1. Presseschau
Technik ersetzt Fremdsprache
Französisch lernen in der Schule, darüber wird neu diskutiert seit dem Festakt zur Feier des 75-jährigen Bestehens des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg (DFI). Das berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach das Grußwort, das französische Staatsoberhaupt Emmanuel Macron blieb wegen der Krawalle in Frankreich daheim. Steinmeier lobte die deutsch-französische Freundschaft als „so tief verankert, dass sie uns so selbstverständlich geworden ist wie das Atmen.“ Der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, überraschte mit der Aussage, dass die Technik das mühsame Erlernen einer zweiten Fremdsprache wie Französisch bald ersetzen werde. Junge Leute müssten zwar gut Englisch können, aber man müsse mehr Vertrauen in die Technik haben, so Kretschmann. Französischunterricht an Schulen sei überflüssig, wenn jemand damit im Urlaub noch nicht einmal ein Eis bestellen könne.
Um die Bemühungen der rund 300 anwesenden Schüler doch noch zu würdigen, korrigierte ihn eine Sprecherin des Kultusministeriums: Beim Erwerb einer zweiten Fremdsprache geht es nicht nur um Übersetzung, sondern auch um die Aneignung der jeweiligen Kultur und das Verständnis für das Gegenüber. Wie ein Pfeifen im dunklen Walde klang indes ihr Appell: „Diesen empathischen Gehalt des Erlernens einer Fremdsprache wird uns die KI nicht abnehmen können.“ Gemeint war die künstliche Intelligenz, die bald per Knopf im Ohr überall verfügbar sein wird. Wie zu erwarten, empörten sich die Bildungsverbände über Kretschmanns Äußerungen. Der Ministerpräsident handele getreu dem Motto „Wer keine Ahnung hat, sollte wenigstens Verwirrung stiften“, sagte Gerhard Brand, der Bundes- und Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). (sueddeutsche.de, swr.de)
Englisch in der Grundschule
Zugunsten des Lehrfachs Deutsch könne man Frühenglisch an der Grundschule streichen, wird neuerdings vorgeschlagen. Davon hält der Berliner Grundschullehrer Thomas Kalbitz nichts. Die Lesefähigkeiten der Schüler würden dadurch nicht verbessert. Es zeuge von großer Verzweiflung, die Mängel in einem Schulfach mit der Streichung eines anderen Schulfachs beheben zu wollen. Er rechnet vor: Bei 26 Kindern in einer Klasse könne jedes Kind rund 3,5 Minuten pro Woche (lautes) Lesen üben, wenn man die Englischstunden einspart. „Der Effekt wäre gleich null“, so Kalbitz. Warum statt dessen 3,5 Minuten Englischunterricht effizienter sein sollen, erklärt Kalbitz allerdings nicht. Er wünscht sich mehr Aufklärung über die Ursachen für die seit Jahren nachlassenden Lesefähigkeiten der Schüler. Gerne wird vergessen, dass die Landessprache in Deutschland weniger unterrichtet wird als in den meisten Staaten der Welt. (berliner-zeitung.de)
Zunahme von Entwicklungsstörungen
Das Smartphone stört die Entwicklung des Kindes. Das geht aus einer Studie der Barmer Ersatzkasse in Hamburg über das zunehmende Phänomen der Entwicklungsdefizite bei Kindern hervor. Die Zahl der Kinder mit diagnostizierten Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache habe sich seit dem Jahr 2006 mehr als verdoppelt. Bei 14,6 Prozent der Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren liege eine Sprachentwicklungsstörung vor. „Störungen beim Spracherwerb gehören mit zu den häufigsten Diagnosen“, berichtet die Landesgeschäftsführerin der Barmer Ersatzkasse, Susanne Klein. Begrenztes Vokabular, Schwierigkeiten in der Satzbildung und bei der Grammatik sowie Probleme in der Ausdrucksfähigkeit seien entscheidende Merkmale der Sprech- und Sprachstörungen. Zugleich gebe es deutliche Defizite bei der motorischen Koordination der Kinder, rund 60 Prozent mehr als im Jahr 2006. Diese Entwicklungsstörung liege am Bewegungsmangel. Auf alle Fälle müsse der Medienkonsum gesenkt werden, und Eltern sollten mehr mit ihren Kindern sprechen. (focus.de)
Streit um die Mohrenstraße
Der Mohr kehrt nicht zurück. Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage mehrerer Anwohner der Mohrenstraße abgewiesen. Sie wollten die Entscheidung des Bezirksamts Mitte rückgängig machen, das die Straße vor zwei Jahren in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt hatte. „Nach heutigem Demokratieverständnis ist der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem internationalen Ansehen Berlins“, hieß es damals im Antrag zur Umbenennung. Über tausend Bürger legten Widerspruch ein, nach Androhung einer Verwaltungsgebühr seitens der Stadt zogen die meisten den Widerspruch zurück, rund 200 hielten daran fest und mussten knapp 150 Euro Verwaltungsgebühr zahlen. Sieben Anwohner blieben bei ihrer Klage, unter anderem der Historiker Götz Aly, der durch seine Forschung zum Nationalsozialismus und zum Kolonialismus in der Südsee bekannt ist. Die Kläger „sehen den Begriff ‚Mohr‘ nicht als abwertenden, rassistischen Begriff, sondern als eine historische Bezeichnung, die nicht diskriminierend sei“, so die FAZ.
Es gebe selbstverständlich berechtigte Gründe für eine Änderung von Straßennamen, etwa wenn es belastete Personen aus der nationalsozialistischen Zeit betrifft. Es gehe aber auch um „Respekt vor der Vergangenheit und auch um Demut vor der Geschichte“. So würde man im historischen Zentrum Berlins den Gendarmenmarkt heute nicht „Platz der Bundespolizei“ nennen, schreibt die FAZ. „Wir haben nicht das Recht, unsere heutigen moralischen Maßstäbe an die Geschichte anzulegen“, sagte Aly. Das „heutige Demokratieverständnis“ könne keine Rechtsnorm sein. Es würde mit zweierlei Maß gemessen. Wenn es um Kolonialismus gehe, müsste man bei Reichskanzler Otto von Bismarck anfangen, in Sachen Antisemitismus beim Reformator Martin Luther.
Das Verwaltungsgericht machte klar: „Das Einfordern eines staatsbürgerlichen Dialogs könnte außerhalb unserer Beurteilung als Verwaltungsgericht liegen“, sagte der Vorsitzende Richter. Dass der Ausdruck „Mohr“ wenn nicht rassistisch, dann doch nicht mehr zeitgemäß sei, sei nicht abwegig, sondern „Ausdruck eines Zeitgefühls“, berichtet die FAZ. Die Umbenennung durch das Bezirksamt sei „nicht so sachfremd, dass sie in keiner Weise vertretbar sei.“ (zeitung.faz.net)
Schweizer Mehrsprachigkeit
Die Schweiz hat vier amtliche Landessprachen (Deutsch, Französich, Italienisch, Rätoromanisch) – tatsächlich ist die Mehrsprachigkeit deutlich ausgeprägter. Rund ein Viertel der Bevölkerung gibt an, eine andere als die Muttersprache zu verwenden. Fünf Musiker aus der Schweiz mit verschiedenen sprachlichen Hintergründen haben es sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam ein Lied zu komponieren. Dabei sei schon allein die Verständigung untereinander ein spannender Vorgang, denn oft müsse übersetzt werden, teilweise ergäben sich Sätze, in denen Deutsch, Französisch und Englisch gleichermaßen vorkämen, wobei das Englische nicht so häufig sei, wie vorher angenommen. Der Sprachmix bewirke Inspiration, die dann in die Musik und die Texte einfließe. (srf.ch)
Durch Füllwörter entlarvt
Mit „äh“ und „ähm“ wird man überführbar. Eine Forschergruppe der Universität Trier hat herausgefunden, dass sprachliches Verzögerungsverhalten, also das Verwenden von Füllwörtern wie „äh“, die Identifizierung von Personen ermöglicht. Der Gebrach von Sprechpausen, das Wiederholen von Wörtern oder das Langziehen von Lauten sei ein individuelles Sprachmuster, es könne auch in der Kriminologie zur Identifikation von Tätern gebraucht werden. Die Forschergruppe analysierte für ihre Studie Tonaufnahmen von acht Probanden und entwickelte ein statistisches Verfahren zu ihrer Identifizierung. Individuelle sprachliche Merkmale und Muster seien zwar nicht so eindeutig wie Fingerabdrücke, aber auch anhand ihres Häsitationsverhaltens könne man Täter überführen, erklärt die Hauptautorin der Studie Angelika Braun. (golem.de)
2. Gendersprache
„Ich war’s nicht!“
In einem Kommentar in der Welt schreibt Hannah Bethke, dass sie eine Umkehr beim Gender-Trend wahrnimmt. Gerade in den linken Reihen der Politik habe man Narrative der rechten Gruppierungen übernommen und sie umgedeutet: „Während identitäres Denken des rechten Raums richtigerweise als rassistisch galt, legitimierten die Linken ihre nicht weniger identitäre Einteilung der Welt nach Herkunfts- und Geschlechtskategorien als emanzipatorischen Akt der Antidiskriminierung.“ Das habe sich in der Sprache niedergeschlagen. Dabei wurde aber übersehen, dass man in seiner Absicht, gerecht für alle zu sein, über die Stränge geschlagen habe. Die Retourkusche der Gesellschaft habe man erkannt und agiere jetzt nach dem Motto: „Das Gendern vorschreiben? I wo, wir doch nicht!“. Politiker und Journalisten des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks wunderten sich öffentlichkeitswirksam, warum sich ihre politischen Gegner so deutlich gegen das Gendern positionierten, schließlich habe es doch niemand verordnet. Dass eine stetige und penetrante Nutzung diesen Eindruck erwecke, werde außen vorgelassen. Jetzt jedoch „will es offiziell plötzlich keiner mehr gewesen sein“, so Bethke. (welt.de (Bezahlschranke))
Theater umgeht Genderverbot
In der vergangenen Woche beschloss der Stadtrat in Zwickau, dass die Verwaltung sowie Eigenbetriebe der Stadt in internen und externen Schriftsätzen keine Gendersprache mehr verwenden dürfen. Das Verbot betreffe den Genderstern, Unterstrich oder den Doppelpunkt. Das Theater Plauen-Zwickau wehrt sich nun gegen diesen Beschluss. In Faltblättern sowie dem Spielzeitheft wolle das Theater weiterhin Formen der Gendersprache verwenden. Die Stadt fungiert beim Theater als Gesellschafter, somit sei es von dem Genderverbot betroffen. Die Theaterleitung beruft sich in ihrem Protest auf die Kunstfreiheit. (faz.net)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
handwerklich
In der Debatte um Energiegesetz und Wärmepumpe, in Nachrichten und Talkshows, taucht jetzt öfter das Wörtchen handwerklich auf, meist mit dem Zusatz ‚schlecht gemacht‘, eine Erklärung, eine Entschuldigung? Ich versuche mir vorzustellen, was damit konkret gemeint ist. Hier hilft mir eine eigene Erfahrung. Ich hatte den Auftrag gegeben, in unserer Ölheizung eine ältere Pumpe durch eine effizientere zu ersetzen, die weniger Strom benötigt. Nach längerem Vorlauf, nach Bestellung und Terminfindung, erschien gleich früh ein junger Handwerker, baute die bisherige Pumpe aus und begann die neue einzubauen. Eigentlich ein Zwei-Stunden-Job. Doch vor dem letzten Schraubengriff stellt sich heraus: Es fehlt ein Teil der neuen Pumpe, es wurde nicht mitgeliefert. Rücksprache am Handy mit dem Chef: „Neue Pumpe wieder ausbauen, alte rein“. Doch die alte war beim Ausbau beschädigt worden, war nicht mehr zu gebrauchen. Handy-Rücksprache mit dem Chef: „Mal sehen, ob wir eine alte auf Lager haben“. Hatten sie. Also diese provisorisch einbauen, damit die Heizung wieder lief. Inzwischen war es Nachmittag. Per Express wurde das fehlende Teil bestellt. Es kam am nächsten Tag. Wieder erschien der junge Mann, baute die provisorische Pumpe aus und die neue mit dem nachgelieferten Teil ein. Gegen Mittag des zweiten Tages war die Arbeit endlich erledigt. Auf der Rechnung wurde die Mehrarbeit nicht vermerkt. Schaden der Heizungsfirma.
Was lässt sich lernen? Handwerkliche Fehler sind erst einmal Fehler aus Unkenntnis, aus Unerfahrenheit oder auch aus Zeitdruck. Sie kosten Zeit und Geld für alle Beteiligten. Das lässt sich verschmerzen bei kleineren Reparaturen, wie erlebt. Anders, wenn eine ganze Volkswirtschaft betroffen ist, Hauseigentümer, Vermieter und Mieter, zuvor die produzierende Industrie und die Handwerker, dazu die örtliche Energiewirtschaft, ferner die mitbetroffene Immobilienbranche und die Banken. Sie alle einzubinden und aufeinander abzustimmen, erfordert vielfältigste Informationen, Absprachen mit den Betroffenen und eine langfristige Zeitplanung. Das sollte nun alles in 14 Tagen erledigt und als Gesetz verabschiedet werden? Dazu von drei konkurrierenden Parteien? Wer hier von handwerklichen Fehlern spricht, hat offenbar die Dimension der Aufgaben nicht begriffen. Das Wörtchen handwerklich versteckt die Probleme, verkleinert sie zu Alltagsmängeln. Die Klimawende ist mit solcher Einschätzung nicht zu bewältigen.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Kulturpreis für Naturwissenschaftlerin
Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi-Nguyen-Kim erhält den diesjährigen Kulturpreis Deutsche Sprache. Als erste Naturwissenschaftlerin wird sie mit dem 30.000 Euro dotierten Jacob-Grimm-Preis ausgezeichnet. Die promovierte Chemikerin wurde durch ihren YouTube-Kanal „maiLab“ bekannt. Laut Jury wird sie für ihre klare, verständliche und moderne Sprache geehrt, mit der sie wissenschaftliche Themen vermittle. Den mit 5.000 dotierten Initiativpreis Deutsche Sprache erhält das Deutsche Gymnasium Tallinn und der Institutionenpreis Deutsche Sprache geht in diesem Jahr an das Digitale Wörterbuch Deutsche Gebärdensprache (DW-DGS). Die Preisverleihung findet am 30. September in Baden-Baden statt. (rnd.de)
VHS Traunstein unterstützt Analphabeten
Für mehr sprachliche Integration erweitert die Volkshochschule (vhs) in Traunstein ihr Angebot. Seit dem 1. Juni bietet das neue Projekt „Lerntreff im Quartier“ Kurse für gering Literarisierte ab 16 Jahren. Das Angebot richtet sich nicht nur an Menschen mit Migrationshintergrund, sondern an alle, die einen „niederschwelligen Zugang zur Alphabetisierung“ benötigen, berichtet chiemgau.de. Die Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen stehe im Mittelpunkt. Das Angebot werde mithilfe von Deutschdozenten und ehrenamtlichen Unterstützern durchgeführt. (chiemgau24.de)
5. Berichte
Peer Gynt im Kölner Horizont-Theater
Eine auf knapp zwei Stunden verdichtete Bühnenfassung des Dramas Peer Gynt von Henrik Ibsen war im Juni im Horizont-Theater in Köln zu sehen. Das Stück wurde von Joe Knipp inszeniert, dem Gründer und langjährigen Leiter des Theaters am Sachsenring (1987-2020, heute: Schaubühne). Barbro Schuchardt schreibt in der Kölner Rundschau: „Joe Knipp (…) fächert einen fantastischen Bilderbogen mit rasant wechselnden Szenen auf (…) eine spannende, bewegende, kurzweilige Inszenierung mit großartigen Schauspielerleistungen“. Darsteller des Dramas waren Richard Hucke, Jennifer Tilesi Silke und Signe Zurmühlen, die mit Spielfreude und Wandlungsfähigkeit in verschiedene Rollen schlüpften. Die sechs Aufführungen des Stückes waren durch eine Förderung des VDS möglich geworden. (kulturkurier.de, theater-am-sachsenring.de)
6. Denglisch
Mehr Niederländisch in den Niederlanden
In kaum einem anderen EU-Land ist es für Menschen aus dem Ausland so leicht, ein Studium aufzunehmen, wie in den Niederlanden. Niederländische Universitäten bieten die meisten englischsprachigen Studiengänge an, insgesamt ungefähr 2000, davon knapp 500 im Bachelor. Deswegen ist ein Studium dort für viele europäische Studenten interessant, besonders auch aus Deutschland. „Management, Society and Technology“ klingt nun mal spannender als Verwaltungswissenschaft. Internationalität ist für ein Wissenschaftssystem ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Aber in den Niederlanden sieht man auch recht deutlich die damit einhergehenden Probleme: „Natürlich kann man Kurse auf Englisch halten, in denen dann nur Deutsche sitzen. Aber dafür wurde das niederländische Hochschulsystem nicht gemacht“, sagt Pieter Omtzigt, parteiloser Abgeordneter im niederländischen Parlament. Er bemängelt überfüllte Hörsäle und knappen Wohnraum in den Städten. Auch das Bildungsministerium hat sich eingeschaltet und will die Internationalisierung künftig besser regeln. Eine Maßnahme wäre: verpflichtende Kenntnisse der niederländischen Sprache. Eine deutsche Studentin, die im Spiegel zu Wort kommt, ist damit nicht einverstanden: „Der Druck, gleichzeitig mit dem Studienanfang auch noch eine neue Sprache zu lernen, wäre für mich zu viel gewesen.“ Aber gehört Beherrschung der Landessprache nicht zum Studium? (spiegel.de (Bezahlschranke))
Nobelpreisträger warnt vor Englisch-Übermacht
Gegen die Dominanz der englischen Sprache wehrt sich der südafrikanische Literaturnobelpreisträger J. M. Coetzee, der inzwischen als australischer Staatsbürger in Adelaide lebt. Im Prado-Museum in Madrid referierte er nicht nur über Kunstwerke und deren sprachliche Aspekte. Er kritisierte die Übermacht der englischen Sprache, die mittlerweile auch die Literatur durchsetzt habe. Das Englische habe sich „in globaler Gefräßigkeit zum hegemonialen Machtinstrument entwickelt“ und dränge kleinere Sprachen und ihre Bedeutungsproduktion an den Rand. Deshalb habe er frühere Werke nach ihrer Übersetzung aus dem Englischen zunächst auf Niederländisch erscheinen lassen und seinen neuen Roman „Der Pole“ erst einmal auf Spanisch, danach bei S. Fischer auf Deutsch; die englische Original-Version sei erst für den Herbst angekündigt, schreibt die FAZ. Die Übersetzerin hatte den Auftrag, die spanische Fassung als Ausgangs-Version für die kommenden Übersetzungen als Grundlage zu nehmen. Das wollte der internationale Buchhandel nicht mitmachen: Coetzees Verlage in Polen, Frankreich, Japan und anderen Ländern weigerten sich, den spanischen Text als Grundlage anderer Übersetzungen zu akzeptieren, über Monate wurde die Übersetzungsphase „gelähmt“. Coetzee musste schließlich eine Niederlage einstecken. Keiner der Verleger wollte seiner These folgen, „dass keine gute Übersetzung des Buches dem englischen Original unterlegen“ sei. Der Fetisch Originalsprache habe sich durchgesetzt, schreibt die FAZ. Das sei bedauerlich, so Coetzee, denn der wahre Grund liege nicht im literarischen Vorrang des Originals, sondern in der Größe und kommerziellen Bedeutung der Ausgangssprache. (faz.net (Bezahlschranke))
7. Kommentar
Sexistisch oder rassistisch
So leid es tut, wir müssen uns weiterhin mit dem Gendern abgeben. Es gibt nämlich für unsere Ablehnung des Genderns mehrere unschlagbare, man sollte meinen: unübersehbare Begründungen. Aber besonders fleißig ignorieren unsere genderbewegten Mitbürger, dass Türkisch ganz ohne grammatisches Geschlecht auskommt. Das ist nur ein Beispiel, die Hälfte der Weltbevölkerung kommt ohne das generische Maskulinum aus. Das nur am Rande, bleiben wir bei der Türkei. Dort müsste, weil es das generisch Böse nicht gibt, die Geschlechtergerechtigkeit besonders weit gediehen sein. Ist das der Fall? Jetzt bitte nicht ablenken: Ist das der Fall, ja oder nein?
Offenbar müsste man konstatieren: Nichtnennung der Geschlechter zementiert die männliche Dominanz. Andererseits kennt auch das Finnische kein grammatisches Geschlecht, und wenn uns nichts täuscht, gelten die Finninnen als emanzipiert, jedenfalls hundert mal mehr als die Frauen in Ankara. Also Fehlanzeige: Absolute sprachliche Gerechtigkeit hat offensichtlich mit der gesellschaftlich realen Gleichheit der Geschlechter nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Mit anderen Worten, Sexismus ist nur dann ein brauchbares Argument, wenn es pro wie kontra in gleicher Weise gilt. Es bliebe nur noch die groteske Auslegung, dass die Turksprachen, die Bantusprachen sowie Farsi und Chinesisch minderwertige Sprachen (ohne generisches Maskulinum!) von minderentwickelten Völkern wären? Schon die Fragestellung wäre rassistisch, den Versuch einer Antwort unternehmen wir gar nicht erst. Aber eines sei an dieser Stelle geklärt: Hier blamieren sich die Genderbewegten. Sie haben die Wahl zwischen Sexismus und Rassismus. Oder sie erkennen endlich den Schaden, den sie dem Feminismus, den Frauen und den Diversen antun. Und lassen das Gendern sein. (Oliver Baer)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs