VDS-Infobrief 348: 6/2017 Der Reim in der politischen Sprache

1. Presseschau vom 3. bis 9. Februar 2017

2. Berichte

3. VDS-Termine

4. Literatur

5. Denglisch

 

 

1. Presseschau und Berichte vom 3. bis 9. Februar 2017

Der Reim in der politischen Sprache

Das Bundesumweltministerium hat für eine Werbekampagne elf „neue Bauernregeln“ erfinden lassen, z.B. „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.“ Dafür erntet Umweltministerin Barbara Hendricks viel Kritik von den Bauern. Die Sprüche seien platt formuliert und diffamierend. Politischer Diskurs könne nicht auf Basis plumper und pauschalisierender Reime geführt werden, erklärte Gabi von der Brelie, Sprecherin des Landvolks Niedersachsen. Die Ministerin verteidigt die Kampagne wiederum in gereimter Form: „Wir wollen niemand diffamieren, uns liegt nur viel an Pflanz‘ und Tieren“. Der Bauernverband kontert auf seiner Facebook-Seite: „Schließt der Bauer Hof und Stall, brachten die Umweltauflagen ihn zu Fall“. (sueddeutsche.de, ndr.de)

 

Böse Wörter – gute Wörter

Christoph Schwennicke, Chefreakteur des Cicero, rät auf der Netzseite der Rheinischen Post, man möge seine Worte gut wählen, wenn man im Kampf der Meinungen als Sieger vom Platz gehen möchte. An anschaulichen Beispielen macht er das deutlich. „Flüchtling“ empfiehlt er uns als gutes Wort. Von „Migrant“ rät er ab, weil dessen Motivlage unklar sei. Wer eine „Kopfpauschale“ einführen wolle, habe schon verloren. Mit „Bürgerversicherung“ könne es schon eher gelingen. Er stellt „neurechts“ – oft anstelle des älteren Wortes „Neonazi“ gebraucht – dem frisch klingenden „grün“ gegenüber. Im Kulturkampf dieser Tage mit niederträchtigen Mitteln und Mustern zu arbeiten, gehöre durchaus – im linken wie im rechten Politikfeld – zu den gängigen Kampfmitteln, vor denen man sich hüten müsse.

Äußerungen zur aktuellen Sprachpraxis und Sprachpolitik scheinen besonders anfällig fürs Missverstehen und Abstempeln zu sein, setzt Dr. Kurt Gawlitta (VDS-Vorstand) den Gedanken von Schwennicke fort. Wer in dem Gender-Streit immer wieder versichert, bei allen rein männlichen Formen seien die Frauen stets „mitgemeint“, tappt hundertprozentig in die Böse-Wörter-Falle. Er bekundet, bewusst oder unbewusst, dass er alles so lassen will, wie es ist. Wer über „Reinhalten“ unserer Sprache phantasiert, verrät, dass er sich gegen jede Entwicklung sperrt. Spricht einer von „unnötigen Anglizismen“, schießt er mit diesem „bösen Wort“ gar ein Eigentor. Er räumt nämlich pauschal ein, zur Freude unserer Gegner, dass die anderen „nötige Anglizismen“ seien. Dabei überspringt er den logischen Zwischenschritt, ob unsere Sprache die Lücke denn nicht durch ein neues eigenes Gewächs, einen sogenannten Neologismus, schließen könne und solle. (rp-online.de)

Auch die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling weist immer wieder darauf hin, dass bestimmte Wörter, die den gleichen Sachverhalt beschreiben, das Denken beeinflussen können. Das Gehirn verknüpfe Bilder mit Wörtern, so dass durch die richtige Wortwahl die Möglichkeit zur Manipulation bestehe. Wehling erklärt das mit einem Experiment: Versuchsteilnehmer müssen über die Durchführung einer medizinischen Operation entscheiden. Die Teilnehmer, die über eine „90-prozentige Überlebenschance“ aufgeklärt wurden, entschieden sich für den Eingriff. Diejenigen, die über das „zehnprozentige Sterberisiko“ informiert wurden, sprachen sich mehrheitlich dagegen aus. Ausschlaggebend sei dabei nicht die Faktenlage, sondern vielmehr die positive oder negative Konnotation. Gleiches gelte in der Sprache der Politik: Umweltschutz, zum Beispiel, rücke stärker in den Vordergrund, wenn von einer „Klimakatastrophe“, statt von einem „Klimawandel“ gesprochen würde. Außerdem würden Wähler besser erreicht, wenn Politiker sich) mehr der Alltagssprache bedienten. (srf.ch, tagesspiegel.de)

 

Germanisten ohne Wirkung?

Der SPIEGEL hat in seiner aktuellen Ausgabe der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft vorgeworfen, in der öffentlichen Diskussion bedeutungslos zu sein. Die Themen des Faches seien „überforscht“, seine Sprache unverständlich, Germanistikprofessoren unbekannt und die Studenten ahnungslos. Die F.A.Z. widerspricht den Darstellungen im SPIEGEL. Die Funktions- und Leistungsvielfalt des Faches sei ausschlaggebend für eine Bewertung, weniger seine Öffentlichkeitswirksamkeit. Dazu gehörten: „die Lehramtsausbildung von der Grundschule bis zum Gymnasium, Aufmerksamkeit für den Literatur- und Kulturbetrieb, Verfassen von Artikeln und Büchern für eine breite Öffentlichkeit, akribische Detailforschung mit höchstem philologischem Anspruch, Versatilität in allen möglichen Medien, Theoriekontexten und Künsten.“ Mit der Germanistik sei es ein wenig wie mit Berlin: „Wem die Stadt nicht gefällt, war im falschen Stadtteil. Oder er mag einfach keine Metropolen“. (faz.net)

 

2. Berichte

Schüler produzieren Krimi-Hörspiel

Das Hörspiel „Das Dutzend auf der Spur der Pferdeäpfel“ soll Jugendliche wieder an die deutsche Sprache heranführen. Den Krimi hat die Hörbuchsprecher-AG des Mariengymnasiums im westfälischen Warendorf produziert und in insgesamt zwölf Stunden im Tonstudio eingesprochen. Autorin des Hörbuchs ist VDS-Mitglied Sonja van Os. (wn.de, wdr.de)

 

3. VDS-Termine

13. Februar 2017 Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen (normalerweise jeden zweiten Montag im Monat)
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Gaststätte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Straße 260, 42349 Wuppertal-Cronenberg

13. Februar 2017 Region Frankreich
Stammtisch: Deutsch-Französischer Abend
Ort: Heidelberg-Haus Montpellier (4 rue des Trésoriers de la Bourse, F-34000 Montpellier)

 

4. Literatur

Literarisches Schreiben

Die Kunsthochschule für Medien in Köln führt als dritte Hochschule in Deutschland den Studiengang „Literarisches Schreiben“ ein. Ab Oktober 2017 können die Studenten den Beruf des Schriftstellers akademisch erlernen. Dozenten sind u. a. Navid Kermani und Ulrich Peltzer. (deutschlandradiokultur.de)

Den mit 20.000 Euro dotierten Düsseldorfer Literaturpreis erhält in diesem Jahr die Lyrikerin, Essayistin und Romanautorin Marion Poschmann. Sie sei „die Biografin unserer denaturierten Natur in Zeiten der Globalisierung“, heißt es in der Entscheidung der Jury. (deutschlandradiokultur.de)

 

5. Denglisch

Eindeutigkeit des Deutschen

In den Internetmedienund Sozialen Netzwerken tauchen weltweit immer mehr Wörter der deutschen Sprache auf. Besonders Schlüsselbegriffe in Verweisen, die meist als Zusatzerklärungen für Kommentare oder Bilder dienen, liest man Wörter wie „Futterneid“, „Geborgenheit“ oder „Weltschmerz“. Für viele dieser Wörter gibt es im Englischen keine eindeutige Entsprechung, so dass sie umschrieben werden müssen. (bigfm.de)

 


 

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Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Anna Beckmann, Kurt Gawlitta, Lea Jockisch, Holger Klatte

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