergangenen Woche den Schmähpreis „Sprachtünnes des Jahres“ vergeben. Erhalten hat den Preis das Bekleidungsgeschäft Worms in der Kölner Innenstadt für unverständliche Werbesprache: „Summer-Time“, „Summer-Sale“, „Beachwear“, „Shapewear“. (vds-ev.de)

 

VDS auf der Deutsch-Französischen Jahrestagung in Köln

Dr. Rolf Massin vertrat den Verein Deutsche Sprache auf der Deutsch-Französischen Konferenz zum Thema Migration und Integration in Köln. Ziel der Jahrestagung war die Zusammenarbeit der deutschen und französischen Kommunen bei der Integration von Zuwanderern. „Mit guten Deutschkenntnissen ist alles möglich: Arbeit finden, sich mit den Einheimischen austauschen, die herrschenden Regeln begreifen, ein Teil Deutschlands zu werden“, erklärte Massin. (lokalkompass.de)

 

Mündliche Verhandlung zur Klage des VDS gegen die Europäische Kommission

Der VDS hatte im vergangenen Jahr beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen die Europäische Kommission erhoben, weil diese sich weigerte, dem VDS Einsicht in bestimmte EU-Dokumente zu geben (siehe „Sprachnachrichten“ Nr. 71, S. 13). Darin geht es um die Umgestaltung des Pressesaals in Brüssel, die 2012 umgesetzt wurde. Die Kommission hatte das ehemals sprachneutrale Außenbild dieses Saales durch eine Symbolik ersetzt, in der nur noch die Sprachen Englisch und Französisch zur Geltung kommen. Der VDS will wissen, warum es zu dieser sprach-diskriminierenden Neugestaltung gekommen ist.
Zu unserer Klage fand am 14. 11. 2017 beim Gerichtshof in Luxemburg in erster Instanz eine mündliche Verhandlung statt. Teilgenommen haben Rechtsanwalt Werner Ehrhardt, der den VDS in diesem Verfahren vertritt, und VDS-Vorstandsmitglied Dr. Dietrich Voslamber.
Während der Verhandlung wiederholte die Kommission ihre Behauptung, dass sie keine Dokumente gefunden habe, in denen die Gründe für ihre damalige Entscheidung schriftlich niedergelegt sind. Sie gab zudem vor, dass solche Niederschriften üblicherweise nicht existierten. Wir haben in der Verhandlung noch einmal dargelegt, dass die Nichtexistenz einer schriftlichen Begründung in den EU-Akten mit einer ordnungsgemäßen Verwaltung unvereinbar und somit völlig unglaubhaft sei. Auf die bohrende Nachfrage des Gerichts, wie denn die Kommission ihre Entscheidungsvorgänge dokumentiere und archiviere, konnte der Kommissionsvertreter – sichtlich verlegen – keine schlüssige Antwort geben.
Es bleibt jetzt abzuwarten, zu welcher Entscheidung das Gericht in dieser Frage kommen wird.

 

4. VDS-Termine

11. Dezember, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Gaststätte Kaiser-Treff, Hahnerberger Straße 260, 42329 Wuppertal

14. Dezember, Kopenhagen (Dänemark)
Vortrag Dr. Reiner Dr. Pogarell (VDS-Vorstandsmitglied) über Luther und die deutsche Sprache
Zeit: 20:00 Uhr
Ort: Kulturhaus Valby, Raum 1, Valgårdsvej 4, Kopenhagen Valby, Dänemark

17. Dezember, Region 10-14, 16 (Berlin, Potsdam)
Prof. Dr. Dagmar Schmauks, TU Berlin: „Von Dienstwegen, Sackgassen und Stolpersteinen – Redewendungen zur Fortbewegung und zu allerlei Hindernissen.“
Zeit: 14:30 Uhr
Ort: Webhaus Kloster Zinna, Berliner Straße 72, 14913 Jüterbog

 

5. Literatur

Deutscher Kinderhörbuchpreis BEO

Zur besten Weihnachtsgeschenke-Einkaufszeit wurden die Gewinner des Deutschen Kinderhörbuchpreises BEO (Bücher entern Ohren) bekannt gegeben. Im fünften Jahr der Verleihung hatten Fachjury und Kinderjury eine Auswahl getroffen. Gewonnen haben: „Armstrong. Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond“ von Torben Kuhlmann, gelesen vom bekannten deutschen Komiker Bastian Pastewka (4-6 Jahre), „George“ von Alex Gino“ (7-11 Jahre), „Die Mühle“ von Elisabeth Herrmann (ab 12 Jahre), „Das Gespenst von Canterville“ von Oscar Wilde (Sonderpreis Klassiker, ausgezeichnet für Interpretation und Komposition) und „Nur mal schnell das Mammut retten“ von Knut Krüger (Preis der Kinderjury).
Der BEO ist eine Initiative des gemeinnützigen Vereins „Kinder hören e. V.“ mit organisatorischer Unterstützung des Arbeitskreises Hörbuch des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
(kakadu.de, kinderhoerbuchpreis.de)

 

6. Denglisch

„Stelle offen“ oder ‌„job offer“?

Nicht nur Azubis schreiben und sprechen manchmal schlechtes Deutsch. In Zeiten, in denen Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, obwohl Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz oder Arbeitsstelle dastehen, wird vielfach die schlechte Qualifikation der Bewerber diskutiert. Eine Umfrage unter Jugendlichen ergab jedoch jetzt, dass auch Unternehmen an ihrer Sprache arbeiten müssen. Stellenanzeigen für Ausbildungsplätze enthielten oftmals Anglizismen oder Schlagwörter im Branchenjargon, die von den potentiellen Bewerbern, die noch nicht mit den Floskeln der Berufsgruppe vertraut sein können, nicht immer verstanden würden. Hierdurch würden Stellenanzeigen unglaubwürdig. Fast die Hälfte der Befragten gab demnach an, schon einmal eine Bewerbung abgebrochen zu haben, weil die Stellenanzeige zu schlecht formuliert gewesen sei. (bildungsklick.de)


RECHTLICHE HINWEISE

Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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