1. Presseschau
Elsässerin ist „Auslandsdeutsche des Jahres 2023“
Wie die Zeit berichtet, hat die Elsässerin Manon Zinck-Dambach gewonnen. Zinck-Dambach ist studierte Grundschullehrerin und hat sich mittlerweile als Selbstständige auf die Vermittlung des elsässischen Dialekts spezialisiert. Im Unterricht nutzt Zinck-Dambach zwei selbst gestaltete regionaltypische Figuren namens „Hafele und Storichele“. Demnächst soll ein zweisprachiges Kinderbuch von ihr mit den beiden bereits preisgekrönten Figuren erscheinen. Man darf dazu wissen, dass der Weißstorch das Wappentier des Elsass ist (bereits im Dezember 2022 hatte Storichele angekündigt, sie werde zur Wahl der Miss Elsass antreten). In ihrer Freizeit engagiert sich Zinck-Dambach zudem als Schauspielerin und Autorin bei einem deutschsprachigen Dialekt-Theater. Ausschlaggebend bei der Wahl, die von der Internationalen Medienhilfe (IMH) organisiert wurde, war vor allem das Engagement der Teilnehmerinnen für die eigene Kultur. (zeit.de, hafelestorichele-mzd.fr, medienhilfe.org)
Englisch in Algerien
In Algerien gibt es einen Sprachenstreit zwischen den Anhängern des Französischen und den Befürwortern des Englischen. Präsident Abdelmadjid Tebboune kündigte 2022 die Einführung von Englisch im Grundschulunterricht an. Dies löste eine ideologische Auseinandersetzung aus, die bis in die Zeit vor der Unabhängigkeit des Landes zurückreicht. Die Bildungspolitik Algeriens war historisch zweisprachig. Arabisch galt als „Nährboden der nationalen Identität“, Französisch als „Kriegsbeute“. In den 1970er Jahren wurde Arabisch in der Grund- und Sekundarschulbildung eingeführt, Französisch blieb und ist bis heute besonders an den Universitäten präsent. Durch die Ausweitung des Englisch-Unterrichts sehen Kritiker die Anbindung zur Frankophonie und die Beziehungen zu Frankreich gefährdet. Die jüngere Generation entscheidet sich in Algerien tendenziell eher für Englisch als Fremdsprache. (qantara.de)
Sprachen der Berliner
Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat am vergangenen Montag, dem Europäischen Tag der Sprachen, bekanntgegeben, dass mehr als ein Viertel der rund 1,3 Millionen Berliner mit Migrationshintergrund zu Hause gar kein oder nur sehr wenig Deutsch spricht. Zwar wurde mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Hauptstädter mit Migrationshintergrund in Deutschland geboren und sei mit der deutschen Staatsbürgerschaft ausgestattet, aber nur bei 24 Prozent der zugewanderten Berliner (also mit Migrationshintergrund) ist Deutsch die vorrangige Sprache. Die anderen häufig verwendeten Sprachen sind Türkisch (13 %), Arabisch (9 %), Englisch (8 %), Russisch (7 %) und Polnisch 6 %. (statistik-berlin-brandenburg.de)
2. Gendersprache
CDU Mecklenburg-Vorpommern gegen Gendern an Schulen
Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern will mit einem Antrag erreichen, dass die Landesregierung (SPD und Die Linke) die Schulen anweist, in Sachen Gendersprache das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu beachten. Genderzeichen sollten in Klassenarbeiten als Fehler angestrichen werden. „Es hat nichts mit Sprachpolizei zu tun, die Schreibrichtigkeit von Wörtern und korrekte Grammatik anzumahnen“, sagte Torsten Renz, bildungspolitischer Sprecher der CDU, der Ostseezeitung. Fantasiesprachen gehörten nicht an Schulen, so Renz. Unterstützt wird der Antrag vom Landeselternrat: „Es gibt Wildwuchs“, sagt Vorsitzender Kai Czerwinski. Lehrer, welche die Gender-Ideologie unterstützten, würden versuchen, diese auch durchzusetzen. Czerwinski stellte klar, dass an Schulen einheitliche Regeln gehörten, zumal das durchschnittliche Leseverständnis immer weiter zurückginge und das Gendern die Sprache weiter verkompliziere. Eltern hätten dem Landeselternrat zudem gemeldet, dass sie den Eindruck hätten, Lehrer würden ihre Kinder schlechter benoten, wenn diese nicht gendern.
Die Lehrergewerkschaft GEW in Mecklenburg-Vorpommern kritisiert den Antrag. Die CDU biedere sich bei der AfD an. Lehrer, die ihre Schüler ermutigen, sich mit der Interaktion zwischen Sprache und Gesellschaft auseinanderzusetzen, erfüllten ihren staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag – und dazu gehöre eben auch das Gendern. (ostsee-zeitung.de (Bezahlschranke), deutschlandfunk.de)
Umfragen belegen Anti-Gender-Trend
Erneut belegen zwei aktuelle Umfragen, dass das Gendern in der Sprachgemeinschaft keinen Rückhalt hat. 76 % der Befragten sprechen sich laut T-Online und dem Umfrageportal Civey gegen vermeintlich geschlechtergerechte Formulierungen aus. Selbst die jüngste Gruppe der Befragten, die 18-29-Jährigen, befürwortet Gendern nur zu 25 %, knapp 64 % lehnen es ab. Parteibezogen findet sich lediglich unter den Grünen-Wählern eine Mehrheit, die das Gendern gut findet; allerdings ist die Zustimmung mit 53 % alles andere als deutlich.
Der MDR beleuchet in seiner Umfrage das Gendern an Schulen. Hier haben sich 85 % der Befragten für ein Gender-Verbot an Schulen ausgesprochen, nur 11 % sehen ein Verbot als falsch an. Auch hier zeigt sich, dass die Jüngeren (unter 30-Jährigen) mit dem Gendern an Schulen nicht nur hadern: Knapp zwei Drittel (65 %) sprechen sich deutlich dagegen aus. (t-online.de, mdr.de)
Gendern im hessischen Wahlkampf
Der Initiator des Volksbegehrens gegen Genderzwang im Bundesland Hessen, Dr. Bernd Fischer, stellt das Anliegen im Debatten-Magazin The European vor. Die Initiative solle sicherstellen, dass bereits unterprivilegierte Gruppen der Gesellschaft nicht noch weiter durch Gendersprache benachteiligt werden, so Fischer. „Wir sind (…) der Auffassung, dass unser Land über eine einheitliche Standardsprache verfügen muss“, schreibt Fischer. „Verbieten“ wolle die Initiative das Gendern nicht. Im privaten Bereich könne jeder sprechen oder schreiben, wie er möchte. Der Start des Volksbegehrens fällt in den aktuell laufenden Landtagswahlkampf in Hessen. Fischer fordert die Parteien auf, klar zum Gendern Stellung zu beziehen, damit die Bürger dieses bei der Wahl berücksichtigen können. (theeuropean.de, amtssprache-in-hessen.de)
4. Sprachspiele: Unser Deutsch
Wording
Neue Anglizismen geben immer wieder Anlass zu Erklärung und Kommentar. Oft tauchen sie erstmals in der Politik auf und werden gerne in den Medien nachgesprochen. Wording begegnet uns seit 2000 in deutschen Texten, oft mit einer gewissen Distanzierung, gleichsam in Anführungszeichen. Warum? Wir gehen den Quellen nach und finden: Englische Wörterbücher geben als Bedeutung ‚Wortlaut‘ oder ‚Ausdrucksweise‘ an. Ähnlich paraphrasiert das Concise English Dictionary ‚the way in which something is expressed in words‘. Aktuelle Auskunft gibt das DWDS. Wir erfahren, dass größere Unternehmen die Praxis entwickelt haben, bestimmte Sachverhalte für die Außendarstellung in einheitlichen Formulierungen festzulegen. Diese Sprachregelungen sollen der Corporate Identity dienen. Auch Hochschulen machen davon Gebrauch. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nennt sich nur noch mit der griffigen Abkürzung FAU. Ihre internationale Orientierung bringt sie durch englische Bezeichnungen der Ressorts zum Ausdruck. Die Verantwortlichen heißen nun Vizepräsident People, Vizepräsident Research, Vizepräsident Education und Vizepräsident Outreach. Angehörige der Universität, die noch deutsch sprechen und schreiben, fühlen sich ausgegrenzt. Die angesehene Münchener LMU hat das nicht nötig. Sie ordnet ihre Ressorts, geradezu Old School, nach Studium, Forschung, Weiterbildung und Kooperationen.
Nicht selten dient Wording auch der Euphemisierung und Verschleierung. So werden die Maßnahmen des Heizungsgesetzes vom Wirtschaftsministerium als Heizungstausch verniedlicht. Wie schon im Infobrief am 14. Mai des Jahres erwähnt: Die Grundbedeutung von Tausch ist das ‚wechselseitige freiwillige Nehmen und Geben‘. Davon kann hier nicht die Rede sein. Vielmehr kommen kostspielige Folgen wie Dämmung von Dach und Wänden, Fenstererneuerung und Photovoltaik hinzu. Wo man hinschaut, wimmelt es von Sprachvorschriften. Ein programmatisches Wording ist das Gendern bei den Grünen, immer mit Genderstern. In ihrem Wahlprogramm haben sie es bis zur Groteske praktiziert. Sie wollen sagen: Wir sind die Progressiven, die für Geschlechtergleichheit in der Sprache eintreten. Und schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, was totalitäre Staaten ihren Bürgern verbieten oder vorschreiben. Ältere werden sich an eine Grußformel erinnern, die für immer Grüß Gott und Guten Tag ersetzen sollte.
Wording kann sinnvolle Vereinbarung sein über verbale Selbstdarstellung, aber auch Kampfinstrument und Mittel der Übertölpelung. Man kann das auch sprachkritisch bewerten, wie die ZEIT am 25.02.2016: „Man schafft Sprache ab und ersetzt sie durch Wording“.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de.
5. Berichte
Lehrer-Welsch-Preis verliehen
Der Kölner Karnevalsverein Nippeser Bürgerwehr ist mit dem Lehrer-Welsch-Preis ausgezeichnet worden. Der VDS Köln vergibt den Preis für den Einsatz um Sprache und Brauchtum. Prof. Walter Krämer, Vorsitzender des VDS, gratulierte per Videobotschaft „von einem Karnevalisten zu anderen“. Er selbst sei in Mainz aufgewachsen, habe einen Orden für seine Teilnahme am Rosenmontagszug 1969 bekommen und auch seine Frau beim Karneval kennengelernt. Die Pflege der Mundart, wie die Nippeser Bürgerwehr es tue, sei wichtig und man solle sie nicht untergehen lassen. Die Nippeser Bürgerwehr ist der erste Karnevalsverein, der mit dem Preis ausgezeichnet wurde, frühere Preisträger waren u. a. die Höhner und die Sendung mit der Maus. (express.de, facebook.com/vds)
VDS in Berlin/Potsdam geehrt
Im Brandenburger Landtag wurden der Regionalleiter Björn Akstinat und seine Stellvertreterin Silke Schröder (zugleich Mitglied im VDS-Bundesvorstand) für ihr ehrenamtliches Engagement gewürdigt. Beide setzen sich seit Jahren für die deutsche Sprache ein – speziell Björn Akstinat seit den 90er-Jahren beim VDS (u. a. auch im Bundesvorstand) und beim Verband der deutschsprachigen Medien im Ausland (IMH-Internationale Medienhilfe). Die Ehrung nahm die Landtagsabgeordnete Dr. Saskia Ludwig vor. Sie überreichte einen Blumenstrauß und eine Urkunde. Ausdrücklich lobte Ludwig den Einsatz der VDS-Mitglieder gegen die grammatikalisch falsche und frauenfeindliche Gendersprache. (saskia-ludwig.de)
Schriftkunst-Ausstellung in Kamen
Noch bis zum 13. Oktober können im Sprachhof in Kamen (Hohes Feld 6) über 20 Kunstwerke zur Schriftkunst betrachtet werden. Vier Künstler stellen ihre Arbeit rund um Kalligrafie, Malerei und Technik-Mix vor. Sie zeigen, wie unterschiedlich Sprache und Schriftzeichen betrachtet, aber auch aufgebrochen und neu zusammengesetzt werden können. Die Ausstellung ist immer Montags bis Freitags von 10-15 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. (vds-ev.de)
6. Denglisch
Flugausbildung droht Stilllegung
„Stilllegung aller Einrichtungen“ schlägt der VDS-Anglizismen-Index für „shutdown“ vor. Ein solcher droht nämlich derzeit (wieder einmal) in den Vereinigten Staaten, weil die Opposition Haushaltsmittel blockiert. Die Folge könnte sein, dass Staatsbedienstete, aber auch öffentlich finanzierte Projekte nicht mehr bezahlt werden. Sogar die Ausbildung ukrainischer Piloten für das Kampfflugzeug F-16 steht auf der Kippe, wie der Focus meldet. Die Piloten und Mechaniker müssen nämlich zuerst Englisch lernen, damit die Maschine irgendwann in der Ukraine eingesetzt werden kann. (focus.de, ifb-verlag.de)
7. Kommentar
Nicht ohne meinen Aufpasser!
Zweisamkeit ist mittlerweile ganz schön kompliziert geworden. Denn statt wie früher das begehrte Objekt einfach mit einem leicht angesäuselten „Na, du auch hier?“ anzusprechen, muss man ja mittlerweile Angst haben, nicht in irgendein Fettnäpfchen zu treten. Findet sie es gut, wenn ich sie mitten auf der Tanzfläche anspreche? Komme ich nicht zu offensiv rüber, wenn ich ihm einen ausgeben will? Das vorsichtige Umschiffen möglicher Fauxpas nimmt einem die Leichtigkeit des Sich-Ausprobierens (und auch „Auf-die-Schnauze-Fallens“), zu groß ist die Sorge, das Gegenüber zu verschrecken oder im schlimmsten Fall als Bedrohung gesehen zu werden. „Bloß nicht zu nahe kommen“, „bloß keine suspekten Aktionen“ scheint das Gebot der Stunde zu sein. Der Deckel für den Topf rückt in weite Ferne, je mehr Gedanken man sich um die unverfängliche Ansprache macht. Da macht es das auch nicht besser, dass jetzt sog. „Awareness“-Tipps gegeben werden, also Hinweise zur Achtsamkeit: Wie verhalte ich mich als Mann richtig? (Und ja, Männer sind angesprochen, denn Frauen benehmen sich selbstverständlich immer korrekt und sind ausschließlich Opfer! … wenn man den Machern dieser Tipps Glauben schenken kann.) Und es bleibt nicht bei den geschriebenen Handlungsanweisungen. An Unis sind verstärkt Awareness-Teams unterwegs, die bei Partys ein Auge darauf haben, wie sich jemand verhält, ob jemand vielleicht zu tief ins Glas geschaut hat und anhänglicher wird als unbedingt nötig. Dann wird eingegriffen. Zu Omas Zeiten hießen solche Leute „Anstandsdame“ und emittierten mütterlich-nervige Körpersprache. Die von ihnen anständig Beobachteten mochten schon damals nicht diese Art von Überwachung, die alle Unbekümmertheit im Keim erstickte. Dass sie jetzt „Awareness“-Teams heißen, ändert nichts an ihrer Bestimmung, sie ist nur moderner verpackt.
In arabischen Staaten heißen sie übrigens „Sittenwächter“. (Doro Wilke) (welt.de (Bezahlschranke))
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs