Bild: Susanne Krekeler / pixelio.de
1. Presseschau
Schlagzeile des Jahres
Angestauter Fan-Frust und Fußball-Bosse, die Kritik nicht hören möchten – der Ärger bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern beschert der Süddeutschen Zeitung die „Schlagzeile des Jahres 2021“. Mit ‚Katarstimmung beim FC Bayern‘ haben die Podcast-Macher von Und nun zum Sport einen prägnanten Titel gewählt, der die Fan-Stimmung und die humanitären Problem im WM-Land eindrucksvoll aufgreift. „Ein Buchstabe – und aus einer unspektakulären Enttäuschung wird eine umfassende Darstellung rund um finanzielle Unterstützung, unschuldige Tote und eine generelle Einstellung zu einer WM, in der es nur um Geld zu gehen scheint, aber nicht um den Sport oder die Fans“, sagt Prof. Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache (VDS). Platz 2 ging an ‚Österreich nach dem Kurz-Schluss‘ (Welt am Sonntag, 5.12.2021 / Rücktritt des österreichischen Kanzlers Kurz). Knapp dahinter mit nur einem Punkt Abstand wählte die Jury die Schlagzeile ‚Kapitolverbrechen‘ (Süddeutsche Zeitung, 8.1.2021 / Sturm auf das Kapitol in Washington D. C.). Den 4. Platz teilen sich ‚Die Aufschneider‘ (Cicero, 19.2.2021) und ‚Testlos glücklich‘ (Augsburger Allgemeine, 23.6.2021) – beides Schlagzeilen, die sich mit dem Thema Corona beschäftigen, das auch 2021 die Medienlandschaft dominiert hat. Auch Platz 5 hat das Thema Corona: ‚Spritztour nach Moskau‘ (Stern, 17.4.2021) begleitet einen Mann, der wegen des Impfstoffmangels Anfang 2021 in Deutschland nach Moskau reist, um sich dort impfen zu lassen. Obwohl die Corona-Pandemie das vorherrschende Thema der Medien in diesem Land war, war sie bei den Vorschlägen zur Schlagzeile des Jahres 2021 eher unterrepräsentiert: Nur 13 der eingegangenen 80 Vorschläge hatten damit zu tun. „Die Menschen sehnen sich nach zwei Jahren Pandemie wieder nach mehr Normalität – vermutlich waren die Schlagzeilen, die unseren Einsendern auffielen, deswegen eher auf andere Themen bezogen“, spekuliert Krämer. (rvr.ruhr, vds-ev.de)
Malu Dreyer findet Gender-Doppelpunkt gut
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat sich in Sachen Gendern für den Doppelpunkt ausgesprochen. „Ich finde den Doppelpunkt super. Das spricht sich viel besser“, sagte sie der dpa. Alle Menschen sollten sich im Sprachgebrauch angesprochen fühlen, auch diejenigen, die bei der Unterscheidung von Mann und Frau keinen Platz für sich finden. Sie will daher mit der Landtagsverwaltung einen Leitfaden erstellen, der einen einheitlichen Gender-Sprachgebrauch für alle Dokumente einführt. (volksfreund.de, zeit.de)
Hundegehirne können Sprachen unterscheiden
Nicht nur Menschen können Sprachen unterscheiden, auch bei Hunden zeigt das Gehirn verschiedene Aktivitätsmuster, je nachdem ob die gehörte Sprache vertraut ist oder nicht. Forscher der Eötvös Loránd Universität in Ungarn fanden dies heraus, indem sie 18 verschiedene Vierbeiner in einen Gehirnscanner legten. Im primären auditorischen Kortex, welcher Klänge verarbeitet, konnte beobachtet werden, dass die Hunde zunächst zwischen sprachlichen und nicht-sprachlichen Lauten und Klängen unterscheiden konnten. Bei genauerer Untersuchung des sekundären auditorischen Kortex kam heraus, dass sie auch zwischen den ihnen bekannten und unbekannten Sprachen unterscheiden können. Die ungarischen Forscher erklären diesen Befund dadurch, dass Hunde im Laufe ihres Lebens mit Menschen auch die auditiven Regelmäßigkeiten der Sprache aufnehmen. Vor allem ältere Hunde wiesen diese Eigenschaft auf. Das Unterscheiden von Sprachen ist also nicht beschränkt auf den Menschen. Es bleibt jedoch weiterhin offen, ob auch andere Tierarten diese Fähigkeit besitzen. (wissenschaft.de, science.orf.at)
„Eigenverantwortung“ zur Floskel des Jahres 2021 gewählt
