Bild: H-J Spengemann / pixelio.de
1. Presseschau
Curry ist rassistisch
Im Zuge der beliebten Streichkultur (vulgo Cancel Culture) ist ein neues Wort beim Rassismus erwischt worden. Diesmal betrifft es das Wort Curry, als Streitobjekt vorgestellt auf der Instagram-Seite einer amerikanisch-indischen Bloggerin. Die Bezeichnung Curry für südasiatische Gerichte sei rassistisch und solle aus dem Sprachgebrauch entfernt werden. Die Begründung: Die Bezeichnung Curry war eine Erfindung der weißen Kolonialherren. Das stimmt, die Namen für die herrlichen Gerichte des Landes mochte sich keiner in den indischen Sprachen merken (das Empire sprach Englisch). Tatsächlich ist das Wort Curry eine westliche Erfindung, abgeleitet aus dem tamilischen Kari, es konnte „geschwärzt“ bedeuten oder auch nur „Beilage“. In einem späteren Interview relativierte die Bloggerin Chaheti Bansal ihre Aussage und forderte, man solle sich mit der Vielfalt der südasiatischen Küche auseinandersetzen, statt Gerichte grundsätzlich unter dem Begriff Curry zu gruppieren. Kulinarisch hat sie recht. Wer gern indisch kocht, lässt fertige Gewürzmischungen dieses Namens (Currypulver) links liegen und mischt sich seine Mengen selber. Curry ist nun mal ein generischer Begriff geworden, heute würde man die Begriffssetzung als geniales Marketing bezeichnen. Wie Bansal betont, ist es jedoch ein böser Begriff. Droht nun der Currywurst der Garaus? Bevor das Thema im Gelächter untergeht: Tatsächlich gibt es Kariblätter, die wiederum mit Currygerichten nur gelegentlich zu tun haben, aber den Baum, von dem sie geerntet werden, nennt man – im Westen – den „Currybaum“, aller Welt bekannt als Murraya koenigii. (rosenheim24.de)
Ehrenmord oder Femizid
In der Morgenkolumne der Zeit Online Fünf vor Acht bespricht Autorin Frida Thurm den Begriff Ehrenmord. Wieder einmal ist eine Frau durch ihre jüngeren Brüder getötet worden, die Polizei verkündet, das mutmaßliche Motiv sei ein gekränktes Ehrgefühl, provoziert durch den Lebensstil der Schwester. Nun steht der Begriff Ehrenmord in der Kritik. Thurm fragt: Ist der Begriff diskriminierend oder wirkt er sogar entschuldigend? Dazu gibt es mehrere, anscheinend unterschiedliche Auffassungen. Die linke Berliner Integrationssenatorin Elke Breitenbach plädiert dafür, Ehrenmorde in Zukunft als Femizide zu bezeichnen. Franziska Giffey hingegen meint, solche Taten sollten klar als Ehrenmorde benannt werden.
Tatsache ist, dass jeden zweiten oder dritten Tag eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet wird. Thurm hält es für sinnvoll, gesonderte Begriffe für unterschiedliche Taten zu verwenden, denn durch Differenzierung könne man mehr über die Strukturen der Täter und Betroffenen lernen. Ein Femizid bezeichne den Mord an einer Frau mit einer patriarchalen Motivlage, wie beispielsweise krankhafte Eifersucht des Ex-Partners. Ein Ehrenmord werde meist durch die Herkunftsfamilie der Frau begangen und nicht durch den Partner. Eine vermeintliche Familienehre solle wiederhergestellt werden. Julia Kasselt, Kriminologin und Juristin, erklärt, dass die Familienehre als kollektives Gut gesehen werde. Rund ein Drittel der Opfer von Ehrenmorden seien nämlich die unerwünschten Partner der Frau und somit Männer. Trotz der Wichtigkeit der Unterscheidung dieser Begriffe hält Thurm das Wort Ehrenmord für ungeeignet. Das selbstbestimmte Leben einer Frau verletze keine vermeintliche Familienehre.Ein heilsamer, lesenswerter Streit um Genauigkeit im Gebrauch der Sprache. (zeit.de)
Sprachpolitik im Wahlkampf
Im aktuellen Bundestagswahlkampf haben sprachpolitische Themen und Debatten an Bedeutung gewonnen, sagt der Sprachwissenschaftler Henning Lobin. Die sprachpolitischen Debatten werden auf verschiedenen Ebenen ausgetragen, beispielsweise zum Gendern, zur Integration oder zur Hassrede. In den Wahlprogrammen der Parteien findet sich ein deutliches Plus an sprachpolitischen Positionierungen wieder. Bei der CDU sind die Positionierungen von drei auf zehn gestiegen und auch bei der AfD haben sich die sprachpolitischen Punkte im Parteiprogramm von acht auf 16 verdoppelt. Lobin erklärt, dieser Wandel sei seit 2017 im Zuge der Flüchtlingsbewegungen beschleunigt worden. Das Bewusstsein der Parteien für sprachpolitische Themen sei gestiegen. Einzig bei der SPD gebe es im Wahlprogramm Abstriche gegenüber früher. Die einst sieben sprachpolitischen Positionierungen sind nun auf drei gekürzt. Vor allem das Gendern beschäftigt die Parteien in der diesjährigen Wahl. Lobin behauptet, dass der Bedeutungsgewinn sprachpolitischer Themen vor allem auf die AfD zurückzuführen sei – als hätte es nicht schon lange vorher Bürger gegeben, denen die Sprache wichtig ist, zum Beispiel den Verein Deutsche Sprache. (faz.net)
Straßennamen bedeuten keine Ehrung
Historisch belastete Straßennamen sorgen vermehrt für Diskussionen, schreibt der Blogger Severin Tatarczyk. Die Umbenennung von Adolf-Hitler-Straßen und -Plätzen stehe dabei nicht zur Debatte, die sei nach dem Krieg richtig und wichtig gewesen. Doch die Vehemenz, mit der heute über potenziell „schwierige“ Namensgeber gesprochen werde, sei unausgewogen. Diskutiert werden müsse zum Beispiel über die Sinnhaftigkeit von von-Trotha-Straßen (Anm.: Lothar von Trotha war Anfang des 20. Jahrhunderts als General im heutigen Namibia der Wegbereiter für massenhafte Verbrechen an Herero und Nama); Hindenburg sei jedoch ein spezieller Fall. Auch wenn er Adolf Hitler die Macht übergeben hatte, sei er in der Geschichtsschreibung nicht als Nationalsozialist zu werten. Als „Kind seiner Zeit“ war er zwar kein Demokrat, wie die Väter der Weimarer Republik ihn vor Augen hatten, sondern im Herzen ein Monarchist, der sich bemühte mittels der Weimarer Verfassung den Nationalsozialismus zu verhindern – was ihm allerdings nicht gelang. Es sei zu kurz gedacht, ihm die Schuld zu geben, dass Deutschland (durch Hitler) zum Triebwagen des Zweiten Weltkrieges und der Shoa wurde. Hindenburg-Straßen und -Plätze umzubenennen sei daher der falsche Weg, so Tatarczyk: Wenn wir die „nicht uneingeschränkt positiven Personen aus unserer Geschichte ausblenden, geraten diese in Vergessenheit.“ Wir sollten „diese Umbenennungsdiskussionen beenden und historische Straßennamen nicht als fortgeltende Ehrung begreifen, sondern als geschichtliche Zeugnisse, die wir im Kontext sehen und interpretieren müssen.“ (severint.net)
Autofahrer bleiben unsichtbar
Kritik an der Sprache in Polizei-Pressemeldungen kommt vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Bei Unfällen mit Radfahrern tauche der Fahrer eines Autos als Unfallverursacher kaum auf und wenn, dann als Leidtragender, dessen Fahrzeug Schaden genommen hat. Laut ADFC schildern Unfallberichterstatter Zusammenstöße häufig so, „als ob die Person auf dem Rad einen Fehler gemacht habe“. Dieser Blickwinkel verzerre fast immer die Unfallrealität und vergifte die öffentliche Wahrnehmung des Radverkehrs, so der ADFC. In der FAZ kommt Rinaldo Roberto, Leiter der Polizei-Pressestelle in Mainz zu Wort. Seine Abteilung formuliere Pressemeldungen bereits seit zwei Jahren anders. So würde nicht vom Auto oder vom Lastwagen als handelnde Subjekte gesprochen, sondern die Fahrer würden sichtbar. Ein Satz wie „Ein Radfahrer prallte gegen eine geöffnete Autotür“, gebe es nicht mehr, denn die Tür sei ja von jemand geöffnet worden, der auch benannt werden sollte. (faz.net, adfc.de)
Man siezt weniger
Als Ikea 2003 seine Kunden duzte, bekam halb Deutschland Schnappatmung. Duzen? Gehört sich das in der Kundenansprache? Mittlerweile haben immer mehr Unternehmen das „Du“ für sich entdeckt, zum Beispiel Apple und Aldi. „In diesem Punkt sind wir derzeit in einem Sprachwandel begriffen, der schon innerhalb einer Generation zu Änderungen führt“, sagt die Sprachwissenschaftlerin Stefanie Stricker von der Universität Bamberg in der Badischen Zeitung. Traditionell wird im Deutschen bei der Ansprache von Fremden untereinander das „Sie“ genutzt, das seine Wurzeln im mittelalterlichen Feudalismus hat. Zur Etikette gehörte ein besonders freundlicher Umgangston, der später vom Bürgertum übernommen wurde. In ländlichen Gegenden hingegen ist das „Du“ die übliche Ansprechhaltung – unabhängig von Alter oder sozialem Stand des Angesprochenen. Das Duzen im Marketing der Unternehmen diene vor allem der Erschließung und Bindung einer jungen Klientel. Das „Sie“ werde es vermutlich aber nie komplett verdrängen. Vor allem in geschäftlichen Belangen innerhalb der Unternehmenskulturen sei es immer noch häufig anzutreffen – auch unter jüngeren Mitarbeitern. Dass IKEA seine Kunden duzt, dürfte aus der schwedischen Erfahrung gespeist sein. Das „Ni“ wurde sehr viel formeller wahrgenommen als das „Sie“ im Deutschen. Da bot sich in den Sechzigern die Verbrüderung mit Verwendung des „Du“ wie von alleine an. Allerdings wird neuerdings das „Ni“ wieder entdeckt. Die Ausgabe 89 der Sprachnachrichten hatte das Duzen zum Thema. (badische-zeitung.de, vds-ev.de)
2. Gendern
Gendersternchen in der Schweiz chancenlos
Der Bund lehnt Gendersternchen und dergleichen ab, die Bundeskanzlei überarbeite den Leitfaden zur geschlechtergerechten Sprache, schreibt die NZZ. Mehrere Kantone hätten sich bereits dieser Sichtweise angeschlossen. Eine Sprache, die alle anspricht und niemanden ausschließt, sei zwar wichtig, hieß es vom Bund, „… dennoch seien ‚typografische Mittel‘ wie der Genderstern, der Genderdoppelpunkt, der Gendergap und der Gender-Mediopunkt nicht dazu geeignet, diesem Anliegen gerecht zu werden.“ Ende des Jahres soll die aktualisierte Version des Leitfadens veröffentlicht werden. (nzz.ch)
Schon kompliziert genug
Gendersprache ist nichts für Anfänger. Gendersternchen oder missverständliche Partizipien kommen zwar in den alltäglichen Massenmedien vor und finden sich in Schreiben von Behörden. Im Deutschunterricht für Ausländer wird das Thema meistens ausgeblendet. In Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache erfahren nur fortgeschrittene Schüler, was es damit auf sich hat. Der Ernst-Klett-Verlag sagte dem Spiegel: „… nicht laut lesbare Formen wie Unterstrich, Sternchen, Binnen-I oder Gendergap“ würde man vermeiden, um eine gute Lesbarkeit zu gewährleisten. Man müsse „es nicht noch komplizierter machen, als es für Nichtmuttersprachler eh schon ist“, sagte eine Sprecherin der Volkshochschulen. Nur beim Goethe-Institut behauptet man: „Unsere Erfahrung ist: Wer unregelmäßige Verben gemeistert hat, der versteht auch schnell, was ein Gendersternchen bedeuten soll.“
Klar, die Kursteilnehmer sind sicherlich begeistert, wenn die bereits erlernten Flexionsformen der Substantive von einem Sternchen über den Haufen geworfen werden. (spiegel.de)
Wie der Standard des Deutschen verloren geht
Der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg beklagt in seinem Artikel in der Welt die „Zerstörung des Deutschen“ durch die Gendersprache. Wider den mehrheitlichen Willen der Gesellschaft werde die Gendersprache durchgesetzt und als politisches Ziel instrumentalisiert. Als Gegenargument werde zwar angebracht, dass laut Umfragen zwei Drittel der Gesellschaft gegen das Gendern seien und die Sprachgemeinschaft daher doch selbst über den Gebrauch gegenderter Sprache entscheiden solle – zu kritischer Reflexion führe dies allerdings nicht. Stattdessen gebe es ständig neue „Erfolgsmeldungen“ über den Beitritt weiterer Zeitungen, Zeitschriften, Vereine und Institutionen aller Art zur Genderbewegung. Dabei sage das Gendersternchen gar nichts aus: „Der Stern in Lehrer*innen macht nichts sichtbar als den Stern, ein Zeichen ohne sprachliche Bedeutung. Alles Weitere sind Zuschreibungen, die durch nichts Sprachliches fundiert sind“, so Eisenberg. Die Gendersprache führe dazu, dass der Standard des Deutschen mehr und mehr verloren gehe. (welt.de, Bezahlschranke)
Gender-Zwang an Berliner Grundschulen
Eine Lehrerin berichtet in der Welt von Gendervorgaben an Berliner Grundschulen. Als Referendarin wurde sie angehalten, Arbeitsblätter für ihre Schüler sowie Studienarbeiten zu gendern, andernfalls wurde mit dem Durchfallen gedroht, heißt es. Sie habe sich daher immer umstellen müssen, sobald Ausbilder in den Unterricht kamen: Ein unbeschwertes Unterrichten der Kinder sei so nicht möglich. Zumal die Kinder müssen sich jedes Mal neu anpassen, wenn sie eine Sprache spricht und schreibt, die ihnen im alltäglichen Leben „total unbekannt“ sei. Der Druck auf sie sei immens gewesen, die Anweisungen seien nicht diskutabel, hieß es von den Seminarleitern. Die Berliner Senatsverwaltung teilte auf Anfrage mit, die Seminarleiter hätten sich an die Geschäftsordnung des Landes zu halten, welche die sprachliche Gleichbehandlung von Mann und Frau vorsieht. Dazu gehörten geschlechtsneutrale Begriffe oder die Nennung beider Geschlechter. Zu der Frage, wie es sich mit der Androhung, durch die Abschlussprüfung zu fallen, verhält, äußerte sich der Senatssprecher nicht. Die Lehrerin bemängelt zudem, dass sich das Gendern nicht in der Lebensrealität der Kinder wiederfinde – diese hätten ganz andere Probleme: Wenn Kinder nicht auf Klassenfahrten mitfahren könnten, sei es wegen Geldproblemen der Eltern oder weil sie aus einem arabischen Elternhaus kommen, das häufig die Bildung der Mädchen niedriger gewichte. Das schlage deutlich stärker im Bildungsbereich durch. „Eine Zwölfjährige muss sich um den Haushalt kümmern, hat kaum Zeit für Hausaufgaben“, so die Lehrerin, „Was hilft es diesem Mädchen, wenn ich gendere?“ (welt.de, Bezahlschranke)
Akademisch abgehoben…
Achtung Fäkalausdrücke! Der Komiker Ingo Appelt schimpfte in einem Interview mit der Berliner Zeitung über die Gendersprache. Er war eigentlich kaum zu beruhigen: „Hör mir auf damit, das ist doch furchtbar. Das ist eine akademische, abgehobene Kacke!“ Die Liste bekannter Leute wird immer länger, deren Werkzeug des Berufes die deutsche Sprache ist. Darin sehen sie sich durch die Gendersprache eingeschränkt. (bz-berlin.de)
3. Unser Deutsch
*innen
Dies ist zugegebenermaßen kein Wort, sondern nur eine Endung. Man findet sie 570-mal in dem Bundestagswahlprogramm der Partei Bündnis 90/die Grünen. Alle Personenbezeichnungen, die dort vorkommen, werden gegendert: Am häufigsten findet man Bürger*innen, dann Akteur*innen, Verbraucher*innen und Patient*innen. Aber auch seltenere Wörter werden nicht verschont wie Kindersoldat*innen oder Junglandwirt*innen. Kurios sind die Imam*innen in der patriachalischen Welt des Islam.Dagegen bleibt Juden und Christen das Gendern erspart. Sie müssten Jüd*innen und Christ*innen heißen.
Welche Bedeutung hat dieser programmatische Vorstoß in einem Wahlprogramm, also einem Text, der um Wählerstimmen wirbt? Ich sehe darin ein Modell, wie sich die Grünen die künftige deutsche Sprache vorstellen. Es soll endlich ‚Geschlechtergerechtigkeit‘ auch in der Sprache zum Ausdruck kommen.
Was ist dagegen einzuwenden? Aus der Vielzahl von Gründen hebe ich drei hervor. Erstens: Das Sprachgefühl protestiert gegen die Verletzung von Rechtschreibung und Grammatik. Die feminine Endung -in/-innen signalisiert: Das Wort bezeichnet eine weibliche Person. Nun soll dies generell für weibliche und männliche Personen gelten. Damit wird ein generisches Femininum erfunden, um das generische Maskulinum in unserer Sprache zu ersetzen. Das Gendersternchen soll diese Umdeutung signalisieren. Wörter wie Bäcker, Schüler, Verbraucher, die Berufe oder soziale Rollen bezeichnen, ohne Bezug auf ein biologisches Geschlecht, sollen zu Bäcker*innen, Schüler*innen und Verbraucher*innen werden. Die Singularformen sehen dann so aus: der/die Bäcker*in. Und im Kontext heißt es zum Beispiel: Ein/eine Ärzt*in, der/die mich aufsucht. Der Artikel steht in Kongruenz mit dem Bezugswort.
Besonders abwegig ist es, diese Gender-Formen auch in Zusammensetzungen aufzunehmen wie in bürger*innennah oder Bürger*innenrechte. Denn als Bestimmungswort hat Bürger nur noch semantische Funktion. Die grammatischen Kategorien Genus, Kasus und Numerus sind hier neutralisiert.
Als Zweites ist festzuhalten, dass die Grammatik einer Sprache nicht einfach umgemodelt werden kann. Das wäre ein Sprachdiktat, wie es in der deutschen Geschichte nur in der Nazizeit und in der DDR versucht wurde. Sprachwandel, auf den die Gender-Befürworter immer verweisen, ist in der Regel ein Prozess, der Jahrhunderte in Anspruch nimmt. Nur im lexikalischen Bereich, der Wortbildung, dem Bedeutungswandel und der Entlehnung, geht er schnell.
Und schließlich sei gefragt: Was bringt eigentlich das Gendern für die Gleichstellung von Frauen und Männern, für Krankenschwestern, Putzhilfen, Altenpflegerinnen? Die Fortschritte der letzten Jahrzehnte wurden ohne Sprachdiktat erzielt. Offenbar geht es hier vor allem um ideologische Symbolpolitik. Davor müssen wir unsere Sprache schützen.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e.V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Wahl zum Jugendwort des Jahres
Seit Anfang der Woche kann für das Jugendwort des Jahres 2021 abgestimmt werden. Zur Wahl stehen Begriffe wie Sheesh (Ausdruck des Erstaunens), wild/wyld (krass), cringe (peinlich, Fremdscham) oder sus (verdächtig). Der Ausdruck sus stammt ursprünglich aus dem beliebten Online-Spiel Among Us. Dass viele Anglizismen dabei sind, ist keine Überraschung. Das Verhältnis ist jedoch relativ ausgeglichen, denn auch Wörter wie akkurat (Zustimmung signalisierend), Digga (Freund, Kumpel) und papatastisch (fantastisch, schön) haben es in die Liste der zehn beliebtesten Jugendwörter geschafft. Der Begriff Geringverdiener ist außerdem dabei, der als scherzhafte Beleidigung für Verlierer verwendet wird. Überraschend scheint das Wort Mittwoch. Es erfreut sich seit der Verbreitung eines Memes großer Beliebtheit, in dem ein Frosch mit den Worten „Es ist Mittwoch, meine Kerle“ auf den Wochentag hinweist. Eine Meme ist ein kleiner Medienbeitrag, der über das Internet verbreitet wird, beispielsweise eine prägnante Textaussage in einem Bild. Bis zum 13. September kann für das Jugendwort des Jahres abgestimmt werden. Aus den drei bestplatzierten kann dann erneut ein Favorit gewählt werden. Am 25. Oktober wird schließlich das Jugendwort des Jahres verkündet. (tagesspiegel.de)
5. Denglisch
Denglisch im Wahlprogramm
Während die Grünen ihr Wahlprogramm bekanntermaßen durchgegendert haben, setzt die FDP auf Anglizismen. So ist etwa die Rede vom Midlife-BaföG, also einem Weiterbildungskonto, sowie vom German Dream, womit Zuschüsse für Kinder aus Geringverdiener-Familien gemeint sind. Des weiteren sollen MakerSpaces (Kreativzonen mit digitalen Medien) und FabLabs (offene Werkstätten) etabliert werden. Auch Lerndaten sollen ausgewertet werden, was im Programm als Learning Analytics beschrieben wird. (br.de)
6. Termine
Donnerstag, 19. August, Region 41/ 47 (Mönchengladbach, Neuss, Viersen/ Duisburg, Moers, Krefeld)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Café Extrablatt, Markt 11-15, 41460 Neuss
Sonntag, 29. August, Region 44/59 (Dortmund, Kamen, Unna)
Jazzfrühschoppen auf dem Sprachhof
Zeit: 11:00 Uhr
Ort: Hohes Feld 6, 59174 Kamen
Dienstag, 31. August, Region 57 (Siegen)
Vortrag von Birgit Kelle: Gender Mainstreaming. Eine irre Ideologie und ihre Hintergründe
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Siegerlandhalle, Koblenzer Str. 151, 57072 Siegen
Donnerstag, 2. September, Region Benin
3. Ausgabe des Nationalgedichtwettbewerbs in Benin
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Alina Letzel, Asma Loukili, Dorota Wilke