Infobrief vom 5. Februar 2023: Vielsprachiges Berlin

1. Presseschau

Vielsprachiges Berlin

Ein Stück „lokale kulturelle Identität“ geht für die Sprachlehrerin und gebürtige (Ost-)Berlinerin Juliane Pons angesichts des im Berliner Stadtalltag zunehmend verbreiteten globalen Englisch verloren. Englisch habe gegenüber den übrigen in Berlin beheimateten Sprachen und dem Berliner Stadtdialekt ein hohes Ansehen. Sie wünscht sich, dass die Stadt „sich auf Dauer nicht zu sehr dem Englischen beugt“. Die Sprachensituation vor der Kreuzberger Würstchenbude schildert sie allerdings eher rührselig. Hier sei neben dem Berlinerischen – ganz großstädtisch – auch Türkisch, Arabisch, Vietnamesisch zu hören – und vor allem Kiezdeutsch. Alles richtig, allerdings bringe diese Vielsprachigkeit natürlich auch die Verpflichtung mit sich, das Standarddeutsche zu lernen und zu vermitteln. (berliner-zeitung.de)


Bildungsministerin fordert Englisch als zweite Amtssprache

Fachkräfte mit Englisch angeln – die neue Parole für Englisch als Amtssprache. Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, plant, sprachliche Barrieren für eingewanderte Fachkräfte zu verringern. Ihr Vorschlag, in deutschen Behörden künftig auch die englische Sprache einzuführen, solle „ausländischen Fachkräften den Behördengang erleichtern“. Zuvor sprach sich bereits der Vizepräsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Klaus Obricht, für die Einführung des Englischen als zweite Amtssprache aus. Die FDP schlägt solches seit Jahren vor, neuerdings mit Betonung auf der Fachkräftezuwanderung. Einen genauen Plan zur Umsetzung gebe es allerdings bisher noch nicht. Laut Statistischem Bundesamt gebe es bei der Altergruppe 60+ jedoch Verbesserungsbedarf, was die Englischkenntnisse angeht. Jüngere Menschen gaben häufiger an, gute oder sehr gute Englischkenntnisse zu besitzen. Malte Kurz riskiert in seinem Beitrag in Tag24 die Behauptung, „ein großer Teil“ der Bürger zwischen 14 und 49 sei „imstande, die englische Sprache zumindest überdurchschnittlich gut zu beherrschen.“ (tag24.de)


Zu empfindlich für Literatur

Anstößige Stellen streicht der Sensitivity Reader an.  Das ist eine Person und die ZEIT stellt Marius Schaefers als einen solchen Leser vor (Anmerkung: auf Deutsch Sensibilitätsleser oder Empfindsamkeitsleser). Schaefers prüft neu erscheinende Bücher und Geschichten auf ihre mögliche diskriminierende Wirkung hin, oder ob sich Leser beim Lesen unwohl fühlen könnten. Wichtig sei bei dieser Aufgabe, an die Werke mit Sensibilität heranzugehen: Manche Leser empfinden ihre Ansprüche bereits als zeitgemäß und normativ; sie würden durch Formulierungen nach herkömmlichen Normen verletzt werden. Das seien z. B. Formulierungen wie „man“, denn hier könnte das Wort als „Mann“ missverstanden und allein auf männliche Personen bezogen werden: Der Sensibilitätsleser erkennt „Rassismus, Transfeindlichkeit, Neurodiversität, Hochsensibilität und Queerness. Das heißt: Er schaut auf Diskriminierungen nach Hautfarbe, Geschlecht, psychischer Gesundheit und sexueller Orientierung“, schreibt die Zeit. Er sehe sich als spezialisierter Lektor, der keine ganzen Texte lektoriere, sondern bloß die bestellten Aspekte. Ziel sei es, Verlage vor Shitstorms (Anmerkung: auf Deutsch Stürme aus Scheiße) zu bewahren, also vor dem Furor der Allgemeinheit, der unerwünscht und meist beleidigend ist. Beim Ravensburger Verlag, so Schaefers, wäre eine solche Vorablesung der beiden neuen Winnetou-Bücher sinnvoll gewesen. Aber nicht die Angst vor Shitstorms solle Anlass für das Engagieren eines Sensitivity Reader sein, „sondern der Wunsch, mit Texten nicht zu verletzen.“

Über die entfernteste Gegenposition zum Empfindsamkeitslesen berichtet Irina Rastorgujewa in der NZZ in Form einer Collage über Presseberichte in Russland: „Witali Milonow, Mitglied der Staatsduma, schlägt vor, eine spezielle Organisation zur Erkennung von LGBT-Propaganda einzurichten, damit Videospiele, Bücher, Filme und andere Medienprodukte überprüft werden können.“ (zeit.de (Bezahlschranke), nzz.ch)


Keine Delilah mehr im Stadion

Seit Jahrzehnten ist „Delilah“ die inoffizielle Rugby-Hymne in Wales. Damit soll jetzt Schluss sein, schreibt die Welt. Der Rugby-Verband hat das Lied verboten, weil es Fans verstören könne. Delilah handelt von einem Mann, der seine Geliebte tötet, weil sie ihn betrogen haben soll. Man verurteile „häusliche Gewalt jeglicher Art“, heißt es vom Verband. Fans und Spieler zeigen wenig Verständnis für diese Entscheidung, und auch Sänger Tom Jones zeigt sich verwundert: „Es ist nicht politisch, es ist über einen Mann, der die Kontrolle verliert“, sagt Jones. „Ich habe beim Singen nicht gedacht, dass ich der Mann bin, der das Mädchen umbringt. Ich habe eine Rolle gespielt.“ Man dürfe den Song nicht wörtlich nehmen. (welt.de)


2. Gendersprache

Tyrannische Wörter

Für weniger Kulturkampf und mehr Miteinander plädiert Christina Neuhaus in einem Kommentar in der NZZ. Das Gendern habe die Gesellschaft in zwei Lager geteilt: das der Sprachreiniger und das der Konservativen. Dabei seien Worte selbst „Tyrannen“. Denn schon bei harmlosen Wörtern wie Hund oder Haus stelle sich jeder etwas anderes vor. Bei abstrakten Begriffen wie Freiheit oder Gerechtigkeit sei es ungleich schwerer, konkret zu werden. Dabei sei das Gendern, das diese zwei extremen Pole generiert, eine Kunstsprache: „Sie wurde in Universitäten geformt, von öffentlich-rechtlichen Sendern übernommen und in den ‚Inclusion and Diversity‘-Abteilungen globaler Konzerne in Sprachanleitungen gegossen. Doch Sprache ist lebendig. Sie wächst, sie verändert sich, sie lässt sich nicht gerne in Form giessen“, so Neuhaus. Dass die Mehrheit das Gendern ablehne, heiße nicht, dass Sprache nicht veränderbar sei. Das Fräulein sei schließlich auch aus dem alltäglichen Sprachgebrauch nahezu verschwunden. Die grundsätzliche Forderung nach einer Sprache, die niemanden ausschließt, sei nachvollziehbar – allerdings ließen sich Veränderungen nicht mit einem Sprachdiktat erreichen. Auch die Macht „der Wörter-Tyrannen – der woken und der antiwoken – reicht nur so weit, wie man sie lässt.“ (nzz.ch)


CDU unterstützt Hamburger Volksinitiative

Schub kommt in die Hamburger Volksinitiative gegen das Gendern in Verwaltung und Schulen. Initiator ist Sabine Mertens vom Verein Deutsche Sprache. Der Landesvorstand der CDU hat nun beschlossen, das Anliegen aktiv zu unterstützen, berichtet Bild. Die Kreis- und Ortsverbände werden gebeten, insbesondere „Unterschriftensammlungen im Sinne der Initiative durchzuführen“. Partei-Chef Christoph Ploß, der sich auch in den sozialen Medien regelmäßig gegen das Gendern engagiert, stellte klar: „Die ideologische Gender-Sprache spaltet unsere Gesellschaft und hat an Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen nichts zu suchen.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries ist von dem Vorhaben ebenfalls überzeugt: „Es ist gut, dass sich Hamburgs Stadtgesellschaft mit einer Volksinitiative gegen die sprachliche Umerziehung zur Wehr setzt.“ Inzwischen hat Landeswahlleiter Oliver Rudolf erklärt, dass die Vorlage rechtlich unbedenklich und formal korrekt sei. Somit ist die Volksinitiative zugelassen und wird nun offiziell beim Senat angemeldet. Anschließend kann es mit der Unterschriftensammlung losgehen. Auf der Internetseite des VDS wird dann die Unterschriftenliste für alle Hamburger verfügbar sein. (abendblatt.de, bild.de, abendblatt.de)


Radeberger Stadtrat gendert nicht

Gendern als Frage des Anstandes. Gegen solche Vereinfachung hat sich der Radeberger Stadtrat entschieden. In der Hauptsatzung der Stadt wird künftig nur noch das generische Maskulinum (die sogenannte männliche Form) verwendet. Der Radeberger Stadtrat besteht aus 20 Männern und vier Frauen. Oberbürgermeister Frank Höhmes reichte den Vorschlag ein, die weiblichen Formen wie „Einwohnerinnen“ oder „Stadträtinnen“ aus der Hauptsatzung zu streichen. Der Stadtrat stellt sich somit gegen die „Genderpraxis“. Verena Belzer von sächsischesz.de kritisiert diesen Schritt und erklärt, dass dadurch ein erheblicher Teil der Bevölkerung ausgeschlossen werde. Die Debatte um die sogenannte geschlechtergerechte Sprache sei eine Frage des Anstandes und solle nicht ins Lächerliche gezogen werden. (saechsische.de)


FDP-Gender-Antrag abgelehnt

„Genderfreie Zonen“ wünscht die FDP in Baden-Württemberg. Aus Angst vor Zustimmung von Ultrarechts stimmten dann aber CDU, SPD und Grüne gegen den Antrag der Liberalen. Der SWR weist auf die Brisanz hin, dass sich die CDU noch im September 2022 mit einem nahezu wortwörtlichen Schriftsatz gegen das Gendern in Behörden und Schulen ausgesprochen hatte. Allerdings wollte man nun im Landtag keinen Antrag unterstützen, der auch von der AfD unterstützt sei: „Diese parlamentarische Mehrheit darf es nicht geben“, so der CDU-Fraktionschef Manuel Hagel. So widerspricht sich die CDU selbst. Bizarr ist die Ablehnung durch die Grünen, denn Ministerpräsident Winfried Kretschmann, selbst Grüner, lehnt Gendersprache ab. (swr.de, pz-news.de)


3. Sprachspiele: Unser Deutsch

Verlieren – gewinnen

„Russland soll nicht gewinnen“, „die Ukraine nicht verlieren“. Warum so umständlich, fragen politische Kommentare? Warum diese spitzfindige Semantik? Ich will versuchen, die sprachliche Seite zu erklären. Das führt uns auf das Gebiet der Logik. Sie kennt zwei Arten von Gegensätzen: den kontradiktorischen und den konträren. Sie unterscheiden sich grundlegend. Schon Aristoteles hatte dies definiert. Kontradiktorisch heißt: tertium non datur ‚ein Drittes ist ausgeschlossen‘. Entweder ist ein Kind ehelich oder unehelich geboren, die Mutter war verheiratet oder unverheiratet. Etwas Drittes zwischen ihnen gibt es nicht. Darum werden viele solcher Gegensatzpaare mit der Negation nicht oder dem Präfix –un gebildet. Manchmal bilden ganz verschiedene Wörter solche Gegensatzpaare wie tot und lebendig, Gewinn und Verlust, öffnen und schließen. Häufiger allerdings begegnet uns der andere, der konträre Gegensatztyp. Hier gilt vereinfacht gesagt: tertium datur. In einer Reihe oder einer Skala liegen zwei Begriffe oder Aussagen am weitesten auseinander. Es gibt Zwischenstufen. Nehmen wir die Adjektive arm und reich als Beispiel. Wer nicht arm ist, muss keineswegs reich sein. Er mag sein Auskommen haben oder auch gut bemittelt sein. Zwischen Armut und Reichtum besteht eine lange Skala des Vermögens. Und wer nicht reich ist, der mag dennoch einiges besitzen, ohne arm zu sein. Unsere Sozialgesetzgebung verteilt Einkommen, damit möglichst wenige arm sind. Doch werden die Bezieher von Bürgergeld trotz dieses schönen Namens gewiss nicht reich.

Wie steht es bei verlieren und gewinnen? Sprache ist flexibel. Hier sind beide Arten gegensätzlicher Bedeutung möglich. Bei Sportwettkämpfen gibt es in der Regel nur Gewinner oder Verlierer. Anders in anderen Kontexten. Wer bei einem Kartenspiel nicht verloren hat, ist vielleicht gerade mit null davongekommen. Er kann, aber muss nicht Gewinner sein. Beim Schachspiel gibt es ein Remis, keiner hat gewonnen oder verloren. Damit nähern wir uns dem Problem von gewinnen und verlieren in der Kommentierung des Ukrainekrieges. Wer fordert und verspricht „Die Ukraine muss gewinnen“, wie es natürlich die Ukrainer tun, hat einen maximalen Plan: die Vertreibung der Aggressoren vom Donbass bis zur Krim. „Russland muss verlieren“ bedeutet das gleiche. Wir sehen kontradiktorische Bedeutungen. Solche Maximalwünsche wollen offenbar nicht alle Unterstützer der Ukraine übernehmen. Sie denken schon an Verhandlungen, die irgendwie zu Kompromissen führen. Darum sagen sie vorsichtig „Die Ukraine darf nicht verlieren, Russland nicht gewinnen“ – und lassen offen, an welcher Skala von Gewinn und Verlust dieser Krieg enden wird. So verbergen sich hinter ähnlich klingenden Aussagen recht verschiedene Auffassungen.

Horst Haider Munske. Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


4. Kultur

Tradition und Zukunft einer Druckerei

In Dresden wirkt eine der letzten Buchdruckereien in Deutschland, die auf historischen Monotype-Druckmaschinen im Bleisatz hochwertige Drucke herstellen kann: die Offizin Haag-Drugulin, gegründet 1829 in Leipzig. Nach der Wende übernahm der Münchner Drucker und Professor für Druckkunst, Eckehart Schumacher-Gebler, die Leitung der Offizin. Nach seinem Tod im Dezember 2022 ist die Zukunft der Dresdner Druckwerkstatt, die nicht als Museum, sondern als Druckbetrieb geführt wurde, ungewiss. Die in über sechzig Jahren zusammengetragenen und gepflegten Schriften und Matrizen, die funktionstüchtigen Monotype- und Buchdruckmaschinen und das Wissen der Mitarbeiter bilden einen einzigartigen Kulturschatz, für dessen Fortbestehen nun Lösungen gesucht werden. Diskutiert wird derzeit ein genossenschaftliches Konzept unter Beteiligung der Büchergilde Gutenberg. (verein-fuer-die-schwarze-kunst.de, offizin-haag-drugulin.de)


Verstorbene in Stoffbinden

Einbalsamiert und eingewickelt, damit der Zahn der Zeit nicht an ihnen nagt – so kennen wir Mumien, aus Filmen, Dokumentationen und Museen. Museen in Großbritannien gehen allerdings immer häufiger dazu über, nicht mehr von Mumien zu sprechen, schreibt der Stern. Der Begriff werde kritisch gesehen, man nutze lieber „mumifizierte Person“, um Respekt auszudrücken, da es sich um einen Verstorbenen handele, der Gefühle und eine Persönlichkeit hatte. Auch der Ursprung des Wortes Mumie sei problematisch, sagt Jo Anderson vom Great North Museum. Es leite sich vom persischen „mumia“ ab, was so viel wie „Erdpech“ bedeutet. Das sei darauf zurückzuführen, dass die Briten als Kolonialherren viele mumifizierte Überreste öffneten, um an die darin enthaltenen Chemikalien zu kommen, die sie zur Herstellung von Medizin oder Farbe benutzten. Hinzu kommt, dass viele Menschen Mumien mit etwas Unheimlichen und Gefährlichen assoziierten, auch diesem Mythos wolle man durch eine andere Begrifflichkeit entgegentreten. (stern.de)


Bürosprache

Kollegen necken kann gefährlich werden. Nadine Bös befasst sich in der Netzausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Sprache im Berufsalltag. Dabei stellt sie fest, dass Einem die falsche Wortwahl im Arbeitskontext auch zum Verhängnis werden könne. Der Umgangston auf einem Obst- und Gemüse-Großmarkt unterscheide sich von dem in einer Investmentbank. Wenn Kollegen sich untereinander neckten, sei dies zwar in den meisten Fällen harmlos gemeint, könne aber auch als Beleidigung mit schweren Folgen erlebt werden. Der Arbeitgeber trage hierbei die Fürsorgepflicht und ggf. könne sogar Schadenersatz verlangt werden, erklärt der Arbeitsrechtsanwalt und Juraprofessor Michael Fuhlrott. Besonders schwerwiegende Folgen haben allerdings Beleidigungen, die Beschäftige diskriminieren, wie Anspielungen auf die Hautfarbe, das Geschlecht oder aufgrund einer Behinderung. In schweren Fällen führe dies bis zur außerordentlichen Kündigung. Bös erklärt zudem, dass das Wort „aber“ die Aussicht auf produktives und positives Handeln verringern könne. Denn durch den übermäßigen Gebrauch von „aber“ beschwöre man „unnötige Konflikte“ herauf. Sie rät „aber“ durch „und“ zu ersetzen, um freundlicher und weniger widersprüchlich zu klingen. Was das Verwenden der Gendersprache angeht, gebe es keine Einheit im Arbeitsmarkt. Auch müssten sich Unternehmen der Frage stellen, ob das „Du“ als generelle Sprachregel eingeführt werden solle. Eine solche Entwicklung stamme aus der angloamerikanischen Arbeitskultur, sie solle eine moderne Unternehmenskultur widerspiegeln. (faz.net, Bezahlschranke)


Apropos Empfindsamkeit

„Der Preis für die politische Korrektur ist eine abstrakte, bürokratische Sprache. Es ist der ideologische Irrtum, die Sprache müsste weltanschaulich perfekt sein. Die Sprache muss alles können, übrigens auch lügen, schimpfen, spotten.“ So das abschließende Wort des Sprachwissenschaftlers Roland Kaehlbrandt in einem Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung. (nzz.ch)


5. Berichte

Deutsch an der Elfenbeinküste

Das College Faital in Bongouanou (Elfenbeinküste) ist eine Partnerschule des VDS. Franck Kakou, Regionalleiter der Elfenbeinküste, arbeitet hier seit Jahren als Deutschlehrer und bringt jungen Menschen die Liebe zur Sprache bei. Jetzt haben neun Schülerinnen und Schüler das 1. Trimester besonders erfolgreich abgeschlossen. Dafür haben sie eine Urkunde erhalten. Wir gratulieren und freuen uns sehr über die motivierten jungen Leute und wünschen Franck Kakou weiterhin viel Erfolg bei seiner Lehrtätigkeit. (facebook.com/vdsdortmund)


6. Denglisch

Empowernd

„Empowernde Begegnungen“ erwartete Redakteurin Anja Witzke von einem Kulturfestival in Ingolstadt, das sie im Donaukurier vorstellte. Zeitungleser Benno Blaschke erkundigte sich in der Redaktion, was „empowernd“ bedeute und wie die Redakteurin dazu käme, ein solches Wort unhinterfragt in einer oberbayerischen Tageszeitung zu verwenden. Die Journalistin rechtfertigt sich: Das zugehörige englische Substantiv Empowerment habe „längst Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden“. Ein deutsches Wort sei schwer zu finden, Sprache entwickle sich, so Redakteurin Witzke. Leser Blaschke führt daraufhin eine nicht repräsentative Umfrage durch (20 Teilnehmer). Ergebnis: Adjektiv und Substantiv hatte noch niemand gehört. Dies meldet er an den Donaukurier und auch von dort gibt es noch einmal eine Antwort. Aber einig wird man sich nicht.

Deswegen an dieser Stelle ganz sachlich: Empowerment ist ein englischer Fachbegriff, der ursprünglich aus der Sozialwissenschaft stammt, zu deutsch: Selbstermächtigung, Selbstbekräftigung. Es geht darum, Personen durch Maßnahmen und Strategien zu mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu verhelfen. Das Wort steht in keinem deutschen Wörterbuch, nicht einmal im Duden. Eine Netzrecherche zeigt, dass der Begriff in bestimmten Themenfeldern eine gewisse Verbreitung hat, aber in Presseartikeln kommt er bisher so gut wie nicht vor. (donaukurier.de)


7. Kommentar

Eine Frage der sprachlichen Realität

Die Volksinitiative in Hamburg droht den Genderbewegten mit Gegenwind. Da begibt sich Elisabeth Jessen im Hamburger Abendblatt auf glatten Boden, da sie, zunächst ganz richtig postuliert: „Sprache ist das, was sich durchsetzt, weil es ständig benutzt wird.“ Schön, dass das auch einmal aus der Reihe der Genderbefürworter zu hören ist: also nicht, weil es ständig gewünscht wird. Sodann: „Sprache bildet Realität ab.“ Auch das stimmt seit Jahrhunderten:  Sprache schafft keine Realität, sie spiegelt die Realität. Anschließend winkt Jessen mit dem Zaunpfahl: „Die Hälfte der Bevölkerung ist weiblich.“ Nun ja, aber die meisten Frauen lehnen das Gendern ab, (die Männer sowieso, diese bösen alten weißen homophoben Frauenfeinde). Man muss halt die Mehrheiten wahrnehmen können. Wo liegt da der Fehler?

Es gibt da eine Meinungsblase, und die darin versammelten Menschen sind sich einig, dass Gendern im Sinne der Frauensache unerlässlich sei, und offenbar geben ihnen alle seriösen Medien recht. Vielleicht sieht diese Meinungsblase nur, wer nicht dazugehört. Die Realität wird aber nicht geschaffen von denen in der Meinungsblase, sondern von der gesamten Sprachgemeinschaft, das sind ALLE im Lande, die Sprachgemeinschaft, das Sprachvolk – einschließlich der Einwanderer und Flüchtlinge. Sie alle bilden die Realität ab, aber das dauert, so lange müssen Frauen Gottseidank nicht warten. Bis dahin haben die Frauen längst für die Wirklichkeit gesorgt, die dann von der Sprache gespiegelt wird. Bis dahin wird es eine Bundeskanzlerin gegeben haben, auch zahlreiche Grundschullehrerinnen. Die nicht nur sichtbar geworden sind, und das ohne Gendern.

Es gilt nun mal der Erfahrungswert:  Was das Sprachvolk (die von der Elite so herzlich verachtete breite Masse) mit der Sprache anstellt, macht diese in aller Regel nicht komplizierter, unhandlicher, sondern einfacher, effizienter. Am Ende siegt die kürzeste Lösung, die gerade noch hinlänglich genau beschreibt, was Sache ist. Das geschieht von alleine. Abwarten und Tee trinken, bis sich das Gendern von alleine erübrigt? Das wäre schön. Aber noch einmal Jessen, die da ein wundgerittenes Pferd besteigt: „Vor der Rechtschreibreform vor ein paar Jahren gab es einen mächtigen Aufstand. Der Lauf der Zeit hat ihn hinweggeschwemmt. Mit dem Gendern wird es ebenso sein.“ Da wären wir uns ja beinahe einig, aber die Rechtschreibreform war ein Desaster, und wir leben mit ihren Folgen: Die „Reform“ hat keinem geholfen, aber vielen geschadet – zumal den Schwachen in der Gesellschaft. Diese Folgen als „weggeschwemmt“ zu bezeichnen, ist eine kesse Auslegung der Realität. Nun richtet das Gendern bereits ähnlichen Schaden an. Deshalb ist es nicht an der Zeit, die Füße hochzulegen. (Oliver Baer) (abendblatt.de)

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

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