Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
So steht es am Anfang des Johannes-Evangeliums. Und weiter heißt es:
Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.
Unabhängig von den verschiedenen Interpretationen, die diese bedeutenden Worte im Laufe der Jahrhunderte erfahren haben – eins haben alle Deutungen gemeinsam: Das Wort, die Sprache, ist göttlichen Ursprungs und damit zugleich Urgrund all unserer Begriffe, d. h. der Möglichkeit an sich, die Schöpfung und damit die Welt zu begreifen. Ohne dass die Welt und alles Erschaffene nicht gedanklich erfasst, begrifflich gefasst und im Wort konkretisiert ist, gibt es für den Menschen kein bewusstes, mit Licht d.h. mit Erkenntnis erfülltes Leben.
Der Mensch ist erst Mensch durch das Wort, das „im Anfang bei Gott“ war.
Die Geschichte dieses „Wortes“, d.h. der Sprache und des in ihr konkretisierten Denkens, das wir hier mit Erkenntnis, Einsicht, Verständnis erklären dürfen, ist lang und beginnt mit diesem Mythos, der uns nur soviel sagen will: Diese ungeheure und einzigartige Möglichkeit des Menschen ist uns geschenkt, anvertraut und zur Verantwortung gegeben worden. Wir können sie ergreifen und verwenden, wir können mit ihr gestalten und handeln, und das im weitesten Sinne. Denn Sprache vermittelt uns nicht nur unsere Welt, sie ist unsere Welt. Sie ist das Abbild unseres ganzen, spezifisch menschlichen Wesens.
1.
Wir können zeitlich viel weiter zurückgehen, aber mit Luthers Wirken beginnen wir hier in den deutschen Landen zu verstehen, was das Wort vermag, welche Zugänge es schafft und welche Wirkung mit Sprache erzielt werden kann. Nicht nur, dass der Reformator den Menschen seiner Zeit den christlichen Glauben näher brachte, indem er die biblischen Texte in ihre Sprache übersetzte, ihnen damit in der Welt ihrer Vorstellungen und Erfahrungen die göttliche Botschaft erklärte und begreifbar machte. Er schuf auch eine neue Welt der Erkenntnis, der Einsicht in jedem und mit jedem Wort, das er aus dem Schatz der Sprache seines Landes, seiner Welt und der in ihr gegebenen Erscheinungen formte.
Luther ist nicht der erste, der auf der Grundlage seiner Kenntnis vom Wesen und vom Bau der Muttersprache einen sprachlichen Schöpfungsprozess gestaltet: schon Jahrhunderte vor ihm erweitern Mönche und Dichter, Anwälte und Handwerker die Sprache des Volks in ihren eigenen Wirkungskreisen. Sie lesen und schreiben, sie übersetzen und dichten und sie erfinden im Rahmen der ihnen einsichtigen Gesetze und Regeln ihrer Sprache neue Wörter und Strukturen, durch die sie das Denken und Begreifen und damit zugleich ihre Welt und die Welt ihrer Mitmenschen erweitern und vertiefen. Hier sei nur auf das St. Galler Paternoster oder das Evangelienbuch des Otfrid von Weißenburg verwiesen, Werke, an denen man auch heute noch die Mühen, den Fleiß, die Kraft und die Fantasie ihrer Schöpfer bezüglich ihrer sprachlichen Gestaltung ablesen kann – vorausgesetzt, man macht sich selbst einmal diese Mühe. Und dasselbe gilt für die Schöpfer profaner Dichtung jener Zeit: den unbekannten Dichter des Ludwigslieds etwa oder den Autor der Straßburger Eide.
Heute weiß jeder gebildete Mensch, welche großartige geistige Bewegung mit diesem Wirken begann und welche geistreichen, fantasiebegabten Menschen in den folgenden Jahrhunderten eines der bedeutendsten Werke der Kulturgeschichte im zentralen Europa schufen: die deutsche Sprache.
2.
