Infobrief vom 5. März 2023: Putin gegen Fremdwörter

1. Presseschau

Putin gegen Fremdwörter

Der russische Präsident Wladimir Putin reguliert den Sprachgebrauch in Russland. Ein neues Gesetz sieht vor, dass Staatsbedienstete bei ihrer Arbeit Fremdwörter meiden sollen. Ausnahmen seien möglich, berichtet der Spiegel, wenn es für ein Wort kein russisches Synonym gebe. Betroffen sind vor allem das Bildungswesen, die Kommunikation und einige kommerzielle Bereiche. Eine Liste fremdsprachiger Begriffe, die weiterhin verwendet werden dürfen, soll in einem Wörterbuch veröffentlicht werden. Strafen bei Zuwiderhandlung sind laut Spiegel nicht vorgesehen. (spiegel.de)


Starren statt Sprechen

Wenn Eltern zu oft mit ihrem Schlaufon hantieren, wirkt sich das negativ auf die Sprachentwicklung von Babys und Kleinkindern aus. Eine Studie der TU Dortmund zeigt, wie sehr Kinder auf Austausch mit den Eltern angewiesen sind, um Sprache in ihrer Komplexität erfassen und lernen zu können. Wenn Eltern sich stattdessen mit dem Handy beschäftigen, geht diese Interaktion zurück, denn das Kind nimmt sich als ignoriert wahr und es sucht als Reaktion von sich aus immer seltener den Dialog. Entsprechend weniger reagieren Kinder dann auf Sprache. Wichtig sei auch eine kindgerechte Sprache, so die Leiterin der Studie, Barbara Mertins, also einfache Sätze und eine bestimmte Tonlage: „Nicht nur für die Entwicklung der lautlichen Aspekte, also wie man spricht, sondern auch für die Syntax, den Satzbau, die Grammatik. Weil diese Art von Sprache dem Kind erlaubt, den Input besser zu verstehen und besser aufzugreifen und zu erlernen.“ (wdr.de)


Seltene Sprachen

Die Nachrichtenplattform Focus Online widmet sich seltenen Sprachen. Die seltenste sei Yuchi, eine Sprache der amerikanischen Ureinwohner. Sie werde nur noch von fünf Menschen gesprochen. Ähnlich knapp werde es für weitere Sprachen auf dem amerikanischen Kontinent: Nawat (geschätzt 100 bis 2.000 Sprecher) in El Salvador wurde ursprünglich vom Volk der Pipil gesprochen. Nawat gehört zu den uto-aztekischen Sprachen und damit zur größten und ältesten Sprachfamilie in Nord- und Zentralamerika. Geschätzt nur noch 12 bis möglicherweise 1.100 Sprecher hat Itzá in Guatemala, das zur Familie der Maya-Sprachen gehört. Um seltene Sprachen zu erleben, muss man nicht den Ozean überqueren. Niedersorbisch und Saterfriesisch sind in Deutschland als Minderheitensprachen anerkannt und genießen laut Focus einen besonderen Schutz; auf Obersorbisch geht Focus nicht näher ein. Niedersorbisch wird heute zumal im Bereich von Cottbus gesprochen, rund 7.000 Menschen beherrschen es. Saterfriesisch ist im Nordwesten Deutschlands anzutreffen und hat geschätzt 1.500 bis 2.500 Sprecher. (focus.de)


2. Gendersprache

Berliner Genderklage gegen Schulen

Der Tagesspiegel greift den Fall des Vaters auf, der gegen die Übergriffigkeit des Genderns an der Schule seines Kindes vorgeht. Vor allem jüngere Lehrkräfte täten sich hervor, auch der Landesschülerausschuss unterstütze das Gendern. „Wir glauben daran, dass eine geschlechter- und gendersensible Sprache den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, antidiskriminierend wirken und Rollenbilder reduzieren kann, wenn sie flächendeckend angewandt wird“, sagt deren Sprecher Paul Seidel. Einen Zwang, gendersensibel zu formulieren, halte er jedoch für falsch. Die Bildungsverwaltung ist sicher, dass Lehrer nicht gegen die Regeln verstoßen, wenn sie gendergerecht schreiben – allerdings müsse gewährleistet sein, dass Schüler die Möglichkeit haben, das amtliche Regelwerk zu erlernen. (tagesspiegel.de (Bezahlschranke))


