1. Presseschau
Weniger Interesse an Chinesisch
Im Jahr 2010 wurde der 20. April erstmals von der UNESCO zum Tag der chinesischen Sprache erklärt. Seitdem feiern verschiedene Organisationen und Schulen den Ehrentag. Anlässlich des Tages der chinesischen Sprache in diesem Jahr teilte das Statistische Landesamt in Sachsen-Anhalt mit, dass insgesamt 51 Schüler aus den Jahrgängen 8 bis 11 an den Gymnasien im Bundesland Chinesisch als Fremdsprache lernen. Im Schuljahr 2020/21 lernten noch 69 Schüler Chinesisch in Sachsen-Anhalt, seit dem Schuljahr 2022/23 sank das Interesse an der Fremdsprache. (dubisthalle.de)
Ein enttäuschendes Telefonat
Die Sprachlern-App Duolingo bietet ihren zahlenden Abonnenten eine neue Funktion an. Ab sofort kann man mit Lily, einer Figur im Duolingo-Universum, KI-gestützte Videotelefonate führen. Aylin zur Borg testete diese neue Funktion für das Wirtschaftsmagazin t3n. Die KI-betriebene Figur Lily kann sich in einigen Sprachen unterhalten, darunter zwar Japanisch aber nicht Türkisch. Wenn man den Videoanruf startet, nimmt sie das Gespräch mit einigen Begrüßungsworten an und stellt dem Nutzer sodann einige Fragen. Das Telefonat endete jedoch recht schnell, berichtet zur Borg. Lily habe lediglich die erste Frage mühevoll beantworten können, bevor das Gespräch auch schon vorbei war. Im Nachhinein erhält man das Gespräch in transkribierter Form als Nachricht. Dort könne man sich zwar die einzelnen Fragen und Antworten übersetzen lassen, das Programm führt jedoch nicht die Fehler auf oder erklärt sie. Insgesamt bleibe zur Borg weiterhin skeptisch gegenüber Duolingo. Sie bezeichnet die App lediglich als „Vokabeltrainer“, der die sprachliche Kompetenz nicht langfristig fördern könne. (t3n.de)
Räuber und Gedärm
Die Nienburger Zeitung Die Harke beschäftigt sich in einer Glosse mit dem Malapropismus, einem sprachlichen Fehler, bei dem – bewusst oder unbewusst – ähnlich klingende, aber bedeutungsverschiedene Wörter verwendet werden. Der vielleicht bekannteste Klassiker ist der Ausspruch des Fußballers Bruno Labbadia, dass etwas „viel zu hochsterilisiert“ wurde. Ein weiteres Beispiel: „Ich tu‘s ja nicht wegen des schnöden Mammuts.“ Der Begriff Malapropismus leitet sich vom französischen Ausdruck „mal à propos“ für „unangemessen“ ab. (dieharke.de)
Vietnamesisch für Minderheiten
Wer nach Vietnam fährt, wird gleich mit mehreren Sprachen konfrontiert. Touristisch ist Englisch von großer Bedeutung, historisch gesehen hat Französisch immer noch einen hohen Stellenwert. Die meisten Menschen in Vietnam sprechen jedoch die Landessprache Vietnamesisch. Dennoch gibt es mehrere Sprachen, die von Minderheiten gesprochen werden, zum Beispiel dem Volk der Khmer im Süden oder dem Bergvolk der Nung. Damit diese und vor allem deren Kinder einen besseren Zugang zur Landessprache bekommen, gibt es ein spezielles staatliches Programm, das niederschwellig ansetzt und zwar nicht bei der Sprache selbst, sondern beim Zugang zur modernen Welt. Geholfen wird zum Beispiel bei der Unterstützung beim Mittagessen und der Organisation von Sommerkursen oder bei Schul- und Studienkosten. So soll vor allem durch den Zugang zu Bildung und regulären Strukturen gewährleistet werden, dass „die Qualität der Betreuung und Bildung von Kindern in Gebieten mit ethnischen Minderheiten“ verbessert wird und die Bildungsgerechtigkeit steigt. Über diesen eher unkonventionellen Weg sowie die Bereitstellung von mehr Lehrern sollen die Betroffenen einen besseren Zugang zur vietnamesischen Sprache bekommen. (vietnam.vn/de)
Wieso Wörter Gänsehaut auslösen können
Eine internationale Forschergruppe des US-amerikanischen Virginia Tech College of Science untersuchte, wieso Sprache körperliche Reaktionen, wie etwa starkes Herzklopfen oder Gänsehaut, auslösen kann. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung veröffentlichten die Forscher in der Fachzeitschrift Cell Report.
Laut Forschungsbericht werden bei der Verarbeitung von Wörtern im Gehirn drei verschiedene Neurotransmitter freigesetzt: Dopamin, Serotonin und Noradrenalin. Diese Transmitter beeinflussen die Stimmung, Aufmerksamkeit und Motivation. Die erforschten Testpersonen hatten aufgrund bestimmter Vorerkrankungen bereits im Voraus der Untersuchung Elektroden in das Gehirn implantiert bekommen, die Signale dokumentieren und gezielte Nervenzellen stimulieren können. Die Probanden mussten dann verschiedene emotional aufgeladene Begriffe von einem Bildschirm ablesen. William Howe, Assistenzprofessor an der neurologischen Fakultät des Virginia Tech College of Science, erläutert, dass im Laufe dieser Tests insbesondere der Thalamus reagierte, ein Bereich des Gehirns, der normalerweise Sinneseindrücke beispielsweise der Augen oder Ohren verarbeitet.
Bisher galt er als unbedeutend für die Sprachverarbeitung, nun bemerkte man aber Veränderungen der Neurotransmitter als Reaktion auf emotionale Wörter. Dies deute darauf hin, dass Hirnregionen, die nicht primär mit der Sprachverarbeitung beschäftigt sind, ebenfalls die Informationen empfangen. Der Zugang zu den emotionalen Informationen könne das Verhalten dementsprechend verändern. Hirnareale, die normalerweise für Bewegung zuständig sind, können also körperliche Reaktionen wie Gänsehaut, Herzrasen oder Schütteln verursachen. (brigitte.de)
Koloniales Erbe
Die Wissenschaft stellt sich verstärkt die Frage, wie das koloniale Erbe der Vergangenheit die Benennung von Dingen beeinflusst hat. Dabei geht es zum Beispiel darum, ob einst übliche, heute jedoch als beleidigend oder diskriminierend geltende Wörter in den Bezeichnungen von Pflanzen unbedingt weiterhin vorkommen müssen. Im Botanischen Garten in Berlin-Dahlem werden Pflanzen jetzt in ihre lateinische Version umbenannt. Statt Erica caffra heißt die Wasserheide, die aus Südafrika und Lesotho stammt, jetzt Erica afra. „Kaffer“ war ein Schimpfwort für die Xhosa im südöstlichen Afrika, lange galt es im europäischen Sprachgebrauch als Synonym für „Barbar“. In Südafrika gilt der Begriff als strafrechtlich verbotene Hasssprache.
Das 19. und frühe 20. Jahrhundert gelten als Blütezeit der Biologie, haben hier doch prominente Forscher wie Alexander von Humboldt und Charles Darwin das Wissen um sie weit nach vorn gebracht. Jedoch würde oft verdrängt, dass die Erkenntnisse meist nicht ohne die Eroberungs- und Ausbeutungsstrategien der Kolonialmächte möglich waren. „Die Geschichte der Botanischen Gärten in Deutschland und Europa ist untrennbar mit dem Kolonialismus und der europäischen Expansion verbunden“, schrieb 2023 der Verband Botanischer Gärten als Dachorganisation von 101 Institutionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in einem Positionspapier. Botanische Versuchsanlagen in den Kolonien hätten den „Grundstein für Plantagenkulturen weltweit“ gelegt. Die Arbeit sei von Einheimischen „unter oft grausamen Bedingungen geleistet worden, bis hin zur Sklaverei“. Die Umbenennung der Pflanzen, die ein rassistisches Erbe im Namen in sich tragen, sei daher ein erster Schritt, um sich dem dunklen Kapitel der Kolonialzeit zu stellen. (zeitung.faz.net (Bezahlschranke))
2. Gendersprache
NATO ändert Sprache
Die NATO passt ihre offizielle Sprache zu Themen wie Klima, Geschlecht und Vielfalt an, um möglichen Sanktionen durch die amtierende Regierung des US-Präsidenten Donald Trump zu entgehen. Laut Berichten der Tageszeitung Politico vermeidet das Bündnis künftig Begriffe wie „Geschlecht“ oder „Frauen, Frieden und Sicherheit“ und ersetzt Begriffe wie „grüne Technologien“ durch neutralere Formulierungen wie „innovative Technologien“. Auch „Klima“ wird nun als „operatives Umfeld“ bezeichnet. Hintergrund ist der Widerstand der Trump-Regierung gegen Programme zur Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion (im Englischen mit DEI abgekürzt). Diversitätsprogramme wurden in den USA eingeführt, um historisch bedingten Benachteiligungen entgegenzusteuern. Präsident Trump erklärt jedoch, dass es den Initiativen oftmals an Kompetenz fehle und diese selbst Diskriminierung förderten. (fr.de)
3. Kultur
Plattdeutsch-Album als Herzensprojekt
Der norddeutsche Sänger Timsen, bürgerlich Hans-Timm Hinrichsen, ist bekannt als Sänger der Band Santiano. Nun bringt er sein eigenes Album „Vun Hier“ heraus und singt dabei vollständig auf Plattdeutsch, seiner Muttersprache. Plattdeutsch liege ihm besonders am Herzen, erklärt er im Gespräch mit Stern, da er auf Plattdeutsch denke, träume und lebe. Es sei für ihn die „Sprache der Seele“. Timsen sehe Plattdeutsch nicht als „perfekt“ an, sondern als lebendige Sprache, in der man einfach lossprechen solle, ohne Angst, es „falsch“ zu machen. Sein Lieblingsausdruck auf Plattdeutsch sei „Mien Leevste“, also meine Liebste. Durch sein neues Album möchte er einen Beitrag zur Erhaltung der Sprache leisten. (stern.de)
Qapla‘ für klingonisches Wörterbuch
Wer die Geschichten um Captain Kirk, Mr. Spock und Pille kennt, kommt auch um die Klingonen nicht herum. Als sie 1966 das erste Mal mit schlechtem Make-Up über die Mattscheibe flimmerten, wurden sie nur als einmalige Nebendarsteller im Star-Trek-Universum wahrgenommen. Mit Star Trek – Die nächste Generation wurde ein Klingone Bestandteil der Brückenbesatzung unter Captain Picard, somit rückte seine Geschichte und damit auch die Sprache seines Volkes ein großes Stück in den Vordergrund. Während zunächst nur einfache Wörter oder kurze Redeanteile auftauchten, kam kurz darauf eine ganze Sprache mitsamt der Grammatik dazu. Heute gibt es gut 5.300 Wörter, auf sogenannten „Conventions” (Treffen der Star-Trek-Fans) wird die künstliche Sprache am Leben erhalten. Laut dem US-amerikanischen Sprachwissenschaftler Marc Okrand gibt es rund 50 Menschen, die Klingonisch flüssig sprechen können. Okrand hatte die Sprache der Klingonen im Auftrag des Konzerns Paramount Pictures entworfen.
Bisher gab es nicht zu jedem Themenbereich Wörter, seit rund drei Jahren können sich Fans aber auch über sexuelle Bereiche austauschen. 2022 hat Okrand klingonische Wörter für das biologische Geschlecht (ghaQpey‘) und gewählte Geschlecht (HuQ’am) erfunden. Außerdem gebe es nun Wörter für Geschlechtsverkehr, Geschlechtsteile, das Küssen und Wörter rund um den Orgasmus. Jeden Star-Trek-Fan erfüllt das mit tiefer tlho‘ (Dankbarkeit). (heise.de)
4. Denglisch
Elektrotechnik ade
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) richtet zum Sommersemester 2025 drei neue englischsprachige Masterstudiengänge ein: „Electrical Engineering and Information Technology” und „Mechatronics and Information Technology” ersetzen die bisherigen deutschsprachigen Masterstudiengänge „Elektrotechnik und Informationstechnik“ und „Mechatronik und Informationstechnik“. Außerdem neu ist „Computer Science“, der entsprechende deutschsprachige Masterstudiengang „Informatik“ bleibt jedoch parallel bestehen. „In einer globalisierten Welt ist der sichere Umgang mit Englisch unerlässlich“, schreibt das KIT in einer Pressemitteilung. „Der Austausch in Wissenschaft und Arbeitswelt findet zu einem großen Teil auf Englisch statt“, wird KIT-Präsident Jan S. Hesthaven zitiert. Dabei haben Studien gezeigt, dass ausländische Studenten sich ausgegrenzt fühlen, wenn sie keine Gelegenheit haben, die Landessprache zu erlernen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten, mehr als jeder fünfte der knapp 22.750 Studenten kommt aus dem Ausland. (kit.edu, adawis.de)
5. Soziale Medien
Gegenderter Fahrradzähler
In Dresden gibt’s kaputte Brücken, der Ferienpass wurde eingestampft – aber Gendern muss sein! Bau-Bürgermeister Stephan Kühn hat auf einer Straße einen Fahrradzähler (von dem nur er weiß, warum er Fahrradbarometer heißt!) installiert, der „Radfahrende“ zählt. Das mag für diesen Moment tatsächlich mal ausnahmsweise richtig sein, doch so ganz war man mit den Reaktionen auf den Artikel auf der hauseigenen Facebook-Seite nicht zufrieden. Weil sich viele Dresdener über genau die Doppelmoral bei der Geldausgabe beschwerten, wurde die Kommentarspalte geschlossen. So geht offenbar Diskurs in Dresden. (x.com/vds)
Tag des Buches … und des Bieres
Am 23. April wird jährlich der Tag des Buches und des Urheberrechts begangen. Gleichzeitig ist dann auch der Tag des deutschen Bieres. Und weil beide Dinge so gut zusammenpassen, haben wir auf Instagram ein kleines Rätsel mit verschiedenen Fragen zu beiden Aktionstagen hochgeladen. Zu finden ist es auf der Insta-Seite des VDS, und zwar in den sogenannten Highlights (die kleinen Kreise direkt oben über den eigentlichen Beiträgen) unter Raterei. Da die Rätsel zeitlich sortiert sind, muss man sich allerdings bis relativ weit hinten durchtippen. (instagram.com/vds)
6. Buchwelt
Pro Deppen-Apostroph, Contra Gendern
Der Welt-Redakteur Matthias Heine beschreibt in seinem Buch „Der große Sprachumbau“ die aktuelle Lage der deutschen Sprache. Im Interview mit dem Stern stellt er klar, dass er dem Gendern keine große Überlebenschance zuspricht, da es nicht aus der Mitte der Gesellschaft heraus entstanden sei. Er sieht es vielmehr als Generalangriff auf die deutsche Sprache: „Dass Teile der Politik, der Obrigkeit, des staatsabhängigen Rundfunks, der Kirchen und anderer Institutionen sowie weite Teile des Großkapitals ein Bündnis eingehen, um eine neue Sprache gegen die Expertise der Fachleute durchzusetzen, sollte stutzig machen.“ Es gebe zudem bis heute keinen Nachweis, dass das reguläre Deutsch Frauen oder nicht binäre Personen tatsächlich diskriminiere oder von ihnen konstruierte neue Formen Gleichberechtigung beförderten.
Dass sich Sprache dennoch immer ändert, zeigt er am sogenannten „Deppen-Apostroph“ auf, der sich über den häufigen Gebrauch in die Sprache geschlichen hätte und mittlerweile nicht mehr als falsch angesehen würde. Es sei tatsächlich Sprachwandel von unten gewesen und habe sich durchgesetzt, weil die Leute es wollten: „Mein Buch wendet sich nicht generell gegen Sprachwandel (…), sondern gegen den Versuch einer Obrigkeit, einen solchen gegen den Willen der Mehrheit durchzusetzen.“ Problematisch finde er auch die Häufigkeit, mit der Anglizismen die deutsche Sprache überfluteten. Es überschreibe die Grenze zum Lächerlichen, wenn alles nur noch „literally“, „random“ und „nice“ sei: „Jugendliche dürfen das, meine Töchter reden auch lieber von ‚Skincare‘, weil das schicker klingt als Hautpflege. Doch bereits hier greift eine gewisse kapitalistisch motivierte Verschleierungsabsicht. Wenn Politiker ‚Pushback‘ sagen, aber das Zurückdrängen von Asylsuchenden meinen, ist das eine bewusste Verschleierung der eigentlichen Bedeutung.“ (stern.de (Bezahlschranke))
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel