Infobrief vom Freitag, 16. Juni 2023 |
1. Presseschau
2. Gendersprache
3. Sprachspiele:
4. Kultur
5. Berichte
6. Denglisch
7. Termine |
1. PresseschauSprachtests vor Einschulung gefordertSchleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) setzt sich für Sprachtests angehender Erstklässler ein. So sollen deren Deutschkenntnisse verbessert werden. Ab dem 4. Lebensjahr, so die Idee, solle es eine verpflichtende Sprachdiagnostik geben, damit Defizite früh genug erkannt und angegangen werden können. Aus den Grundschulen erhalte sie die Rückmeldung, dass Schüler mit Migrationshintergrund „mit immer schlechteren Deutschkenntnissen aus den Familien und aus den Kindergärten“ kämen, so der Deutschlandfunk. Das führe zu Nachteilen beim Start in die schulische Laufbahn und könnte später nur schwer aufgeholt werden. Vor Kurzem hatte sich bereits der Allgemeine Schulleiterverband für eine Ausweitung verpflichtender Sprachtests ausgesprochen. (deutschlandfunkkultur.de) Richtig sprechen mit Alzheimer-KrankenBei vielen Krankheiten leiden in erster Linie die Erkrankten. Bei Alzheimer leiden die Angehörigen oft (still) mit. Häufiger Grund für gegenseitigen Frust ist die Tatsache, dass Verständigung nur schwer möglich ist. Die Kranken wiederholen sich oft, vergessen Dinge – die Angehörigen sind oft genervt von den Wiederholungen. „Menschen mit Alzheimer leben in einer anderen Realität, was den Kontakt häufig erschwert“, so der Verein Alzheimer Forschung Initiative in einer Pressemitteilung. Er gibt Tipps, wie betroffene Angehörige mit Demenz-Kranken umgehen können. So sei es wichtig, langsam und deutlich zu sprechen und Schachtelsätze zu vermeiden. Eine auffällige Gestik und Mimik hilft den Erkrankten, Gehörtem besser zu folgen, auch der Blickkontakt solle aufrecht erhalten werden. Offene Fragen sollten vermieden werden, sie überfordern Erkrankte häufig. Besser seien Fragen, auf die man mit Ja oder Nein antworten kann, oder Fragen, bei denen gleichzeitig Alternativen direkt vorgeschlagen werden. (24vita.de) Fummelgebühr und SchlafbaustelleDie Beamtensprache hat viele Eigentümlichkeiten zu bieten. Bandwurmsätze gehören genauso dazu wie Begriffe, die es nie in die Alltagssprache geschafft haben. Das Online-Portal butenunbinnen.de von Radio Bremen hat ein kleines Rätsel dazu erstellt. So kann z. B. geraten werden, was eine „Fummelgebühr“ ist (Luftsicherheitsgebühr, wird für Personenkontrolle an Flughäfen erhoben) oder was mit einer „Schlafbaustelle“ gemeint ist (eine Baustelle mit Baustellenschildern, an der sich aber nichts tut). Das Lieblingswort der Infobriefredaktion ist übrigens „raumgreifendes Großgrün“. (butenunbinnen.de) 2. GenderspracheJunge Menschen wollen nicht gendernEine Civey-Umfrage im Auftrag der Morgenpost hat gezeigt, dass sich die meisten Deutschen beim Gendern in E-Mails für die Anrede „Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen“ begeistern lassen. 60 % der Befragten fanden diese Ansprache am besten. Ein Viertel bevorzugte die rein männliche Form, 12 % enthielten sich, und nur 4 % sprachen sich für das sogenannte Binnen-I, also „Sehr geehrte KollegInnen“ aus. Überraschend ist der Blick auf die Altersgruppen. 43 % der 18-29-Jährigen bevorzugten „Sehr geehrte Kollegen“; je älter die Befragten wurden, desto mehr Zustimmung gab es für die Doppelnennung. (morgenpost.de) In Geiselhaft der AktivistenDer Philosoph und Wissenschaftsjournalist Alexander Grau greift in seiner Kolumne auf Cicero.de den Anti-Gender-Aufruf von mittlerweile über 800 Linguisten auf. Ein Jahr nach dem Aufruf habe der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk (ÖRR) kaum reagiert, es werde weiter gegendert. Grau glaubt jedoch, dass der aktivistischen Gender-Minderheit nicht mit rationalen Argumenten beizukommen ist. Vor allem im ÖRR habe das Gendern seit rund drei Jahren Einzug gehalten, „einige tapfere Redaktionen – gallische Dörfer der sprachlichen Vernunft – leisten diesem allgemeinen Trend nach wie vor Widerstand“, schreibt Grau. Der ÖRR wisse um seine Vormachtstellung und nutze diese aus, um einen großen Teil der Bevölkerung zu erreichen. Einen Sprachwandel gebe es immer, Sprache sei aber auch gleichzeitig anfällig für Manipulationen: „Hier setzen die Vertreter der Gendersprache an: Sprachliche Tatsachen schaffen, auf den Opportunismus der Sprecher hoffen (insbesondere der professionellen Sprachnutzer wie Werbeagenturen etc.) und moralischen Druck ausüben.“ Der Blick von außenEin Philosoph als Aushilfslehrer: Der Philosoph Günter Seubold war im jetzt zu Ende gehenden Schuljahr 4 Monate Aushilfslehrer an einem Berliner Gymnasium. In der FAZ berichtet er, dass er dabei direkt zu Beginn einen „fundamentalen Fehler“ begangen habe: Er sprach von „Schülern“ und „Lehrern“ statt von „Schüler*innen“ und „Lehrer*innen“: „Man hat das generische Maskulinum verbannt. Und da die neue Schreibweise umständlich und zeitraubend ist, schreibt man „SuS“ (Schülerinnen und Schüler) oder, korrekter noch: von „Su*S“.“ Erkläre man, dass die Schreibweise mit Gendersternchen und Co. falsch sei, ernte man ungläubige Blicke. Der Hinweis auf die gültige Schreibweise, die der Rechtschreibrat vorgibt, führe zu Kopfschütteln. „Das zeigt, dass das Gendern heute als etwas Selbstverständliches praktiziert und zumindest hingenommen wird. Dass dieser substanzielle Eingriff in die gewachsene Sprache problematisch ist und nicht nur gegen offizielle Rechtschreibung verstößt, sondern demokratisch-liberale Prinzipien verletzt, wird an der Schule gar nicht mehr diskutiert. Dabei stellte sich im Kollegstufenkurs in einer offenen Diskussion im Fach Deutsch heraus, dass nur wenige der Schüler die Gendersprache für sinnvoll halten, dass die allermeisten sie jedenfalls nicht praktizieren (wollen).“ 3. Sprachspiele: Unser DeutschFrühsommerEs ist die schönste Jahreszeit, sagen Bauern und Gartenliebhaber, Jogger und andere Frühaufsteher. Die Pflanzenwelt explodiert. Die Weinranken wachsen jeden Tag um Zentimeter länger, aus trockenem Geäst am Balkon wird eine grüne Wand. Auch der Spargel hat Hochzeit. Jeden Morgen sprießen neue Spitzen aus der Erde. Im Blumenbeet aber siegt der Giersch. Und über allem beim Morgengrauen das Konzert der erwachenden Vogelwelt. Alle Freude sammelt sich in diesem Wort: Frühsommer. Wie erklärt sich das? Horst Haider Munske Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de 4. KulturDialektprojekte„Wej lääse Platt“ steht gut leserlich auf dem Plakat in der katholischen Grundschule St. Peter im niederrheinischen Städtchen Rheinberg. Der pensionierte Grundschullehrer Rolf Kuhlmann leitet an der Schule seit 14 Jahren einen wöchentlichen Dialektkurs für die Kinder. Unterstützt wird er dabei von Mitgliedern des Rhinberkse Sprookvereins Ohmen Hendrek. Mit ihren Plattkenntnissen konnten 75 Schüler aus zwölf Klassen kürzlich an einem Wettbewerb teilnehmen. Das Weitergeben des Dialekts an die jüngere Generation zum Ziel hat auch eine Gruppe in Breitaus einem Stadtteil von Sontra im nordhessischen Werra-Meißner-Kreises. Otto Hollstein, Richard Kröll und Traude Walter haben in Eigenarbeit ein Wörterbuch des Breitauer Ortsdialekts zusammengestellt. Aufgebaut ist es wie eine Art Lexikon, führt die Wörter von A bis Z mit Erläuterung und Beispielsätzen auf. (rp-online.de, hna.de) 5. BerichteWortreich Sachsen-AnhaltNoch bis zum 30. Juni 2023 herzlich in im Innenhof der Neuen Residenz in Halle die Ausstellung „Wortreich“ zu sehen. Im Mittelpunkt stehen Persönlichkeiten und Ereignisse mit inhaltlichen Bezügen zur Region. Die Tour beginnt geschichtlich im Mittelalter mit den Merseburger Zaubersprüchen, dem Minnesang sowie dem Sachsenspiegel und führt über die Neuzeit mit Martin Luther, Kardinal Albrecht sowie Paul Gerhardt und Joseph von Eichendorff zu sprachlichen Entwicklungen der Gegenwart mit den Anglizismen und der Gendersprache. 6. DenglischEnglisch im GrenzverkehrDie rumänische EU-Verkehrskommissarin Adina Valean hat vorgeschlagen, dass im internationalen Grenzverkehr Englisch als alleinige Pflichtsprache eingeführt werden soll. Die EU-Richtlinie soll demnächst vorgestellt werden. Ziel ist es, die Flexibilität der Bahnbeschäftigten zu erhöhen, heißt es. Triebfahrzeugführer sollten so in die Lage gebracht werden, auch längere Strecken grenzübergreifend fahren zu können, ohne an der Grenze wechseln zu müssen. Bei den Bahnbeschäftigten in Schleswig-Holstein regt sich allerdings Widerstand. Die Zusammenarbeit mit den dänischen Kollegen funktioniere einwandfrei, man spreche deutsch oder dänisch, je nachdem, auf welcher Seite der Grenze man sich befände, erzählt die Lokführerin Alina Tschupeew der LN Online. Die Deutsche Bahn will im Fall der Pro-Englisch-Entscheidung Sprachcomputer einsetzen, die beim Übersetzen helfen sollen. Der Chef der Gewerkschaft EVG, Martin Burkert, hält das für „unpraktisch und viel zu anfällig“. Im Fall von Computerproblemen könnte die komplizierte Technik ausfallen. Auch Unglücksfällen müsste die Kommunikation reibungslos funktionieren, ergänzt der Kieler SPD-Bundestagsabgeordnete Mathias Stein, Sprachcomputer seien für solche Fälle ungeeignet. (ln-online.de (Bezahlschranke)) 7. TermineMontag, 19. Juni 2023, Region 10-16 (Berlin und Umland) Donnerstag, 22. Juni 2023, Region 20-22 (Hamburg und Umland) Montag, 26. Juni 2023, Region 03 (Cottbus) Mittwoch, 28. Juni 2023, Region 06 (Halle) Donnerstag, 13. Juli 2023, Region 50, 51 (Köln) |
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider. Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs Bitte antworten Sie nicht auf diese Nachricht. Nutzen Sie bitte unser Kontaktformular oder schreiben Sie an info@vds-ev.de. Vielen Dank. |
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