1. Presseschau
Ausgewanderte Wörter
Der 26. September war der Europäische Tag der Sprachen. Der Europarat hatte ihn erstmals 2001 ausgerufen mit dem Ziel, jedes Jahr Millionen von Menschen in seinen 46 Mitgliedsstaaten und anderen Teilen der Welt für die Förderung der Sprachenvielfalt und des Sprachlernens zu begeistern. In diesem Jahr ist der Tag anscheinend nicht so wichtig, denn auf der zugehörigen Netzseite wird noch immer der Aktionstag des Jahres 2021 beworben. Die Badische Zeitung hat aufgepasst und feiert den Europäischen Tag der Sprache mit einer Vorstellung von Wörtern, die aus dem Deutschen in andere Sprachen entlehnt wurden. So heißt Feuerwerk im Polnischen fajerwerki und in der Türkei fahre man mit seinem Wagen auf die otoban. Zu Wort kommt auch der Sprachwissenschaftler und Journalist Matthias Heine, der gerade ein Buch zu dem Thema veröffentlicht hat. So sei die Schadenfreude durch die Zeichentrickserie „Die Simpsons“ nach Amerika gekommen. Hauptfigur Homer Simpson sei in der betreffenden Sendung begeistert gewesen, als seine Tochter Lisa ihm erklärte, dass die Deutschen einen eigenen Begriff für die boshafte Freude am Unglück eines anderen hätten. (badische-zeitung.de)
(Anmerkung der Redaktion: Englischsprecher verwenden das Wort – gelegentlich sogar in der deutschen Großschreibung – allerdings schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts.)
Holladihiti!
Der bekannteste Ostfriese aller Zeiten hat Einzug in den Duden gefunden – genauer gesagt nicht er selbst, sondern seine Schöpfung: der Ottifant. Der Komiker Otto Waalkes hatte den Elefanten der etwas anderen Art in den 1970ern erfunden und ihm als Namen eine Mischung aus seinem Spitznamen „Otti“ und „Elefant“ gegeben. In Waalkes Heimat Emden steht bereits eine Ottifanten-Statue, jetzt ist das possierliche Tier auch in die Online-Version des Dudens eingezogen. Dort wird es beschrieben als „Figur eines Elefanten, der menschliche Eigenschaften aufweist.“ In einem Instagram-Posting freute sich Waalkes über den Eintrag: „Staaark – mein Ottifant steht jetzt im Duden!“, postete der Ostfriese dazu. Er könne nun immer nachlesen, wie man das Wort richtig schreibe und ausspreche und sogar den Genitiv davon nachschauen. „Ich wusste gar nicht, dass er nen Genitiv hat – den hat er mir nie gezeigt.“ (spiegel.de)
Elsässisch stärker als erwartet
Die Zahl der Elsässisch-Sprecher wächst, das belegt eine Studie des französischen Meinungsforschungs-Instituts Decryptis. Bei einer ähnlichen Studie vor zehn Jahren gaben 43 Prozent der befragten Elsässer an, den elsässischen Dialekt zu beherrschen. Die aktuelle Studie kommt auf 46 Prozent. Das ist noch kein großer Sprung, der Wert mache aber Hoffnung, dass der jahrzehntelange Rückgang der Dialektsprecher gestoppt ist. Gleichwohl ergab die Umfrage, dass Elsässisch eher bei der älteren Generation in ländlichen Regionen verbreitet ist. Immerhin wünschen viele Elsässer ihren Dialekt auch den Kindern und Enkeln weiterzugeben. (dna.fr (Bezahlschranke))
Medialer Sexismus gegen Männer
„Worte können verletzen, sie können beleidigen. Und doch scheint es in Ordnung, wenn Männer in den Medien als ‚unverbesserliche Muttersöhnchen‘ bezeichnet werden. Warum?“ Das fragt Nadine Brügger in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Erkenne man sie schon an ihren Sternzeichen? Brügger zitiert die Süddeutsche Zeitung: „Als Leverkusens Trainer Gerardo Seoane in Berlin zwei 16-Jährige auf den Platz stellte, schrieb man bei der SZ von ‚milchbärtigen Bubis‘.“ Bekanntlich sind sexistische Bezeichnungen bei Frauen nicht in Ordnung, bleiben aber bei Männern gänzlich ungestraft. Das „dürfte an den noch immer geltenden gesellschaftlichen Normen liegen, die auch im Jahr 2022 dazu einladen, von ‚einem richtigen Mann‘ zu sprechen. Solange Männer ‚echte Kerle‘ sein sollen, braucht es als Gegenstücke ‚Bubis und Weicheier‘. Es wäre an der Zeit, damit aufzuhören“, findet Brügger. (nzz.ch (Bezahlschranke))
2. Gendersprache
Offensives Gendern an Schulen
Der SWR berichtet über eine Lehrerin an einem Gymnasium, die im Unterricht gendert. Die Nutzung der Genderpause begründet sie damit, dass sie niemanden diskriminieren wolle: „Wir haben viele Schüler_innen, die tatsächlich auf einen zukommen und sagen: Ich möchte nicht, dass man mich ’sie‘ nennt, auch wenn ich vielleicht aussehe wie ein Mädchen.“ Die Lehrerin lässt sich offenbar nicht vom Kultusministerium daran hindern. Dieses hält sich an den Rechtschreibrahmen des Rechtschreibrates, der Binnen-„I“s und Gendersterne nicht vorsieht. Unterstützt wird sie in ihrer Meinung von Jakob Jung, dem Vorsitzenden des Landesschülerbeirats. Er behauptet, es gäbe nur 20 oder 15 Prozent, die das Gendern „nicht gut finden“. Gendern als Fehler anzustreichen sei nicht mehr zeitgemäß, so Jung. Er erwartet, dass sich der Rechtschreibrat und das Kultusministerium Baden-Württemberg für die Zulassung des Genderns einsetzen. Sabine Krome, Geschäftsführerin des Rechtschreibrats, sieht solche Forderungen skeptisch. Man beobachte die Sprachentwicklung und sei sich des Streits an den Schulen bewusst. Doch Gendern sei problematisch, wenn es um das Deutschlernen geht: „Also für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Menschen mit Migrationshintergrund. Und wenn man solche Formen zulässt oder empfiehlt, schließt man auch gleichzeitig bestimmte Gruppen aus der Schreibgemeinschaft aus“, so Krome. Sprache müsse verständlich, eindeutig und gut lesbar sein, sagt sie, das sei mit Genderschreibweisen nicht mehr erfüllt. (swr.de)
Siehe dazu auch den Kommentar „Linientreu“.
Frauen im „Männerverein“
Auch Frauen dürfen in einem Männerverein Sport machen. Was klingt wie eine Schildbürger-Posse, war jetzt aber Thema auf der Jahreshauptversammlung des Männerturnvereins (MTV) 1846 Gießen, schreibt der Gießener Anzeiger. Der Antrag zur Namensänderung in „Mittelhessischer Turnverein“ kam von Daniel Zschätzsch, dem stellvertretenden Leiter der Fechtabteilung. Der ausgeschriebene Vereinsname „Männerturnverein“ habe auf ein junges Mädchen irritierend gewirkt: „Wir wollen keine potenziellen Mitglieder, vor allem Mitgliederinnen abschrecken, unserem Verein beizutreten. Wollen wir ein Wertebild aus dem 19. Jahrhundert beibehalten?“ Der ehemalige Vorsitzende Walter Müller lehnt diese Sichtweise ab: Der Verein setze sich seit jeher gegen Diskriminierung und Benachteiligung ein, das stehe schon allein in Paragraf 1 der Vereinssatzung. Gleichheitsfanatiker bedienten derzeit den allgemeinen Trend. „Nur aus dem Zeitgeist heraus eine Namensänderung vorzunehmen, halte ich nicht für angemessen“, so Müller. Am Ende stimmten 26 der 64 anwesenden Mitglieder für den Antrag, 30 dagegen – damit war die Namensänderung vom Tisch. (giessener-anzeiger.de)
Frankreich: Autorinnen bleiben Autoren
Zahlreiche bekannte französische Autorinnen lehnen die Feminisierung ihres Berufs ab, berichtet Le Figaro. Zu Wort kommen in der Zeitung Éliette Abécassis, Nathalie Heinich, Hélène Carrère d’Encausse und Andrea Marcolongo. Abécassis nennt den Kampf um das Gendern „lächerlich“, jeder könne sich ohne Unterscheidung des Geschlechts „Autor“ (frz. auteur) nennen. In Deutschland läuft noch bis Januar eine von Frauen initiierte Petition, neben vielen anderen unterstützt von der Schauspielerin Gabriele Gysi, der Literaturwissenschaftlerin Elvira Grözinger und der Islamwissenschaftlerin Nasrin Amirsedghi. Die Petition soll belegen, dass Bedenken gegen die Gendersprache keineswegs nur von Männern stammen. (lefigaro.fr (Bezahlschranke), openpetition.de)
Roland Kaiser befürwortet Gendern
Im Interview mit t-online befürwortet Schlagersänger Roland Kaiser das Verwenden von Gendersprache. Laut Kaiser müsse Sprache „korrigiert“ werden, da „manche Begriffe und Redewendungen hunderte Jahre alt“ seien. Er bezieht sich in seinen Aussagen auch auf ältere Generationen und beschreibt, es sei für sie ein „wichtiger Lernprozess“. Er selbst bevorzuge statt Sprechpause beim Verwenden des Gendersternchens allerdings die Doppelnennung, wie beispielsweise „Zuschauerinnen und Zuschauer“. Kaiser betont, dass er im stetigen Austausch und Diskurs mit seinen eigenen Kindern stehe, um neue sprachliche Umgangsformen zu lernen. (rollingstone.de)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Nur mitgemeint
Dieser Ausdruck ist das beliebteste, das eingängigste und auch erfolgreichste Klagelied der Feministen. Es ist ein Narrativ, eine Erzählung für jedermann. Sie passt vorzüglich in die allgemeine große Bewegung für die Gleichstellung der Geschlechter, in die Klage über ungleiche Besoldung, zu wenige Vorstandsposten in der Industrie, zu wenige Professorinnen und so weiter. Nur mitgemeint heißt bei maskulinen Personen- und Berufsbezeichnungen soviel wie ‚Frauen sind nicht unmittelbar, nur sekundär angesprochen, ein Anhängsel‘. Nur mitgemeint sei eine versteckte sprachliche Benachteiligung, die man beseitigen muss wie die Ungleichheit im Beruf.
Nur wenige Verteidiger des generischen Maskulinums unter den Linguisten haben das gefährliche Potential dieses Ausdrucks erkannt. Gehen wir der Frage noch einmal nach und beginnen beim grammatischen Genus im Tierreich. Ist der Enterich im Wort die Ente nur mitgemeint? Denken wir bei Ente unwillkürlich an einen weiblichen Vogel, auch bei der Kröte an einen weiblichen Frosch? Und ist ein Hase andererseits immer ein Hasenmann, die Häsin nur mitgemeint? Und was ist mit Reh und Rhinozeros, den wenigen Neutra unter den Tieren? Haben sie gar kein Geschlecht? Sind sie vielleicht divers? Jetzt stellt sich die Frage: Warum sind bei Ente und Kröte die männlichen Exemplare nur mitgemeint, bei Frosch und Hase die weiblichen Tiere? Bei den einen gilt offenbar das generische Femininum, bei den anderen das generische Maskulinum. Die Tierwelt verrät uns, dass das grammatische Genus mit dem biologischen Geschlecht garnichts zu tun hat. Das Mädchen, das Weib – warum keine Feminina? Wird –chen oder –lein zur Verkleinerung angehängt, wechselt das Genus zum Neutrum, die Frau wird zum Fräulein, der Mann zum Männlein. Das hat bisher niemanden gestört.
Mit dieser Einsicht in die Grammatik können wir jetzt auf die Streitpunkte eingehen, auf die vielen Personen- und Berufsbezeichnungen mit maskulinem Genus. Hier ist die Sache zugegebenermaßen etwas komplizierter. Denn wir können mit den Wörtern Apotheker, Polizist, Nachbar ganz generell ein Mitglied dieser Berufsgruppe oder dieser Menge bezeichnen, zum Beispiel in der bekannten Wendung Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt oder Apotheker. Dies ist der übliche Gebrauch, in dem das biologische Geschlecht ausgeblendet ist. Daneben, kann aber auch, als zweite Lesart, ein einzelner männlicher Apotheker, Polizist oder Nachbar gemeint sein. Gestützt wird diese Lesart auch durch die movierten Formen Apothekerin, Polizistin usw. für weibliche Personen. Insofern ist Gleichheit bereits in unserer Grammatik verankert. Das eine nennen wir die generische, also die geschlechtsunabhängige, das andere die spezifische Verwendung. Feministen beklagen diese Mehrdeutigkeit und wollen die generische Verwendung solcher maskulinen Wörter loswerden. Sie drehen den Spieß um, indem sie die explizit feminine Formen Apotheker*in, Polizist*in, Nachbar*in mit einem Stern versehen und damit für generisch erklären. Das widerspricht offensichtlich der geltenden grammatischen Norm des Deutschen. Es ist der Versuch eines Sprachdiktats.
Wo liegt der Ausweg? Ganz einfach. Und das haben viele längst begriffen. Generischer Gebrauch ist unentbehrlich, unter Bezug auf einzelne ist zwischen der maskulinen und der femininen Form zu wählen. Und im Zweifel gilt die Paarformel Bürger und Bürgerinnen. Aber schon rührt sich Widerstand gegen den inflationären Gebrauch solcher Doppelformeln. Wir befinden uns offenbar in der Experimentierphase. Wann generisch, wann spezifisch, wann gedoppelt – das wird sich in der Sprachpraxis entscheiden. Erste Umfragen zeigen Unterschiede zwischen jung und älter, zwischen Frauen und Männern. Die Jungen nehmen es lockerer, die Älteren beharren mit großer Mehrheit darauf, dass die Sprache nicht beschädigt wird. Unter Frauen erfreuen sich Genderstern und Sprechpause einer gewissen Beliebtheit. Gerne ziehen sie das Narrativ ‚nur mitgemeint‘ zur Begründung und zur Rechtfertigung heran. Eine Justizministerin legte sogar ein Gesetz in Genderdeutsch vor. Der Innenminister hat es verhindert. Und die zahlreichen Frauenbeauftragen in Universitäten, in Kommunen und Firmen halten Gendern ohnehin für eine Pflicht. Wird hier eine neue sprachliche Varietät geschaffen, für überzeugte Feministen und ihre Mitläufer, quasi ein Emma-Deutsch?
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
„Woche für Deutsch“ in Belgien
Vom 17. – 22. Oktober 2022 findet belgienweit die „Woche für Deutsch“ statt. Dabei soll das Bewusstsein für Deutsch als Fremdsprache und als dritte Landessprache gestärkt werden. Viele, zumal junge Menschen sollen für die deutsche Sprache begeistert werden. In Bildungs- und Kultureinrichtungen gibt es Veranstaltungen und Aktionen, z. B. erwartet Schüler die Zaubershow „Zauberhaftes Deutsch“, wo ihnen die deutsche Sprache mit Humor interaktiv vermittelt wird. Außerdem gibt es Filmvorführungen, Lesungen und Deutsch-Ratespiele. Veranstaltet wird die „Woche für Deutsch“ vom Belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverband. (wochefuerdeutsch.be)
Promi- und Filmwelt beeinflusst Kindernamen
Eine Studie von Oldenburger Erziehungswissenschaftlerinnen der „Arbeitsstelle für Kinderforschung“ hatte 2015 zeigt, dass Vornamen durchaus eine Auswirkung auf die Bildungschancen von Kindern hätten. „Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose!“ kommentierten sie ihren Fragebogen. Die meisten Kevins in Deutschland sind Ende 20, Anfang 30 und infolge des Kinofilms „Kevin allein zu Haus“ benannt worden. Damals haben Eltern ihre Söhne nach dem frechen Jungen benannt, der allein zu Weihnachten Einbrecher aus dem Elternhaus verjagt. Dass sich das Phänomen gehalten hat, ist spätestens seit der Serie „Game of Thrones“ klar geworden: Plötzlich schossen Aryas, Sansas und Daenerys aus dem Boden. Bei letzterer hatten Eltern in den ersten Staffeln wohl nicht auf dem Schirm, dass sich ihre Rolle zu der einer Tyrannin entwickeln würde, sonst hätten sie vermutlich einen anderen Namen gewählt. Das größte Namensportal der Welt, Nameberry, hat jetzt die Aufsteiger bekannt gegeben. Unter den beliebtesten Namen sind viele, die sich auf Serienhelden oder bekannte Persönlichkeiten beziehen: Royal (aus der Serie „Outer Range“), Zayn (Zayn Malik, Sänger) oder Dua (Dua Lipa, Sängerin). Auch Nori, der Rufname der Tochter von US-Reality-Star Kim Kardashian und Rapper Kanye West, verzeichne ein Plus von 250 Prozent mehr Nennungen. Dass Nori getrocknete Meeresalgen sind, stört viele Eltern bei der Namensgebung offenbar nicht. Auch Dämonen sind kein Hindernisgrund für die Namenswahl: Rang Nummer vier (plus 147 Prozent) belegt Mazikeen. In der Serie „Lucifer“ ist sie die Leibwächterin des Teufels. (schweizer-illustrierte.ch, familie.de)
5. Berichte
Elbschwanenorden für Bastian Sick
Bastian Sick gehört seit vergangenem Freitag zu den Trägern des Elbschwanenordens. Mit dieser Auszeichnung erinnert die VDS-Regionalgruppe Hamburg und Umland an die von Johannes Rist 1656 gegründete Sprachgesellschaft. Mit dem Musiker Achim Reichel, dem Schriftsteller Arno Surminski, dem Leiter des Hamburger Literaturhauses Rainer Moritz oder auch dem Journalisten Peter Schmachthagen und anderen Preisträgern seit 2015 befindet sich Bastian Sick als Förderer der deutschen Sprache in vielfältiger Gesellschaft. Sicks Beiträge findet man in seinen regelmäßig erscheinenden Sprachkolumnen, unter anderem in den VDS-Sprachnachrichten. Die aktuelle Kolumne in den Lübecker Nachrichten betrifft das Thema Gendersprache. Sick sagt, er sei befremdet gewesen, „als die Duden-Redaktion das Wort ‚Mieter‘ in ihrem Online-Katalog plötzlich als ‚männliche Person, die etwas mietet‘ definierte. Das erschien mir diskriminierend, denn nach dieser Definition können Frauen keine Mieter mehr sein.“ In einem gleichberechtigten Nebeneinander von diversen männlichen und weiblichen Formen sieht Sick vor allem eines: „eine Verneigung vor den wunderbaren Möglichkeiten der deutschen Sprache.“ (uepo.de, bastiansick.de)
6. Denglisch
Sprachwandel hautnah
Der Deutschlandfunk (DLF) bietet eine sprachpflegerische Sendung aus dem Jahr 1982 zum Nachhören an, zu finden unter dem Titel „Deutsch für Deutsche“. Vieles, was da als „schlechter Stil“ oder „Sprachdummheiten“ beschrieben wurde, gilt heute als normale Umgangssprache. Man müsse sich damit abfinden, schreibt Annemarie Weber vom DLF, „dass der Duden sich mit allem abfindet, was gebräuchlich geworden ist. Schön wäre es, wenn die Herausgeber in Klammern eine ganz kleine Kritik angebracht hätten: unschön, ungenau oder gespreizt.“ Prominent vorgestellt werden in der Sendung auch Übernahmen aus dem Englischen, zum Beispiel: „Das hatte ich noch gar nicht realisiert“, also in der englischen Bedeutung to realize oder das Adjektiv effektiv in der Bedeutung von wirksam. „Wir sind ja ein Volk von Englischkönnern“ und im Deutschen fehle es an treffenden Ausdrücken, stellten die Autoren der Sendung schon damals mit Augenzwinkern fest. Sie waren sich sicher: „Zu viele Fremdwörter in einem Satz wirken übertrieben und unschön“. (deutschlandfunkkultur.de)
7. Kommentar
Linientreu
Nein, im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) gibt es keine Genderanweisung. Bestimmt nicht. Zumindest wird man in den oberen Etagen nicht müde, das immer wieder zu betonen. Da aber niemand von außen wirklich weiß, wie streng Leitfäden (die dem VDS hier teilweise sogar vorliegen!) wirklich in den Redaktionen durchgesetzt werden, ist es schwer, interne Abläufe zu beurteilen. Was jedoch beurteilt werden kann, ist das Produkt, das dabei herauskommt. Im Fall des SWR-Beitrags zu einer gendernden Lehrerin (siehe oben: „Offensives Gendern an Schulen“) bleibt mehr als ein fader Beigeschmack hängen. Die Redaktion hat grundlegende journalistische Maßstäbe im besten Fall ignoriert, im schlechtesten absichtlich außer Acht gelassen: Der Vorsitzende des Landesschülerbeirats spricht von lediglich 15-20 Prozent, die das Gendern ablehnen. Eine kurze Gegenrecherche hätte schnell ergeben, dass diese Zahlen Humbug sind. Die Ablehnung liegt – je nach Fragestellung und Umfrage-Institut – zwischen 60 und 95 Prozent. Es irritiert, dass ausgerechnet eine Redaktion des ÖRR es versäumt, eine standardisierte Überprüfung der Aktualität von Zahlen vorzunehmen. Auch die falsche Ausgewogenheit fällt ins Auge: Bei einer Ablehnung von durchschnittlich mindestens 3/4 zu einem Thema kommen im Beitrag nicht entsprechend viele Stimmen dieser Position vor; vielmehr ist das Verhältnis genau entgegengesetzt. Die Pro-Gender-Fraktion ist mit drei bzw. vier Stimmen vertreten, die Contra-Gender-Fraktion mit einer. Auch hier wird klar: Ein ausgewogener, informativer Beitrag soll das nicht sein. Vielmehr war der Redaktion wichtig, eine Ideologie mit Argumenten zu untermauern, die in der Bevölkerung nicht vorhanden ist. Statt sich auf „Information und Bildung“ zu konzentrieren, wie es Aufgabe des ÖRR ist, zog man es vor, sich linientreu zu geben und einen Beitrag zu erstellen, der die Wirklichkeit nicht widerspiegelt, sondern sie sich schön redet. (Doro Wilke)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs