1. Presseschau
Sprache der Wahlprogramme
Die Wahlprogramme der Parteien sind in diesem Jahr kürzer geworden, so eine Studie derUniversität Hohenheim in Stuttgart. „Hier macht sich die knappere Zeit für den Wahlkampf und seine Vorbereitung bemerkbar“, sagt Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider. Insgesamt seien sie etwas verständlicher als bei der Wahl 2021, jedoch von einer grundsätzlichen Verständlichkeit oft noch weit entfernt. Beim BSW stechen Bandwurmsätze mit bis zu 69 Wörtern hervor, bei der FDP finde man Wortungetüme wie „Telekommunikationsnetzausbaubeschleunigungsgesetz“, CDU/CSU, Grüne und SPD nutzten schwer verständliche englische Fachbegriffe wie „Small Modular Reactors“, „Quick-Freeze“ oder „Catcalling“. Das formal verständlichste Wahlprogramm sei das der Union, das formal unverständlichste stamme von der AfD. BSW und AfD verwendeten außerdem die populistischste Sprache. Das längste Wahlprogramm stamme von den Grünen: 30.693 Wörter wurden hier gezählt. (uepo.de)
Zugehörigkeit durch Sprache
Das Beherrschen der Landessprache trägt einen großen Teil zur Integration bei – so zumindest die Theorie. Welche weiteren Faktoren eine Rolle spielen, um sich erfolgreich zu integrieren und die Zugehörigkeit zu einem Land zu bestärken, untersuchte eine Studie des US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center. Zwischen den Jahren 2023 und 2024 wurden in 36 unterschiedlichen Ländern die Faktoren Sprache, Geburtsort, lokale Religionszugehörigkeit sowie Befolgen der lokalen Sitten und Bräuche ausgewertet, um zu deuten, welcher dieser Faktoren bei der Integration und nationalen Identität die größte Rolle spielt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Beherrschung der jeweiligen Sprache in den meisten Ländern als wichtigstes nationales Identitätsmerkmal angesehen wird. Die Daten variieren entlang der Kriterien Alter, Bildungsniveau und Ideologie, wobei die Bewertung von Sprachkenntnis eine signifikante Rolle spielt. Neben dem Alter spiele laut der Studie auch die politische Haltung eine Rolle, inwieweit der Faktor Sprache als Identifikationsmerkmal angesehen wird. (telepolis.de, pewresearch.org)
Unbekannte Sprache gefunden
Seit mehr als 13 Jahren erforscht ein Team der Xi’an Jiaotong-Liverpool University gefährdete Papua-Sprachen in Südostasien und Ostindonesien. Dabei entdeckten die Forscher im August 2024 Kape, eine vergessene Papua-Sprache, die bis heute gesprochen wird. Bisher undokumentiert und vernachlässigt, werde sie von kleinen Küstengemeinschaften im Norden der Insel Alor gesprochen. Diese Entdeckung sei nicht nur wichtig für die Kartierung des linguistischen Kontextes der Insel, sondern unterstreiche auch die Dringlichkeit, gefährdete Sprachen durch den Einsatz von Sprachdokumentationsmethoden zu erhalten, so Francesco Perono Cacciafoco, einer der beteiligten Professoren. Seine Forschungsassistentin Shiyue Wu sei auf Kape gestoßen. Sie sammelte mithilfe von Muttersprachlern Informationen über Namen und Standorte der rituellen Altäre, die als „maasang“ bekannt seien. Dabei erwähnten einige Sprecher den Namen des Altars in einer anderen Sprache – Kape –, die bisher in der linguistischen Dokumentation nicht erfasst war. „Kape“ bedeutet „Seil“ und symbolisiert, wie die Sprache ihre Sprecher von den Bergen über die Insel bis zum Meer verbindet. Geographisch und sprachlich ist sie mit Kabola im Osten und Abui und Kamang im zentralen Alor verbunden. Ob Kape eine eigene Sprache oder ein Dialekt ist, sei noch nicht klar. Jedoch wird es als Primärsprache (Muttersprache) von der gesamten Kape-Ethnie von Alor gesprochen, und die Sprecher selbst betrachten sich als eine eigenständige sprachliche und ethnische Gemeinschaft. (telepolis.de)
Neues Konzept verspricht Lernerfolg
Im nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort wurde ein neues Integrationskonzept vorgestellt. Sprache sei hierbei eines der wichtigsten Elemente, erklärt der Sozialdezernent Christoph Müllmann. In der 74-seitigen Broschüre werden neue Sprachangebote und Ansatzpunkte vorgestellt, die den Flüchtlingen und Einwanderern das Erlernen der Sprache erleichtern sollen. Sozialamtsleiterin Birgit Lötters erklärt, dass beispielsweise Sprachkurse für „lernunerfahrene Frauen“ kontraproduktiv seien und deshalb zunächst neue Alphabetisierungskurse stattfinden werden. Den Flüchtlingen fehle es oftmals an Orientierung in den Angeboten zum Erlernen der Sprache. Die Stadtverwaltung wolle durch das neue Konzept Klarheit schaffen. Laut mehrerer Einschulungsuntersuchungen sei es im Vergleich zu den letzten 15 Jahren bereits zu einer „signifikanten Verbesserung der Deutschkenntnisse“ von Kindern gekommen. Die Stadtverwaltung erklärt, dass diese Verbesserung der Sprachkenntnisse migrantischer Kinder auf die Investitionen der Stadt sowie die Überarbeitung des Integrationskonzepts zurückzuführen sei. (nrz.de)
2. Gendersprache
Audi sagt leise Adieu
Vom Saulus zum peinlichen Paulus – so lässt sich zusammenfassen, was das Gendern bei Audi betrifft. Still und heimlich ist der einst hochgelobte und vom Management gefeierte Gender-Leitfaden jetzt doch in der Versenkung verschwunden. Im März 2021 feierte man sich noch in einer extra Presseerklärung dafür, wollte in der internen und externen Kommunikation „die Vielfalt der Geschlechter besser abbilden“. Mitarbeiter mussten Fallbeispiele des 13-seitigen Leitfadens pauken, sie erfuhren, dass der Begriff Audianer „nicht gendersensibel formuliert“ sei. Aus Partnern und Lieferanten sollten sie „Partner_in“ und „Lieferant_in“ machen. Im Juli 2023 entschied das OLG München, dass ein VW-Mitarbeiter keinen Anspruch darauf hat, vom Gendern in Ruhe gelassen zu werden. „Sabine Maaßen, die als Personalvorstand treibende Kraft hinter den Gender-Vorgaben war, hatte Audi zu diesem Zeitpunkt längst verlassen“, schreibt der Focus. Heute ist das alles ein alter Hut. In einer Pressemeldung von Anfang Februar 2025 spricht man wieder von „Kunden“, und tatsächlich hat Audi bereits im Juli still und heimlich beschlossen, den umstrittenen Unterstrich nicht mehr zu verwenden, „dies aber nicht nach außen bekanntgegeben“. Laut Focus erläutert Audi, dass der „Gender-Gap“ in Suchmaschinen und bei der Übernahme von Pressetexten durch Medien, aber auch bei der Erfassung durch maschinelle „Screenreader“ und Übersetzungs-Programme für Schwierigkeiten gesorgt habe. Allerdings spekuliert der Focus, dass Audi-Chef Gernot Döllner seine Marke aus der Schusslinie der Kritik nehmen wollte, zumal kein anderer Hersteller beim Gendern nachgezogen sei. (focus.de)
Protest vor Kultusministerium
Die Initiative „Stoppt Gendern in Niedersachsen“ hat am Donnerstag mit einer Protestaktion vor dem Kultusministerium in Hannover auf sich aufmerksam gemacht. 15 Mitglieder der Initiative klärten Interessierte über ihr Anliegen auf. Protestler gab es zwar, aber bei weitem nicht so viele wie bei den Aktionen an den niedersächsischen Hochschulen, so ein Sprecher der Initiative, sodass es friedlich blieb. (sueddeutsche.de)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Bone dry
Unlängst ist mir ein neues Wort der Weinsprache aufgefallen. Das Weingut Apel aus Nittel bietet einen Elbling bone dry an, mit extrem geringem Zuckergehalt (2,6 Gramm Restzucker) und 12 % Alkohol. Früher empfahl man diesen Wein als ‚für Diabetiker geeignet‘. Das sei heute leider verboten, wird mir berichtet. Warum bloß? Bürokratie lässt grüßen. „Woher haben Sie den Ausdruck?“, fragte ich bei Apel. Sie entdeckten ihn bei dem renommierten Weingut Reichsrat von Buhl. Auf deren Preisliste findet sich auch eine Bone Dry Edition, offenbar für den englischen Markt. In Frankreich wird vom Weingut Saget La Perrière ein Bone Dry Sauvignon Blanc angeboten, auf dem Etikett steht außerdem knochentrocken. Deutsche Weingüter scheinen dagegen dies umgangssprachliche Wort zu meiden. Bone dry hilft weiter. Aber wie erklärt sich der bildliche Vergleich knochentrocken? In der anglistischen Lexikographie erfährt man, der Ausdruck beziehe sich ursprünglich darauf, wie man Tierknochen in der Sonne bleicht, um sie von toten Überresten zu befreien. Diese werden knochentrocken. Bone dry ist kein junger Ausdruck. Er wird bereits 1830 in dem Glossar eines Geistlichen erwähnt. So haben sich im Englischen bereits viele weitere Verwendungen eingebürgert. Zum Beispiel gibt es auch einen bone dry Cappuccino (ohne Milch, nur mit kleiner Schaumkrone). Unser knochentrocken ist viel jünger, vielleicht eine wörtliche Übersetzung. Soll man ihr, dem Deutschen treu, den Vorzug geben? Oder setzt sich bone dry als neues Fachwort durch? Vielleicht. Es ergänzt die Skala des Zuckergehalts unserer Weine von lieblich, feinherb, trocken um eine weitere untere Stufe. Übrigens meist ein preiswertes Angebot.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an:horst.munske@fau.de.
4. Kultur
Respektlose Kinder-Sprache
Wenn Kinder aus Kindergarten oder Schule das erste Schimpfwort mitbringen, bekommen Eltern oft Schnappatmung. Meistens verwächst es sich, oft genug übernehmen Kinder aber die Sprache der älteren Mitschüler und werden anderen gegenüber selbst respektlos im Miteinander. Eine Nutzerin stellte deshalb auf dem Portal watson.ch der Internet-Gemeinschaft die Frage, wie sie damit umgehen soll. Die Antworten waren durchaus unterschiedlich. So antwortete Majce, sie würde ihre Kinder spiegeln: „Alles was sie sagen, und mich stört, baue ich bei mir in den Wortschatz ein, dann ist es ihnen peinlich. Hey Bro, dass essen ist fertig. Aaaalter, chill mal, voll cringe (oder wie auch immer). Dann wechseln sie von alleine den Wortschatz.“ Amateurschreiber sagt: „Kinder brauchen eine einfache, direkte Sprache und klare Regeln. Wenn man mit ‚Du, ich find das nicht so Ok.‘ kommt, finden es die Kinder sogar lustig zu rebellieren! Und nein: Ich meine nicht, man soll Kinder züchtigen und an die kurze Leine halten. Einfach nur klare Leitplanken setzen!“ Und Besenbiest schreibt: „Erziehung kann sehr anstrengend sein und es lohnt sich, da durchzubeissen. Das heisst, korrigiere ihn konsequent und jedes Mal. Du darfst dich auch schockiert zeigen und besorgt, bleib authentisch. Es ist sehr wichtig, dass er bei dir lernt, anständig zu sein.“ Unicron riet zu einem ungewöhnlichen und nicht ganz ernstzunehmenden Vorgehen: „So eine Wasserzerstäuberflasche wie man sie für Katzen verwendet kaufen, und jedesmal wenn es etwas dummes sagt, ein oder zwei Spritzer ins Gesicht.“ (watson.ch)
Dialektförderung zwischen Lech und Isar
Der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte (FBSD) sieht die Gründung eines regionalen Landschaftsverbandes vor, um den Dialekt im Dachauer, Aichach-Friedberger, Schrobenhausener und Fürstenfeldbrucker Land zu fördern. Der Landesverband, welcher nicht als separater Verein existieren wird, soll den Namen „Zwischen Lech und Isar“ tragen. Siegfried Bradl, der erste Vorsitzende des Fördervereins, erklärt, dass die Idee für die Gründung des neuen Verbands bei einem Informationsstand im vergangenen Jahr entstanden sei. Der Wunsch nach einem Dialektstammtisch sei hierbei ausschlaggebend gewesen. Um die Neugründung durchzuführen, veranstaltete Bradl im Landkreis Dachau eine Versammlung, um die Einzelheiten des neuen Dialektverbands zu besprechen. (merkur.de)
Typisch Boomer
Der Radiosender SWR3 vom Funknetz Südwestrundfunk stellt auf seiner Netzseite eine Liste mit Wörtern vor, die typisch für die „Boomer-Generation“ (Menschen geboren zwischen 1946 und 1964) seien. Zwar höre man in den Medien viele Meinungen zu der Jugendsprache, jedoch gebe es ebenso Begrifflichkeiten, die auch ältere Generationen speziell kennzeichnen, erklärt die Redakteurin Kira Urschinger. Zu den zehn typischen Wörtern, die „einen Boomer verraten“ gehören unter anderem „sapperlot“ als Ausruf der Verwunderung, „fetzig“, also mitreißend oder toll, und „malochen“ als Ausdruck für hartes Arbeiten. Auf Platz 10 landet „Sportsfreund“, welches bereits im Jahr 2024 vom Tiktok-Influencer Levi Penell zum „Boomer-Wort des Jahres“ gekürt wurde. (swr3.de)
5. Berichte
Der VDS auf der Didacta
Der VDS ist in der kommenden Woche auf der Didacta in Stuttgart. Auf der Bildungsmesse werden wir Tipps zur Handschrift geben, in einem Seminar können Interessierte mehr dazu erfahren. Außerdem erfahren Besucher am Stand, mit welchen Aktionen wir an Schulen aktiv sind und wie sie sich gegen Gendersprache in den Kollegien wehren können. (vds-ev.de)
6. Denglisch
Kein Englisch bitte in Castiglion Fiorentino
Eine kleine Gemeinde in der Toskana wehrt sich gegen die Anglisierung der italienischen Sprache. „Wir wollen das Recht der Bürger verteidigen, jede Art von Kommunikation und Information seitens der öffentlichen Verwaltung in italienischer Sprache zu erhalten“, sagt Bürgermeister Mario Agnelli, der der rechten Regierungspartei Lega angehört. Er hat deswegen englische Wörter in der amtlichen Kommunikation der Stadt verboten. So soll die italienische Sprache, die für die „Identität der Nation“ wichtig sei, geschützt werden. Englische Wörter, die in die allgemeine Sprache eingegangen seien, würden „manchmal eine korrekte Kommunikation“ behindern, insbesondere gegenüber den schwächeren Teilen der Bevölkerung, zum Beispiel älteren Menschen. Für Agnelli stehe ohne Frage fest: Wer die italienische Sprache verteidigt, der verteidige auch die Kultur, die Geschichte und die angesprochene Identität eines Landes. Die im 16. Jahrhundert gegründete Sprachgesellschaft „Accademia della Crusca“, die als älteste Sprachgesellschaft gilt, ist von der Initiative Agnellis begeistert: „Es ist wichtig, dass die Wörter von allen verstanden werden, insbesondere von älteren Menschen. Daher sind Initiativen, die unsere Sprache schützen, willkommen“, heißt es von Paolo D’Achille, dem Präsidenten der „Accademia della Crusca”. Dass der Vorstoß gerade aus der Toscana kommt, ist nicht ungewöhnlich. Der Dichter Dante Alighieri („Göttliche Komödie“) verwendete im 13. Jahrhundert in seinen Werken häufig toskanische Dialekte und machte sie so zu einer Grundlage für die moderne italienische Sprache. (merkur.de)
7. Soziale Medien
Falsche Ausgewogenheit
Unter einem Artikel zur Protestaktion der Volksinitiative gegen Gendern in Niedersachsen hat die Nordwest-Zeitung eine Umfrage online gestellt, die das perfekte Beispiel für die sogenannte „false balance“, also die falsche Ausgewogenheit, zeigt. Gefragt wird, welche Form des Genderns man am besten finde: Sternchen, Doppelpunkt, Großgeschriebenes I im Wortinneren oder beide Formen ausschreiben. Die Option „Nicht Gendern“ wird unterschlagen, die Zustimmung zum Gendern wird also vorausgesetzt. Bei X kommentiert @WietingJurgen dazu: „Alter Verkäufertrick (der älteste). ‚Wann passt es Ihnen besser, am Dienstag oder am Donnerstag?‘“. Und der Parodie-Account @baerbockpress merkt süffisant an: „Ich mag das Gendersternchen am liebsten, z. B. Taliban*innen.“ (x.com/vds)
Fundgrube
Wer in einem Geschäft etwas sucht, tut gut daran, es ordentlich zu beschreiben. Ähnlich ist es in unserer Geschäftsstelle, wo man viele tolle Sachen finden kann: instagram.com/vds, tiktok.com/vds.
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Carmen Popescu, Dorota Wilke, Stephanie Zabel