1. Presseschau
Sprachbasierter Wirtschaftsindex
Man erinnert sich noch an den (lange Zeit auch juristisch ausgetragenen) Fall, als der ehemalige Vorstandschef der Deutschen Bank Rolf Breuer mit einer Aussage zur Kreditwürdigkeit der Mediengruppe Kirch deren Insolvenz herbeiredete. Besonders im Börsengeschäft müssen Manager häufig aufpassen, was sie sagen. Ein falscher Satz kann Milliarden kosten.
Nun wurde ein neuer Wirtschaftsindex vorgestellt, der die Stimmung in den Chefetagen der großen deutschen börsennotierten Unternehmen anhand von Texten und Reden der Spitzenmanager analysiert. Die Wortwahl wird zum Wirtschaftsfaktor. Ausgewertet werden Finanzberichte und Bilanzen der Unternehmen sowie Protokolle von Analystenkonferenzen, auf denen sich die Spitzenmanager den Fragen von Finanzfachleuten stellen. Allerdings bedeutet die Verwendung von eher positiven Wörtern (z. B. „großartig“, „glücklich“, „attraktiv“, „bahnbrechend“, „besser“, „bereichernd“) nicht, dass es auch der Wirtschaft gut geht. Zu gut gelaunte Manager investierten mitunter auch in Vorhaben, die schiefgehen, schreibt die FAZ. In den USA gibt es den sprachbasierten Stimmungsindex schon länger, in Deutschland soll er künftig monatlich neu berechnet werden. (faz.net (Bezahlschranke))
Kölner Dom in Leichter Sprache
Der Kölner Dom bietet seinen Besuchern künftig einen Führer in Leichter Sprache an. Bei der Vorstellung der Broschüre wurde erklärt, dass Menschen mit eingeschränkter Sprach- und Lesefähigkeit, aber auch Senioren, Jugendliche und Menschen mit geringen Deutschkenntnissen von der Broschüre profitieren könnten, in der Geschichte, Bedeutung und Architektur des Doms erklärt werden. Dies sei Teil der Bemühungen zur Verbesserung der Barrierefreiheit, teilten die Verantwortlichen mit. Der Kölner Dom ist mit sechs Millionen Besuchern jährlich die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Deutschlands und eine der bedeutendsten Kirchen der Welt. (deutschlandfunkkultur.de)
Dynamische Werbung
Eine Werbeaktion der Commerzbank nutzt am Frankfurter Flughafen die dynamische Anzeigenoptimierung (DCO) an den Gepäckbändern, um ankommende Fluggäste in ihrer jeweiligen Landessprache zu begrüßen. Auf 164 Bildschirmen begrüßen Werbevideos die Fluggäste auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch, je nach Startflughafen. Auch ein interaktives Rätsel zum Thema Finanzen spielt sich auf den Bildschirmen in der jeweiligen Landessprache ab. Diese Form der programmatischen Werbung, welche die Sprache in Echtzeit anpassen kann, wird genutzt, um eine zielgruppengerechte Ansprache zu gewährleisten. (markt-kom.com)
Deutsch in Südtirol
Die regionale Partei Süd-Tiroler Freiheit (STF) fordert einen stärkeren Fokus auf die deutsche Sprache. Die Partei, die sich selbst als „liberal-patriotisch“ einordnet, setzt sich für die Loslösung Südtirols von Italien ein (entweder durch einen Anschluss an Österreich oder als autonomer Staat). „Der drohende Verlust der deutschen Muttersprache in Südtirol kann nicht länger ignoriert oder schöngeredet werden“, so ein Parteisprecher. Der aktuelle Rückgang der Sprachkompetenz gefährde die Identität der deutschsprachigen Bevölkerung und das Autonomiestatut. Die Unterbezahlung der Lehrkräfte und die mangelnde Anerkennung des Lehrerberufs würden die Probleme im Bildungssektor sogar noch erheblich verstärken. Neuere Studien hätten laut STF gezeigt, dass ein Drittel der Mittelschulabsolventen die Mindeststandards in Deutsch nicht erreicht. Klassen seien überfüllt, dazu lenkten gemischtsprachige Schulen den Fokus von der deutschen Muttersprache ab. „Wir brauchen keine Experimente, sondern eine klare Linie: Die deutsche Sprache muss wieder Priorität haben. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Jugend auch im deutschsprachigen Ausland erfolgreich studieren und arbeiten kann“, forderte STF-Chef Sven Knoll. (suedtirolnews.it)
Linguistik-Olympiade
Ab sofort können Schüler ab der 8. Jahrgangsstufe bei der Deutschen Linguistik-Olympiade mitmachen. Dabei werden über mehrere Runden sprachliche Rätsel gelöst. Die Endrunde findet in Berlin statt, die Sieger der Endrunde fahren als Team zur Internationalen Linguistik-Olympiade, die in Taiwan stattfindet. (linguistikolympiade.de)
2. Gendersprache
Stadtverwaltung Wildeshausen künftig ohne Sternchen
Die niedersächsische Stadt Wildeshausen verzichtet künftig auf die Verwendung des Gendersternchens in ihren Dokumenten, auf ihrer Netzseite sowie in der sämtlichen Kommunikation mit externen Stellen. Dies geht auf einen Stadtratsbeschluss vom Dezember zurück, der mit knapper Mehrheit (18 zu 16 Stimmen) gefasst wurde. Statt des Gendersternchens orientiert sich die Verwaltung nun am amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung. Auch die Gleichstellungsbeauftragte wird weitgehend auf die Verwendung des Gendersterns verzichten. Lena Depken, Mitarbeiterin der Wildeshauser Stadtverwaltung, erklärt, dass der Beschluss nun nach und nach umgesetzt werde. (msn.com)
CSU fordert bundesweites Genderverbot
Am vergangenen Montag beschloss der Parteivorstand der CSU seine „Bayern-Agenda“ zur Bundestagswahl. Im Falle eines Wahlsiegs der Union bei der kommenden Bundestagswahl sieht das Programm vor, sich für ein deutschlandweites Genderverbot einzusetzen. Hier soll es in erster Linie um die Ablehnung der Gendersprache im öffentlichen Raum gehen, also an Schulen und Universitäten, im Rundfunk und in der Verwaltung. Das Papier gehe inhaltlich jedoch über die Forderungen des gemeinsamen Wahlprogramms mit der CDU hinaus. Neben der Einführung des Genderverbots fordert die CSU ebenfalls eine neue Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. (focus.de)
Die Gründenden
Der Deutsche Hochschulverband macht in seiner Zeitschrift Forschung & Lehre zwar die Verhunzung der deutschen Schriftsprache mit Gender-Sonderzeichen nicht mit, aber die Ersatzformen, mit denen den Genderisten die Reverenz erwiesen wird, sind auch nervig und führen zu lächerlichen Stilblüten. So beispielsweise in dem Bericht über Technologie-Startups in Heft 12/24, S. 904 ff, in dem über zwanzig Mal das eigentlich angebrachte Wort „Gründer“ durch „Gründende“ ersetzt ist. Das substantivierte Partizip Präsens, wie es einem in letzter Zeit häufig begegnet, passt sowieso meistens nicht, aber auf das Verb „gründen“ passt es besonders schlecht. Zum Akt des Gründens (eines Unternehmens o. ä.) gehört nämlich wesentlich, dass er nach einiger Zeit abgeschlossen ist. Und zwar auch dann, wenn, wie es manchmal geschieht, ein und derselbe Mensch mehrere Gründungen vornimmt. Und so waren die in der Studie untersuchten Personen keine „Gründenden“, sondern durchweg „gegründet Habende“. In dem Artikel wurde explizit darauf hingewiesen, dass unter den Gründern 15 % Frauen waren, außerdem wurde der weibliche Anteil bei dem ganzen Themenkomplex intensiv abgehandelt, so dass vermutlich kein Leser bei der Verwendung des neutralen Worts „Gründer“ auf die Idee gekommen wäre, dass nur Männer gemeint wären. (forschung-und-lehre.de)
3. Sprachspiele: Phrasen der Neuzeit
Surrogatragout. Der stilistische Einsatz von gleichen Wortkörpern
Ohne Zweifel gibt es Wortdesign. Der Begriff, der in der Linguistik verwendet wird und ursprünglich aus dem künstlerischen Bereich stammt (der Linguist M. Neef weist auf Raymond Federman hin), kehrt zu diesem zurück, insofern, als dass wir uns das Design eines Wortes in stilistischer Hinsicht ansehen können. Es gibt sehr viele interessante Erscheinungsformen, zu denen etwas zu sagen wäre, etwa zur Silbenverdopplung (Rokokokokotte, Erklärbär), zur Salienz eines Ausdrucks (Kipppunkte), zu seiner inneren Gefälligkeit (Seelenleere), zum Wohl- und Missklang eines Wortes und überhaupt zu allem, was zum Sprachspiel gehört. Ich will hier nur auf den Wortkörper eingehen angesichts einer Zeile, die ich neulich online gelesen habe: Strom aus Sturm. Hier ist nicht nur die in Titeln übermäßig beanspruchte Alliteration auffallend, sondern auch die Ähnlichkeit der Wortkörper. Wenn man sucht, findet man Paare, die sich arg ähnlich sehen: Behaviour und Beauvoir, Sausage und Saussure, Linguisten und Langusten usw. Man könnte sie Verwechslungswörter nennen, wenn sie im echten Lesen zusammen auftreten würden, aber das tun sie nicht, außer die Zusammenstellung ist bemüht, wie in unserer Schlagzeile. Das Merkmal solcher ähnlicher Wortkörper ist, dass sie gemeinsame Buchstaben aufweisen müssen, wobei diese auch verstellt sein können. Die miteinander geteilten Buchstaben müssen die ungeteilten überwiegen. Da solche Wörter normalsprachlich kaum zusammen auftreten, müssen sie gesucht sein und können als Wort- und Sinnspiel gebraucht werden. Normalerweise sind wir es sogar gewöhnt, dass Worte einer Wortfamilie oder Worte, die von anderen Wörtern abgeleitet sind, durch gleiche Buchstaben ihre Verwandtschaft erkennen lassen (Beispiele des unsterblichen H. Stümpke: Nase, Nasobem, Nasolimaceus, Nasarium, Nasur, Nasibia, Nasling, Nasipodium, Nasus, Nasanges, Narynx). Daher ist es bei der wortspielerischen Zusammenstellung das eigentlich Herausfordernde, Worte mit ähnlichem Wortkörper zu finden, die nicht derselben Ableitungsfamilie entstammen, die aber auch nicht einfach Umstellungen sind, wie Biene und Beine oder Ariost und Aorist. Derselbe Wortkörper, das ist die morphemische Ähnlichkeit, ist es übrigens, der uns heute, nach diachronischen Prozessen des Umbaus, manchmal eine falsche Etymologie nahelegt: Der Müller mahlt in der Mühle das Mahlgut zu Mehl. Er ist auch mit der Müllerin vermählt, aber eben nicht durch den gleichen Prozess. Das wäre auch schmerzhaft. Während das der Reihe mahl– / mehl– unähnliche Müller semantisch zu ihr gehört, gehört das wortkörperähnliche vermählen bzw. die Vermählung nicht zur Reihe. Morphemische Reihen und semantische Reihen können sich überschneiden, sie können aber auch auseinandertreten. Daher gibt es viele Gelegenheiten, sich das Wortspiel angelegen sein zu lassen.
Myron Hurna
Der Autor (geboren 1978) promovierte in Philosophie über das Thema moralische Normen. Er schrieb mehrere Bücher über die politische Rhetorik, besonders über die Rhetorik des Holocaustvergleichs und über die politisch korrekte Sprache (Zensur und Gutsprech). Sein neues Buch „Amoklauf am offenen Lernort“ ist bei Königshausen & Neumann erschienen.
4. Kultur
Gefährdetes Bairisch
Bairisch soll als gefährdeter Dialekt in die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen aufgenommen werden, um besser geschützt werden zu können. Die Sprache ist bereits 2009 von der UNESCO als gefährdet und damit schützenswert eingestuft worden. Der jetzige Antrag wurde auf Initiative des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte e. V. (FBSD) beim Bayerischen Landtag gestellt. 22.000 Unterschriften waren in den vergangenen Wochen gesammelt worden und am Mittwoch vor der Plenarsitzung an Vertreter von CSU und Freie Wähler übergeben worden. Einer der bekanntesten Freunde der bayerischen Mundart, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), signalisierte bereits Zustimmung. Auch die CSU ist positiv gestimmt. „Egal ob Bairisch, Alemannisch-Schwäbisch oder Fränkisch – die Dialekte im Freistaat vermitteln Heimatgefühl und sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Identität“, sagte Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek. Bairisch sei ein Kulturgut und müsse nicht nur erhalten, sondern auch lebendiger Teil des Alltags bleiben. Laut FBSD geht die Zahl der aktiven Bairisch-Sprecher immer weiter zurück, besonders bei Kindern und Jugendlichen. (merkur.de)
Vergessene Dialekte
Das Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn bot interessierten Besuchern kürzlich einen Einblick in seine Arbeit. Am Tag der offenen Tür der Abteilung für rheinische Landesgeschichte, an dem die Dialekte im Fokus standen, wurde unter anderem der „Dialektatlas Mittleres Westdeutschland“ vorgestellt. Seit 2016 untersuchen Forscher dafür die Dialektregionen in Nordrhein-Westfalen: Ältere Menschen (über 70 Jahre) werden dabei in Gesprächen von drei bis fünf Stunden aufgenommen, während sie in ihrem regionalen Dialekt sprechen. Unter anderem sollen sie bestimmte Gegenstände, vor allem aus der Natur, dem Haushalt oder der Landschaft benennen und beschreiben. „Unser Ziel ist es, diese zunehmend aussterbenden Dialekte zu analysieren, zu vergleichen und vor allem zu dokumentieren, damit sie für die Nachwelt bewahrt bleiben“, sagt Malin Ostermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft. Außerdem wurden historische Buchwerke und Karten aus der Region präsentiert. Vor allem eine detailliert gezeichnete Karte der Mosel, die den gesamten Tisch ausfüllte, erfreute viele Besucher. (ga.de)
5. Berichte
Auszeichnung bei der VDS-Region Elfenbeinküste
Der, die, das – die Artikel haben schon so manchen Deutschschüler zur Verzweiflung gebracht. Franck Adam Kakou Konin, Regionalleiter der VDS-Region Elfenbeinküste, hat jetzt Deutschschüler aus der Stadt Bongouanou für ihre Erfolge beim Lernen ausgezeichnet. (facebook.com/VDS, instagram.com/VDS, x.com/VDS)
6. Denglisch
He put the glamour back into grammar
Dass man Sprachen auch mit einem Schuss Humor lehren kann, zeigt Dr. Christian Uffmann vom Fachbereich Anglistik/Amerikanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Mit Studenten seiner Kurse hat er ein Musikvideo aufgenommen, in dem er seine Arbeit vorstellt. Sein gelangweilter Gesichtsausdruck, untermalt von Elektro-Pop-Musik, macht das Video zu einem kleinen Kunstwerk. Dazu textet er schmerzfrei: „I put the glamour back into grammar, I put the fun back in phonology.“ (tiktok.com/hhu_de)
7. Soziale Medien
Habeck ungegendert
Potzblitz! Ausgerechnet Robert Habeck, Vizekanzler und eingefleischter Grünen-Politiker, verzichtet aufs Gendern. Sein neues Buch „Den Bach rauf“ kommt ohne Genderzeichen daher. In einem Interview sagt Habeck, die gute Intention würde immer häufiger ins Gegenteil umschlagen. Nicht alle fühlten sich mitgemeint, „sondern für manche oder viele fühlt es sich fremd an oder aufgesetzt oder verkopft, wenn Menschen den Stern oder Doppelpunkt mitsprechen.“ In einem Kommentar im Online-Magazin Telepolis schreibt Thomas Pany, das Gendern sei in bester Absicht eingeführt worden, mittlerweile aber zu einem „hölzernen Diktat verkommen“, weil es die Leserschaft verprelle und keinen Mehrwert habe. Das habe jetzt wohl auch Habeck mitbekommen. „Das ist erstaunlich, hat Habeck doch viel mit einem Milieu zu tun, das Gendern nicht als Mode begreift und als solche auch nicht wahrhaben will. Ob seine Einsicht weitere Kreise zieht?“ (x.com/jerzy_freitag, telepolis.de)
Bedienungsanleitung aus der Hölle
In unserer Serie „Die schönsten Bedienungsanleitungen auf Deutsch“ präsentieren wir Übersetzungen, die alles andere als verständlich sind. Diese Woche: Ein Feuerzeug. (facebook.com/VDS, instagram.com/VDS, tiktok.com/VDS, x.com/VDS)
Tag der Handschrift
Am Donnerstag war der Tag der Handschrift. Er geht zurück auf John Hancock, den ersten Unterzeichner der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Weil dieser seinen Namen so groß und auffällig auf das Papier geschrieben hatte, sagt man in den USA noch heute „Put your John Hancock here“, wenn man jemanden zum Unterschreiben auffordert (analog zu unserem „Friedrich Wilhelm“). Der Kalligrafie-Künstler Johann Georg Maierhofer erinnert mit einem Werk an diesen Tag. Im vergangenen Jahr konnten wir Maierhofer bereits in der VDS-Geschäftsstelle begrüßen: Bei einem Seminar hat er interessierte Mitglieder in die Kunst der Kalligrafie eingeführt. (instagram.com/VDS)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel