Infobrief vom 8. April 2024: Ossi-Schnauze? Aber klar!

1. Presseschau

Ossi-Schnauze? Aber klar!

Bayerisch klingt gemütlich, Hanseatisch lässig … und Sächsisch? Meistens werden seine Sprecher als dümmlich und einfach gestrickt bemitleidet. Tina Goldschmidt jedoch sorgt damit in den sozialen Medien für viele Klicks. Auf Instagram und Tik Tok lädt sie unter dem Namen „schnappatmig“ kurze, humoreske Videos hoch – auf Sächsisch. So ist sie mal eine Flugbegleiterin, die hilfreiche Tipps gibt wie „Im Falle eines Druckvorlustes falln Sauorstoffmasken alleine von dor Degge“, oder sie kümmert sich um Kindergarten-Kinder: „Or Riggo, mei Gudsor, wasn los?“ Das komme zumeist gut an, sagt sie in einem Stern-Interview, von den negativen Reaktionen lasse sie sich nicht abschrecken. Sie wolle mit Vorurteilen gegen den sächsischen Dialekt aufräumen. Das war nicht immer so. Noch vor ein paar Jahren war es der gebürtigen Sächsin unangenehm, in der Öffentlichkeit Dialekt zu sprechen: „Es war einfach ein latentes Gefühl von peinlich berührt sein.“ Heute stehe sie zu ihrer Heimatsprache: „Dialekt hat für mich auch etwas mit Herzlichkeit und Wärme zu tun. Wenn man einfach mal schwatzen kann, verbindet das.“ (stern.de)


Biblische Sprache

Die Kirche wird, was ihre Weltoffenheit betrifft, immer skeptischer gesehen. Sie ist aber tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Das zeigt sich in der Sprache. Viele unserer Sprichwörter oder Redewendungen haben ihren Ursprung in der Bibel. „Jemanden von Pontius zu Pilatus schicken“ ist dabei noch sehr offensichtlich biblischen Ursprungs, bei „da kräht kein Hahn nach“ muss man schon etwas genauer hinschauen: Die Redewendung bezieht sich auf das Matthäus-Evangelium, wo Jesus seinem Jünger Petrus voraussagt: „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Besonders beliebt, berichtet die Welt, seien Floskeln, die Konsequenzen beinhalten, sprachlichen Mustern folgen und lebensnahe Analogien zu biblischen Passagen geben, z. B. die „Wer/der“-Konstruktion („Wer rastet, der rostet“), die ihren Ursprung in dem Ausspruch „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ findet. In die deutsche Sprache seien sie laut Johann Hinrich Claussen, Theologe und Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), durch die Bibelübersetzung Martin Luthers gekommen. Dieser habe dem Volk buchstäblich „aufs Maul geschaut“, für seine Übersetzung habe er sich bei bereits vorhandenen Sprichwörtersammlungen bedient. (welt.de)


Kannada im Vatikan

Der Vatikan hat die indische Sprache Kannada in die Sprachpalette von Radio Vatikan aufgenommen. Zunächst werde Kannada für Texte nur im Internetauftritt angewendet, spätere Audioinhalte sind aber geplant. Die Aufnahme entstand in Zusammenarbeit mit der Erzdiözese von Bangalore. Kannada wird vor allem in Südindien von rund 33 Millionen gesprochen. Der Erzbischof von Bangalore, Peter Machado, freut sich über die Aufnahme. So würden die Nachrichten über den Papst, den Vatikan und die Weltkirche schneller und besser in Indien verbreitet. (vaticannews.va)


San-Francisco-Infos jetzt auch auf Deutsch

„Wie nennt man einen Menschen, der nur eine Sprache kann? Amerikaner.“ Der Witz mag schlecht sein, aber in ihm steckt immer noch ein Fünkchen Wahrheit. Trotz dieses Widerspruchs hat die Stadt San Francisco entdeckt, dass man Touristen besser in ihrer eigenen Sprache anlockt. So bietet ab sofort die Internetseite der Stadt alles Wissenswerte über Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Veranstaltungen auch auf Deutsch an. (fvw.de (Bezahlschranke))


Gestikulieren in Schweden und Italien

Pizza, Pasta und die unverkennbare Handbewegung – dafür ist Italien bekannt. Generell werden Italiener mit ihrer gestenlastigen Sprache verbunden. Ohne Hände, so scheint es, kann sich ein Italiener nicht unterhalten. Zwei Forscherinnen der schwedischen Universität Lund haben jetzt die Gesten der Italiener und Schweden miteinander verglichen. Dazu spielten sie Studienteilnehmern einen kurzen Comicfilm vor, in dem eine Pinguinfamilie zu Weihnachten Kekse backt. Diese Geschichte sollten sie einem Dritten nacherzählen. Dabei stellten die Forscherinnen fest, dass Italiener tatsächlich mehr Gesten benutzen, pro 100 Wörter verwendeten italienische Studienteilnehmer durchschnittlich 22 Gesten, schwedische nur 11. Schweden benutzen eher Gesten, die eine Handlung unterstreichen (z. B. das Ausstechen eines Kekses), während Italiener zu Gesten neigen, die dem Anderen Charaktere oder Situationen anbieten. (science.orf.at)


KI deckt Rollen-Klischees auf

Künstliche Intelligenz (KI) malt Bilder, übersetzt oder generiert eigene Texte. Ein KI-Programm kann laut dem Portal heise.de jetzt auch erkennen, wie stark Rollen-Klischees in Kinderbüchern ausgeprägt sind. Dazu haben zwei Forscherinnen Bücher wie „Alice im Wunderland“, „Cinderella“ und „Aladin und die Wunderlampe“ nach verschiedenen Gesichtspunkten untersucht: „Wie ausgeglichen ist die Zahl der männlichen und weiblichen Charaktere? Wie stark beeinflussen weibliche Charaktere die Geschichte? Definieren sich die männlichen Charaktere überwiegend als stark und sportlich und weibliche Charaktere dafür häufiger über ihr Aussehen?“, schreibt Anika Reckeweg bei heise.de. Diese Informationen ergaben, wie weit ein Buch Rollen-Klischees erfülle oder eben nicht. „Das Ziel ist nicht, Bücher zu canceln, sondern für mehr Bewusstsein zu sorgen“, betont Laura Vana-Gür (TU Wien), eine der beiden Forscherinnen. (heise.de)


2. Gendersprache

In Bayern die gelbe Karte gezückt

In einem Kommentar im Humanistischen Pressedienst (hpd) begrüßt Alex Ammon Bayerns Abkehr vom Gendern in bayerischen Behörden, Schulen und Universitäten. Den für das Gendern „Missionierenden“ stünden Menschen gegenüber, die auf Erziehung keine Lust hätten. Der Genderstreit sei Sprengstoff in der aktuell aufgeheizten Gesellschaft. Ohnehin sei Geschlechter-Gerechtigkeit so nicht zu erreichen, und Sprachwandel sei ohne die Mehrheit der Gendergegner nicht erzwingbar. Interessant sei zwar die Idee eines generischen Femininums, aber dazu müsste es ein echtes generisches Maskulinum geben; das ergäbe Lehrer-Lehrerer-Lehrerin, Astronaut-Astronauter-Astronautin, Arzt-Ärzter-Ärztin usw. „Das wäre konsequent, feministisch und fair. Doch auch wieder künstlich“, sagt Ammon. Rechtschreibregeln erfüllten den Zweck, Texte lesbar zu halten. Für eine leichte Erfassbarkeit des Inhalts seien sie unverzichtbar. Wer jedoch Grammatik absichtlich missverstehe, um damit den Kulturkampf zwischen den Geschlechtern anzuheizen, der verdient laut Ammon „zunächst die gelbe Karte, bei Fortführen des Foulspiels an Texten dann eben auch mal die gelb-rote.“ Diese habe die Bayerische Staatsregierung nun gezückt. (hpd.de)

Genderverbot in Hessen hat nicht nur Freunde

Nach dem Nein zu Genderzeichen in Hessen regt sich Widerstand. Das queere Bündnis „Vielfalt für ein starkes Hessen“ und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen haben eine Erklärung abgegeben, nach der sie einen „unnötigen Kulturkampf zu Lasten queerer Menschen“ erkennen. Sie werfen laut Frankfurter Rundschau der schwarz-roten Landesregierung vor, die Fakten bei der Begründung des Genderverbots zu verdrehen. Die Verständlichkeit sei nicht beeinträchtigt, wenn die geschlechtergerechten Formen den gewohnten Formen ähnlich seien, das habe auch eine Untersuchung der TU Braunschweig bestätigt. Wenn die Landesverwaltung ausschließlich in der weiblichen und männlichen Form formuliere, ignoriere sie Menschen, die sich nicht den beiden Geschlechtern zuordnen ließen. Bei t-online.de erklärt Tina Zapf-Rodríguez, Fraktionsvorsitzende und Geschäftsführerin der Frankfurter Grünen, ihre Partei halte das Gender-Verbot für falsch: „Gendern sollte weiterhin eine freie Entscheidung bleiben. Sie bildet unsere Realität in der Sprache viel besser ab.“ Eine Reduktion auf das generische Maskulinum würde Frauen teilweise unsichtbar machen und auch eine binäre Ansprache würde die Tatsache vernachlässigen, dass es mehr als zwei Geschlechter gäbe. (fr.de, t-online.de)


Volksinitiative in Niedersachsen startet durch

Nach dem Gender-Aus in Baden-Württemberg, Hessen und Bayern soll Niedersachsen nachziehen. Die Volksinitiative „Stoppt Gendern in Niedersachsen“ stellt in diesen Wochen lokal ihre Arbeit vor und rührt die Werbetrommel für die Unterschriften. Bis Anfang März 2025 müssen 70.000 Unterschriften von wahlberechtigten Niedersachsen zusammenkommen, damit sich der Landtag mit der Initiative beschäftigt. In Hameln-Pyrmont stellte zuletzt Uwe Klüter die Initiative vor. Gendern, so Klüter, verkompliziere die ohnehin schon schwere deutsche Sprache, schreibt die Deister- und Weserzeitung, „vor allem Blinde, Hörgeschädigte und Ausländer, die Deutsch lernen wollen, werden durch die schwere Sprache ausgegrenzt – die haben dann doch noch größere Schwierigkeiten, Texte zu verstehen, und dadurch wird ihnen die Teilhabe erschwert.“ (dewezet.de (Bezahlschranke), nwzonline.de (Bezahlschranke), stoppt-gendern-in-niedersachsen.de)


3. Kultur

Sprache vor dem Vergessen retten

Die Sprache Romeyka kann praktisch nicht mehr „vor dem Aussterben“ gerettet werden. Sie wird zwar noch von einigen Tausend Menschen in abgelegenen Bergdörfern der Nordtürkei gesprochen, aber nur mündlich überliefert. Mit ihren letzten Sprechern verschwindet das mündliche Romeyka. Es gilt als „lebende Brücke“ zur antiken Welt, und es ist nicht nur möglich, sondern wichtig, das Wissen über diese wie alle bedrohten Sprachen der Erde zu bewahren. Es gibt ja, wider Erwarten, auch da immer wieder Vergessenes zu entdecken und daraus Neues zu lernen.

In diesem Fall heißt Bewahren, dass im Rahmen des Projektes „Crowdsourcing Romeyka“ Muttersprachler aus aller Welt aufgefordert sind, eine Aufnahme von sich selbst in der Sprache hochzuladen. Die Wissenschaftlerin Ioanna Sitaridou von der Universität Cambridge vermutet Romeyka-Sprechende in den USA, Australien und in ganz Europa. Vielleicht wäre es ganz nützlich, auf die Metaphern von „sterbenden“ Sprachen zu verzichten. Es sterben die Menschen, nicht ihr Wissen – sofern wir uns darum bemühen. Lassen wir uns auf Bilder „toter Sprachen“ ein, ähnelt unser Streben dem Bemühen um Wiederauferstehung der Toten. (deutschlandfunkkultur.de)


4. Soziale Medien

TikTok sperrt Mario Barth erneut wegen Gender-Video

Schon im Februar wurde Mario Barth von der Video-Plattform TikTok gesperrt: Er hatte ein Video geteilt, dass ihn mit seinem „Ich gender nicht, ich habe einen Schulabschluss“-T-Shirt zeigte. „Dein Video wurde wegen Verstößen gegen die Hassrede und hasserfülltes Verhalten gesperrt“, lautete damals die Begründung. Das Sperren des Videos tat dem Verkauf des T-Shirts jedoch keinen Abbruch, so Barth in einem neuen Video, das er bei TikTok teilte: „Die T-Shirts reichen in der Regel für sechs Monate. Aber wenn ihr so weitermacht, dann sind alle T-Shirts bereits Ende dieser Woche ausverkauft.“ Dieses Video wurde erneut gesperrt, ebenfalls mit Hinweis auf die Kommunikationsregeln. „Da ist die TikTok Polizei wieder mal schnell gewesen“, kommentierte Barth auf seinem Konto bei Instagram. Erfreulich für ihn, so focus.de: Mittlerweile seien alle Exemplare des Anti-Gender-T-Shirts verkauft. (focus.de)


Weiteres aus den sozialen Medien

Kurzer April-April-Schreck: Walter Krämer tritt doch nicht als VDS-Vorsitzender zurück. (facebook.com/vds)

Diskussionskultur an Unis: Die ehemalige Bundesvorsitzende des RCDS, Franca Bauernfeind, berichtet in ihrem Buch über Anfeindungen, wenn man konservative Meinungen vertritt oder nicht gendert. (twitter.com/FrancaBauernfnd, focus.de)


5. Kommentar

Falsch ist gewollt

Die Regeln der Grammatik zu ignorieren, ist Zweck der Übung. Es entspricht der Demonstration auf der Straße: Aufmerksamkeit erlangt, wer die Regeln verletzt. Die Sprachsensiblen sollen sich ruhig aufregen, die Argumente der Genderbewegten sind absichtlich hanebüchen. Den Aktivisten diesen Lärm vorzuwerfen, bestätigt sie in ihrem Tun, so geht man ihnen auf den Leim. Bestehen bleibt der grundlegende Vorwurf, dass Krawalle den Erfolg sogar verhindern. Gerechtigkeit zwischen Geschlechtern, Ethnien, Religionen kann wahrscheinlich nur im gemeinsamen, mühsamen Bohren dicker Bretter erreicht werden, nicht durch virtuelle Kneipenschlägereien. Den vergeblichen Streit dennoch weiter zu führen, so wie der Verlierer das Wahlergebnis ablehnt, weil er nicht gewonnen hat, geht auf Kosten der Sprache und ihrer Sprecher. Daran ist nichts Tapferes, Sprache kann sich nicht wehren, und ihren schwächsten Sprechern (darunter Kinder und Flüchtlinge) fehlt zur Wehrhaftigkeit die Sprachfertigkeit. Der Routinier eines längst etablierten Widerstandes wendet im Spiegel ein: „Wenn man sein Thema inhaltlich nicht beschädigen will, darf der Protest selbst nicht mehr Aufregerpotenzial haben als die Inhalte, die man anprangert“, das sagt Thomas Kessen (Sprecher des Fußballfan-Verbandes „Unsere Kurve“ über die erfolgreichen Proteste gegen Investorenpläne der Deutschen Fußball Liga). (Oliver Baer) (spiegel.de)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

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