Infobrief vom 21. Mai 2023: Eklatante Lese-Schwächen

1. Presseschau

Eklatante Lese-Schwächen

Ein Viertel aller Viertklässler in Deutschland verfehlt die Mindeststandards beim Lesen, so die aktuelle IGLU-Studie, die diese Woche vorgestellt wurde. Damit ist der Anteil der Kinder mit Leseschwierigkeiten sogar noch gestiegen, bei der IGLU-Studie vor fünf Jahren lag dieser bei 19 Prozent. An der Untersuchung des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund haben rund 4.600 Schüler aus 252 vierten Klassen teilgenommen. Sie bekamen Sach- und Erzähltexte und dazugehörige Verständnisaufgaben, die sie am Laptop lösen mussten. Die Forscher befürchten für die Kinder erhebliche Schwierigkeiten in der weiteren Schullaufbahn und das in fast allen Schulfächern. „Wer nicht lesen kann, versteht keine Mathematikaufgaben, findet keinen Zugang zur Geschichte, schon gar nicht zu fremden Sprachen“, sagt Thomas Kerstan in der Zeit. Erneut zeigt sich: Kinder aus bildungsnahen Familien, wo viel gelesen und vorgelesen wird, haben weniger Probleme beim Lesen. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte die Studienergebnisse „alarmierend“. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld, in Europa haben z. B. England und Polen besser abgeschnitten, Frankreich und Spanien hingegen schlechter. Den Spitzenplatz belegt Singapur, Schlusslicht ist Südafrika. Was kann hierzulande unternommen werden? Die Experten sind sich einig, es muss auch in der Schule mehr gelesen werden, dafür muss mehr Zeit verfügbar sein – für mehr Deutschunterricht. (welt.de, zeit.de (Bezahlschranke))


Sibylle Lewitscharoff gestorben

Die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff ist im Alter von 69 Jahren in Berlin gestorben. Lewitscharoff war vor allem für ihren literarischen Wagemut bekannt, sagt Andreas Platthaus in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie habe sich nicht gescheut, gesellschaftliche Tabus anzugreifen, etwa ihre Position gegen künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft. Sie beherrschte verschiedene literarische Genres, darunter Romane, Essays und Theaterstücke. Für ihre Werke wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis im Jahr 1998 und dem Georg-Büchner-Preis im Jahr 2013. Zu ihren bekanntesten Werken zählen „Pong“ aus dem Jahr 1998 sowie ihr Roman „Von oben“ aus dem Jahr 2019. Lewitscharoff zählte auch zu den hundert Erstunterzeichnern des Aufrufs „Schluss mit dem Gender-Unfug“. (faz.net)


Donna Leon gegen Zensur

Die Sprache der Vergangenheit sei als Teil der Geschichte anzuerkennen, fordert die US-amerikanisch-schweizerische Schriftstellerin Donna Leon (Commissario Brunetti) in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Sie hält nichts von der Praxis, Literatur-Klassiker um rassistische Begriffe zu bereinigen, wie dies bei Pipi Langstrumpf geschehen ist, oder wie es vor wenigen Wochen beim Roman „Tauben im Gras“ von Wolfgang Koeppen diskutiert wurde. Die 80-Jährige vergleicht dies mit der Geschichtsklitterung des Kommunismus. (rp-online.de, noz.de (Bezahlschranke))


Mehr Sprachkurse in Geldern

Lange Wartezeiten für Flüchtlinge im niederrheinischen Geldern sind vorbei. Bislang galt die Regel, dass sie nur der Internationale Bund unterrichten durfte. Halis Biter, Inhaber der Sprachschule „Lingua Schola“ berichtet, dass er sich zunächst erfolglos um eine Unterrichtszulassung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beworben habe. Zusammen mit der VHS Kleve könne er nun jedoch Integrationskurse anbieten. Die VHS nutzt dafür die Räumlichkeiten und das Lehrpersonal von Biters Sprachschule. Die Fachbereichsleiterin Deutsch der VHS, Melanie Dekker, betont, eine derartige Kooperation sei bisher einzigartig, und sie werde es bleiben. Die Kurse umfassen sowohl Sprachunterricht als auch Informationen über die deutsche Kultur, Medien und Gesundheit. Die Teilnehmer lernen das Ausfüllen von Formularen und das Verfassen von E-Mails. Durch den Besuch dieser Kurse sollen die Teilnehmer ihre Sprachfähigkeiten verbessern, damit sie im Alltag besser zurechtkommen und sich im Arbeitsmarkt etablieren. (rp-online.de)


2. Gendersprache

Das nächste Gender-Volksbegehren

Auch in Baden-Württemberg entsteht ein Volksbegehren gegen Genderregeln. Der Rechtsanwalt Dr. Klaus Hekking hat es ins Leben gerufen, der VDS und die CDU des Landes unterstützen ihn dabei. Der Inhalt des Volksbegehrens entspreche der Beschlusslage der CDU-Landtagsfraktion, sagte ihr Fraktionschef Manuel Hagel: „Nach meinem Verständnis verordnet man Politik, genau wie Sprache, besser nicht von oben herab, sondern bewegt sich auf Augenhöhe mit den Menschen im Land.“ Privat sei das Gendern jedem selbst überlassen, aber an Schulen, Hochschulen, in der Landesverwaltung sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk solle das amtliche Regelwerk des Rats für deutsche Rechtschreibung angewandt werden, so Hagel. Das Volksbegehren hat zunächst online einen breiten Unterstützerkreis ausgemacht, über 16.000 Menschen hatten auf der Internetseite bereits virtuell unterschrieben. Im ersten Schritt werden jetzt 10.000 traditionelle, handschriftliche Unterschriften gebraucht, die vom Innenministerium geprüft werden. Die Bürger des Landes können sich den Stimmzettel von der Internetseite Stoppt Gendern herunterladen und dem Initiator per Post zuschicken. Im zweiten Schritt müssen dann innerhalb von sechs Monaten zehn Prozent der Wahlberechtigten unterzeichnen – das sind etwa 780.000 Personen. (swr.de, stoppt-gendern-in-bw.de)


Fehlender Respekt für andere Meinungen

Sprache wird immer mehr Opfer von Ideologien. In einem Kommentar in der Welt zeichnet Hannah Bethke ein aktuell eher düsteres Bild der Sprachkritik. Sprache diene heute nicht mehr primär als Ausdrucksmittel, sondern als Mittel der Macht, die eine Gesellschaft formt. „Selbst wer diese Überzeugung nicht teilt, entkommt ihr nicht; denn wer etwa identitätspolitische Sprachregeln ignoriert, trifft unweigerlich eine politische Aussage“, so Bethke. Das zeige sich vor allem beim Gendern, dem ein Dogma zugrunde liege: „Nur wenn wir auch alle gendergerecht sprechen, kann die geschlechtsspezifische Ungleichheit überwunden werden.“ Dabei postulieren Gender-Befürworter, dass es eine generelle Ungleichheit der Geschlechter gebe, die überwunden werden muss. Wer diese Meinung nicht bedingungslos teile, ignoriere sie und sei daher im besten Fall konservativ und rückwärtsgewandt, eigentlich aber rechts und AfD-Anhänger, so wolle es das linke Feindbild, beschreibt Bathke.

Die Ideologie verdränge die Qualität der Ausbildung: „Immer häufiger anzutreffen sind in Deutschland etwa Hochschulabsolventen, die nach abgeschlossenem Studium perfekt gendern, aber nicht wissen, was der Konjunktiv ist“, schreibt Bethke. Gerade die Grammatik sei das Fundament der Sprache: „Wer grammatikalisch nicht mehr sauber trennt zwischen den Ebenen der indirekten Wiedergabe, der Tatsachen und der eigenen Wertungen, vollzieht diese methodisch notwendige Trennung oftmals auch inhaltlich nicht. So wird dann etwa die bloße Wiedergabe einer Position schon als Parteinahme verstanden; oder aber es wird etwas als Tatsache gesetzt, was eine bloße Weltanschauung ist. Und das Gendern – um beim Beispiel zu bleiben – gehört dazu.“ Wo das ideologische Bekenntnis wichtiger sei als das vorurteilsfreie Verstehen eines Textes, sei die Vermischung der analytischen Ebenen eine notwendige Folge. (welt.de (Bezahlschranke))


Willkür gegen Abweichler

Auf die Beschwerde eines Lesers reagierte das österreichische Magazin Konsument mit der Auskunft, dass eine gendergerechte Sprache Voraussetzung für die Förderung durch das Sozialministerium sei. Man habe daher den Weg des Genderns eingeschlagen, hoffe aber weiterhin auf treue Leser. Über diese Sache berichtet Express: „Wird also nicht gegendert, dreht das Gesundheits- und Sozial-Ministerium der Grünen die Förderung ab. Rechtliche Grundlage gibt es dafür freilich keine – schließlich gibt es keine gesetzliche Verpflichtung zum Gebrauch genderneutraler Sprache. Die FPÖ hat eine parlamentarische Anfrage an Bundesminister Johannes Rauch eingebracht.“ Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit dem Magazin Konsument ähnelt insofern dem bundesdeutschen Test der Stiftung Warentest, als er ebenfalls auf Förderung angewiesen ist, um sich durch Verzicht auf Werbung die Fähigkeit zur Objektivität möglichst zu erhalten. (exxpress.at)


Gendern im Schlager?

Die Genderdebatte hat auch die Schlagerwelt erreicht. Auf dem Internetportal schlagerfieber.de betrachtet Peter Vogel die verschiedenen Aspekte der Künstler. Bisher seien Schlager eher konservativ und von traditionellen Geschlechterrollen geprägt. Zudem sei die Hörerschaft eher älter, für viele sei die Diskussion um mehrere Geschlechter nicht nachvollziehbar. Diesen Hörern mit gegenderter Sprache zu kommen, das sei kontraproduktiv. Jüngere Schlagerfans hingegen, die eher poppige Töne mögen, seien „offener“. Sie könnten mit LGBTQ-geprägten Motiven eher angesprochen werden. Davon abgesehen könne eine gendergerechte Textgestaltung als aufgesetzt und im Musikfluss sogar als störend erlebt werden. Wichtig sei ein der Zielgruppe angemessenes Auftreten. Eine ganz andere Frage bleibt indes, wie viel Wirklichkeit in Schlagertexten überhaupt abgebildet werden kann. (schlagerfieber.de)

3. Kultur

Stromlinie gegen Freiheit

Einen lesenswerten Beitrag zur Meinungsfreiheit bringt Alexander Grau in der Neuen Zürcher Zeitung. Wenn alle stromlinienförmig denken, sei die Freiheit zum Ausdruck einer eigenen Meinung nutzlos. Gerade unter den Gebildeten herrsche ein erschreckend homogenes Weltbild. Die Digitalisierung aller Lebensbereiche mache uns nicht autonomer, sondern sie zwinge uns in ein Netz von Daten, Algorithmen und Statistiken. Somit ließen wir zu, „dass sich die Gedanken und Wünsche anderer, denen wir auf Social Media folgen, anfühlen, als wären es unsere eigenen. Sie formen unsere Vorstellungen davon, was es heisst, gesund zu leben, achtsam, ökologisch bewusst und tolerant zu sein“, sagt Grau. Eine rigide Sprachpolitik verschafft dem Ganzen Nachdruck. Sie werde an Schulen und Universitäten, in Medien und Unternehmen zusehends durchgesetzt. „Gewisse Begriffe dürfen nicht verwendet werden. Was nicht gesagt werden darf, das wird mit der Zeit auch nicht mehr gedacht, so das Kalkül dahinter.“ Die Verheißung leuchte am Horizont, „die Vision einer schönen neuen Welt, in der lauter moralisch reine Menschen nur noch moralisch und politisch saubere Gedanken denken.“ Und die Pointe sei: Das empfänden viele nicht als Bedrohung, sondern als Verheißung einer gerechten Gesellschaft. Das Dumme ist nur: Mit selbständigem Denken hat das nichts zu tun. (nzz.ch)


Platt in Wenden

In Wenden, einer kleinen Gemeinde im Kreis Olpe (NRW), hat sich eine Gruppe von Bürgern vorgenommen, das „Wendsch Platt“ wiederzubeleben. Die niederdeutsche, fränkische Mundart mit einem eigenständigen Vokabular habe in jüngster Vergangenheit immer mehr gelitten, nur noch selten wurde sie im privaten Alltag gesprochen. Ein Stammtisch soll das jetzt ändern. Eine Premiere der Idee gab es bereits, weitere Termine sollen folgen. Das Besondere: Der Stammtisch richtet sich nicht nur an ältere Sprecher und Könner der Mundart, sondern vor allem auch an Neulinge, die das „Wendsch Platt“ erlernen möchten oder nur bruchstückhaft kennen. Wenn der Stammtisch gut angenommen wird, soll er auch durch die Lokalitäten der Umgebung „wandern“. (wp.de)


Schwierigkeiten bei Mundart

Die sprachlichen Eigenheiten der Schweizer Mundarten soll ein KI-basiertes Übersetzungsprogramm abbilden, das von der Schweizer Unternehmensgründung „Textshuttle“ vorgestellt wurde. Hannah Krug berichtet auf SRF.ch, dass Übersetzungsprogramme bisher noch Schwierigkeiten haben, Mundarten korrekt zu erfassen und zu übersetzen. In der Testversion des „Textshuttle“ könne man entweder den Berner oder Züricher Dialekt aussuchen, und es lässt sich ebenfalls bestimmen, ob das Programm eine formelle oder informelle Übersetzung herstellen soll. Jedoch schleichen sich immer wieder Fehler bei den Übersetzungen ein. Den hochdeutschen Satz „Das Kind geht zur Schule“ übersetzt das Programm auf Zürichdeutsch mit „Ds Chind gaht zur Schuel“ anstatt „S Chind gaht id Schuel“. Die Ursache liefert das Unternehmen: Das Programm lernt auf Basis vorhandener Sprachressourcen und eigens erstellter Whatsapp-Chats, denn bei den Mundarten gibt es kaum Texte zur einheitlichen Grammatik und Schreibweise. Um die Feinheiten und Nuancen der Mundart korrekt zu erfassen, werden also weiterhin menschliche Übersetzer gebraucht. (srf.ch)


4. Berichte

„Wortreich“ in Sachsen-Anhalt

Gemeinsam mit dem WortWerkWittenberg e.V. und der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft kuratiert die VDS-Regionalgruppe Sachsen-Anhalt die Ausstellung „Wortreich“. Vom 26. Mai bis zum 30. Juni können Besucher im Innenhof der Neuen Residenz zu Halle die Sprach- und Literaturgeschichte Sachsen-Anhalts erkunden. Vor allem im 18. Jahrhundert war Halle ein bedeutsames, geistig-kulturelles Zentrum für literarisch-dichterische Kreise. Die Tour durch die regionale Sprachgeschichte beginnt im Mittelalter und führt über die Neuzeit zu den sprachlichen Entwicklungen der Gegenwart. Themen wie Mundarten, Dialekte, Sprichwörter, aber auch Anglizismen und Gendersprache werden im Rahmen der Ausstellung thematisiert. Während der Ausstellungsdauer wird auf der Bühne im Innenhof der Neuen Residenz zu Halle zudem ein musikalisch-literarisches Begleitprogramm präsentiert. WortWerkWittenberg wird von der Stiftung Deutsche Sprache gefördert.

Weitere Informationen unter: wortreich-sachsen-anhalt.de.


5. Denglisch

Choose France

Was ist denn in die Franzosen gefahren, die das Thema Sprachpflege bekanntlich ernster nehmen als ihre östlichen Nachbarn? Sie haben sich sogar ein Sprachgesetz gegeben, welches dem Französischen in der Wirtschaft und in der Werbung einen Vorzug einräumt. Und jetzt lud ihr Präsident Emmanuel Macron ein zu einem Investorentreffen mit dem Titel „Choose France“ nach Versailles. Gut, es sind vor allem Investoren aus anderen Ländern, die sich dort trafen, unter anderem der Unternehmer Elon Musk. Dieser hat eine eher sachliche Beziehung zur Sprache. In einem Interview sagte er einmal, er halte die menschliche Sprache für einen „Kompressionsalgorithmus beim Denken“, bei dem die Gedanken mit einer „unglaublich geringen Datenrate“ übersetzt werden. Kein gutes Umfeld also, um über den Wert der Sprache(n) zu diskutieren. Aber gerade wegen der Internationalität der Investoren-Veranstaltung wäre es eine vortreffliche Gelegenheit gewesen, auf die starke Stellung des Französischen in Frankreich hinzuweisen. (morgenpost.de, telepolis.de)


