1. Presseschau
Rheinlandpfalz als Zungenbrecher?
Der Bindestrich könne weg, meint Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Beim Landesfest in Bad Ems schlug sie vor, auf das Minuszeichen im Landesnamen zu verzichten: „Diese sehr unterschiedlichen Regionen sind sehr stark zusammengewachsen. Also heute könnte man auch den Bindestrich weglassen“, sagte sie bei der Eröffnung des Festes. Allerdings ruderte sie direkt wieder zurück. Der Vorschlag solle nur symbolisieren, wie sich das Bundesland seit seiner Gründung 1946 entwickelt habe. Rheinland-Pfalz war aus Landesteilen verschiedener Herkunft zu einem Bundesland geworden; es besteht aus Regionen, die zuvor entweder zu Preußen, zum ehemaligen bayerischen Regierungsbezirk Pfalz oder zum linksrheinischen Rheinhessen gehörten. (tag24.de)
Dekolonisiertes Russisch
Maria Bobyleva bespricht in der taz den fortbestehenden Sowjetimperialismus in der russischen Sprache. Sie müsse von kolonialen und diskriminierenden Elementen befreit werden, denn die Verwendung der alten Wörter mit kolonialem Bezug verewige hierarchische und imperialistische Strukturen. Laut Bobyleva, die seit März 2022 im lettischen Exil lebt, drückt die russische Sprache eine grundsätzlich kolonialistische Einstellung aus, in der andere Kulturen der Sowjetunion als randständig galten. Zu ersetzen seien zumal die geographischen Begriffe aus der Sowjetzeit, denn sie seien „schlicht imperialistisch und damit falsch“. Einige Beispiele solcher Toponyme seien Weißrussland („Belorussija“), Moldawien („Moldawija“), Kirgisien („Kirgisija“) und Mittelasien („Srednjaja Asija“). Laut Bobyleva solle man stattdessen die Bezeichnungen Belarus, Republik Moldau, Kirgisistan und Zentralasien verwenden. Die alten Wörter müssten ebenso verschwinden wie das Imperium, das sie hervorgebracht habe. (taz.de)
Die Sprache der Bildung für Flüchtlingskinder in Polen
Mit der Online-Lerninitiative „Polski na maxa“ unterstützt der kurdische Einwanderer Deniz ukrainische Flüchtlingskinder in Polen beim Lernen der Sprache ihres Gastlandes. Die Aktion startete in den sozialen Medien. Täglich werden digitale Lektionen hochgeladen und bei Hausaufgaben wird Hilfe angeboten. Die Ocalenie Stiftung unterstützt das Lernprojekt, sie betont, dass derartige Lerninitiativen nicht nur die Sprachkenntnisse der Einwanderer verbessern, sondern auch das Selbstwertgefühl der Kinder stärken. Deniz, der mit seinen Eltern im Alter von acht Jahren nach Polen kam, könne sich in die Lage der Flüchtlinge versetzen und erkenne deshalb Schwachstellen und Probleme der Einwanderer. Mittlerweile erreiche er durch sein Format rund 3.000 Kinder.
Das Hauptproblem besteht darin, dass sich die ukrainischen Kinder praktisch über Nacht der polnischen Lernterminologie anpassen müssen. Das sei nach Auffassung von Experten eine große Anstrengung, die Zeit braucht. Die Sprache der Bildung sei etwas anderes als die alltägliche Verständigung, da gehe es um die Fähigkeit, die Anweisungen des Lehrers zu verstehen und um die Fähigkeit, über Prismen, die Geschichte Polens, über Mitose und Meiose, über Physik, Biologie, Chemie zu sprechen. „Diese Sprache der Bildung wird viel langsamer erworben, Forscher sagen, es braucht 2 – 3 Jahre.“ (de.euronews.com)
2. Gendersprache
Gendern ist antifeministisch
Wer gendert, hofft die als patriarchalisch entlarvte Gesellschaft überwinden zu können, schreibt Anne Meinberg in der Welt. Die Diskussion ums Gendern sei identitätspolitisch geprägt, mit den echten Errungenschaften des Feminismus habe sie nichts mehr zu tun. Die Sprache werde als Machtinstrument verstanden, das zu einer „Transformation“ der Gesellschaft beitragen soll, damit die als „heteronormative Dominanz empfundene Mehrheitsgesellschaft in ein Konglomerat von Kollektiven (aufgeht), die in einem geschlechtlich fluiden Multikulturalismus ihr Wohl und Heil suchen“ und somit überwunden werden könne. „Eine vermeintlich ‚geschlechtergerechte‘ Sprache soll die Bürger dazu erziehen, in diesem Sinne zu leben, zu lieben und zu handeln“, so Meinberg.
Der „alte weiße Mann“ und mit ihm das generische Maskulinum (das fälschlicherweise als männliche Form interpretiert wird) gelte es auszumerzen, beide seien zum Feindbild erklärt worden. Der Unterschied zwischen biologischem und grammatikalischem Geschlecht werde ignoriert, und es werde ein antiquiertes Gesellschaftsbild tradiert, „das Frauen zu (schwachen) Opfern stilisiert, die von einer dominanten Männerwelt unsichtbar gemacht werden sollen.“ Das Geschlechtliche des Menschen werde somit hervorgehoben. Sprachliche Entwicklung folgt jedoch stets einer Ökonomie (das Gewünschte mit geringstmöglichem Aufwand zu erzielen). Diese werde mit Füßen getreten. Die Beidnennung, die zu einer erheblichen Vergrößerung der Textmenge führt, lasse sich nicht durchhalten. Auch die verschiedenen Zeichen (Genderstern, Gender_Gap, Doppelpunkt) würden nicht die Ziele der Gender-Befürworter erfüllen. Tatsächlich mache der Genderstern Frauen eher unsichtbar, weil er ausdrücklich alle Geschlechteridentitäten anspricht. Der Gender_Gap würde Frauen abhängen, wirke der Unterstrich doch wie ein Anhängsel. Der Doppelpunkt verliere seine eigentliche Funktion, nämlich wörtliche Rede einzuleiten oder auf etwas Besonderes hinzuweisen. Stattdessen werde beim Lesen nicht deutlich, ob sich das folgende :in oder :innen auf eine Präposition bzw. eine Ortsangabe bezieht. „Eine weitere Vermeidungsstrategie ist die Verdinglichung von Personen, von Menschen, die aus Ärzten die Ärzteschaft, aus Lehrern die Lehrerschaft oder den Lehrkörper macht. Auch dabei bleibt die Frau außen vor.“
Diesen Widerspruch – die Frauen sichtbar zu machen bei gleichzeitiger faktischer Unsichtbarmachung – würden Gender-Befürworter ignorieren um ihrem Feindbild gerecht zu werden: „Der Feind ist allein das generische Maskulinum, und um dieses zu vermeiden, wird an der Sprache herumgebastelt, bis sie zur Unverständlichkeit verkommt.“ (welt.de (Bezahlschranke))
Unschlüssiger Kleiner Parteitag der CDU
In der vergangenen Woche traf sich die Spitze der CDU zum kleinen Parteitag in Berlin. Ein wichtiges Thema beim Zusammentreffen der Partei war auch die Gendersprache. Ein Antrag des CDU-Verbandes Braunschweig forderte, die Partei solle sich gegen das Gendern in Behörden, Schulen, Universitäten und weiteren staatlichen Einrichtungen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aussprechen. Zwar lehnte die Mehrheit der Delegierten die grammatikalisch falschen Genderformen sowie substantivierte Partizipien ab, zugleich überrascht der Beschlusstext aber auch mit der Ankündigung, die Sichtbarkeit von Frauen in der deutschen Sprache sei anhand des generischen Maskulinums nicht zu verbessern, denn „mitgedacht bedeutet nicht mitgemeint.“ Der in sich widersprüchliche Antrag wurde mit großer Mehrheit verabschiedet. (magdeburger-news.de)
ORF rudert zurück
Dieter Schöfnagel, Obmann des österreichischen Vereins Muttersprache, äußert sich in der Kronen-Zeitung zur Genderpraxis des Österreichischen Rundfunks: „Wohl nicht zufällig hat der ORF knapp vor der Eintragungswoche für das Anti-Gendern-Volksbegehren (19. bis 26. Juni) die Reißleine gezogen und aus seinem Gendersprechleitfaden die ärgsten Giftzähne herausgebrochen: Das deutsche Glottisschlag-Schnackerl mitsamt allen seinen rechtschreibwidrigen Papierformen vom Binnen-I über Gender-Gap und Gender-Stern bis zum Gender-Innen-Doppelpunkt ist für den ORF Geschichte. Aber man soll sich nicht täuschen lassen: Die abwechselnd geschlechtsneutral und geschlechtssensibel genannte Doppelnennung, die etwa Gesetzestexte locker um 18% verlängert und vom Spiegel „Blähdeutsch“ genannt wurde, bleibt uns erhalten, ganz zu schweigen von den ‚ertrinkenden Schwimmenden‘ und den ‚gebärenden Personen‘ des Sozialministeriums. Es bleibt viel zu tun.“ (krone.at)
Kein Anspruch auf Gendern im Saalekreis
Der Landrat des Saalekreises (Sachsen-Anhalt), Hartmut Handschak, hat das Gendern in der Kreisverwaltung per Anweisung verboten. „Es gibt keinen Rechtsanspruch auf geschlechtergerechte Formulierungen“, heißt es in der Mitteilung an die Verwaltung. In den Texten und Veröffentlichungen solle „auf die Verwendung von verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern“ verzichtet werden. „Orthografische und grammatikalische Richtigkeit, Einheitlichkeit und Verständlichkeit von Texten haben gegenüber einer diskriminierungsfreien Sprache eine höhere Priorität.“ Das sei mit dem generischen Maskulinum sichergestellt. Die CDU zog in diesem Rahmen einen entsprechenden Antrag zum Genderverbot wieder zurück, da der Zweck erfüllt sei, und auch die FDP begrüßte die Entscheidung. Christina Kleinert, Dezernentin der Inneren Verwaltung, sagte auf eine Anfrage des Spiegel, man berufe sich auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2018. Demnach gebe es keine gesetzliche Pflicht zu einer vermeintlich gendergerechten Sprache. Wichtig sei, dass die Kommunikation einerseits rechtssicher, andererseits barrierefrei sei – Sonderzeichen wie Sternchen könnten das nicht leisten. Laut MDR soll es aber keine disziplinarischen Maßnahmen geben, wenn sich die Mitarbeiter der Verwaltung nicht daran halten, denn es handle sich um eine Richtlinie. Sie würden in solchen Fällen allerdings „weiter sensibilisiert“ werden, die Richtlinie in ihrer Kommunikation umzusetzen. (spiegel.de, mdr.de)
Innenminister:innenkonferenz
Die diesjährige Innenministerkonferenz (IMK) fand in der vergangenen Woche in Berlin statt. Neben den einzelnen Ministern nahmen Staatssekretäre sowie Vertreter des Bundes teil. Die Innensenatorin von Berlin, Iris Spranger (SPD), übernahm den Vorsitz und ließ im Zeichen der vermeintlichen „Geschlechtergerechtigkeit“ TV-Wände, Blöcke und Kugelschreiber mit der Aufschrift „Innenminister:innenkonferenz“, sowie den Berliner Bären in Regenbogenfarben drucken. Am Inhalt der offiziellen Dokumente habe sich zwar nichts geändert, jedoch legte Spranger Wert darauf, gegenüber Ihren Kollegen und Gästen ein Zeichen zu setzen. Einige der Teilnehmer, wie Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU), kritisierte, dass das Gendern bei der IMK von den eigentlichen Inhalten ablenke und verständliche Worte dadurch verkompliziert würden. (bz-berlin.de)
3. Kultur
Friedenspreis für Salman Rushdie
Der Schriftsteller Salman Rushdie erhält den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Der britische Autor, bekannt für seine kontrovers diskutierten Werke „Die satanischen Verse“ und „Mitternachtskinder“, wird ausgezeichnet für sein Engagement für die Meinungsfreiheit, für den interkulturellen Dialog und den Kampf gegen religiösen Fanatismus und Intoleranz. Obwohl Rushdie seit 1989 in Gefahr lebt, als er vom iranischen Regime als problematisch eingestuft wurde, setze er sich nach wie vor für die Freiheit des Denkens und der Sprache ein. Die Verleihung des mit 25.000 Euro dotierten Friedenspreises findet am 22. Oktober in der Frankfurter Paulskirche statt. (friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de)
Deutschrap als Nachhilfe
Das Nachhilfeinstitut Studienkreis in Flensburg lädt Schüler in den Sommerferien zu einer besonderen digitalen Deutsch-Lektion ein. Zusammen mit dem bekannten Rapper, Musikproduzenten und Pädagogen Danny Fresh wurden sechs Videos produziert, worin er Schülern erklärt, wie sie ihren eigenen Deutschrap-Song verfassen und vortragen können. Dadurch sollen sie nicht nur ihre Sprachkenntnisse verbessern, sondern auch Fähigkeiten stärken, die sie im Deutschunterricht verwenden, zum Beispiel beim Aufbau einer Geschichte oder beim Reimen. Thomas Momotow vom Studienkreis betont, dass den Schülern dadurch besondere Freude am Fach und an der deutschen Sprache vermittelt werde. Deutsch sei eines der meistbelegten Nachhilfefächer. (flensburgjournal.de)
4. Denglisch
Keine Post mehr
Die Deutsche Post wird künftig nur noch den Markennamen DHL Group tragen. Das Unternehmen teilte mit, rund 90 Prozent des Konzernumsatzes aus Geschäften erfolgen unter der Marke DHL, darunter das Paketgeschäft in Deutschland. Nur noch ein Drittel der Beschäftigten sei im ursprünglichen Geschäft, der Zustellung von Briefen in Deutschland, tätig. Konzernchef Tobias Meyer erklärt, dass die Post mittlerweile eines der „internationalsten Unternehmen der Welt“ sei und das solle der Firmenname auch reflektieren. Die drei Buchstaben DHL stehen für die Firmengründer Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn. Die Deutsche Post AG übernahm 2002 den US-amerikanischen Konzern. Seit 2015 waren sie als Deutsche Post DHL Group bekannt. Skeptiker erkennen einen (bisher unbestätigten) Zusammenhang zwischen der Namensänderung und der abnehmenden Bereitschaft, Briefe überhaupt noch zuzustellen. (tagesschau.de)
Amazon: Retourenkauf statt Warehouse
Still und heimlich hat Amazon sein Angebot Warehouse in Retourenkauf umbenannt. Weder auf der Internetseite selbst noch seitens der Pressestelle gibt es dazu eine offizielle Verlautbarung. Allerdings bekamen Kunden eine Art Hinweis auf die Namensänderung. „Wir haben festgestellt, dass der Name unserer Marke nicht sehr klar war. Wir hören zu und möchten in unserem Geschäft das bestmögliche Kundenerlebnis gestalten.“ Daher habe man sich zu der Änderung entschieden. Am Angebot selbst ändere sich nichts, Kunden könnten weiterhin auf der Sonder-Plattform gebrauchte Ware aus Rücksendungen zu einem günstigeren Preis erwerben. (hoerzu.de)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs