Liebe Statistiker und Biometer (bzw. Biometriker), also liebe Freunde und Kollegen: Der Verein für Deutsche Sprache e. V. hat mich zum Leiter der Gruppe Statistiker für gutes Deutsch berufen. Es war mir schon stets ein Anliegen, in Publikationen und Vorlesungen bzw. Vorträgen unnötige Anglizismen zu vermeiden. So findet man in unserem Buch Rasch, D. und Schott, D. (2016) außer likelihood und jackknife keine amerikanischen oder englischen Begriffe der Statistik. Die Mathematische statistik ist ein Teilgebiet der Mathematik, leidet aber mehr als die anderen Disziplinen unter Anglizsmen. Bitte besuchen Sie auch die Netzseite „Mathematiker für klares Deutsch“, die Herr Wolfgang Hebold (wolfgang.hebold@web.de) – Titel lassen wir im Verein weg – betreut.
In einer Diskussion auf dem 46. Biometrischen Kolloquium der Deutschen Region der IBS wurde mir deutlich, auf welche Gegenreaktionen man bei diesem Vorhaben sofort stößt.
Das eine Argument beginnt mit „Im dritten Reich …“ und es werden dann unsinnige Eindeutschungsversuche von (lateinischen) Fremdwörtern aufgezählt. Ich selbst konnte mich nie mit Artur Linders (hat nichts mit dem 3. Reich zu tun) Ideen zur Eindeutschung anfreunden, z.B. statt Kovarianzanalyse Mitstreuungszerlegung zu sagen.
Das zweite Argument lautet, man würde sich mit einem eingedeutschten Ausdruck nicht verständlich machen können. Als Beispiel wird dann „odds ratio“ angeführt, dieser Begriff erhält den Artikel „das“, weil man im Hinterkopf wohl doch das Chancen- (oder Quoten-) verhältnis hat. Dagegen ist „power“ weiblich, da die, die es eingeführt haben, sehr wohl wissen, dass es sich um die Trennschärfe handelt.
Einige Kollegen aus der Statistik hatte ich vor Wochen angeschrieben und mehrere positive Reaktionen erhalten. Da Briefpost heute doch ziemlich antiquiert und umständlich ist, eröffne ich hiermit diese Netzseite als Diskussionsforum. Ziel soll es sein, eine Liste vermeidbarer Anglizismen in der Statistik und Ihren Anwendungen zusammenzustellen, die von einem möglichst breiten Kreis von Kollegen akzeptiert wird. Ich erwarte Ihre Vorschläge und hoffe auf eine fruchtbare Diskussion. Die Liste sollte aus 2 Teilen bestehen, eine Kandidatenliste mit ersten zu diskutierenden Vorschlägen und einer Liste allgemein akzeptierter Begriffe.
Herr Thöni bot als Übersetzung von Likelihood das Wort Mutmaßlichkeit an, dem ich persönlich keine Chance gebe. Herr Viertl aus Wien meint. Plausibilität wäre eine gute Übersetzung. Allerdings meint Herr Richter , dass dies nun in Rostock ebenso wie erschöpfend für suffizient verwendet wird.
Folgende Vorschläge entnehme ich „Elsevier’s Dictionary of Biometry“, das neben Erläuterungen von etwa 2800 statistischen Begriffen in Englisch auch Übersetzungen ins Deutsche, Französische, Spanische, Niederländische. Italienische und Russische enthält. Im Vorläufer „Biometrisches Wörterbuch“ findet man die Erläuterungen in Deutsch. Für unsere Zwecke ist jedoch Englisch als Ausgangssprache geeigneter.
Englisch | Deutsch |
ANOVA, analysis of variance einfaktorielle ANOVA | VA, Varianzanalyse einfache Varianzanalyse |
Average Treatment Effect | Durchschnittlicher (mittlerer) Behandlungseffekt |
Bias | Verzerrung |
Biased | verzerrt |
Binary choice model | Binäre Auswahlprobleme |
Bivariate lineare Regression | zweifache lineare Regression |
BLUE bzw. Best Linear Unbiased Estimator | beste lineare erwartungstreue Schätzfunktion |
Bootstrap method | Münchhausenmethode |
Controlled | geplant (bei klinischen Studien) |
Design | Plan, Anlage (je nach Zusammenhang) |
Design matrix | Versuchsplanmatrix |
Difference in differences | Differenz von Differenzen |
Dispersion | Varianz (das ist ein Russizismus) |
EGLS-Schätzer | geschätzter verallgemeinerter KQ-Schätzung, kurz GVKQ-Schätzung |
Envelope power function | Einhüllende Gütefunktion |
False discovery rate | Falscherkennungsrate |
Fiex-Effects-Model | Modell mit festen Effekten |
File drawer problem | Schubladenproblem |
Funnel plot | Trichterdiagramm |
Fuzzy set | unscharfe Menge |
Generalized least squares, kurz GLS | Verallgemeinerte Kleinste-Quadrate-Schätzung, kurz GVKQ-Schätzung |
Goodness of fit | Anpassungsgüte |
Hat-Matrix | Residuen erzeugende Matrix, Residualmatrix |
Intercept | Absolutglied |
Intercept-only-model, reines Absolutgliedmodell | Nullmodell |
Intrinsically (nonlinear) | eigentlich (nichtlinear) |
Likelihood-Funktion | Plausibilitätsfunktion |
Likelihood-Ratio-Test | Likelihood-Quotienten-Test |
Log-likelihood | logarithmische Plausibilitätsfunktion |
Many to one problem | Vergleich mit einem Standard |
Mixed model | Gemischtes Modell |
Mosaik plot | Mosaikdiagramm |
Multiple comparisons | mehrfache (multiple) Vergleiche |
Multivariate | mehrdimensional |
Nested model | Hierarchisches Modell |
Normal quantile plot | Normal-Quantil-Diagram |
Odd | Chance, Quote |
Odds ratio | Chancenverhältnis, relative Chance, Quotenverhältnis |
Omitted variable bias | Verzerrung durch ausgelassene Variablen / Verzerrung aufgrund ausgelassener Variablen |
Optimal Experimental Design | Optimale Versuchsplanung |
Ordinary least squares – Schätzung | (gewöhnliche) Kleinste-Quadrate-Schätzung |
Overall-F-Test | F-Test Test auf Gesamtsignifikanz eines Modells |
Power | Trennschärfe, Güte eines Tests |
Power function | Gütefunktion (schließt H0 ein) |
Prediction matrix | Prädiktionsmatrix, Vorhersagematrix |
Publikationsbias | Publikationsverzerrung |
Q-Q-Plot | Quantil-Quantil-Diagram |
Random | zufällig, aber Randomisieren |
Random-Effects-Model | Modell mit zufälligen Effekten |
Random intercept model | Modell mit zufälligem Absolutglied |
Random walk | Irrfahrt |
Renewal | Erneuerung |
Restricted maximum-likelihood | Eingeschränkte Maximum-Likelihood-Schätzung |
Scatterplot | Streudiagramm, besser Punktwolke |
Seemingly unrelated regressions | Scheinbar unverbundene Regressionsgleichungen |
Slope | Anstieg |
Survival problem | Überlebenszeitproblem |
Uniformly | gleichmäßig |
Uniformely most powerful (test) | gleichmäßig trennschärfster (Test) |
Variance inflation factor | Varianzinflationsfaktor |
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Dieter Rasch
Literaturhinweise
- Rasch, D. und Schott, D. (2016) Mathematische Statistik, Wiley – VCH, Weinheim.
- Rasch, D. and Schott, D. (2018) Mathematical Statistics, Wiley, Oxford.
- Rasch, D. (1988) Biometrisches Wörterbuch (in 2 Bänden). Völlig überarbeitete und auf acht Sprachen erweiterte 2. Auflage. Harri Deutsch, Frankfurt/Main
- Rasch, D., Tiku, M.L. and Sumpf, D. (eds.), Elsevier’s Dictionary of Biometry, Elsevier Amsterdam ‑ London ‑ New York 1994. (Review)