Der Verein Deutsche Sprache e. V. sieht sich als eine Organisation, in der Menschen aus allen mit dem Grundgesetz kompatiblen weltanschaulichen Lagern an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, nämlich die deutsche Sprache als Kulturgut, als Medium, in dem auch weiter Wissenschaft betrieben werden kann und als einigendes Band unserer Gesellschaft zu erhalten und für die Zukunft tauglich zu machen. Deswegen üben wir auch Einfluss auf politische Parteien aus, in unserem Sinne tätig zu werden. Eine Einflussnahme in umgekehrter Richtung gibt es nicht. Die hier folgende Darstellung gibt nicht die Ansicht oder die Programme der Parteien zu sprachpolitischen Themen wieder, sondern ausschließlich die Positionen und die Forderungen der Arbeitsgruppenleiter, die jeweils auch Mitglied im VDS sind.
Gemeinschaftliches Zusammenleben in Deutschland heißt immer auch, das für die Gesellschaft und jeden einzelnen Menschen notwendige Miteinander über Sprache und Sprechen herzustellen. Und dies heißt nicht nur, an aktuellen Gesprächen und dem täglich erlebten Sprachgebrauch aktiv teilnehmen zu können – es heißt auch und besonders, an der Aushandlung und dem Vollzug der für eine Gesellschaft grundlegenden Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse beteiligt sein zu können.
Vor dem Hintergrund aktueller Auseinandersetzungen um die deutsche Sprache scheint man einen grundsätzlichen Mangel an ihr darin zu finden, dass sie die (natürlichen) Geschlechter bzw. allgemeiner gesprochen die verschiedenen Geschlechtsidentitäten nur in ungerecht empfundener Form abzubilden weiß. So werden Berufs-, Funktions- und Rollenbezeichnungen von Menschen – nach einem bereits länger anhaltenden Anpassungsprozess – sprachlich fast stets in der maskulinen und zunehmend auch in der femininen Form ausgedrückt. Insofern auch die maskuline Form mit einer konkreten Geschlechteridentität (‚männlich‘) gleichgesetzt und somit nicht als ‚generisch‘ (unmarkiert hinsichtlich einer Geschlechtsidentität) verstanden wird, insofern die feminine Form gänzlich unstrittig auf die konkrete Geschlechteridentität ‚weiblich‘ verweist, fehlt dem Deutschen eine Markierung jedweder weiteren Geschlechteridentität. Hier liegt der Konflikt, dass gefordert wird, die Offenheit gegenüber jedweder Geschlechteridentität auch sprachlich zu realisieren.
Einer solchen Forderung nach Gleichberechtigung wird sich die CDU selbstverständlich nicht verschließen. Andererseits steht die CDU aber auch dafür, jede Art von Übertreibung und sprachlichen Rigorismus abzulehnen. Dazu gehört, dass die Verwendung nicht-lautlicher Zeichen wie Sternchen, Schrägstriche, Unterstriche sowie Leerzeichen usw. innerhalb von Wörtern nicht gutgeheißen wird. Das hat seinen verständlichen Grund darin, dass solche Zeichen in geschriebener Sprache zwar sichtbar sind und das „Mitmeinen“ aller Geschlechtsidentitäten andeuten, dass dies aber in der gesprochenen Sprache – etwa beim Vortrag eines solchen Textes – eine stets schwer einzuhaltende nonverbale Symbolisierung erfordert, die den Redefluss und damit das Verstehen eines Textes zusätzlich erschweren kann. Hier argumentiert die CDU gemäß der Kriterien, die der überstaatliche ‚Rat für deutsche Rechtschreibung‘ in seinem Beschluss von 2018 formuliert hat. Wichtiger jedoch als die Ablehnung sprachlich unangemessener Vorschläge ist für die CDU die Ablehnung einer jeden Art von Sprachdirigismus und d. h. eines durch öffentliche Institutionen geforderten und bei Nichteinhaltung mit Sanktionen belegten Sprachgebrauchs.
Folgende Vorschläge erscheinen daher sinnvoll:
- Gesprochene Sprache soll nicht künstlich und mit übertriebenem Rigorismus wegen eines Zwanges zum „Gendern“ aufgehalten und gestört werden;
- männliche und weibliche Formen sollen in angemessener Form, wo möglich und nötig, vor allem im Schriftverkehr benutzt werden;
- ein „Umschreiben“ von Texten aller Art in Richtung eines von manchen Menschen als „gerechter“ empfundenen „Genderns“ soll grundsätzlich unterbleiben, insbesondere was die fiktionale Literatur betrifft;
- keine Person, die sich nicht an Regeln des „Genderns“ halten will oder kann oder entsprechende Gepflogenheiten in gesellschaftlichen Großgruppen nicht übernimmt, soll durch Vorhaltungen oder indirekte Nachteile zur Übernahme solcher Regeln genötigt werden.
ABER: Die Freiheit des Sprachausdrucks jedes Individuums – auch in schriftlichen Erzeugnissen – darf nicht eingeschränkt werden.
Bekannte CDU/CSU-Mitglieder im VDS:
- Dr. Max Adenauer (†), Sohn des ersten Bundeskanzlers; lange Jahre Oberstadtdirektor von Köln
- Wolfgang Böhmer, von 2002 bis 2011 Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt
- Arnulf Freiherr von Eyb
- Dr. Otto von Habsburg (†), Oberhaupt der Familie Habsburg-Lothringen und Sohn des letzten Kaisers von Österreich
- Waldemar Hartmann (nur Mitglied der Mittelstandsvereinigung), Fernsehmoderator und Deutschlands wohl populärster Sportreporter, lange Jahre Chef der Sportredaktion des Bayrischen Rundfunks
- Prof. Dr. rer-nat. Dr. med. Clemens Fritz Hess, langjähriger Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie an der Universitätsmedizin Göttingen, Stadtratskandidat, Mitglied der Anti-Corona-Expertenkommission von Niedersachsens Wirtschaftminister Althusmann
- Peter Michael Huber, Richter am Bundesverfassungsgericht
- Werner Jostmeier, Mitglied im Bundesvorstand der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung, Mitglied im EVP-Vorstand in Brüssel, Honorarkonsul der Republik Bulgarien.
- Birgit Kelle, bekannte Autorin, Journalistin und regelmäßiger Talkshowgast. Vorsitzende des Vereins Frau 2000plus und Vorstandsmitglied von New Women For Europe (NWFE).
- Josef Kraus, Bestsellerautor und Kolumnist; mehrere Jahrzehnte Präsident des Deutschen Lehrerverbandes
- Georg Lewandowski, ehem. Oberbürgermeister der Stadt Kassel und Präsident des Hessischen Städtetages
- Vera Lengsfeld, Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten freigewählten Volkskammer der DDR
- Peter Leyendecker, Unternehmer
- Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und Wissenschaftsminister von Sachsen
- Sylvia Pantel, zweimal hintereinander direkt gewählt im Wahlkreis Düsseldorf II, Beisitzerin im Bundesvorstand der Frauen-Union
- Manfred Sauer, Bürgermeister der Stadt Dortmund und langjähriges Mitglied des Stadtrat-Fraktionsvorstands
- Christoph Schulze, Bürgermeister Bad Dürrenberg
- Carl-Dieter Spranger, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung a. D.
- Prof. Dr. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
Mehr Anglizismen in Corona-Pandemie
Die F.A.Z.-Redakteurin Maria Wiesner hat in ihrem Artikel „Vom Superspreader zum Lockdown“ (F.A.Z. vom 24. Dezember) dankenswerterweise ein Thema beleuchtet, das breitere Aufmerksamkeit verdient. Die Neologismen-Liste des Mannheimer Leibniz-Instituts zeigt auf, wie sehr die Anglizismen durch die Corona-Pandemie in unserer Alltagssprache zugenommen haben. Dass sich ein Begriff wie „Lockdown“ auch bei uns durchsetzt, ist verständlich, weil die Corona-Krise global rassiert und in der Weltsprache Englisch beschrieben wird.
Sprach- und Kulturaustausch hat es jahrhundertelang gegeben und war stets befruchtend. Sonst dürften wir auch nicht Wörter gebrauchen wie Friseur, Kostüm, Pathos, Skonto oder Transformator. Ich frage mich jedoch, ob das English-Fever nicht ein Ausmaß erreicht hat, an dem wir vorsichtig werden sollten. Was vor gut vierzig Jahren noch harmlos mit „Walkman“ begann, hatte zur Folge, dass schon 1987 die Gesellschaft für deutsche Sprache im Katalog eines deutschen Versandhauses 8 928 (!) angloamerikanische Wörter feststellte. Der „digitale Kolonialismus der amerikanischen Konzerne“ verstärkt den Drang zu Anglizismen: Youtube, Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft bestimmen inzwischen nicht nur unsere Technik und Wirtschaftsnormen, sondern auch Bildungsinhalte, das Berufsleben und nicht zuletzt die Sprache. Und wir machen mit: BMW, Daimler und die RTWH Aachen entwickeln erfolgreiche Neuerungen, doch die heißen dann efficient dynamics, blue efficiency oder streetscooter. Es gäbe noch viele Beispiele.
Als Henry Ford vor 110 Jahren sein „assembly belt“ erfand, war es für die Kulturverantwortlichen selbstverständlich, ein deutsches Wort zu suchen; und man erfand den treffenden Begriff Fließband. Warum sind wir heute nicht mehr sprachschöpferisch aktiv, was jahrhundertelang zur Weiterentwicklung der Sprache notwendig und selbstverständlich war? Auch bei ARD und ZDF wimmelt es von Begriffen wie homeschooling, coworking spaces, „WDR-5 das feature“, contact tracing, social distancing, spreading events, racial profiling, life performance, body shaming, „heute-journal up:date“ und viele mehr. Sie können nicht anders, wenn sie Virologen oder Politiker zitieren. Aber einfach nur nachplappern reicht nicht. Haben unsere Öffentlich-Rechtlichen nicht auch einen Bildungsauftrag?
Wie sieht die deutsche Sprache in dreißig Jahren aus, wenn wir jede Erfindung, jede neue Technik, jedes neue Verfahren, jede Mode, jedes neue Phänomen nur mit englischen Substantiven kennzeichnen? Wäre es einer Kulturnation würdig?
Sprache hat eine wichtige Funktion für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft. Wenn wir – auch die Politik – zu sehr dieses „modern talking“ praktizieren, dann ist das gegenüber jenen Bevölkerungsteilen, die bei englischen Wörtern Verständnisprobleme haben, unsozial, gerade auch in diesen Corona-Zeiten. Eine solche Sprache schafft Distanz und grenzt aus, nicht nur Ältere. Das positive Beispiel Baden-Württembergs mit dem „Wellenbrecher“-„Hashtag“ sollte Schule machen. Die digitale Welt der Zukunft braucht nicht nur technische Kenntnisse, sie braucht auch Moral, Empathie und Toleranz der kulturellen Vielfalt und der Sprachen. Das zu garantieren gehört auch zur Kulturverantwortung des Staates und der öffentlich-rechtlichen Medien.
WERNER JOSTMEIER MDL A. D., DÜLMEN