Infobrief vom 21. Februar 2025: Deutsch dominiert daheim

1. Presseschau

Deutsch dominiert daheim

Anlässlich des Internationalen Tags der Muttersprache teilt das Statistische Bundesamt mit, dass rund 77 Prozent der Menschen in Deutschland hauptsächlich Deutsch in den eigenen vier Wänden sprechen. Dieses Ergebnis stammt aus einer Befragung aus dem Jahr 2023. Unter den eingewanderten Menschen seien es allerdings nur rund 22 Prozent, die zu Hause ausschließlich Deutsch sprächen, weitere 17 Prozent verständigten sich laut der Umfrage mehrsprachig. Die häufigsten Fremdsprachen bei den mehrsprachigen Haushalten seien Türkisch mit etwa 14 Prozent, Russisch mit 12 Prozent und Arabisch mit neun Prozent. Die Befragung legt auch offen, dass von den 21,2 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte nach 1950 gut die Hälfte (54 Prozent) neben Deutsch noch mindestens eine weitere Sprache zu Hause spreche. (t-online.de)


Über Definitionshoheit

In der WELT äußern sich Germanisten besorgt über die politische Sprachkultur. Thomas Niehr, Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Aachen, stellt einen zunehmend strategischen Einsatz von Sprache in der Politik fest. So würden provokative sprachliche Tabubrüche aus den Reihen der AfD Aufmerksamkeit erzeugen. Am Beispiel des Begriffs „Remigration“ sehe man, wie der wörtlich übersetzte Begriff „Rückwanderung“ im rechten Diskurs mit der Assoziation „Zwangsausweisung oder Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund“ versehen wurde. Niehr spricht auch über die Bilder, die in den Köpfen der Menschen entstehen, wenn sie Propagandawörter wie „Messermänner“ oder „Ökodiktatur“ in ihre normale Sprache übernehmen. Der Sprachwissenschaftler und langjährige Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden, Peter Schlobinski, pocht auf das Überprüfen von Fakten, um keinen Falschbehauptungen aufzusitzen. Er nennt Donald Trumps Bezeichnung „Golf von Amerika“ für die Meeresbucht, die bisher den Namen „Golf von Mexiko“ trug, als Beispiel für das aktive sprachliche Umdeuten von Tatsachen. Da das Englische einen großen Wirkbereich habe, bestehe durchaus die Gefahr, dass dieser politische Schachzug unkritisch in die Alltagssprache übernommen werde. Man solle sich also lieber der Vielfalt der deutschen Sprache bedienen, als ideologisch aufgeladene Begriffe zu übernehmen. (welt.de)


Schweizer Bildungspapier plant Schulreform

Der Zürcher Nationalrat Benjamin Fischer stellt im Gespräch mit dem Tages-Anzeiger das neue Bildungspapier der SVP vor. Dieses sehe eine weitreichende Schulreform, insbesondere im Hinblick auf die Sprachförderung, vor. In dem Bildungspapier wird von „außer Kontrolle geratenen Verständigungsproblemen“ an Schweizer Schulen gesprochen. Durch den zunehmenden Anteil fremdsprachiger Kinder in den Regelklassen sinke insgesamt das Sprachniveau. Die SVP fordert, dass Deutsch sprechen und verstehen in den Regelklassen wieder zur Pflicht wird und dass zugezogene Kinder zunächst eine Integrationsklasse besuchen sollten. In diesem einjährigen Vorbereitungskurs würden die sprachlichen Kompetenzen so weit aufgebaut, dass die Kinder keine Schwierigkeiten mehr mit der Sprache in den Regelklassen hätten, schlägt Fischer vor. Auch Kinder mit Lernschwächen und Verhaltensauffälligkeiten sollen laut dem Bildungspapier in Sonderklassen unterrichtet werden. Um einen Anreiz zum Erlernen der Landessprache zu geben, setzt das Bildungspapier auf den Einsatz von weniger Dolmetschern und auf Elterninformationen nur in den wichtigsten Sprachen. Außerdem sei geplant, nur noch eine Fremdsprache in der Primarschule zu lehren. (tagesanzeiger.ch)


Forscher entdecken menschliches „Sprachprotein“

Die Frage nach der Entstehung der menschlichen Sprache beschäftigt Forscher bereits seit Jahrzehnten. Wissenschaftler der Rockefeller Universität in New York entdeckten nun die Wirkung eines Proteins namens „NOVA1“, welches vermutlich entscheidend für die Entwicklung der gesprochenen Sprache war. Die Forschergruppe rund um Robert Darnell erklärte, dass diese Genvariante bei den Neandertalern und den Denisova-Menschen, einer weiteren Unterart der Gattung Homo, nicht vorkam. Dieses Gen sei entscheidend gewesen für die Weiterentwicklung des modernen Menschen und sei eng mit der gesprochenen Sprache verbunden. „NOVA1“ könne demnach eines von mehreren Genen sein, das einen Einfluss auf die menschliche Sprache hatte. Bei Experimenten mit Mäusen stellte sich heraus, dass es die Lautgebung veränderte. Der Studienautor Yoko Tajima erläutert, dass die Forscher im weiteren Verlauf untersuchen wollen, wie „NOVA1“ bestimmte Sprachfunktionen reguliert. Durch die erhofften Ergebnisse könne man in Zukunft möglicherweise Krankheiten, z. B. den nonverbalen Autismus, besser behandeln. (mdr.de)


2. Gendersprache

Hamburger Volksinitiative verklagt Senat

Die Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ verklagt nun den Senat, da er der Stimmenabgabe für das Volksbegehren unnötig Steine in den Weg gelegt habe. Der Hamburger Rechtsanwalt Jens Jeep, einer der Vertrauensleute der Initiative, kritisierte den Zeitraum der Unterschriftensammlung, die während der Sommerferien stattfinden musste, und deren Beginn sowie dass über die Möglichkeit einer Briefwahl unzulänglich informiert wurde. Des Weiteren wurde es Interessierten schwer gemacht, sich bei der Abstimmung in den Bezirksämtern zurechtzufinden, eine Online-Unterschrift war nicht möglich. Artikel 50 der Hamburgischen Verfassung besagt, dass der Senat für eine möglichst einfache Durchführung eines Volksbegehrens, das die zweite Stufe einer Volksinitiative darstellt, zuständig sei. 66.000 Stimmen wären für einen Volksentscheid notwendig gewesen. Von den letztlich ca. 56.000 gesammelten Unterschriften stammen lediglich 3.323 aus einer vom Senat organisierten Sammlung. Wider gesetzliche Vorschrift wälze dies die Arbeit beim Einsammeln der Unterschriften auch in zweiter Instanz auf die Initiatoren ab. Es wundere daher kaum, dass Volksbegehren von großen Interessenverbänden, die viel Geld für die Anpreisung ihres Anliegens und die Bezahlung von Unterschriftensammlern in die Hand nehmen könnten, eher erfolgreich seien. Die Initiative versucht, eine Regelung zu erstreiten, die die bereits gesammelten Stimmen als ausreichend anerkennt. Deren hohe Anzahl lasse keinen „vernünftigen Zweifel“ an der nötigen Zustimmung in der Bevölkerung zu. (welt.de)


Gendern im politischen Wettbewerb

Norma Schneider beschreibt in ihrem Artikel für das Onlinemagazin Jadu des Goethe-Instituts die schwierige Gemengelage der aktuellen Genderdebatte. Vor allem die Gegner des vermeintlich gendergerechten Sprachgebrauchs würden das Thema im politischen Wettbewerb instrumentalisieren. Schneider nennt Gründe für die Ablehnung der Gendersprache, wobei die Sorge um ideologische Bevormundung der fundamentalste zu sein scheint. Beispiele für Genderverbote und -gebote werden genannt, um die Polarisierung zu verdeutlichen. Die Autorin holt weit aus und erklärt, dass mit dem Wort „Gender“ ein über die Sprache hinausgehendes „diffuses Feindbild“ verbunden werde, das nicht zuletzt die Norm der heterosexuellen Familie in Frage stelle. (goethe.de)


Sprachlicher Wildwuchs

In seiner Kolumne für die Schleswig-Holsteiner shz betont Hannes Harding die Wichtigkeit von deutlichen Sprachregeln in Bezug auf das Gendern an Schulen, da sonst „sprachlicher Wildwuchs“ vorherrsche. Harding stellt fest, dass die „Sensibilität“ bezüglich des Themas stark ausgeprägt sei und es deswegen teilweise zu „seltsamen Sprachschöpfungen“ kommen kann. So beispielsweise an einem Neumünsteraner Gymnasium, an dem ein Lehrer seinen Schülern kürzlich neben dem Genderstern, Doppelpunkt, Binnen-I und Unterstrich auch das -y vorstellte („Lehry“, „Schüly“). Die Genderform mit -y wurde bereits von dem Sprachdidaktiker Thomas Kronschläger im Jahr 2021 vorgeschlagen, jedoch „ohne nennenswerte Resonanz“, erklärt Harding. Er führt dies als Beispiel an, um zu betonen, dass Lehrer sich bei „sprachakrobatischen Alleingängen“ zurückhalten sollten. In Schleswig-Holstein gelte an den Schulen weiterhin das Regelwerk des Rates für deutsche Rechtschreibung als Unterrichtsgrundlage. (shz.de)

3. Sprachspiele: Unser Deutsch

Binse

„Das ist doch eine Binse“, erklärt die gescheite Talkshowjournalistin. Und meint ‚eine Binsenweisheit‘, also eine Banalität, allgemein bekannt. Was im Duden schon als veraltend gilt, erfreut sich neuerdings wieder wachsender Beliebtheit. Warum? Es ist schön kurz und wirkt neu, denn es hat wenig lexikalisches Umfeld. Kein Verb binsen oder ein Adjektiv binsig, nur die Binsenweisheit, ein etwas angestaubtes Kompositum. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang mit dem lateinischen Sprichwort nodum in scripo quaerere ‚einen Knoten in der Binse suchen‘, ein Bild für nutzlose Suche, denn Binsen sind bekanntlich dünne knotenlose Gräser. Die neue Kurzform Binse für einen Allgemeinplatz wäre dann eine Analogiebildung zu den zahlreichen neueren e-Ableitungen wie Denke, Schalte, Schreibe, Tanke. Allerdings fehlt bei der Binse ein Grundwort, die Etymologie gilt als ungeklärt.

Oder gibt es vielleicht einen Zusammenhang mit der anderen Bedeutung von Binse, der Sumpfpflanze? Die lebt auch in einer verbalen Wendung fort: in die Binsen gehen ‚verloren gehen‘. Hier helfen die Wörterbücher weiter. Die Wendung stamme aus der Jägersprache. Wenn eine angeschossene Flugente oder ein anderes Federvieh in die Binsen geht, also im binsenbewachsenen Sumpfgelände liegen bleibt, dann ist es verloren. Kein Jagdgenosse, kein Hund holt sie da heraus. Weiteres Forschen ist auch bei Binse fruchtlos, es liegt in den Binsen der Sprachgeschichte.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an:horst.munske@fau.de


4. Kultur

KI hilft Bairisch

Der Bund Bairische Sprache kündigt anlässlich des Tags der Muttersprache an, künftig Künstliche Intelligenz (KI) einzusetzen, um die Mundart zu fördern. Der Vorsitzende Niklas Hilber erklärt, dass man plane, mithilfe der KI Hördateien in bairischer, fränkischer oder schwäbischer Aussprache zu erstellen. Diese Hörtexte sollen für Kinder konzipiert werden und somit den Zugang zur Mundart erleichtern. Hilber fordert zudem, dass das Heimatministerium aktiver werden solle. Er schlägt vor, ein Programm zu entwickeln, das Texte generieren und vorlesen kann, damit diese Inhalte dann von Eltern und Lehrern an Kindergärten und Grundschulen heruntergeladen werden können. Medien seien ausschlaggebend für den Spracherwerbsprozess, so Hilber. (merkur.de)


Übersetzerpreis geht an Stefan Moster

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht in diesem Jahr den Johann-Heinrich-Voß Preis für Übersetzungen an den Schriftsteller Stefan Moster. Gewürdigt werden seine Übersetzungen finnischer Literatur ins Deutsche. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur finanziert den mit 20.000 Euro dotierten Preis, der seit 1958 für übersetzerische Lebenswerke oder herausragende Einzelleistungen vergeben wird. Ausgezeichnet werden Übersetzungen in die deutsche Sprache. Moster übertrug im Laufe seiner Karriere immer wieder wichtige Werke der erzählerischen und dramatischen Literatur Finnlands in die deutsche Sprache. Dabei widmete er sich Autoren wie Rosa Liksom, Ilkka Remes, Hannu Raittila oder Olli Jalonen. Die Akademie begründet ihre Wahl des Preisträgers damit, dass durch Mosters „literarische Neugier“ und seinen „übersetzerischen Mut“ die Vielfalt und Kreativität finnischer Literatur einer deutschen Leserschaft bereitgestellt wurde. (uepo.de)


5. Berichte

Zu Peter Sloterdijk

Der „Philosophische Salon“ von Dr. Achim Sohns (im Ehrenamt VDS-Regionalleiter) in Hannover ist ein anspruchsvolles, aber nicht anstrengendes Seminar-Format, bei dem alltägliche Themen, historische und noch heute relevante Zusammenhänge einen philosophischen Zugang erhalten. Am 21. März (ab 18:30 Uhr) lautet das Thema: „Zu Peter Sloterdijk, Regeln für den Menschenpark“. Der reguläre Preisder Einzelveranstaltung beträgt 20 €. Ort:Philosophische Praxis, Spannhagengarten 10, 30655 Hannover. Der Teilnehmerkreis ist auf 8-10 Personen beschränkt. Eine Anmeldung (info@oikos-sohns.de) ist obligatorisch.


6. Denglisch

Eine peinliche Liebeserklärung an den „Wank“

Ungewollte Doppeldeutigkeiten bei Werbesprüchen sorgen derzeit für Lacher in Garmisch-Partenkirchen. Bis vor kurzem warb das Skigebiet mit dem englischen Spruch „I love Wank“ für den heimischen Berg (1.780 m). Der Spruch zierte unter anderem die Gondeln der Zugspitzbahn und wurde am Rande der Skipiste ausgestellt. Der Ski-Weltverband schritt jedoch ein und untersagte den Veranstaltern, mit dem Spruch zu werben. Denn das Verb „to wank“ steht im umgangssprachlichen Englisch für die Masturbation. Klaus Schanda, Vertriebs- und Marketingleiter der Bayerischen Zugspitzbahn, bedauerte den Beschluss und erklärte, dass er dem Skiverband „mehr Humor zugeschrieben“ hätte. (wdr.de, welt.de (Bezahlschranke))


7. Soziale Medien

Tagesschau together – wild oder cringe?

Mit den Worten „N’abend Chat“ begrüßte der Nachrichtensprecher Jens Riewa die jungen Zuschauer der Nachrichtensendung tagesschau together am vergangenen Sonntag. Das neue Format, das auf der Streaming-Plattform Twitch ausgestrahlt wird, richtet sich vornehmlich an Jugendliche und bedient sich dementsprechend der Jugendsprache. Während seiner Anmoderation zur „ARD-Wahlarena“ bereite er die jugendlichen Zuschauer auf die Wahlsendung vor: „Wer hat die krasseste Aura? Wer wird zum NPC?“ Wir stellten uns daraufhin in den Sozialen Medien die Frage, ob Herr Riewa vielleicht irgendwo festgehalten und dazu gezwungen wurde. Er möge doch bitte blinzeln, wenn er Hilfe braucht. (instagram.com, focus.de)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Carmen Popescu, Dorota Wilke, Stephanie Zabel

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