Nach der Wahl zum Unwort des Jahres im Dezember 2021 wurde von Sprachkritikern ein weiterer Negativpreis verliehen. Seit 2014 macht das sprach- und medienkritische Projekt Floskelwolke auf Phrasen und fragwürdige Formulieren in Nachrichtentexten aufmerksam. Ziel dahinter sei die Sensibilisierung für legitime Begriffe, welche als politische Schlagworte missbraucht werden. Der Begriff „Eigenverantwortung“ wurde im Rahmen dessen zur Floskel des Jahres 2021 gewählt. Die Betreiber des Internetprojekts, Udo Stiehl und Sebastian Pertsch, begründeten die Entscheidung damit, dass der Begriff zwar eine hohe gesellschaftliche Bedeutung habe, jedoch im vergangenen Jahr zunehmend von Impfgegnern übernommen wurde, um ihre Aversion gegen die Coronaimpfung zu rechtfertigen. Die weiteren Plätze belegten u. a. Begriffe wie ‚klimaneutral‘, welches vor allem in der Industrie und im Handel gebraucht wird, jedoch nicht immer hält was es verspricht, und ‚unvorhersehbar‘, welches ebenfalls im Kontext der Pandemie verwendet wurde. Die Zahl der Vorschläge zur „Floskel des Jahres“ sei jedoch im Gegensatz zum Vorjahr gesunken. 2020 erhielten die Betreiber des Projekts noch 178 Vorschläge und wählten den Begriff „Einzelfälle“ (in Bezug auf die Anschläge in Hanau) zur „Floskel des Jahres“. 2021 erhielten die Betreiber lediglich 72 Vorschläge, 10 davon bezogen aufs Impfen. (spiegel.de)
2. Gendersprache
Vom verschwindenden generischen Maskulinum
Der Schriftsteller Navid Kermani befürchtet, dass im Deutschen das generische Maskulinum verschwinden könnte. Er schlägt in seinem Artikel in der Zeit einen Bogen zum Arabischen, das im Koran teilweise beide Geschlechter nennt. Der Grund: Schon im 7. Jahrhundert n. Chr. hatten Frauen laut Überlieferung bemängelt, in der Welt des Koran nicht vorzukommen – er richtete sich nur an Männer, so ihr Vorwurf. Am Anfang der Sure 33:35 werden daher beide Geschlechter genannt: „Siehe, die ergebenen Männer und ergebenen Frauen, die gläubigen Männer und gläubigen Frauen (…).“ In den 1970er Jahren wurde mit der feministischen Lingustik diese Tradition wiederbelebt, vorher sprachen Autorinnen von sich selbst ganz selbstverständlich als Autor. Verständnis hat Kermani für beide Seiten. Selbstverständlich gebe die Grammatik vor, dass ein generisches Maskulinum alle Geschlechter einschließe; dennoch sei auch nachvollziehbar, das Sprache nicht neutral sei, „in ihr bilden sich immer auch gesellschaftliche und politische Verhältnisse ab.“ Und sie befinde sich in einem stetigen Wandel. Dennoch, so Kermani, müsse Sprache pragmatisch sein, „sonst wären keine Verabredungen möglich, keine gesellschaftliche Ordnung, weder Theorien noch Skatabende.“ Menschen sprachlich in ihre Verschiedenheiten aufzuteilen, obwohl man eine Gemeinsamkeit meint, sei kontraproduktiv: „Keine Sprache der Welt nennt jedes Mal alle Geschlechter, wenn von einer gemischten Personengruppe die Rede ist, das wäre für die Alltagssprache zu umständlich und für die Poesie zu sperrig. Das brauchen die Sprachen auch nicht, weil sie das Gesagte und das Gemeinte nicht eins zu eins codieren. Sie sind, so formuliert es der Sprachwissenschaftler Olav Hackstein, ‚tendenziell ökonomische Kommunikationssysteme‘, die durch Implizitheit gekennzeichnet sind: Jeder Hörer versteht, was gemeint ist, obwohl es so eindeutig keineswegs gesagt ist. Sprache funktioniert also auch und gerade durch das, was nicht gesagt, aber von den Hörern mitgedacht wird.“ Daher nehme er Gendern nicht als emanzipatorisch wahr, sondern als eine geistige und politische Regression. Wer glaubt, jedem Angesprochenen durch das Gendern jederzeit gerecht zu werden, lege ihn erst recht auf eine bestimmte Identität fest. Die Sorge, das generische Maskulinum könnte verschwinden, begründet Kermani mit seiner Beobachtung der Gesellschaft: Vor allem jüngere Frauen würden sich in einer direkten Anrede gerne direkt angesprochen fühlen. Das „-in“ am Ende eines Wortes (z. B. StudentIN) erlaubt diese Möglichkeit – und Kermani zieht sie der Partizipkonstruktion Studierende vor. Gleichzeitig würden die Vorzüge des generischen Maskulinums nicht mehr an Schulen gelehrt – daher gehe das Wissen um diese Möglichkeit, sich präzise auszudrücken, schlichtweg verloren. Für die Geschlechtergerechtigkeit habe dies aber keine Vorteile, so Kermani: „Erst in einer gleichberechtigten Gesellschaft müsste man vom generischen Maskulinum nicht mehr abweichen. Umgekehrt bringt sein Verschwinden die Gleichberechtigung keinen Schritt voran.“ (zeit.de)
Frauschaft statt Mannschaft?
Das ZDF Sportstudio hat auf seinem Instagram-Kanal eine Diskussion um das Wort ‚Frauschaft‘ entfacht. Es könne eine gute Alternative zur ‚Mannschaft‘ sein, die beim Sport üblich ist. ‚Frauen-Mannschaft‘ würde damit überflüssig, zumal es eine Gegensätzlichkeit sei. Unter dem Posting fanden sich innerhalb kurzer Zeit über 800 Kommentare, die meisten taten die Idee als absurd ab („Totaler Quatsch“, „Ihr habt sie nicht mehr alle“). „Es ist befremdlich, dass das Sportstudio versucht, auf diese Weise eine Debatte loszutreten, die in Wahrheit niemand führt. Niemand spricht von der ‚Frauschaft‘. Hier haben sich offenbar Journalisten von einer Gender-Ideologie vereinnahmen lassen“, sagte die VDS-Pressesprecherin Dorota Wilke der Bild, „der Begriff ‚Mannschaft‘ drückt verständlich das aus, was gemeint ist: Eine Gruppe von Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Sportlich, politisch oder im Arbeitsumfeld. Das wird auch von jedem so verstanden. Hineinzuinterpretieren, dass dort nur Männer sind, ist ideologisch getrieben. Die Menschen im Land verwenden ihre Sprache ganz unverkrampft.“ (bild.de)
YouTuberin mit Gender-Video
Die YouTuberin Alicia Joe hat auf ihre Kanal eine ausführliche Betrachtung der Genderproblematik hochgeladen. Sie erklärt, welche Methoden aktuell zum Gendern genutzt werden und zeigt auch deren Fallstricke auf. So ergeben sich z. B. im Genitiv Singular oder Akkusativ Plural Probleme: „Das Buch des/der Schüler*s*in gebe ich an die Gruppe von Schüler*n*innen weiter“ zeige deutlich, dass Gendern weder lesbare noch verständliche Sprache hervorbringt. Als mögliche Lösung, dem Gender-Dilemma zu entkommen, schlägt sie vor, sämtliche Movierungen (also die weiblichen/männlichen Ableitungen durch den Suffix) aufzugeben und stattdessen dort, wo eine geschlechtliche Unterscheidung nötig ist, mit Adjektiven zu arbeiten (weibliche Leiche – männliche Leiche; weiblicher Lehrer – männlicher Lehrer). Statt krampfhaft die Sprache zu verändern, so Alicia Joe, sollte lieber das Verständnis in der Gesellschaft gestärkt werden, dass mit einem generischen Maskulinum alle Menschen einer Gruppe angesprochen sind. Dass Sprache Wirklichkeit schaffe, sei nicht korrekt. Heute seien 66 Prozent der Humanmedizin-Studenten weiblich; das sei das Gegenteil von dem, was Gender-Verfechter immer wieder runterbeten – nämlich das beim Wort Arzt, das generisch benutzt wird, die meisten Menschen an einen Mann denken würden. Die Realität straft hier die Behauptung Lügen. Sie nimmt bei der Sprachentwicklung auch die Universitäten und Behörden in die Pflicht, vor allem aber die Medien adressiert sie direkt: „Befasst euch bitte ausgiebig mit der Geschichte, der Entwicklung und der Grammatik der deutschen Sprache, bevor ihr wie wild – teilweise inkonsequent – drauf losgendert, dabei noch ganz viele Sachen falsch macht und somit nur Chaos und Spaltung in der Gesellschaft provoziert.“ In nur knapp drei Tagen ist das Video rund 225.000 Mal aufgerufen worden, die Kommentare (viele davon von Frauen) unterstützen die ablehnende Haltung. (youtube.com)
Mitsprache bei Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Die Bundesländer planen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu reformieren und so zukunftssicher zu machen. Unter anderem soll er digitaler werden und das veränderte Mediennutzungsverhalten aufgreifen. Außerdem stehen die Medienvielfalt und der Pluralismus im Vordergrund, mit denen die Demokratie gestärkt werden soll. Die konkreten Vorschläge, die im die Rundfunkkommission im Herbst 2021 erarbeitet hat, liegen jetzt als Diskussionsgrundlage vor und. Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, sich zu beteiligen, Änderungsvorschläge einzureichen und neue Ideen einzubringen – anschließend soll es weitere Beratungen geben. Eingaben sind bis zum 14.01.2022 über das Kontaktformular möglich. (rlp.de)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
einmachen
Wer kennt heute noch das Einmachen? Kirschen, Beeren, Gemüse, Fleisch, Pilze. Alles wurde in Gläsern eingekocht und für den Winter haltbar gemacht. Im Keller standen lange Regale für das Eingemachte bereit. Wer hat heute überhaupt noch Einmachgläser, dazu Einmachringe und den Einmachtopf ? Diese Art der Haltbarmachung reicht nach Ausweis der Wörterbücher weit ins 17. Jahrhundert zurück. In Kriegszeiten war es unverzichtbar. Vieles wurde auch vor dem Feind vergraben. Eine Revolution des Einmachens bewirkte 1894 Johann Carl Weck. Nach ihm wurden die Einweckgläser benannt, auch das Verfahren hieß nun einwecken. Nach dem Krieg ging diese Praxis weitgehend verloren. Einen Keller mit vollen Regalen an eingemachten Obst, Gemüse, Pilzen sah ich zuletzt in Ostpreußen, als wir den Geburtsort meiner Frau besuchten. In dem Pfarrhaus residierte nun ein katholischer Priester. Stolz zeigte er uns die gefüllten Regale.
Heute wird bei uns längst alles tiefgefroren und in der Mikrowelle wieder aufgetaut. Nur die Zubereitung von Gelees und Marmeladen aus den Früchten des eigenen Gartens sowie den Pilzspaziergängen ist geblieben. Es ist jetzt Hobby, nicht mehr notwendige Vorsorge. Man braucht dazu keine besondere Ausstattung. Auch ehemalige Gurkengläser (gut ausgewaschen) lassen sich benutzen.
Das Verb einmachen animiert, nach anderen Wörtern zu suchen, die mit dem Grundwort machen zusammengesetzt sind. Das Gegenstück scheint ausmachen, doch ist hier meist das Licht gemeint, echte Gegenstücke mit gleichem Objekt sind aufmachen und zumachen (eine Tür, ein Fenster). Ein hübsches Verb ist anmachen mit zugehörigem Substantiv, der Anmache. Und zuletzt fällt uns das Wegmachen oder Fortmachen ein (aus der ehemaligen DDR). Der semantische Kern all dieser Zusammensetzungen ist die jeweilige Zutat, das Präfix oder Adverb, während machen einfach die Tätigkeit liefert, die Verbalisierung. Die meisten dieser Verben gelten als umgangssprachlich. Das ist eine zu Unrecht leicht abwertende Charakterisierung gegenüber der geschriebenen Hochsprache. Tatsächlich ist diese Sprache des täglichen Umgangs der Kern unseres Sprachvermögens, dem die Schriftsprache (auch Literatursprache genannt), sprachgeschichtlich gesehen, erst spät aufgesetzt wurde. Auf diese können wir zur Not verzichten, jene, die Muttersprache, die wir als Kind erlernt haben, macht unser Menschsein aus.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Das Ende des Plattdeutsch
Vergangene Ausgaben des Infobriefs beschäftigten sich bereits mit dem Verschwinden bedrohter Sprachen, zuletzt auch des Berliner Dialekts. Auch diese Woche widmet sich eine Autorin der taz, die Tageszeitung eines vom Aussterben bedrohten Dialekts innerhalb Deutschlands: dem Plattdeutsch. Nele Karsten argumentiert, dass Bilingualität zwar als großes Plus für den Arbeitsmarkt gelte, jedoch sei anscheinend nicht jede Sprache gleich viel wert. Innerhalb Deutschlands gelten Nordfriesisch, Saterfriesisch und Jüttländisch als ernsthaft bedroht. Karsten befürchtet das selbe Schicksal für die Sprache ihrer Heimat Ostfriesland, das Plattdeutsch. Mit dem Aussterben des Dialekts ginge auch die wertvolle kulturelle Vielfalt und Worte wie Appelboom (Apfelbaum), Kook (Kuchen) und Leev (Liebe) verloren. Laut Goethe-Institut sprechen nur noch rund 3 Prozent der Bevölkerung in Deutschland Plattdeutsch. Somit verschwindet der Dialekt immer mehr von der öffentlichen Bildfläche. Auch Nele Karsten bedauert, dass ihr Sprachschatz des Plattdeutschen sich auf einzelne Begriffe beschränkt und sie die Sprache ihrer Großeltern nicht fließend sprechen kann. Neben dem Verlust kultureller Vielfalt gehe mit dem verschwinden einer Sprache auch immer der Verlust von geliebten Erinnerungen einher. (taz.de)
Weltgeist in Weimar
Das Werk von Christoph Martin Wieland (1733-1813) soll 2022 im Zentrum mehrerer Projekte der Klassik Stiftung Weimar stehen. Auf Gut Oßmannstedt, auf dem Wieland in seiner Zeit am Weimarer Hof lebte, wird im September eine neue Dauerausstellung eröffnet. Im Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv startet im Mai die Ausstellung „Wieland! Weltgeist in Weimar‟. Die verschiedenen Projekte sollen vor allem die Wirkung von Sprache und die Möglichkeiten und Grenzen von Verständigung herausarbeiten. (zeit.de)
5. Berichte
Sprache und Krankheit
In ihrem Bericht für Human Resources Manager appelliert die Sprachwissenschaftlerin Simone Burel für die Entstigmatisierung des Begriffs ‚Krankheit‘. Vor allem im beruflichen Kontext werden Menschen, die laut des internationalen Klassifikationssystems für medizinische Diagnosen ICD-10, von der Norm der Gesellschaft abweichen, ausgeschlossen. Burel argumentiert, dass Menschen mit Depressionen, Angst-, Sucht- oder bipolaren Zuständen alle als krank gelten und die verwendete Sprache im Umgang mit diesen Störungen dementsprechend kränkend sei. Dem liege das biomedizinische Verständnis von Gesundheit zu Grunde, welches besagt, dass jeder, der nicht krank ist, automatisch als gesund gelte. Die WHO definiert Gesundheit seit 1946 als „Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“. Simone Burel argumentiert jedoch, dass dieser Zustand ein Ideal sei, welches nur wenige Menschen erfüllen. Auch die Verknüpfung von gesund gleich gut und Leistungsfähig und krank gleich schlecht empfindet sie stigmatisierend, denn dadurch entstehe ein Machtgefälle. Burel spricht sich für eine Neurodiversität in Firmen aus und dass Menschen, die von der Norm abweichen, selbstverständlicher in die Arbeitswelt integriert werden, ohne als krank bezeichnet zu werden. Krankheit sei eben nicht das Gegenteil von Gesundheit. Burel sieht jedoch auch ein, dass die Bezeichnung gewisser Zustände wie Angst-Störungen oder Tourette-Syndrom als Krankheit notwendig sei, um juristisch etwas bewirken zu können, beispielsweise bei Krankschreibung und Lohnfortzahlung. (humanresourcesmanager.de)
6. Denglisch
Hacker-Blase
Der TÜV-Rheinland sucht einen „Senior Penetration Tester‟ bzw. „Ethical Hacker‟, der als „White Hat‟ für die Überprüfung von Kundensystemen verantwortlich sein soll. Solche Fachleute versuchen, in die Rechner-Systeme oder Netzwerke einzudringen, bevor Kriminelle dies schaffen – eine ehrenvolle Aufgabe, sprachlich für Außenstehende aber eher anstrengend. Sicherlich ist das alles fachsprachlich. In der Branche versteht man sich eben. Schade nur, dass der unkundige Internetnutzer überhaupt nicht mehr weiß, wovon die Rede ist. Programmierer und Informatiker werden ihrem Ruf gerecht, dass sie außerhalb ihrer Systeme nicht mehr verstanden werden. Es wird gar nicht mehr der Versuch unternommen, englische Fachbegriffe zu erklären wie „Connected Cars‟ oder „Embedded System Testing‟. Wer nach Beispielen sucht, dass sich ganze Wortschatzbereiche aus der deutschen Sprache verabschieden, kann die Entwicklung hier ziemlich gut beobachten. (tuv.com, get-in-it.de)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke