Infobrief vom 15. November 2024: Sinkende Sprachkompetenz, sinkende Technikkompetenz

1. Presseschau

Sinkende Sprachkompetenz, sinkende Technikkompetenz

Die Schulleistungsuntersuchung „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS) untersucht seit 2013 alle fünf Jahre die digitalen Kompetenzen von Schülern. Die diesjährige Studie ergab, dass sich die technische Ausstattung der deutschen Schulen zwar enorm verbessert habe, die Medien- und Technikkompetenz der Schüler sich jedoch verschlechterte. Die Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Professor Susanne Lin-Klitzing, erklärt nun, dass die Investition in die digitale Infrastruktur zwar wichtig sei, es jedoch auch auf die Bildungssprache Deutsch ankomme. Dies gelte für alle Schüler aus sämtlichen Schulformen. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse nütze selbst die neueste technische Ausstattung nichts, betont Lin-Klitzing. (news4teachers.de)


Noch mehr Fehler

In der letzten Ausgabe des Infobriefs berichteten wir über Rechtschreibfehler auf Werbetafeln. Nun sorgt ein Verkehrsschild im Landkreis Bayreuth für Spott im Netz. Das Bild des Verkehrsschilds im fränkischen Pottenstein wurde auf der Netzplattform Threads hochgeladen. Insgesamt drei von sechs Ortsnamen seien falsch geschrieben, berichten Nordbayern und der Münchner Merkur. Statt Nürnberg ist auf dem Schild „Nürnebrg“ zu lesen, beim Ort Behringersmühle fehlt das „h“ und bei Weiden in der Oberpfalz wurde der Punkt am Ende der Abkürzung i.d. OPf. vergessen. Das zuständige Bauamt Bayreuth reagierte bereits auf die Entrüstung und den Spott im Netz. Trotz ausreichender Kontrollprozesse handle es sich um einen „menschlichen Fehler“. Das Schild werde demnächst ausgetauscht. (t-online.de)


Digitale Echtzeitübersetzungen

Das Kölner Unternehmen DeepL, welches den gleichnamigen Online-Übersetzungsdienst betreibt, stellt nun ein System vor, das die Übersetzung von gesprochener Sprache in Echtzeit anbietet. Jaroslaw Kutylowski, Gründer des Unternehmens, erklärt, dass DeepL bereits führend in der Übersetzung von schriftlichen Inhalten sei. Das neue System könne nun auch dafür sorgen, dass in Videokonferenzen die Übersetzung gleichzeitig und ohne Verschriftlichung erfolgen kann. Das neue Programm „DeepL Voice“ sei speziell auf gesprochene Sprache ausgerichtet, um bekannte Übersetzungsfehler, Verzögerungen oder Undeutlichkeiten zu vermeiden. (sueddeutsche.de)


2. Gendersprache

Aktionswoche der Volksinitiative gegen die Gendersprache an Unis in Niedersachsen

Die Volksinitiative (VI) „Stoppt Gendern in Niedersachsen“ war diese Woche an den Universitäten in Osnabrück, Hannover, Lüneburg und Braunschweig unterwegs, um Unterschriften zu sammeln und mit Studenten und Mitarbeitern an den Hochschulen ins Gespräch zu kommen. Die Aktionstage haben dazu beigetragen, das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die schwierige Situation der Mehrheit der Genderkritiker an den Hochschulen zu lenken und auch dazu, dass immer wieder mit Genderbefürwortern diskutiert werden konnte. Laut einem der Vertrauensleute stieß die Aktionswoche allerdings an allen Orten auch auf negative, teils gewalttätige Gegenreaktionen.

In Osnabrück versuchten immer wieder Dutzende junge Menschen, mit Lärm, Musik oder Sabotageaktionen die Volksinitiative zu bedrängen und zu behindern. Teilweise bildeten sie Kreise um Mitglieder der Volksinitiative und deren Stände, die verhindern sollten, dass Interessierte überhaupt zu den Mitgliedern der Initiative durchkommen. Dennoch wurden viele Unterschriften gesammelt, so Dr. Achim Sohns, einer der Sprecher der Initiative in Hannover. Auffällig war, dass an allen beteiligten Hochschulstandorten die Polizei für einen ordnungsgemäßen Ablauf sorgen musste, die trotzdem nicht verhindern konnte, dass Material (u. a. Transparente) entwendet und beschädigt wurde. „Ihren ‚Protest‘ drückten die überwiegend aus der linken Szene stammenden Sprach-Ideologen auch durch Sachbeschädigung aus, in dem ein Plakat der Gender-Gegner mit grüner Farbe besprüht wurde. Nach Angaben von Dr. Steffen Grüner, dem Vorsitzenden der Werteunion Niedersachsen, wurde die Sachbeschädigung zur Anzeige gebracht“, schreibt hasepost.de.

In Hannover war die Volksinitiative gleich mit zwei Gruppen an zwei Hochschulstandorten unterwegs. Neben tätlichen Übergriffen gab es aber auch viel Zustimmung und viele Unterschriften von Studenten und Hochschulmitarbeitern sowie gute, ruhige Gespräche mit jungen Genderbefürwortern. Trotzdem kamen in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung lediglich Gegendemonstranten zu Wort, Vertreter der Volksinitiative wurden nicht interviewt.

In Lüneburg war laut Angaben der Veranstalter nach den Erfahrungen der Tage zuvor die Polizei mit mehr Beamten vor Ort. Das sei auch nötig gewesen, heißt es von der VI, denn hier seien mehr gewaltbereite Gegendemonstranten präsent gewesen, die sich Rangeleien mit der Polizei leisteten.

Am letzten Tag in Braunschweig ging es gesitteter zu, berichtet Dr. Alexander Börger, einer der Initiatoren der Volksinitiative: „Es waren rund 50 Leute von der Antifa und aus der Studentenschaft da, die Gespräche waren aber ruhig und unaufgeregt.“

Der VDS verurteilt die Angriffe auf die Volksinitiative. „Die Demokratie wird mit Füßen getreten, wenn Einzelne sich dazu erheben, dem demokratisch legitimierten Mittel ‚Volksinitiative‘ seine Daseinsberechtigung abzusprechen“, sagt der Vorsitzende des Vereins Deutsche Sprache (VDS), Prof. Walter Krämer. (hasepost.de, noz.de (Bezahlschranke), haz.de (Bezahlschranke), vds-ev.de)


Neo-Pronomen als neue Realität?

In einem Kommentar beschäftigt sich Petra Kohse mit Neo-Pronomen. Viele Menschen, die sich als nicht-binär sehen, nutzen sie oder möchten, dass andere sie nutzen, wenn über sie gesprochen wird. Sie selbst sei diesen Pronomen gegenüber zunächst negativ eingestellt gewesen, empfand sie als unnatürlich. Erst ihre Tochter, die selbst nicht-binäre Freunde hat, brachte sie dazu, ihre Sichtweise zu überdenken: „Wie würdest du dich fühlen, wenn x und y (sie nannte enge Freunde) über dich untereinander in der er-Form sprechen würden?“ Kohse beharrte danach nicht mehr auf ihr „‚Recht‘ auf Bequemlichkeit und Gewohnheit im Sprechen“, freute sich stattdessen über die queere Linguistik, in der sie den „Anspruch auf Unbestimmbarkeit, Wandlungsfreiheit, Deutungshoheit“ zu erkennen glaubt. (fr.de)


Elke Heidenreich legt nach

Die Schriftstellerin und Moderatorin Elke Heidenreich äußert sich bereits seit Jahren öffentlich gegen das Gendern. Im Jahr 2021 machte sie im Podcast des Kölner Stadt-Anzeigers ihren Standpunkt deutlich und nannte das Gendern eine „Verhunzung der Sprache“. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) legt die 81-Jährige nun nach und bestätigt, dass sich an ihrer Meinung zum Gendern nichts geändert habe. Das Vergeschlechtlichen der Sprache sei „aufgeblasen und dumm“. Heidenreich betont, dass sie sich nicht auf ihr Geschlecht reduzieren lassen möchte und begrüßt somit das generische Maskulinum: „Ich bin Autor, (…). Ich bin Schriftsteller.“ (hna.de)


Gendersprache für Rennfahrer

In der vergangenen Woche tagte die Formel-1-Kommission in Genf und sprach über die Zukunft des Motorsports. Neben fachmännischen Beschlüssen, wie der Einführung eines Kühlsystems für die Fahrer, wurde jedoch auch beschlossen, das sportliche Reglement der FIA (Fédération Internationale de l’Automobile, der internationale Dachverband der Motorsportvereine) zu überarbeiten, um die Gendersprache einzuführen. Bestimmte männliche Pronomen und weitere „geschlechtsspezifische Ausdrücke“ sollen demnach entfernt und ersetzt werden. Ähnliche Änderungen wurden für die Motorsportkategorien Formel 2 und Formel 3 bereits im letzten Jahr vorgenommen. (motorsport-total.com)

3. Sprachspiele: Unser Deutsch

Von A nach B

Man hört und liest diese Wendung neuerdings öfter. Jemand fragt: Wie komme ich von A nach B? Welcher Zug bringt mich von A nach B? Ein anderer stellt fest: Ohne Auto ist hier schwer von A nach B zu kommen. A steht für den Ausgangspunkt, B für das Ziel. Die Wendung ist Ausdruck unserer ständigen Mobilität. Immer irgendwohin (B), von daheim oder unterwegs (A). Bahn, Flieger, Auto, neuerdings die schnellen elektrischen Fahrräder (Schiffe spielen in unserem Binnenland keine Rolle). Von A nach B ist die abstrakte Formulierung für unseren mobilen Drang.

Auf der Suche nach der Herkunft dieses neuen Ausdrucks tappen wir im Dunkeln. DWDS, das sonst so auskunftsreiche Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, kennt ihn nicht, ebenso wenig Duden und Duden Universalwörterbuch. Vielleicht kommt er aus irgendeiner Fachkommunikation, z. B. dem Reisewesen. Da geht es immer um Start und Ziel, A und B.

Dagegen stößt man im Wörterbuch unter A auf verschiedene andere bekannte Abkürzungen: Das A und O (‚das Wesentliche‘, ‚die Hauptsache‘). A steht für Alpha, den ersten Buchstaben des griechischen Alphabets, und Omega für den letzten. Hier klärt der Büchmann (Geflügelte Worte) auf und verweist aufs das Neue Testament: Offenbarung Johannis 1, 8 (und öfter): „Ich bin das A und O, der Anfang und das Ende, spricht Gott der Herr.“ Offenbar war die Wendung schon in der hellenistischen Zeit geläufig. Die Bibel hat sie uns überliefert. Ähnlich, aber mit anderer Bedeutung, werden Anfang und Ende unseres Alphabets zusammengestellt: Von A bis Z heißt so viel wie ‚Von Anfang bis Ende‘, ‚vollständig‘. Und schließlich wird auch das angeführt: Wer A sagt, muss auch B sagen. ‚wer etwas beginnt, muss es auch fortsetzen (und auch unangenehme Folgen auf sich nehmen)‘. Die Klammer sagt, worauf es ankommt. B steht für den unangenehmen Teil. Das muss sich auch die Ampel-Regierung vorhalten lassen, die Großes angekündigt hat und nun in Not gerät, es zu erfüllen. Große Worte (A) fordern große Taten (B). Mit dem Sagen allein ist nichts gedient. Auch von A nach B hat seine Tücken. Wie bringe ich Munition, Marder und anderes Kriegsgerät dorthin, wo es gebraucht wird? Immerhin bewährt sich hier die Verschwiegenheit der Abkürzungen. Das A und O ist und bleibt es, den Krieg zu beenden, und zwar von A bis Z.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an:horst.munske@fau.de.


4. Kultur

Platt-Autor

Nach der Auszeichnung durch den VDS als Sprachvorbild greift der Nordkurier die Arbeit von Behrend Böckmann auf. Böckmann schreibt seine Texte auf Niederdeutsch und freut sich über die Auszeichnung: „Es ehrt mich, dass nicht nur ich, sondern vor allem unsere plattdeutsche Muttersprache geehrt wurde. Diese Auszeichnung gibt mir auch Kraft, mich weiterhin in Wort und Schrift für den Erhalt des Plattdeutschen einzusetzen.“ Plattdeutsch gehöre zur Mecklenburger Identität, so Böckmann in einem Interview, man könne es beleben, indem man ihm mehr Beachtung in der Öffentlichkeit gibt, z. B. mit plattdeutschen Ortsnamen und Speisekarten auf Platt. Mit Anglizismen könne er nur wenig anfangen: „Besonders ärgerlich finde ich immer, wenn Politiker besonders klug erscheinen möchten, Wörter verwenden, die vielen Menschen unbekannt sind: Bashing, Fake, performen …“ (nordkurier.de)


5. Berichte

Schwerpunkt Schreibenlernen

Wieder einmal konstatiert das FAZ-Feuilleton die mangelnde Lesefähigkeit von Kindern der vierten Klassen und darüber hinaus in deutschen Schulen – u. a. festgestellt durch die IGLU-Studie 2021 (FAZ 8.11.). In die gleiche Richtung geht der Artikel „Kafka und Kaninchen“ von Jürgen Kaube in derselben Ausgabe. Kaube beschreibt, was die Arbeitsgruppe Deutsch in der Schule des VDS schon längst kritisiert: Mehr noch als das Lesenlernen wird das Schreibenlernen im Deutschunterricht vernachlässigt.

„Schüler werden in gutem Schreiben nicht unterrichtet“, meint der Verfasser. Die „Techniken der schriftlichen Äußerung“ würden „als eine Sache von Spezialisten“ behandelt. Bereichsleiter Claus Günther Maas verweist darauf, dass er genau dieses Defizit seit langem in Eingaben und Korrespondenzen mit Bildungspolitikern und Didaktikern anmahnt. Das Thema soll u. a. einen der Schwerpunkte beim geplanten Auftritt des VDS bei der Didacta im Februar 2025 in Stuttgart bilden. Dafür nimmt der Bereichsleiter gerne Anmerkungen, Hinweise und Beobachtungen von Eltern, Pädagogen und interessierten VDS-Mitgliedern entgegen. Nachrichten dazu bitte an: claus.maas@vds-ev.de.


Lesung beim VDS in Leipzig

Am 16. Oktober 2024 trafen sich die Mitglieder der VDS-Region Leipzig zu ihrer Herbstrunde. Gast bei diesem Treffen war der Leipziger Lyriker und Schriftsteller Ralph Grüneberger, mit dem der VDS bereits Lesungen im Rahmenprogramm der Leipziger Buchmesse durchgeführt hat. Er las aus seinem Roman „Herbstjahr”, der die Ereignisse des Wendejahres 1989 anhand der Erlebnisse dreier junger Menschen während und nach der friedlichen Revolution künstlerisch verarbeitet.


6. Soziale Medien

(Verhasste?) WhatsApp-Sprachnachrichten

Bei X (vormals Twitter) schrieb der Nutzer @Marius_Raabe: „Wir sind uns doch einig, dass Sprachnachrichten, z.B. per WhatsApp, die absolute Hölle und Beleidigung für jeden Empfänger sind? Wieso mögt Ihr dann Podcasts? Könnt Ihr nicht lesen?“ Wir haben das Thema aufgegriffen und gefragt: „Wie lang war die längste Sprachnachricht, die ihr mal bekommen habt und seid ihr mit demjenigen noch befreundet?“ Einige Nutzer berichteten von Sprachnachrichten, die teilweise bis zu 20 Minuten lang waren. An Freundschaften änderten sie zwar nichts, dennoch zeigten sich viele Nutzer in ihren Antworten genervt von Sprachnachrichten. @geldburger berichtete sogar: „Ich war aus beruflichen Gründen zur Zusammenarbeit mit jemandem gezwungen, der nur über Sprachnachrichten kommunizierte. Ich habe tatsächlich nach drei Tagen mein Handy in die Ecke geschmissen und brauchte ein neues Display…“ (x.com/vds)


Volksinitiative: Reaktion in den Sozialen Medien auf Angriffe

Die Volksinitiative „Stoppt Gendern in Niedersachsen“ (VI) hatte in dieser Woche eine Schwerpunktaktion an verschiedenen Universitäten durchgeführt. In Osnabrück, Hannover, Lüneburg und Braunschweig waren Mitglieder der Initiative mit einem Infostand angemeldet, um über ihr Anliegen zu informieren und Unterschriften zu sammeln. Vor allem am Montag (Osnabrück) und Dienstag (Hannover) war die Polizei damit beschäftigt, die Gegendemonstranten von der Volksinitiative fernzuhalten, am Mittwoch in Lüneburg hatten die Beamten mit der Erfahrung der Vortage bereits direkt zu Beginn mehr Kräfte im Einsatz. Das Verhalten der Gegendemonstranten, die Material beschmierten, klauten und die Mitglieder der VI teilweise tätlich angingen, haben auf Facebook und Twitter für Unverständnis gesorgt. Auf Facebook schrieb Olaf Teichmann: „Wen wundert’s? Die sogenannten Verfechter von Demokratie und Meinungsfreiheit sind inzwischen intoleranter als jede Randgruppe.“ Auf X kommentierte @Glasmormel: „Naja, die Gut*innen dürfen das natürlich. #Doppelmoral“ (x.com/vds, facebook.com/vds)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

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