Nun ist im Grunde jede Sprache Abbild bzw. Ausdruck und Leistung einer besonderen individuellen Kultur. Das Besondere aber an der deutschen Sprache und ihrer Leistung ist zum einen die rasante Entwicklung zu einer hochdifferenzierten Kultursprache, die sie in wenigen Jahrhunderten genommen hat, und zum anderen die lange unbestrittene Tatsache, dass sie in jedem Gebiet praktischer und geistiger „Bewegung“ nicht nur leistungsfähig, d.h. erschließend wirksam, sondern auch entwickelbar war. Die Möglichkeiten der deutschen Sprache sind aufgrund ihrer Struktur und der in ihr wirksamen „Gesetze“ – der syntaktischen und grammatischen Regeln, der Gesetze der Wortbildung und -neuschöpfung – geradezu unbegrenzt. Das verdeutlichte der Umgang ihrer Sprecher insbesondere in den vergangenen zwei Jahrhunderten: kein Lebensbereich, kein wissenschaftlicher oder künstlerischer Raum, in dem die Menschen nicht in ihrer Sprache ein neues Phänomen begrifflich fassen und kennzeichnen konnten. Das galt nicht nur für die uns allen vertrauten großen Geister in der Dichtung und der Philosophie (für die das Wort das wichtigste „Instrument“ ihres Handelns ist) oder in den Naturwissenschaften, der Wirtschaft und dem Handwerk – es galt für jeden Menschen in unserem Sprachraum: zahllose Redewendungen, Vergleiche und Metaphern schuf der einfache Mann (natürlich auch die Frau) „auf der Straße“ im alltäglichen Umgang mit seinesgleichen im Bewusstsein dieser Leistungsfähigkeit seiner Sprache.
3.
Es ist nun außerordentlich interessant, die Umstände und Wirkungsfaktoren zu untersuchen, die dazu geführt haben, dass wir Heutigen das nicht mehr erkennen, ja nicht nur Luthers „Weg“ verlassen, sondern offenbar auch die Fähigkeit verloren haben, das Gemeinsame von Denken und Sprechen oder von Glauben und Sprache wahrzunehmen: zu erkennen, dass sich in unserer Sprache (und ich nenne sie einmal noch die deutsche) unser Wesen gestaltet und abbildet, unsere Seele, unser Fühlen, Denken und Glauben – unsere gemeinsamen Werte, die uns verbindende Identität, das, was wir sind als Christen und als christlich geprägte Menschen dieses Landes.
Was nötigt uns in zunehmendem Maße Gemeinsames, Vertrautes und Wertvolles (vor allem: Einzigartiges) aufzugeben, ja, über Bord zu werfen wie einen lästigen Ballast. Nicht mehr „Kirche“ zu sagen, nicht mehr „Gemeinde“ und „Gebet“, sondern in der „Living Church“ eine „Church Night“ zu feiern mit „Night Fever“, in „Communitys“ zu wirken und die „Message“ zu hören? Müssen wir zur „Pray Time“ eingeladen werden, zum „Sing & Pray“ und zum „Candlelight Praise“, um das richtige „Worship“ zu erfahren?
Alles was wir nicht in unserer Muttersprache aussprechen, bleibt in Distanz, oder ist uns der „Lord“ näher als Gott, sind uns „Dschisass Kreißt“ und „Merri“ vertrauter als Jesus und Maria? Lernen unsere Kinder wirklich nur noch beim „Godly Play“ in der Bibel zu lesen? Wollen wir wirklich lieber Gospels hören und singen als „Lobe den Herren“ oder „Geh aus, mein Herz“?
Dies sind nur wenige von inzwischen zahllosen Fragen, die alle mit der Veränderung unserer Sprache in unseren Gemeinden zu tun haben und jeder von uns mag sie für sich beantworten, er sollte sich nur der einen Tatsache dabei bewusst sein: Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel und beliebig austauschbar, Sprache ist in viel tieferem Sinn der Raum all unseres Wissens, unseres Glaubens und unseres Charakters, und all das ist unverwechselbar gebunden an jedes einzelne Wort in unserer Sprache: mit jedem Wort, das ich aufgebe, verliere ich eine unverwechselbare begriffliche Einmaligkeit, mit jedem neuen Wort verändere ich die Welt.
Deshalb muss sich die Kirche mehr als jede andere Gemeinschaft oder Institution in unserem Land ihrer Verantwortung für die Muttersprache bewusst sein: nur eine klare, im Bewusstsein und im Herzen verankerte Sprache kann auch ein klares und verständliches Evangelium verkündigen.
Das ist unser Appell.
Ernst Jordan, Februar 2010
– Dezember 2012 –
Schöne neue X-Mas-Welt
„<Jesus, ich liebe dich, weil du dich um mich sorgst. Ich kann es mir gar nicht vorstellen, wenn du nicht da wärst.> Das singt Norman Hutchins, einer der großen Gospelsänger aus den USA“, sagte uns Pastor Matthias Neumann im NDR 90,3 (Kirchenleute heute) vor ein paar Wochen. Genau das aber singt Hutchins nicht. Hutchins singt amerikanisch, und da singt sich alles „doch irgendwie leichter“ (so Pastor Neumann) als ein Liebeslied für Jesus aus dem „ehrwürdigen Gesangbuch“ und mag es auch „Jesu meine Freude“ heißen. Es geht offenbar auch gar nicht um den Text, wie wir nun erfahren. Wie bei den meisten anglo-amerikanischen Songs spielt der Text, das Verständnis der Worte, gar keine oder nur eine Nebenrolle. „Vielleicht weil über den Text nicht viel nachgedacht wird“, mutmaßt Pastor Neumann. „I love Jesus“ sei ein Satz, den viele evangelische Christen wohl leichter singen als in Deutsch sagen könnten. Und er erläutert: „Mich beeindruckt an Jesus, dass bei ihm Handeln und Reden so übereinstimmen wie bei keinem anderen Menschen.“
Ja, aber warum pflegen wir dann im Gottesdienst immer mehr die Unterhaltung, das Gefühl, den Spaß, und verzichten auf das Verstehen (gerade zum Geburtsfest Jesu Christi), pflegen Joy und Happiness statt der Andacht (hat mit Denken, Erinnern zu tun!), singen nicht das Lied, dessen Worte wir restlos verstehen, sondern schreien, klatschen und schunkeln in den Gotteshäusern in einer fremden Sprache, gefühlsbetont, aber verständnis- und gedankenbefreit.
Wohlverstanden: verständnisbefreit für die christlichen Besucher des Gottesdienstes in unserem Land. Ich bin weder ein Feind der fremden Sprache, noch der Gospels und Spirituals, die Ausdruck einer indigenen Kultur und eines tiefen, christlich geprägten Glaubens sind, aber es gibt eben doch verschiedene Formen und Ausdrucksweisen, um Freude und Verehrung mitzuteilen, und manche stehen dabei auch gegen einander.
Peinlich und schamlos!
Und die Kraft und die Herrlichkeit überschreibt 11 FREUNDE, das MAGAZIN FÜR FUSSBALLKULTUR, ein „Zlatanunser“, mit dem ein besonders einfallsreicher Poet mit Namen Alex Raack glaubt, dem schwedischen Fußballspieler und seinem zweifellos außergewöhnlichen Tor im Spiel der Schweden gegen England huldigen zu müssen: im Duktus des bedeutendsten Gebets der Christen hat Raack einen Text verfasst, dessen Wortlaut jedem gläubigen Menschen ins Gesicht schlägt: schamlos und verletzend.
Was läuft in unserm Land eigentlich alles herum und verbreitet sich als Kultur …
-jo-
– Februar 2012 –
An die Freunde Luthers
Ich nehme einmal an, dass Ihnen allen das Motto der Lutherdekade und der Vorbereitungskampagne für das Jubiläum der Reformation im Jahr 2017 bekannt, ja vertraut ist. Es sind die Eingangsworte des Johannes-Evangeliums
Im Anfang war das Wort
Diesen Satz hat in dieser Form zuerst unser Reformator Dr. Martin Luther ausgesprochen. Über Luthers Wirken und seine Bedeutung für unsere Muttersprache, glaubte ich lange Zeit, müsse man evangelischen Pastoren nichts erklären, und ganz sicher maße ich mir auch nicht an, den Hirten meiner Kirche diese Worte unseres Reformators erklären oder gar auslegen zu wollen.
Aber die Tatsache, dass zunehmend Pastorinnen und Pastoren und andere maßgebende Mitglieder in unseren Gemeinden Luthers Sprache in ihrer unmittelbaren Bedeutung für den Glauben, in ihrer Tiefe und ihrem Gewicht nicht mehr erkennen, empfinde ich als bedrückend. Sie ist für mich und viele andere Mitglieder unserer Gemeinden der Ausdruck einer verhängnisvollen Entwicklung.
Immer häufiger erscheinen im Bereich der christlichen Kirchen Wörter bzw. Begriffe und sogenannte Slogans, die man vielleicht noch im Bereich der Unterhaltungsindustrie und der Waschmittelwerbung dulden mag, nicht aber als Ausdruck der Botschaft Jesu Christi. Ich bin der festen Überzeugung, dass der deutschen Sprache auch „nicht ein Iota“ fehlt, um „als Sprache der Liebe Gottes“ dem Auftrag Jesu Christi gerecht zu werden und jedes Ohr in unserem Land zu erreichen.
Wir können gänzlich auf Godly Plays, Praytime, Holy Message und Worship verzichten, auf Church Factorys und ChurchNights, auf Botschaften wie Be a Blessing!, God is Moving oder Pimp my church!
Wir brauchen diese neuen Imponiervokabeln wirklich nicht, denn wir haben für jedes dieser Modewörter ein Wort in unserer Sprache, das jedermann versteht.
Immer häufiger aber wird in unseren Gottesdiensten und Kindergärten (am Kids Friday), auf Kirchenfesten (Lordivals und Christivals) und bei Zusammenkünften (Get Togethers) auf Luthers Sprache verzichtet und einem Idiom der Vorzug gegeben, das sich formal durch seine grelle Plakativität und inhaltlich durch eine bemerkenswerte Oberflächlichkeit zu erkennen gibt. Diese Sprache – es handelt sich ja im wesentlichen um das Global-Englisch – ist jedoch nicht Ausdruck der erklärten kulturellen Vielfalt, die das moderne gottesdienst-liche Leben bereichern soll, sie ist vielmehr Ausdruck einer besonderen geistigen und geistlichen Verarmung. Mit ihrer Verwendung leisten wir einer Entwicklung Vorschub, die aus unseren Kirchen Event Locations und Talk-Orte macht und im Gottesdienst Gebet und Andacht durch Fun und Fever ersetzen.
Dieser Entwicklung müssen entgegenwirken – bei aller Begeisterung für die Moderne, denn es sind nicht nur die älteren Schafe, die ihrem Hirten verloren gehen, weil sie sich in den „global“ artikulierten Botschaften nicht mehr wiederfinden.
Ernst Jordan, Handeloh
(Dieser Brief wurde am 12. Januar an 18 evangelische Kirchengemeinden des Kirchenkreises Hittfeld und die Superintendentur in Hittfeld und in Lüneburg gesandt).
– Dezember 2011 –
Vor wenigen Tagen äußerte Norbert Copray, der Herausgeber des Publik Forums im Vorwort seines „Newsletters“ einen bemerkenswerten Gedanken, den wir vielleicht alle in diesem Dezember (und darüber hinaus) in unseren Herzen bewegen sollten:
„In wenigen Tagen beginnt der Advent. Viele Mitbürger werden vermutlich nicht sagen können, worauf der Advent zurückgeht, was sein eigentlicher Sinn ist. Zu sehr haben Warenwelt und Konsum vom Advent Besitz ergriffen und ihn als Haupt-Shopping-Zeit überschrieben. Weltweit, auch da, wo es kaum oder gar kein Christentum gab und gibt. Daher wünsche ich Ihnen, dass Sie Gelegenheit haben, sich zu besinnen auf das, was uns wirklich angeht, auf das, was die Sehnsucht der Völker ausmacht und worauf sich die Botschaft Jesu bezieht. Dass sie vergegenwärtigt wird, das erhoffen wir uns gerade im Advent. Doch vielleicht müssen wir dafür auch mehr tun.“
Und das, möchte ich hinzufügen, gilt auch für die Sprache, die in der vorweihnachtlichen Zeit besonders strapaziert wird.
In Vorarlberg veranstaltete schon im vergangenen Jahr die (katholische) Junge Kirche ihr Projekt „Why?nachten“, eine „authentische, besinnliche Feier … in unkonventioneller Art und Weise“, und ließ den Weihnachtsevent mit einem Rockkonzert ausklingen.
ChurchSound, ein weiteres Unternehmen der Jungen Kirche vermittelte uns eine Art Messe „internationalen Stils“. Ihre Sätze tragen die Bezeichnungen: Here I am – Kyrie eleison – Gloria – Gospel acclamation (Halleluja) – We believe – Offertory – Hosanna – Pater noster – Lamb of God – Benediktus. Warum sich ChurchSound gleich mehrerer Sprachen bedient, wird uns erklärt: „Die Kombination aus Deutsch und verständlichem Englisch hat einen praktischen Grund: den einen ist Deutsch zu fad, die anderen verstehen Englisch nicht so gut. Und so ist für alle etwas dabei, und da es sich bei ChurchSound um eine katholische (d.h. allumfassende) Rockmesse handelt, will die Mehrsprachigkeit auch die Vielfalt und Universalität ausdrücken. In der Tradition der Kirche nichts Neues“ und es wird auf das traditionelle „In dulci jubilo“ verwiesen, das ja auch zwei Sprachen vermischt …
Und dann gibt es da bei der Jungen Kirche noch das Projekt Out of Time. Es will eine „anziehende Gemeinschaft“ verwirklichen. Die zentrale Frage, die Out of Time aufwirft, lautet: Was geht mich das an?
Ob diese neue Sprachgestaltung ihre Ursache darin hat, dass Weihnachtslieder in unserm Land weitgehend in der Sprache Luthers gesungen werden, der ja bekanntlich der katholischen Kirche den Rücken kehrte?
-jo-
Das Geständnis eines Großhumoristen
– September 2011 –
Was mag den brausenden 68er-Alt-Star Eckhard Henscheid bewogen haben (oder hat ihn sogar etwas bewegt?), dass er sich zu einer derart miesen Attacke gegen eine Frau hat hinreißen lassen, der er – um im Bild zu bleiben – nun wirklich nicht das Wasser reichen kann, vor allem nicht als Mensch, der seine Mitmenschen achtet – in Wort und Tat.
Die Autofahrt der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann unter Alkoholeinfluss im Februar 2010 war zweifellos ein strafwürdiges Delikt, „gefährlich und unverantwortlich“, wie Frau Käßmann selbst sehr schnell erkannte, und sie hat dafür auch teuer bezahlt. Aber der heute im Interview in der Main Post als eine Art „Nachruf“ gedachte Text des genannten „Großhumoristen“ Henscheid über „die inzwischen sehr bekannte Bischöfin“ ist einfach nur peinlich, hasserfüllt und unwürdig eines erwachsenen Menschen, der sich auch noch für einen ernsthaften Schriftsteller hält. Was in dieser Tirade zum Ausdruck kommt, kennzeichnet in erster Linie einen Verfasser, der offensichtlich bar jeder Kenntnis über den „Gegenstand“ seines Furors seinen tiefen Emotionen freiesten Lauf lässt. Was mag Henscheid dazu getrieben haben?
Ich frage mich (und andere): War da eine alte Rechnung offen? Eine tiefe Kränkung persönlicher Art in der Vergangenheit? (von Käßmanns Seite ganz unvorstellbar). Ein eventuell vorausgegangener sachlicher Disput reicht als Begründung für Henscheids Impertinenz nicht mehr aus. Oder hat es ihm die Kirche allgemein (und die „spätlutheranische“ im Besonderen) angetan? Angetan haben muss ihm jemand etwas, soviel Hass kommt nicht aus dem Nichts. Aber dieser Text öffnet uns das Herz eines „Klassikers zu Lebzeiten“, nur dass sich in ihm diesmal nicht „Trauer und Komik“ verbinden, sondern dass hier eine peinliche Form der Abrechnung ein menschliches Niveau offenbart, das erschrecken lässt.
-jo-
Erklärung: Auf die Frage des Journalisten Herbert Scheuring (Main Post), wer ihm im Moment von all den öffentlichen Figuren besonders auf die Nerven gehe, hatte Henscheid geantwortet: „Unter den neuen und allerneuesten hat sich eine Gestalt hervorgetan, die den Bürgern „draußen im Lande“, wie Willy Brandt immer zu sagen pflegte, als ganz besonders tapfere kleine Frau gilt, nämlich die inzwischen sehr bekannte Bischöfin Margot Käßmann. Ich war nachweislich einer der ersten, der mit einer kritischen Käßmann-Einlassung vor sieben Jahren schon den richtigen Riecher hatte. Nicht weil sie betrunken durch Hannover fuhr und so Todesopfer riskierte. Aber dieses Gesamtkunstwerk an Bluff, Simulationskunst, Selbstbeschwörung und spätlutheranischer Frauenaufrechtheit ist zumindest mir, um es mit einem Wort zu sagen, zuwider.“
Juli 2011
„Zusammenhalten – Zukunft gewinnen“ (wie 2010) lautet das Motto der „Interkulturellen Woche 2011“ (Begegnung – Teilhabe – Integration), woran deutlich ist, dass sich Veranstaltungen in Deutschland, zu denen Teilnehmer verschiedener Nationalitäten und Religionen eingeladen werden, durchaus unter einem Motto in der Landessprache durchführen lassen.
(Vielleicht gelingt es den Veranstaltern ja auch noch, ihr Good Practice ganz einfach wieder als das zu bezeichnen, was es in deutschen Landen seit Jahrhunderten ist: das gute Beispiel).
In den engeren Kreis der Kandidaten für den diesjährigen Preis des „Sprachpanschers“, den der VDS alljährlich im August für „grobe sprachliche Fehlleistungen“ verteilt, ist auch der Ratsvorsitzende der EKD Nikolaus Schneider geraten: Als „Oberaufseher“ trage er die Verantwortung für den Sprachgebrauch an der Basis, wenn dort offizielle Bezeichnungen wie ChurchNights, LutherActivities, Marriage Weeks und Worship Summerpartys erschienen.
„Loben wir Gott in der Art und Weise, wie wir das ,Sommermärchen reloaded’ mit Leben füllen“, verkündete Schneider beim Eröffnungsgottesdienst der Frauenfußball-WM in Berlin in bester Luther-Tradition.
Nun wissen alle Bescheid.
Im Rahmen der Reformdekade erfahren wir bei „geistreich“ wird es am 31. Oktober 2011 bundesweit Flashmobs geben. Sie „starten“ gemeinsam um 15.17 Uhr.
Einmal mehr gerät ein christlicher Feiertag ins Visier eines Gutmenschen, der sich selbst als Agnostiker bezeichnet: Reinhard Moysich verkündet in DER SONNTAG, der Wochenzeitung für die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, dass der staatliche Feiertag „Christi Himmelfahrt“ verfassungs- und menschenrechtswidrig“ sei und dazu einen „eklatanten Verstoß gegen die christliche Nächstenliebe“ darstelle. Moysich erklärt die Bevorzugung einer „kleinen Minderheit von Leuten in unserem Land, welche sich Christen nennen“, als „menschenrechtswidrig“.
Frage: Was sollen wir als nächstes in die Tonne treten? Pfingsten? Oder doch gleich Ostern?
Wer hat in der Kirche das Sagen?
– Juli 2011 –
In einer interessanten Gegenüberstellung ihrer unterschiedlichen Auffassungen über die „Sprache der Kirche“ kennzeichnen Lutz Vogel (Ehemaliger Erster Bürgermeister von Dresden) und Reinhard Süpke (Pfarrer in Oldisleben) in den Mitteldeutschen Kirchenzeitungen die auffälligen modernen Veränderungen in der Sprache der Kirche speziell in den evangelisch-lutherischen Gemeinden.
Diese „Modernisierung“ beschränkt sich ja schon lange nicht mehr auf die Sprache: mehr und mehr wird der Gottesdienst in evangelischen Kirchen zum Theater, wird aus Besinnung und Andacht eine ekstatische Fete. Die zunehmende Zahl der „Gospelgottesdienste“ (Paul Gerhardt raus – Go down Moses rein!) spricht eine „klare Sprache“: Ekstase und Fun statt Andacht und Besinnung entsprechen dem Zeitgeist. In eine ähnliche, „moderne“ Richtung bewegt sich in vielen Gemeinden auch die Sprache der offiziellen Mitglieder. Wobei es richtig heißen muss „wird die Sprache „bewegt“, denn diese „Bewegung“ verursachen immer Menschen mit sehr unterschiedlichen Absichten.
Wenn Pfarrer Süpke treffend meint, dass Luther sich mit seiner Sprache auf das Volk (und seine Muttersprache) berufen und das Fremde, Unverständliche damit verworfen habe, dann ist mir schleierhaft, weshalb er nicht wahrnimmt, dass gegenwärtig in zahlreichen Kirchengemeinden genau das Umgekehrte geschieht: die Deutschen verabschieden sich vom Verständlichen, von der Muttersprache, und übernehmen immer mehr Wörter aus fremder Sprache, speziell aus dem Amerikanischen. Immer mehr erscheinen im Bereich der Kirchen Wörter bzw. Begriffe und sogenannte Slogans („Pimp my Church“, „Confirm your Ticket“, „God is moving“), die man vielleicht noch im Bereich der Waschmittelwerbung und der Bankwirtschaft dulden mag, nicht aber im Rahmen und als Ausdruck der Botschaft und des „Auftrags Jesu“. Völlig irrelevant sind Süpkes Alternativen („Sollen wir erst Lutherdeutsch lernen?“) zu einer verständlichen, klaren Gegenwartssprache. „Sollten wir nicht lieber die Sprachen ,ganz verschiedener Milieus’ lernen und sprechen, auch wenn sie noch so gepanscht sind?“ fragt er.
Die Antwort kann nur lauten: Nein, denn nur eine deutliche und begriffsklare Sprache kann eine überzeugende Botschaft vermitteln.
Ja, uns vom VDS geht es um die Sprache unseres Volks und wir glauben, dass unserer Sprache, der deutschen Sprache nicht ein Iota fehlt, um als „Sprache der Liebe Gottes“ (Zitat Süpke) dem Auftrag Jesu gerecht zu werden und jedes Ohr in unserem Land zu erreichen. Unsere Sprache kann gänzlich auf jedes „milieubedingte Gepansche“ verzichten. Dazu zählen auch die zahlreichen „neudeutschen“ Vokabeln wie „Godly Play“, „Praytime“, „Worship“, „Church Night“, „Flashmob“ oder „JesusHouse“ – für jedes dieser Wörter (und zahlreiche andere Modevokabeln) gibt es ein treffendes, klares deutsches Wort.
Unter welchem Zwang handeln eigentlich diese „Erneuerer“, denen doch offensichtlich jede wirkliche Fantasie, jeder eigene Schöpfungskraft fremd ist, die nicht eine Spur jenes Geistes begriffen haben, der Martin Luther in seinem unvergleichlichen Sprachschaffen geleitet hat und dessen Werk sie jetzt meinen, aufgeben zu müssen.
Leicht beantworten lässt sich allerdings die Frage, aus welchen Ecken diese neuen Sprachpropheten kommen: Es ist das Volk der Werbetexter, der Plakatierer, der Vortäuscher und Vernebler, der Rattenfänger und der Quotenjäger – unter ihnen inzwischen etliche Journalisten und Politiker – und wie wir jetzt erneut erkennen: auch Kirchenleute in oberster Etage.
Da müssen wir Gläubigen nicht mitmachen.
-jo-
Juni 2011
<Powerday 2011 – Get the move> hieß das Motto eines “Jugendevents” in Weissach, der zu einer “einladenden christlichen Jugendarbeit” inspirieren wollte. Dazu gab es nicht nur Seminare, sondern auch „workshops“ und „Do-its“. Die „Eventsprache“ aber war Deutsch.
<Help the Oma> Auf dem Kongress des Deutschen Fundraising-Verbands in Fulda wurde die Frankfurter Ehrenamtsinitiative „Help the Oma!“ als beste Kampagne ausgezeichnet, verkündet der EKD-Newsletter Nr.388. Vielleicht wäre die Kampagne noch erfolgreicher gewesen, wenn man diesen peinlichen englischen Spruch durch ein schlichtes, allen verständliches deutsches Wort ersetzt hätte, das auch die die alten Männer mit eingeschlossen hätte.
Es geht auch anders:
<… Da läuft was!> ist das Motto, unter dem zwei Staffeln der St. Johannis-Gemeinde in Buchholz/Nordheide am 26. Juni beim diesjährigen Stadtlauf antreten. „Bei uns in der Gemeinde läuft eben richtig was“, kommentiert Pastor Jürgen Stahlhut die Teilnahme „seiner“ Staffeln. „Wir wollen den eigenen Rhythmus finden und nicht Letzter werden“, ergänzt Gemeindemitglied Sven Brandstätter.
<Gemeinsam fiebern, freuen, feiern> lautet das Motto des EKD-Arbeitskreises Kirche und Sport zur bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft der Frauen in Berlin. Dagegen gibt sich der Deutsche Fußball-Bund „globalesisch“: <Sommermärchen reloaded> schien den Frankfurter Funtionären viel treffender. Das versuchte die „dunkelgrüne“ Heinrich Böll Stiftung noch zu übertreffen mit ihren <Gender Kicks 2011> und dem Spruch <Kick it like Bajramaj>.
<Zusammenhalten – Zukunft gewinnen>) – (wie 2010) heißt das Motto der „Interkulturellen Woche 2011: Begegnung – Teilhabe – Integration“. Woran deutlich ist, dass sich Veranstaltungen in Deutschland, zu denen sich Teilnehmer verschiedener Nationalität, verschiedener Religionen und kultureller Prägung zusammenfinden, durchaus unter einem Motto in der Landessprache durchführen lassen.
-jo-
Unsere Festtage (eine Fortsetzung)
– Juni 2011 –
Nach dem Vorstoß des Bremer Kommunalpolitikers Maurice Mäschig (SPD), das Gesetz zum Schutz der Ruhe am Karfreitag, am Volkstrauertag und am Totensonntag aufzuheben, damit an diesen Tagen auch Tanzveranstaltungen, Rockkonzerte und andere muntere „Events“ stattfinden könnten, erhält der 25jährige konfessionslose Student jetzt Unterstützung von „grüner“ Seite: Sven Lehmann, Landesvorsitzender der Grünen in NRW, äußerte sich ganz entschieden:
“Es kann nicht sein, dass eine Minderheit der Leute, die christlichen Glauben aktiv praktiziert, der Mehrheit vorschreibt, wie sie den Tag zu verbringen hat, und ihr durch das Verbot bestimmter Veranstaltungen den Abend vermiest.“ Nach Lehmanns Auffassung passen solche Vorschriften nicht mehr in die Zeit.
Dagegen meinte der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider, dass wer Feiertage ohne ihren prägenden Inhalt haben wolle, diese gänzlich verzichtbar mache. Dann seien letztlich auch Ostermontag, Pfingstmontag und Weihnachten aus dem Kalender zu streichen. Der Theologische Kirchenrat der Lippischen Landeskirche Tobias Treseler stellte dazu fest: „Andacht und Stille brauchen einen schützenden Rahmen. Darum muss der Karfreitag staatlicher Feiertag bleiben und die Feiertagsruhe strikt beachtet werden“. (idea)
Wer Feiertage ohne ihre traditionelle Form und ihren prägenden Inhalt fordert, macht sie im Grunde ganz verzichtbar. Die Frage sei erlaubt, welchem Fortschritt und welchen neueren „Werten“ mit diesen Forderungen Vorschub geleistet wird. Eine ähnliche Tendenz zeichnet sich ja auch schon in der Europäischen „Feiertags“-Politik ab, die offenbar christliche Feste ganz abschaffen möchte.
(s. auch: <Ernst Jordan – Diary 2011> in Dokumente (Archiv) der AG Christen für klares Deutsch)
Unsere Festtage
Der 25jährige Bremer Student (und Kommunalpolitiker) Maurice Mäschig will das Gesetz zum Schutz der Ruhe am Karfreitag, am Volkstrauertag und am Totensonntag „zu Fall bringen“, um Tanzveranstaltungen, Rockkonzerte u.ä. zu ermöglichen. „Wäre das Tanzen erlaubt, hätte das keine Auswirkungen auf die Religionsausübung“ und „Schließlich müsse niemand eine Tanzveranstaltung besuchen“ – so die Argumente des SPD-Mannes – „wohingegen die aktuelle Gesetzeslage allen das Tanzen untersagt“.
Ja, aber:
Haben wir nicht inzwischen so viele neue Fest- und Feiertage, dass Maurice und seine Freunde zwischen Ostern und Weihnachten (in dieser ganzen trostlosen Zeit – „besonders für Kids“, wie Carlo von Thiedemann einst beklagte) reichlich Gelegenheit zum Tanzen finden und uns die letzten drei ruhigen Tage lassen könnten?
Da sind doch so viele Event Days entstanden: der Christopher Street Day, der Red Noses Day, der D-Day, der Girls’ Day (zu dem jetzt ein Boys’ Day gekommen ist), der Home Office Day und der File Day (na gut, beide nicht so gut zum Tanzen, aber:) der Equal Pay Day (extra für die Frauen), der Meat Free Monday (extra für die Studenten an der Uni in Hamburg), alternativ der Sushi Day und die Veggie Days, die Family Days (im Dodenhof, gar nicht so weit weg vom Bremer Campus) und dann (keine Stunde entfernt mit dem Metronom) die Cruise Days und die Harley Days in Hamburg. Das sind doch alles „extraordinäre“ Tage (ein Kosewort unseres Johannes B. Kerner. Muss aber zusammen geschrieben werden), an denen die Korken knallen und die Röcke fliegen dürfen – meint
-jo-
„Die Liebe zum Vaterland ist eine Konsequenz aus dem Vierten Gebot“
(Johannes Berthold, Prof. der Theologie, Moritzburg)
„Die deutsche Sprache ist weder Denkmal noch soziales Kampfmittel. Sie ist etwas Lebendiges, etwas Wunderbares. Martin Luther hat es vorgemacht, „rein und klar Deutsch“ zu sprechen und zu schreiben. Schließlich hat Jesus nicht gesagt: „Sie, meine Mitarbeitenden, dürfen davon ausgehen, dass ich eine zentrale Funktion ausübe, während die Ihre eher peripherer Natur ist“ – Jesus hat gesagt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ (Andreas Duderstedt in Denkmal.De vom 12.9.2010)
- Was gegen die Genderisierung der Kirche spricht: bibelundbekenntnis.de
- 28. Juni 2021: Warum uns die Gendersprache unfrei macht, von Dr. Axel Bernd Kunze: charismatismus.wordpress.com
- 27. Juni 2021: Das Gendern als neuer „Gesslerhut“ führt zur Ideologisierung in Kirche und Gesellschaft, von Dr. Axel Bernd Kunze: charismatismus.wordpress.com