6. Soziale Medien

Ärzte mit Grenzen

Wasser predigen und Wein trinken. So kann man das bezeichnen, was die Organisation Ärzte ohne Grenzen jüngst auf ihrem Instagram-Kanal gepostet hat. Dort wurde gezeigt, wie die Arbeit zur Spendensammlung und Spenderaquirierung aussieht. In einem kurzen Film wurde eine Frau vorgestellt, die die Arbeit der Organisation unterstützen will. „Jeder, der gut lebt, soll anderen helfen“, sagt sie. Wie es in den sozialen Medien üblich ist, wird ihr Text untertitelt, damit auch diejenigen ihn mitbekommen, die das Video nicht hören oder überhaupt nicht hören können. Im Untertitel steht dann allerdings: „Jede*r, die*der gut lebt, soll anderen helfen.“ Die Organisation selbst will mit dieser Kommunikation alle Menschen ansprechen, schreibt sie in einem Kommentar, deshalb komme für sie „auch nur eine genderinklusive Sprache in Frage.“ Es könnte erstaunen, dass ausgerechnet eine Organisation, die sich die Überwindung von Grenzen auf ihre Fahnen geschrieben hat, Grenzen durch Sprache setzt und Menschen mit Beeinträchtigungen von der Teilhabe an ihrer lobenswerten Aufgabe ausgrenzt. Diese könnten das sogar als bitter erleben. (instagram.com/VDS)


7. Kommentar

Ein Zusammenhang mit Sprache ist denkbar

Wie wir doch die Sprache lieben! Nicht die eigene, sondern die englische. Wieder einmal soll sie Sprache der Verwaltung werden, oder gleich unsere zweite „Gebärendensprache“. Eine immergrüne, fabelhafte Idee, man müsste sie nur mal zu Ende (bis ganz zu Ende, bitte!) denken, wie man das hinkriegt, und wie sich das im realen Alltag abspielen würde. Wenn den Flüchtlingen und Einwanderern gleich zwei Sprachen fehlen, ein brauchbares Englisch und ein brauchbares Deutsch: im Amt, beim Arzt, am Elternabend, bei der Wohnungssuche, am Arbeitsplatz. Macht nichts, wir sind Kummer gewohnt. Wir haben schon die Rechtschreibreform überlebt, wenn auch mit Schäden, die wir nicht mehr loswerden. Nun sind laut IGLU wieder die Schulen gefordert. Kulturell kriegen die zuständigen Ämter keine Glühbirne gewechselt, aber den Lehrern schreiben sie vor, wie und was sie alles zu tun haben: auch unterrichten, aber höchstens ein Drittel ihrer Arbeitszeit, es gibt schließlich Wichtigeres zu erledigen. Tatsache, das ist nachgewiesen. Bei der Gelegenheit kann man der „Sprache der zu Entbindenden“ getrost die Stunden streichen; die „Muttersprache“ fällt, wie Musik und Kunst, unter das Verzichtbare. Macht nichts, wird eh alles Englisch? Aber bitte aufgepasst, die Grundlage für Englisch ist gutes Deutsch. Sorry, das nur am Rande. In diesem Klima kann man der Sprache gleich noch eines überbraten: die total abstrakte Idee, dass den Frauen Gerechtigkeit zu verschaffen wäre durch sprachliche Sichtbarmachung. Es gibt zwar keinen Beweis, dass Sichtbarkeit die Frauen auch nur einen Zoll voranbringt (und die Diversen schon gar nicht), aber unverdrossen wird gegendert ohne einen Gedanken an die Folgen für die Kinder! Derweil ist ein Viertel der Grundschüler, einschließlich der Biodeutschen, nicht einmal fit für die nächste Schulstufe. Könnte es sein, dass der eine oder andere (einer von denen muss es ja sein) noch nicht so ganz den Zusammenhang zwischen Sprache und Schule verstanden hätte? (Oliver Baer)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

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