Gendern bei Gericht

Der Jurist Arnd Dieringer blickt in seiner Welt-Kolumne auf gegenderte Gerichtsentscheidungen. Durch das Gendern werde die Lesbarkeit und Verständlichkeit erheblich erschwert, sagt er. Dass Deutsch die Amtssprache sei, diene einem sprachlich reibungslosen Prozessablauf und der Wahrung des rechtlichen Gehörs, sagt Professor Jan von Hein. Beides könne nur gewährleistet werden, wenn sich die Gerichte am allgemeinen Sprachgebrauch orientieren. Auf ein konkretes Regelwerk würde das Gesetz zwar nicht verweisen, aber es sei davon auszugehen, dass die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung den tatsächlichen Sprachgebrauch am besten abbildeten. Dieser lehnt Sonderzeichen wie Sternchen und Doppelpunkte zum Gendern ab. Einige Gerichte haben dennoch bereits Sternchen oder Partizipformen in ihre Urteile übernommen. Das führt laut von Hein allerdings zu dem Problem, dass nicht mehr klar ist, ob es sich bei einer Formulierung um eine Handlung (ggf. zu einem bestimmten Zeitpunkt) oder einen Status handelt: Wenn Menschen etwa wegen einer Sitzblockade nicht fahren (können), sind das entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts München eben keine „Autofahrenden“, schreibt Dieringer. Zudem drücke Gendern eine politisch-ideologische Haltung aus, „ein Bekenntnis zur Identitätspolitik, ein Grüßen des Gesslerhutes“, schreiben die Professoren Volker Rieble, Abbo Junker und Richard Giesen, die das Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht leiten, auf der Internetseite des Zentrums. „Wenn Gerichte dieses Bekenntnis ablegen, wird das Vertrauen in eine politisch neutrale Justiz erschüttert. Das ist für den Rechtsstaat fatal“, resümiert Dieringer. (welt.de (Bezahlschranke))


Prinzen-Sänger an DDR erinnert

Tobias Künzel, Sänger der Kultgruppe „Die Prinzen“ und Ehrenmitglied des VDS, zeigt sich einmal mehr als großer Freund der Sprache. Eine Politisierung der Musik lehnt er ab. Mit Verweis auf das neue Album der Prinzen wiederholt er seine Auffassung: Musik diene dazu, den Menschen Freude zu machen und sie zu unterhalten. „Würde ich politische Botschaften versenden wollen, wäre ich Politiker geworden.“ Musik sollte nicht mit einem erhobenen Zeigefinger lehren, das störe ihn auch bei der Gendersprache: „Mich erinnert das alles an die DDR, als man aufpassen musste, was man sagt.“ (nordkurier.de)


Peter Hahne gegen Gendersprache

In der Sendung „Viertel nach Acht“ auf Bild TV geht es um die Gendersprache. Es diskutieren Peter Hahne (auch als VDS-Mitglied), der Journalist Henryk M. Broder, die Auszubildende Isabell Volovych und der SPD-Politiker Daniel Ilkhanipour. Und es geht mitunter laut zu. Daniel Ilkhanipour gendert mal „und mal nicht“ und ist dagegen, Genderregeln zur Pflicht zu machen. Die Hamburger Volksinitiative gegen Gendersprache in Verwaltung und Bildung hat er möglicherweise missverstanden, denn diese soll ja gerade verhindern, dass Genderregeln von einer Behörde erlassen oder den Angestellten vorgeschrieben werden können. (youtube.com/BILD)

3. Sprachspiele: Unser Deutsch

feministisch

Feministisch ist kein neutrales, wertfreies Wort wie mechanisch oder elektrisch. Es enthält eine programmatische Komponente, wie sie auch in sozialistisch und nationalsozialistisch, kommunistisch, materialistisch und vielen anderen Adjektiven auf –istisch zum Ausdruck kommt. Sie bilden Paare mit den entsprechenden Substantiven Sozialismus, Kommunismus, Materialismus usw., aus denen sie zumeist abgeleitet sind. In beidem kommt neben dem semantischen Kern auch ein Anspruch, die Behauptung einer moralischen Überlegenheit zum Ausdruck. Die bessere Regierung, das bessere System, ein Segen für die ganze Menschheit. Dieser Nebensinn steckt auch in dem Ausdruck Feministische Außenpolitik, die am 1. März von der Bundesaußenministerin vorgestellt wurde. Ursprünglich, im Koalitionsvertrag der Ampelparteien, war noch von feminist foreign policy die Rede. Das deutsche Pendant soll die FDP abgelehnt haben. Nun ist es doch in die Amtssprache der Bundesregierung eingegangen. Mit ihr auch das programmatische Gendern, das sich die Grünen schon in ihrem Wahlprogramm auf die Fahnen geschrieben hatten. In den Leitlinien ist von Bürger*innen und Partner*innen, von Friedensaktivist*innen, Mediator*innen und LSBTIQ* -Personen die Rede. Damit mischt sich das Bundesaußenministerium dezidiert und einseitig in die Genderdebatte ein.

Es ist schade, dass damit das Ziel einer frauengerechten Politik, für welche bereits im Jahre 2000 eine UNO-Resolution eingetreten ist, dass die Forderung nach gleichen Rechten, Repräsentation und Ressourcen (das „3-R-Modell“) mit dem Attribut feministisch unter ein umstrittenes Fahnenwort gestellt wird. Wie strittig Begriff und Sache sind, zeigt die Debatte in Skandinavien, von der die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift ‚Vorbild Schweden‘ am 1. 3. berichtet. Den englischen Ausdruck hatte die schwedische Außenministerin Margaret Wallström 2014 geprägt und 2018 in einem Handbuch umfassend begründet. Nach einem Regierungswechsel hat der neue schwedische Außenminister, Tobias Billström, die feministische Außenpolitik für beendet erklärt. Nun habe die norwegische Außenministerin, Anniken Huitfeldt, Wallströms Staffelstab übernommen. Berichtet wird auch von Konflikten mit der Regierung von Saudi-Arabien. Das wirft die Frage auf, wie die deutsche Bundesregierung ihr feministisches Programm mit den traditionellen Aufgaben deutscher Außenpolitik konfliktfrei verbinden will.

Das rührt an einen grundsätzlichen Aspekt. Steckt in den Zielen geschlechtergerechter Politik, in der sich die westliche Welt einig ist, nicht auch eine Portion Anmaßung gegenüber anderen kulturellen Konzepten des Zusammenlebens? Und wie urteilen wir damit gegenüber der eigenen familiären Kultur in unserer Geschichte, die sich erst seit kurzer Zeit in rapidem Wandel befindet?

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


4. Kultur

VDS auf der Didacta

Der VDS ist erstmals mit einem eigenen kleinen Stand auf der Bildungsmesse Didacta – vom 7. bis 11. März – in Stuttgart vertreten. In Halle 5 präsentiert sich der VDS-Arbeitskreis „Deutsch in der Schule“ zu den Themen „Die Bedeutung der Handschrift“ und „Sprachwandel oder Sprachverfall – was ist heute noch richtig?“ Es gibt Informationen über die Tätigkeit des Arbeitskreises und Gesprächsangebote darüber, ob und wie Deutschunterricht im digitalen Zeitalter noch angemessen Sprachkompetenz vermitteln kann. Natürlich ist auch die Ausbreitung der Gendersprache in den Schulen ein Thema. Lehrerkollegen bieten aufklärende Gespräche an und berichten über VDS-Initiativen zur Unterstützung von Eltern und Kollegen, die sich dem zunehmenden Genderzwang bzw. dem Anpassungsdruck nicht unterwerfen wollen. Besuchen Sie uns in Halle 5 Stand C-46 während der Messezeit von Dienstag bis Samstag von 10 bis 18 Uhr.


007 zensiert

Die James-Bond-Romane von Ian Fleming sollen umgeschrieben werden, es sollen Stellen zensiert werden, die heute als nicht mehr politisch korrekt gelten oder als gesellschaftlich „schwierig“ gesehen werden. Euronews berichtet, es gehe vor allem um Stellen, die heute als rassistisch aufgefasst werden könnten. Aber auch Szenen mit Sex und Alkohol sollen entschärft werden. Außerdem sollen sie mit einer Warnung versehen werden, die eine Einordnung der Texte auf ihren gesellschaftlich-historischen Kontext ermöglicht. Flemings Geschichten ihres Detailreichtums zu berauben, hätte allerdings etwas von whitewashing, also das Sich-Reinwaschen von der Vergangenheit, und das käme einer Orwellschen Verleugnung und Fälschung gleich, so Euronews. (euronews.com)


5. Berichte

Petition für Kassels Erbe

Der öffentliche Protest gegen die Umbenennung der Museumslandschaft Hessen Kassel in „Hessen Kassel Heritage – Museen, Schlösser, Parks“ geht weiter. In der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung erschienen in den vergangenen Wochen mehrere Seiten mit Leserbriefen. Einen Protestbrief an die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn sowie an den Ministerpräsidenten Boris Rhein unterzeichneten über 200 namhafte Persönlichkeiten, auch der Vorstand des VDS. Nun ist eine Online-Petition gegen den neuen Namen geschaltet worden. „Der neue englisch-deutsche Mischname ist sowohl sprachlich wie inhaltlich ein Fehlgriff“, heißt da. Unterstützer können hier unterschreiben: openpetition.de.


Heinrich Peuckmann

Mit Betroffenheit haben wir die Nachricht aufgenommen, dass der Kamener Schriftsteller Heinrich Peuckmann gestorben ist. Heinrich Peuckmann war der Autor Dutzender Kinderbücher und Kriminalromane. Er schrieb auch Lyrik. Mit unserem Mitglied Horst Hensel war er im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt und im Schriftstellerverband aktiv. Für einige Jahre war Heinrich Peuckmann Generalsekretär des deutschen PEN. In der Aufbauphase unserer Geschäftsstelle in Kamen hatte es Kontakte zwischen dem Autor und dem Verein deutsche Sprache gegeben, die leider nun nicht mehr vertieft werden können. (hellwegeranzeiger.de)


6. Kommentar

Lenkt sie ab mit Gendern!

Brave, gutmeinende Zeitgenossen glauben, dass „eine geschlechter- und gendersensible Sprache den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, antidiskriminierend wirken und Rollenbilder reduzieren kann, wenn sie flächendeckend angewandt wird.“ Die Gläubigen seien hiermit daran erinnert: Sprache ist zur Geschlechtersensibilität nicht fähig, sie ist auch zur Ungerechtigkeit so wenig fähig wie zum Backen von Vollkornbrot. Das können nur Menschen. Wenn also etwas ungerecht erscheint, dann nützt es nichts, auf der Sprache herumzuhacken, in der das Böse beschrieben wird. Das Gegenteil ist der Fall. Der penetrant wiederholte Verweis auf die Ungerechtigkeit der Sprache dient lediglich zur Ablenkung vom eigentlich Bösen, nämlich der Ungerechtigkeit an sich, etwa der fragwürdigen Bezahlung, der Verweigerung von Chancen, um hier nur zwei von vielen Beispielen zu nennen. Genderbefürworter unterliegen da einer naiven Annahme. Das ist aber nicht weiter schlimm, sie kann durch sorgfältiges Denken korrigiert werden. (Oliver Baer)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

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