1. Presseschau
Elbschwanenorden 2020 – ein Überblick
Am vergangenen Mittwoch wollte die VDS-Regionalgruppe in Hamburg den jährlichen Elbschwanenorden an die Kinderbuchautorin Kirsten Boie übergeben. Diese (undotierte) Auszeichnung für Verdienste um die deutsche Sprache gibt es seit 2005 und ging bereits an den Musiker Achim Reichel (2014), den Leiter des Hamburger Literaturhauses Rainer Moritz (2010), den Publizisten Hellmuth Karasek (2012) oder den Verein Leseleo e. V. (2019) und manch andere Persönlichkeiten oder Einrichtungen des Hamburger Kulturbetriebs.
Die Veranstaltung zur Preisverleihung 2020 wäre wegen der Corona-Auflagen ausgefallen, wurde aber trotzdem zu einem bundesweit viel beachteten Kulturereignis. Denn Kirsten Boie lehnte den Preis öffentlich ab. Sie habe einen Artikel über den VDS und dessen Vorsitzenden Walter Krämer im Internet gelesen, der darin u. a. vom „aktuellen Meinungsterror unserer weitgehend linksgestrickten Lügenpresse“ spricht. Solch eine „eher puristische Auffassung von Sprache“ unterscheide sich diametral von ihrer. Sie bedaure sehr, dass sie sich „erst so spät gründlicher“ über den VDS informiert habe, ging aber nicht auf ein Vermittlungsgespräch des Hamburger Regionalleiters Hans Kaufmann ein. Die zitierte Aussage gibt es tatsächlich. Sie stammt aus einer Rezension zu einer Biographie über den Liberalen Walter Hirche, die der Vereinsvorsitzende Krämer für die Ausgabe I/2016 der Vereinszeitschrift Sprachnachrichten veröffentlicht hatte. Diese Buchbesprechung ist natürlich von Krämer selbst unterschrieben und stellt deswegen auch seine persönliche Meinung über das Buch und seine eigene politische Einordnung dar. Das ist ein Wesensmerkmal einer Buchbesprechung.
Zuerst berichtete das Hamburger Abendblatt (am 23.11.) über den Vorgang, aber es dauerte nur wenige Stunden, bis die Nachricht von der Ablehnung in allen Zeitungen und im Rundfunk zu finden war. Ob die Verleihung des Elbschwanenordens ohne die Reaktion von Kirsten Boie eine solche Aufmerksamkeit bekommen hätte, ist fraglich. Regionalleiter Kaufmann äußerte sich von Seiten des VDS als erster: Er sei „sehr betrübt“ über die Ablehnung des Preises und erklärte: Die kritisierten Formulierungen seien „nicht unser Hamburger Stil“. VDS-Geschäftsführer Holger Klatte äußerte sich gegenüber der Evangelischen Presseagentur: „Dass der Verein als deutschtümelnd und rechts eingestuft wird, weil er sich für die deutsche Sprache einsetzt, halte ich für erschreckend“.
„Wir sind in einem freien Land – da muss man keine Preise annehmen“, sagte Walter Krämer in einem Interview mit dem Deutschlandradio. Gerade Liberale, zu denen sich Krämer als Mitglied der FDP zählt, seien eine „beliebte Zielscheibe“ in den Medien. Und diese Medien als „linkslastig“ zu bezeichnen, sei „mehr als gerechtfertigt“, so Krämer.
Andreas Platthaus fragt sich in der FAZ, ob Begriffe wie „Meinungsterror“, „Volkserzieher“ oder „Lügenpresse“ von jenen verwendet werden sollten, die sich selbst als „lautstark, meinungssicher und selbstherrlich“ darstellen. „Darüber nachzudenken, bietet Kirsten Boies Preisverzicht guten Anlass“. (sueddeutsche.de, migazin.de, deutschlandfunkkultur.de, zeit.de)
Sprachsterben durch Corona
Die Corona-Pandemie sorgt nicht nur für Tote weltweit – sie könnte als Nebenschauplatz auch der Grund für das Aussterben seltener Sprachen sein. In Brasilien gab es vor der Ankunft der Europäer rund 1.500 Sprachen, bis heute haben nur ca. 180 überlebt. Allerdings werden diese von sehr wenigen Ureinwohnern gesprochen, und wer sie beherrscht, der ist meist sehr alt und damit besonders von Corona bedroht. Einige Stämme sind mittlerweile dazu übergegangen, ihre Sprache per Mikrofon aufzuzeichnen, damit sie überdauert. (nationalgeographic.de)
Zahl der Deutschschüler im Ausland wächst
Mit einem Augenzwinkern schimpfte einst Mark Twain über die „schreckliche deutsche Sprache“, dennoch wird sie immer noch gern im Ausland gelernt. Vor allem auf dem afrikanischen Kontinent und in China sei das Interesse an Deutsch ungebrochen, sagt Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts im Gespräch mit „Forschung und Lehre“. Auch die Zahl der Schulen im Ausland, an denen es Deutschunterricht gibt, ist gestiegen. Lediglich in Ländern, die sich in letzter Zeit stärker national ausrichten (wie Polen und Ungarn), geht die Zahl der Deutschschüler zurück. Deutsch werde auch immer als Kultursprache verstanden, so Ebert; im internationalen Austausch sei aber Englisch die erste Wahl. (forschung-und-lehre.de)
Jugendliche in Süddänemark sollen Lust auf Deutsch bekommen
Hadersleben in Süddänemark gehörte einst zu Schleswig-Holstein – 1920 wurde es dänisch. Dennoch sind deutsche Sprache und Kultur hier immer noch prägend, das wird auch in diesem Jahr deutlich, das als Deutsch-Dänisches Freundschaftsjahr wurde. Die Konservative Volkspartei bemängelt jedoch, dass vor allem jüngere Menschen sich weniger um die deutsche Sprache kümmern als ältere. Das will die Partei ändern und schlägt Projekte ab der Grundschule vor, in denen sich die Kinder aktiv einbringen können und die ihnen Lust auf die deutsche Sprache machen. (nordschleswiger.dk)
2. Unser Deutsch
Lockdown
Nicht nur die Corona-Pandemie versetzt alle Völker in Angst und Schrecken. Ebenso dramatisch sind die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Lockdown. Wird hier der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben? Das Wort Lockdown stammt ursprünglich aus dem Amerikanischen Englisch. Es bezog sich auf die Sperrung des Luftraums, den Einschluss von Strafgefangenen in ihren Zellen oder die Schließung von Schulen. Stets diente dies als Sicherungsmaßnahme. In Deutschland gilt Lockdown als Oberbegriff für die einschneidendsten Beschränkungen des öffentlichen, des beruflichen und des privaten Lebens. Ursprünglich war damit die totale Schließung von Schulen, Kitas und Geschäften, von Hotels, Restaurants und aller Geschäfte, auch die Absperrung von Altersheimen, die Schließung der Theater und ein Stopp aller Sportveranstaltungen gemeint. Mit besserer Kenntnis der Ausbreitungswege des Virus sowie der Auswirkungen eines totalen Lockdown wird dies Wort differenzierter gebraucht. Es folgt jetzt den ergriffenen Maßnahmen, zum Beispiel der Schließung von Hotels und Restaurants und dem Verbot aller geselligen Veranstaltungen, während Schulen und Geschäfte geöffnet bleiben. Zuweilen wird es auch vermengt mit dem Shutdown, der ‚Schließung‘ bestimmter Einrichtungen.
Ist es unangemessen, angesichts der dramatischen Steigerung der Corona-Infektionen über entlehnte Wörter nachzudenken? Ich meine: Dies ist mehr als Philologie. Es geht um die Kommunikation über eine lebensbedrohende Pandemie, es geht darum, mit welchen Worten sich Politiker und Mediziner, Journalisten und Betroffene verständlich machen.
Beide Wörter widersetzen sich einer einfachen Übersetzung. Sie gehören zu den über 200 phrasal verbs, englischen Verben mit angehängter Partikel, die häufig auch als Substantive (phrasal nouns) gebraucht werden. Ihre deutschen Gegenstücke sind Verben mit vorangestellter Präposition – man vergleiche einschecken und to check out, aufpeppen – to pep up. Die Substantive werden meist als Ganzes übernommen wie Makeup oder Knockout. So auch bei Lockdown und Shutdown. Es sind Internationalismen, mit denen in verschiedenen Sprachen über die Bekämpfung der Corona-Pandemie gesprochen wird.
Gleichwohl wächst in der langen Debatte darüber der Wunsch, neben diesen Begriffen einheimische, vertraute Wörter zu benutzen. Die Frage der Akzeptanz vieler Maßnahmen hängt auch daran, wie verständlich und überzeugend sie dargestellt werden. So ist Schließung ein neutrales, Zusperren ein deftiges Wort. Wir kennen es aus Sperrstunde, absperren und einsperren. Ausgangsbeschränkung ist etwas euphemistisch angesichts der Folgen dieser Maßnahmen.
Lockdown und Shutdown sind zu Schlagwörtern geworden. Es sind Fremdwörter, die im Schulenglisch nicht vorkamen. Sie verbergen durch ihre Fremdheit, was sie meinen. Darum hoffen wir, dass all dies, was unser Leben so drastisch einschränkt, bald überflüssig wird und diese Wörter wieder aus unserem Sprachgebrauch verschwinden.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e.V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Kultur
Digitales Lernen am New Yorker Goethe-Institut
Am Goethe-Institut in New York stehen die Klassenzimmer seit Monaten leer. Wie weltweit fast überall, ist auch hier das öffentliche Leben momentan stillgelegt. Dennoch ist das Interesse am Deutschlernen gestiegen: Während im letzten Jahr etwa 1.500 New Yorker den Deutschunterricht des Goethe-Instituts besuchten, waren es in diesem Jahr 2.000 Teilnehmer in den Online-Kursen. „Wir gewinnen über digitale Veranstaltungen eine Reichweite und eine Verfügbarkeit von Programmen, die wir sonst so nicht haben, wenn wir nur an einem Ort in der Stadt sind“, erklärt Jörg Schumacher, der seit Anfang Mai neuer Leiter des Instituts in New York ist. (deutschlandfunk.de)
Portugal ist Gastland auf der Leipziger Buchmesse
Sofern die Pandemie es zulässt, soll die Leipziger Buchmesse im kommenden Jahr mit Portugal als Gastland stattfinden. Dabei soll es nicht nur um Literatur aus Portugal gehen, sondern generell um Literatur in portugiesischer Sprache – das heißt, auch Schriftsteller aus Angola, Guinea-Bissau oder Mosambik werden vertreten sein. Mehr als 50 Titel sollen bis zur Buchmesse noch in deutscher Sprache erscheinen. Dazu gehören Übersetzungen bekannter Namen wie Fernando Pessoa und José Saramago. Der angesetzte Termin für die Buchmesse 2021 ist der 27. bis 30. Mai. (t-online.de)
4. Denglisch
Aus Fucking wird Fugging
Auch ungewolltes Denglisch kann seine Folgen haben: Der österreichische Ort Fucking hat mit seinem englischen Äquivalent eigentlich nichts zu tun, wird aber immer wieder dafür missbraucht. Auf Internetplattformen wird sich zuhauf über den Dorfnamen lustig gemacht und das Ortsschild muss unter Touristen für Fotozwecke herhalten – wenn es nicht gleich gestohlen wird. Das 100-Einwohner-Dorf hat jetzt genug vom „Ruhm“ und ändert seinen Namen. Ab dem 1. Januar heißt es nicht mehr Fucking, sondern Fugging. Immer wieder hatten die Dorfbewohner sich dies gewünscht, bislang war es jedoch nie zu einer Mehrheit für die Umbenennung gekommen. „Ja, ich kann […] bestätigen, dass es zu dieser Umbenennung kommt“, so die Bürgermeisterin Andrea Holzner. „Mehr will ich dazu aber wirklich nicht sagen. Wir hatten in der Vergangenheit bereits genug Medienrummel.“ Ob die Namensänderung nun hilft? Das wird sich zeigen. (rnd.de, stern.de)
5. Termine
! ABGESAGT ! 8. Dezember, Region 18 (Rostock)Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock
IMPRESSUM
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke
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