1. Presseschau
Universität Frankfurt rudert zurück
Die Goethe-Universität Frankfurt hat nach massiven Protesten ihre umstrittenen Pläne zur Studiendauer und verpflichtenden Deutschkursen zurückgezogen. Ursprünglich sollten Bachelor- und Masterstudenten maximalen Semesterzahlen unterliegen und internationale Studenten verpflichtend Deutschkenntnisse erwerben. Beide Vorschläge werden nun nicht weiterverfolgt, wie die Universität in einer Stellungnahme bekannt gab. Die Diskussion um diese Änderungen war eine Reaktion auf die Novellierung der Rahmenordnung von 2020 und wurde durch mehr als 1000 Rückmeldungen aus Fachbereichen und der Studentenschaft angestoßen.
Trotz der Ablehnung dieser Vorschläge bleibt die Überarbeitung der Rahmenordnung in Gange. Ziel sei es, ein Studium zu gestalten, das Chancengerechtigkeit, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und KI berücksichtige. Der neue Entwurf, der auf den mehr als 150 Stellungnahmen basiert, soll 2026 präsentiert werden. Einige Anpassungen werden jedoch beibehalten, wie etwa eine Erweiterung des Profilierungsbereichs im Bachelorstudium von vier auf 15 Credit-Points, was den Studenten mehr Wahlfreiheit und interdisziplinäre Optionen bietet. (fr.de)
Sprachliche Verharmlosung von Gewalt
Wenn Sprache präzise ist, kann sie dabei helfen, dass Verbrechen nicht verharmlost werden und eine Täter-Opfer-Umkehr verhindert wird. Die Rechtsanwältin Patricia Hofmann schreibt im Standard, dass in der Berichterstattung über Gewaltverbrechen häufig Formulierungen wie „Beziehungstat“, „Tat aus Liebe“ oder „Eifersuchtsdrama“ genutzt würden. Diese würden eine Straftat „sprachlich in den Kontext einer Partnerschaft oder eines emotionalen Unglücks stellen“. Sie suggerierten eine Dynamik, die das Opfer in die Verantwortung zieht und eine Gewalttat rechtfertigt. So würde die Verantwortung des Täters verschleiert oder relativiert: „Eine reißerische oder verharmlosende Berichterstattung ist daher nicht nur irreführend, sondern tatsächlich gefährlich, da sie die Tat in einen entschuldbaren Rahmen rückt.“ Deswegen sei es wichtig, Fakten auch klar zu benennen: Wenn jemand eine andere Person stalkt, einen Mord oder ein Sexualdelikt begeht, müsse das in der Berichterstattung auch genau so wiedergegeben werden, denn nur das schaffe ein gesellschaftliches Bewusstsein für diese Straftaten. (derstandard.at)
Deutsch lernen zwischen Glühwein und Backfisch
Ein Weihnachtsmarkt ist nicht nur ein Ort der Gemütlichkeit vor den Feiertagen, sondern kann auch als Lernort für Sprachen dienen. Die Studentin Pauliina Ojanen aus Finnland arbeitet am heimischen Stand auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt, um ihr Deutsch zu verbessern. Neben dem Geldverdienen biete die Arbeit die Möglichkeit, ihre Deutschkenntnisse aufzupolieren. Denn im Miteinander mit Kollegen und Kunden würde sie durch das stetige Sprechen viel üben und auch ihren Wortschatz ständig erweitern: Neu sei in ihrem Vokabular das Wort „Strohhalm“. Bereits in der 4. Klasse wählte sie Deutsch als weitere Sprache, im Studium folgten dann ein Auslandssemester in Leipzig und ein Praktikum in Berlin. Ihre Zeit im Advent in Deutschland nutzt sie aber nicht nur, um auf dem Weihnachtsmarkt zu arbeiten. Sechs Tage pro Woche arbeitet sie, an ihrem freien Tag erkundet sie Norddeutschland. (ndr.de)
Mehr Sprache – mehr Wir
Der Wettbewerb „Mehr Sprache – mehr Wir“, organisiert von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, bietet Schülern die Möglichkeit, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu präsentieren. Im Rahmen des Wettbewerbs halten die Schüler ihre Reden auf Deutsch und in einer weiteren Sprache, um die Bedeutung von Mehrsprachigkeit hervorzuheben.
Unter anderem wurde eine Bochumer Schülerin, die 12-jährige Leann vom Graf-Engelbert-Gymnasium, in der Kategorie der 7. und 8. Klassen ausgezeichnet. Mit ihrer Rede in Deutsch und Mandarin überzeugte sie die Jury, indem sie das Thema Bildungschancen behandelte. Leann gehört zu den insgesamt zwölf Gewinnern des Wettbewerbs. (radiobochum.de)
Klingonisch für alle
Klingonisch ist eine Kunstsprache, die ursprünglich für das Star-Trek-Universum entwickelt wurde. Entworfen von Linguist Marc Okrand im Jahr 1984 im Auftrag der Filmgesellschaft Paramount, ist sie inzwischen offiziell als eigenständige Sprache anerkannt, mit einer eigenen Grammatik und Schrift und einem eigenen Wortschatz.
Lieven L. Litaer, weltweit anerkannter Klingonisch-Experte, war in dieser Woche zu Gast in der SR 3-Sendung „Aus dem Leben“. In dem Gespräch mit Gastgeber Uwe Jäger erklärte er, warum Klingonisch mehr sei als nur eine Sprache für Star-Trek-Fans und Science-Fiction-Interessenten. Litaer, der das Deutsche Klingonisch-Institut gegründet hat, übersetzte unter anderem Werke wie Der kleine Prinz oder Alice im Wunderland ins Klingonische und veranstaltet seit über 20 Jahren Sprachkurse in Saarbrücken. Klingonisch ist mittlerweile offiziell als Sprache anerkannt und hat sich über die Jahre in Filmen, Serien und Literatur etabliert. In seinem neuen Buch Klingonisch – Vom Requisit zum Kult fasst Litaer alles Wissenswerte zur klingonischen Sprache zusammen. Er spricht über die Faszination, die ihn seit seiner Jugend mit Klingonisch verbindet, und die Vorteile des Erlernens einer Kunstsprache. (sr.de)
2. Gendersprache
Gender-Biber
Die Plattform „Bundesweite Informatikwettbewerbe“ bietet mit dem „Informatik-Biber“ jungen Menschen die Möglichkeit, sich dem Programmieren zu widmen. Eine Mutter hat uns das entsprechende Infoblatt zugeschickt, bei dem sich offenbar die Verfasser gleich mit mehreren Genderformen ausgetobt haben. (facebook.com/vds, instagram.com/vds, linkedin.com/vds)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Gemüsesuppe
Gemüsesuppe wird aus Suppengemüsezubereitet. Man nehme zwei Mohrrüben, ein Stück Sellerie, eine Stange Lauch und eine kleine Petersilienwurzel (dazu ein paar Blätter), vorher Schalotten anbraten, Wasser drüber und gut würzen. Ein schnelles sehr schmackhaftes Gericht. Seltsam ist aber eines: die Vertauschung der beiden Teile Gemüseund Suppein dieser Zusammensetzung. Mal ist es eine Suppe, mal ein Gemüse. Wir fragen: Wie kommt es dazu? Die Grammatiken helfen weiter und nennen zwei Regeln. Die eine sagt: Alle Zusammensetzungen im Deutschen bestehen immer aus zwei Teilen, zwei Konstituenten: einem Grundwort, auch Kopf genannt, und einem Bestimmungswort. Das Grundwort steht für einen allgemeinen Begriff und für die grammatischen Kategorien des Kompositums, also Wortart, Genus und Kasus. Das Bestimmungswort schränkt die Bedeutung des Grundwortes ein. Aus derSuppe wird durch die Zusammensetzung mit Gemüse eine bestimmte Suppe. (In der Linguistik werden dafür lateinische Fachwörter verwendet. Gemüse ist Determinans, Suppe Determinatum. Darum nennt man diesen Typ von Zusammensetzung auch Determinativkompositum.)
Im vorliegenden Fall sind beide Teile Substantive. Es können aber auch andere Wortarten kombiniert werden: z. B. Warmwasser (Adjektiv + Substantiv), lauwarm(Adjektiv + Adjektiv), aufwärmen (Partikel + Verb) usw. Oft ist ein Teil selber ein Kompositum, z. B. imGemüsesuppentopf, bestehend aus den zwei Teilen Gemüsesuppe und Topf. So lassen sich im Deutschen sehr lange Wörter bilden wie der bekannte fünfgliedrige Donau/dampf/schiffarts/gesellschafts/kapitän. Bevor man (als Leser oder Hörer) zu dem Grundwort des ganzen kommt, dem Kapitän, muss man verstehen und speichern, dass dieser einer Gesellschaft vorsteht, die eine Schiffartbetreibt, die mitDampffunktioniert und auf der Donau stattfindet.
Gibt es noch eine weitere Regel? Ja, die Betonung. Bei Suppengemüseliegt der Hauptakzent auf Suppe, bei Gemüsesuppe auf Gemüse, also jeweils auf dem ersten Glied. Darüber hinaus haben die Grammatiker nach Regeln gesucht, die den Bedeutungszusammenhang der beiden Glieder durch syntaktische Paraphrasen beschreiben. Sie konnten sich nicht einigen.
Das Dilemma zeigt ein bekanntes Beispiel: Ein Schweineschnitzel ist ein ‚Schnitzel, das aus Schweinefleisch gemacht wird‘. Und was ist einJägerschnitzel? Ein ‚Schnitzel aus einem Jäger‘? Eher ‚für einen Jäger‘. Und was ist einWienerschnitzel? Weder ‚für‘ noch ‚aus‘, sondern ‚nach Wiener Art (mit Kalbfleisch)‘. Passt dazu auch das mit Paprika gewürzte Zigeunerschnitzel? Schon der Altmeister der Wortbildungsforschung, der Germanist Wilhelm Wilmanns, sprach vor über hundert Jahren ‚von den mannigfachen Beziehungen‘, die zwischen den Konstituenten bestehen könnten. Genauer geht es nicht. Gerade die semantische Vielfalt der Komposita macht einen besonderen Reichtum der deutschen Sprache aus.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Russisch in schwierigen Zeiten
Seit dem Ukrainekrieg ist es leiser geworden um die russische Sprache im Ausland. Immer weniger Menschen möchten sie lernen, die Anmeldezahlen in den Kursen gehen stetig runter. Die Geraer Russisch-Lehrerin Elke Kolodzy hält tapfer dagegen – und das trotz, oder gerade wegen, ihres vielfältigen Engagements für die Menschen der Kriegsregion. Seit 44 Jahren lehrt sie Russisch, finanziert ihre Unterrichtsmaterialien größtenteils selbst: „Russisch ist die Brücke zu den ukrainischen Flüchtlingen“, sagt sie. Sie bietet Deutschunterricht für Ukrainer an, aber auch Russisch für jene, die sich trotz Krieg mit der Sprache beschäftigen wollen. Sie übersetzt bei Anmeldungen, Elternabenden und Beratungsgesprächen. Dabei fällt ihr das Russisch-Lehren immer schwerer: Schulbuchverlage geben keine neuen Lehrwerke in Russisch mehr heraus, Fachzeitschriften haben ihr Erscheinen eingestellt. Auch an den Schulen in Ostdeutschland würde Russisch zum Auslaufmodell. Dem wolle sie entgegenwirken – auch, um Brücken zu schaffen. Gerade in ihrer Arbeit mit ukrainischen Flüchtlingen sei das wichtig, Anfeindungen wegen der russischen Sprache habe sie noch nie erfahren. Zu ihren eifrigsten Schülerinnen gehört eine 71-jährige Frau aus Mariupol, der Hafenstadt mit einem bunten Völker- und Sprachgemisch. Sie meint: „Man sollte jede Sprache achten, nicht unterdrücken.“ (otz.de (Bezahlschranke))
Luxemburgisch für das Gemeinschaftsgefühl
Im benachbarten Großherzogtum Luxemburg gibt es drei Amtssprachen: Luxemburgisch (Eigenbezeichnung Lëtzebuergesch), Hochdeutsch und Französisch. Diese Sprachen haben unterschiedliche Anwendungsbereiche. Deutsch für die Schriftkultur, Französisch für Verwaltung und Justiz, Luxemburgisch für das Gemeinschaftsgefühl. Die Wirtschaft verwende aber zunehmend Englisch. Der Literaturprofessor und frühere Politiker Ben Fayot kritisiert, dass sich das im Sprachunterricht des Landes nicht widerspiegele. Im Klassenzimmer herrsche Stillstand und die Methoden seien stehen geblieben. Seit Generationen werde Französisch unterrichtet, als wäre es Latein. Der Unterricht sei starr und ohne jeglichen Bezug zum Alltag. Deswegen wird in Luxemburg viel und laut über Sprachfragen gestritten. Fayot spricht sich für einen moderneren Französischunterricht aus, der näher an der gesprochenen Sprache ist. Auch fordert er für sein Land eine gezieltere Sprachenpolitik, die den verschiedenen Sprachen konkrete Rollen zuweist und sie entsprechend fördert.
Vollkommen unabhängig davon, aber nicht weit davon entfernt, referierte der Literaturwissenschaftler Martin Puchner (Harvard-Universität) über das Überleben des Luxemburgischen. Die Kunst bestehe darin, Luxemburgisch zu stärken, ohne die Offenheit zu verlieren, aus der die Sprache historisch immer schon gelebt hat, so Puchner. (wort.lu, lessentiel.lu)
Projekt Heimatsprache-Unterricht
Ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Max-von-Gagern-Grundschule und der Eichendorffschule in Kelkheim ermöglicht es Kindern, die Sprache ihrer Heimat zu lernen. Der Heimatsprache-Unterricht ist Teil eines Projekts des Ausländerbeirats Kelkheim. Dirk Wingelfeld, Schulleiter des Privatgymnasiums Dr. Richter, an dem der Heimatsprache-Unterricht stattfindet, unterstützt das Projekt und erklärt, dass die Zweisprachigkeit der Kinder gefördert und genutzt werden müsse. Das Denken, die kognitive Entwicklung und das Sprachvermögen der Kinder profitierten von diesem Unterricht. Im Rahmen des Projekts wird am Dr. Richter Privatgymnasium die Sprache Tigrinya unterrichtet, eine semitische Sprache, die vor allem in Eritrea und im Norden Äthiopiens gesprochen wird. Sie besitzt ein eigenes Schriftsystem, das Ge’ez-Alphabet, welches sich von der lateinischen Schrift unterscheidet. (fnp.de)
5. Soziale Medien
Die Weihnachtsgeschichte in Jugendsprache
Der Lehrer und Comedian Herr Schröder teilt auf seinem Instagram-Kanal die Weihnachtsgeschichte auf Jugendsprache, gelesen von jungen Menschen. Das Problem der Reise erschließt sich auch in einer eher nicht bibeltreuen Version: „War nicht so direkt nice, weil Maria schwanger war, das hat sie ja gar nicht getriggert, aber boy Jesus hatte vor, genau in dieser Nacht zur Welt zu kommen. Mega timing.“ (instagram.com/herrschroeder_korrekturensohn)
Mehr alte Wörter, bitte!
Auf TikTok schlägt der Nutzer @dominik.artefex vor, alte deutsche Wörter wieder verstärkt in den Sprachgebrauch zu integrieren, wie „Obacht“, „hurtig“ oder „famos“. Auch „pfiffig“ hat es ihm angetan: „Hater würden jetzt sagen, das ist ein Boomer-Wort. Ich sage: „Pfiffig“ ist der kleine Bruder von „genial“, nur mit so ‘nem kleinen bisschen Schabernack. Schabernack ist auch so’n geiles Wort.” (tiktok.com/dominik.artefex, tiktok.com/dominik.artefex)
Faust auf Ton
Auf Instagram zeigt der Nutzer @this_is_phili sein außergewöhnliches Goethe-Projekt: Er überträgt Faust I mit kleinen Stempeln auf Tontafeln. (instagram.com/this_is_phili)
Abkürzungs-Wirrwarr
In den letzten Jahrzehnten sind im Sprachgebrauch immer mehr Abkürzungen dazugekommen, die nicht mehr unbedingt von allen – vor allem älteren – Menschen verstanden werden. Das Portal @bremennext hat auf Instagram den Test gemacht. Aus OMG (Oh mein Gott) wurde „Oma mit Gehhilfe“, KP (kein Plan, Ausdruck von Ahnungslosigkeit) assoziierten die Befragten mit der Kommunistischen Partei. (instagram.com/bremennext)
Weihnachtslieder mit Emojis
Das Erzbistum Paderborn hat sich den Spaß gemacht und einen Jugendpfarrer und einen Domkantor Weihnachtslieder raten lassen: Sie mussten anhand von Emojis erraten, welches Lied gemeint ist. (instagram.com/erzbistum_paderborn)
Sächsische Konjugation
Auf Instagram zeigt @sachsenmundart auf humorvolle Art, wie die verschiedenen Zeiten des Verbs „machen“ auf Sächsisch klingen. Während „Isch mache“ Präsens ist, beschreibt „schmachte“ das Präteritum. (instagram.com/sachsenmundart)
Kein „to go“
Auf X teilt der Nutzer @horn_helmut das Foto eines türkischen Lebensmittelladens, der auf einen modernen Anglizismus verzichtet: „Perfekt! Ein türkischer Lebensmittelladen bietet Nudelgerichte nicht ‚to go‘, sondern ganz normal ‚zum Mitnehmen‘ an. Selbst das Wort ‚Mitnehmen‘ ist korrekt groß geschrieben. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“ (x.com/horn_helmut)
6. Buchwelt
Bloß Unterhaltungsliteratur?
Erinnern Sie sich noch an die Werke von Johannes Mario Simmel und Utta Danella? Sie erzielten gewaltige Umsätze, wurden aber von Kennern, die Wert auf geistigen Abstand legten, geringschätzig als Unterhaltungsliteratur eingestuft. Jetzt ergeht es einem Bestsellerautor, dem Schweizer Martin Suter (Jahrgang 1948), nicht besser. So klingt jedenfalls das verklemmte Lob des „Spiegel“, Suter sei „der Grandmaster der deutschsprachigen Unterhaltungsliteratur.“
Ich wollte es genauer wissen und habe die drei Romane „Der letzte Weynfeld“ (2009), „Melody“ (2023) und „Wut und Liebe“ (2025) kürzlich gelesen. Die Geschichten sind im Handlungsgefüge nicht einfach und haben reichlich kriminalistische Verstrickungen. Man ist aber gespannt, wie’s ausgeht, auch wenn man manchmal zweifelt, ob man die Verwicklungen alle verstanden hat.
Stichworte waren: Ein sehr gut situiertes, politisch einflussreiches Milieu bei den männlichen Hauptfiguren, die Anfechtungen des bevorstehenden oder beginnenden Alters, der Kunsthandel und seine teils betrügerischen Machenschaften, Frauen aus einfacheren Kreisen, die sich auf die viel älteren Männer einlassen und ihren Nutzen daraus ziehen.
Besonders hat mir in „Melody“ die Figur des gerade diplomierten Juristen gefallen, der für den Nachruhm eines Prominenten sorgen und nach dessen Tod alles zurechtrücken soll, was in dessen Leben nicht so gelungen war, sogar eine geplatzte Hochzeit.
Schon wahr, über den Hintersinn unserer Existenz und der Welt erfahren wir kaum etwas, wohl über Hintergründe mancher Gesellschaftskreise. Jean-Paul Sartre hat 1947 die Gattung der sog. engagierten Literatur erfunden, aber an anderer Stelle gemeint, Langeweile sei immer ein Einwand gegen die Qualität von Literatur. Dies kann man Suters handwerklich gut gearbeiteten Romanen gewiss nicht vorhalten.
Zu Hochliteratur zählt man übrigens auch die Bücher mit den schlimmsten Abbrecherquoten: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (Proust), Der Mann ohne Eigenschaften (Musil), Joseph und seine Brüder (Th. Mann) und Ulysses (Joyce). Vergessen wir am besten die Kategorisierung von Unterhaltungs- und Hochliteratur! Vielleicht ist sie nur ein Machtmittel der Kritiker.
(Dr. Kurt Gawlitta, Berlin)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel
