1. Presseschau
Dialekte gehören zur bayerischen Identität
Im Bundesland Bayern sind die dort gesprochenen Dialekte sichtbar und hörbar. Bairisch, Fränkisch und Schwäbisch sind unter Einheimischen oft die wichtigsten Verständigungssprachen im Alltag und werden ganz selbstverständlich verwendet. An der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ist nun ein Streit darüber entbrannt, wieviel Dialekt in der Lehre vorkommen darf. Ein Dozent hat seinen Lehramtsstudenten im Fach Chemie in einem Schreiben nahegelegt, im Unterricht auf ihren Dialekt zu verzichten. „Jeder Dialekt, dessen Sprachkonstruktion von den Konventionen der deutschen Sprache abweicht, diskriminiert Personen, die seiner nicht mächtig sind“, argumentiert der Hochschullehrer, dessen Name bisher nicht öffentlich genannt wird.
Der Bund Bairische Sprache sieht das natürlich ganz anders: „Ein sensibler Einsatz von Dialekt im Schulunterricht wirkt nicht ausgrenzend, sondern inklusiv“, erklärt der Dialektverein und fordert eine Distanzierung der LMU von den „Entgleisungen“ ihres Dozenten. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband versucht zu vermitteln: Der Satz des Pythagoras werde in der Hochsprache gelehrt, die alle Schüler verstehen, lässt seine Präsidentin Simone Fleischmann verlauten. Gleichzeitig spiele der Dialekt auch für die Integration eine zentrale Rolle.
Auch an Kindergärten in Bayern ist der Dialekt sehr verbreitet.
Die Zeitung Münchner Merkur hat dazu weitere Stellungnahmen gesammelt: Beim Bayerischen Rundfunk ist der Gebrauch des Dialekts „ausdrücklich erwünscht“, wenn es das Sendungsformat erlaubt. Das ebenfalls befragte Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Rosenheim erklärte, die Polizisten „sprechen natürlich die Sprache der Einheimischen“, aber bayerische Beamte sprächen natürlich auch Hochdeutsch. (merkur.de)
75 Jahre Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung feierte ihr 75-jähriges Bestehen in Darmstadt mit einer Reihe von Veranstaltungen, darunter einem Lesetag an sieben Schulen, einer öffentlichen Lesung, einem Festakt und Preisverleihungen. Gegründet am 200. Geburtstag Goethes, am 28. August 1949 in der Frankfurter Paulskirche, setzt sich die Akademie gegen die „Verrohung der Sprache“ und für eine „angemessene Rechtschreibung und für die Literatur“ ein. Zudem vergibt sie seit 1951 den Georg-Büchner-Preis, einen der renommiertesten und höchstdotierten Auszeichnungen für deutschsprachige Literatur. In diesem Jahr gewann der Lyriker und Autor Oswald Egger den mit 50.000 Euro dotierten Preis. Die Jury begründete die Preisverleihung an ihn damit, dass Egger „seit 1993 die Grenzen der Literaturproduktion überschreite“. Zudem wurden bei der Preisverleihung am Samstag der Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa an Karl-Heinz Kohl und der Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay an Marie Luise Knott vergeben. Beide sind jeweils mit 20.000 Euro dotiert. Ingo Schulze, Präsident der Akademie, reflektiert anlässlich des Jubiläums auch über die Entstehungsgeschichte und die Entwicklung der Akademie. Die Akademie stand seit der Gründung auch stets unter dem Einfluss politischer Entwicklungen, räumt Schulze ein. Unabhängig vom Staat sei es jedoch immer das Ziel gewesen, die Akademie gesamtdeutsch aufzubauen. Eigenen Angaben zufolge arbeitet die Akademie nicht nur deutschlandweit, sondern auch international, mit rund 190 Mitgliedern aus 26 Ländern. Kooperationspartner seien unter anderem die Goethe-Institute, Botschaften und weitere Schwesterakademien. Ingo Schulze, der ebenfalls Schriftsteller ist, betont, dass sich die Akademie für Sprache und Dichtung mit all ihren Debatten und Foren als „Kontrapunkt zu einer wachsenden Sprachlosigkeit und Abgrenzung innerhalb von Europa“ verstehe. (faz.net (Bezahlschranke), fr.de)
Fehlr
Wer schreibt, macht Fehler. In seiner Kiez-Kolumne in der BZ betrachtet Oliver Ohmann die Werbeschilder, die in den Straßen Waren oder Dienstleistungen anpreisen. Nicht selten werden Dinge zusammengeschrieben, die eigentlich getrennt werden sollten, oder umgekehrt. Über vieles könne er hinwegsehen, doch eins habe ihn geärgert: ein Kiosk mit der Aufschrift „Getrnke Market“: „Wie viele Augenpaare haben hier gepennt und das fehlende Ä nicht bemerkt? Und am Ende war es anscheinend dem Ladeninhaber auch egal, denn er schraubte das Schild trotzdem über sein Geschäft“, so Ohmann. (bz-berlin.de)
2. Gendersprache
Macht Sprache
In der FAZ rezensiert Susanne Kusicke das Buch „Macht Sprache“ von Lucy Gasser und Anna von Rath. Beide Autorinnen leben in Berlin und haben eine App für diskriminierungskritisches Übersetzen entwickelt. Von Rath arbeitet als Diversity-Trainerin, Gasser ist Juniorprofessorin für Englische Literatur- und Kulturwissenschaften in Osnabrück. Sie stellen bereits im Vorwort fest, dass Diskussionen über den Gebrauch von Sprache mittlerweile in Streit und Aggressionen enden. Dem wollen sie entgegentreten und zu einer „differenzierteren Diskussionskultur über den Sprachwandel“ beitragen, damit „sich mehr Menschen eingeladen fühlen, sich darin zu beteiligen“. Sie rechtfertigen beispielsweise in ihrem Buch, warum nur eine schwarze Frau das Gedicht von Amanda Gorman zur Vereidigung von Joe Biden übersetzen dürfe. Der Grund: Sie sei selbst Schwarz. Schwarz müsste außerdem großgeschrieben werden, um eine Position innerhalb einer Gesellschaft zu markieren. Das generische Maskulinum würde Frauen zudem nicht ansprechen, so die beiden Autorinnen, außerdem würde es denen, die sich weder als männlich noch weiblich identifizieren, die Existenz absprechen. Kusicke stellt fest, dass der Standpunkt der beiden klar sei: „Für sie ist der aktiv betriebene Sprachwandel eine Notwendigkeit, um die von vornherein als ungerecht gedachte Gesellschaft zu verändern, und ein Instrument der Selbstermächtigung unterprivilegierter Gruppen“, so Kusicke. Für Gegenargumente lassen sie dabei nur wenig Platz, man werde sich schon an die Änderungen gewöhnen, diese habe es schließlich schon immer gegeben. Kusicke stellt jedoch klar: „Dass sich hier Sprache nicht langsam und organisch wandelt, dass es auch nicht um Eliminierungen wie nach dem Nationalsozialismus geht, sondern um glatte Neuerfindungen einer relativ kleinen, aber umso dominanteren Gruppe Interessierter, wird von den Autorinnen nicht diskutiert.“ (faz.net (Bezahlschranke))
Zürich stimmt übers Gendern ab
Ende November wird in Zürich über das Gendern abgestimmt. Ins Rollen gebracht hat die Initiative die SVP-Kantonsrätin Susanne Brunner. Sie fordert von der Stadt Zürich eine „klare, verständliche und lesbare Sprache“, auf Sonderzeichen wie den Genderstern soll verzichtet werden. Der Stadtrat gendert bereits seit zwei Jahren, dabei sei das Gendern bei der Bevölkerung aber nicht so beliebt, wie der rot-grüne Stadtrat es sich wünscht, schreibt Isabel Heusser in ihrem Kommentar in der NZZ: „Von dieser Sprache, die alle einschliessen will, fühlen sich längst nicht alle Menschen angesprochen, auch wenn die Linke das glaubt. Die grosse Mehrheit stört sich an der Kunstsprache. (…) Auch wenn es aus liberaler Sicht nicht besonders sympathisch ist, ein Gebot mit einem Verbot zu bekämpfen, wie die Initiative das macht.“ Die Verwendung des Gendersterns sei politisch, so Heusser, Linke gendern, Rechte nicht. Wer nicht gendern wolle, gelte als ewiggestrig, reaktionär oder feindlich gesinnt gegenüber Minderheiten. Dazu tauge der Genderstern nicht als Mittel zur Inklusion: „Wer Mühe hat mit Lesen, wird ohnehin über Bezeichnungen wie ‚Bewohnende‘ und ‚Stadträt*innen‘ stolpern.“ Dazu kommt die Frage der fehlenden Durchgängigkeit: Die Stadt müsse sich aus Gründen der Rechtssicherheit bei vielen Texten und Dokumenten an den Richtlinien von Bund und Kanton orientieren – und die gendern eben nicht. In Weisungen, Verfügungen und bei Eingaben an Gerichte und Rechtsmittelinstanzen verwende die Stadt deshalb auch weiterhin männliche und weibliche Formen. Man könne durchaus die Frage stellen, ob es wirklich nötig sei, eine Abstimmung zu einem Sprachreglement durchzuführen, schreibt Heusser. „Die emotionalen Diskussionen dazu geben aber eine klare Antwort: Ja.“ (nzz.ch)
Handbuch der Rechtsförmlichkeit ohne Sternchen und Co.
Der Jurist und Hochschullehrer Arnd Diringer macht auf X auf die 4. Auflage des „Handbuchs der Rechtsförmlichkeit“ aufmerksam: So „bleibt uns in Rechtsvorschriften auch künftig der übelste #GenderSprech (in dem Hb. als ‚Sparschreibung‘ bezeichnet) erspart“, schreibt er. Unter Punkt 319 Keine Sparschreibungen heißt es im Handbuch: „Damit ein Text problemlos von einer menschlichen oder technischen Assistenz vorgelesen werden kann, müssen in Rechtsvorschriften auch Personenbezeichnungen ausformuliert sein und dürfen keine Sparschreibungen enthalten – weder Schrägstriche noch andere Zeichen wie Klammern, Unterstriche oder Sterne (Asterisk); also keine Formen wie ‚Käufer/in‘ oder ‚der/die Geprüfte‘, ‚die Bewerber(innen)‘, ‚Prüfer_in‘ oder ‚Schüler*in‘.“ (x.com/Arnd_Diringer)
Universität als Vorreiter des Genderns
Die Greifswalder Bürgerschaft in Mecklenburg-Vorpommern hat, entgegen den Bestrebungen des Oberbürgermeisters Stefan Fassbinder, mehrheitlich beschlossen, künftig dem Duden und den Empfehlungen des Rates der deutschen Rechtschreibung zu folgen und somit das Gendersternchen und Binnen-I in internen und externen Schriftstücken der Verwaltung abzuschaffen. An der Universität Greifswald sei die Gendersprache jedoch seit dem Wintersemester 2019 bereits fest etabliert, berichtet die Ostsee Zeitung. So seien Gendersprache und Genderstern in offiziellen Dokumenten der Universitätsverwaltung bereits seit April 2019 vorgeschrieben. Der Pressesprecher der Uni Greifswald, Jan Meßerschmidt, erläutert, dass diese Regel jedoch nicht für Seminare, Klausuren oder Hausarbeiten gelte. In Lehrveranstaltungen werde keine Gendersprache eingefordert und es gebe dementsprechend keine Punkt- oder Notenabzüge. Eine allgemeine Empfehlung für das Verwenden der Gendersprache sei jedoch ausgesprochen worden. Der Beschluss der Universität sieht vor, dass in offiziellen Dokumenten eine „geschlechtsneutrale Sprache“ oder der Genderstern verwendet werden soll. Somit wolle man sicherstellen, dass auch das dritte Geschlecht mit eingeschlossen sei. An der Entscheidung waren eine Arbeitsgruppe, Sprachwissenschaftler und die Gleichstellungsbeauftragte der Universität beteiligt. Neben einer extra verfassten Handreichung formuliert die Universitätsverwaltung auch alle Studien- und Prüfungsordnungen entsprechend um. Da Studenten keine offiziellen Dokumente anfertigen, seien die Gendersprache und der Genderstern für sie nicht verpflichtend. (ostsee-zeitung.de (Bezahlschranke))
3. Berichte
Aktionstage an Hochschulen
Die vom VDS unterstützte Volksinitiative „Stoppt Gendern in Niedersachsen“ veranstaltet in der kommenden Woche Aktionen an mehreren Hochschulen in Niedersachsen, nämlich in Osnabrück (11.11.,13-15 Uhr, Schlossgarten vor der Mensa), Hannover (12.11., 10:30-15 Uhr, im Innenhof neben der Mensa und neben dem Eingang zum Audimax), Lüneburg (13.11., 10-16:30, Bushaltestelle Leuphana) und Braunschweig (14.11.,14-15:30 Uhr, Konstantin-Uhde-Straße/Ecke Pockelstraße). Ziel der Aktionstage ist es, gegen den zunehmenden Zwang zur Verwendung von Gendersprache an den Hochschulen in Niedersachsen Stellung zu beziehen und über deren Nachteile und Gefahren aufzuklären. Auch der Vorsitzende des Rats für deutsche Rechtschreibung und ehemalige niedersächsische Wissenschaftsstaatssekretär Josef Lange warnt, dass die Hochschulen sich mit einer ideologisch geprägten Sprachpolitik in eine isolierende Position begeben. Viele Studenten fühlen sich durch Gendersprache und Androhung von schlechteren Noten unter Druck gesetzt. Die Volksinitiative muss bis zum März 2025 70.000 Unterschriften sammeln. (stoppt-gendern-in-niedersachsen.de)
4. Denglisch
„Trödel nicht, go Schule“
So stellt man sich beim ZDF wohl die typische morgendliche Aufforderung in Haushalten mit schulpflichtigen Kindern vor. Zumindest betitelt das ZDF seine Bildungsinitiative mit „ZDF goes Schule“ für „alle gängigen Unterrichtsfächer“, bei der Lernvideos für „Lernende und Lehrende“ bereitgestellt werden. Die Inhalte sind vielfältig: „Endlich verständlich: Deutschlands Politik- und Wahlsystem“, „Tatort Gehirn – Dein Gedächtnis lügt!“ oder ein Video zu Kommaregeln. Sogar Übungen für den Sportunterricht sind dabei. Peter Voß kritisiert in der FAZ den Titel des Projekts: „At least das ZDF erkennt die Signs of Time und beherrscht die Art of Timing.“ Voss fragt zurecht weiter: „Sollten wir nicht eher von der Mom aller Öffentlich-Rechtlichen ein Programm ‚BBC goes school‘ erwarten dürfen?“ (zeitung.faz.net)
5. Soziale Medien
Der VDS bei Stefan Raab
Huch! Welch eine Ehre! Bei der neuen Sendung von Stefan Raab auf RTL+ hat die Redaktion für eine Frage zum Thema Jugendsprache das Video des VDS genutzt, in der mehrere Vorstandsmitglieder typische Sätze „auf Jugendsprache“ sagen. (instagram.com/VDS, plus.rtl.de (Bezahlschranke), instagram.com/VDS)
Gegendertes Computerspiel
Auf X (ehemals Twitter) ärgert sich der Nutzer @pure_angelwings über die Übersetzung eines Computerspiels: „Das neue Dragon Age Spiel wird erstmal wieder auf Englisch gestellt. ‚Gefährt:innen‘, ‚Held/ Heldin/ Helde‘, ‚ders Behütere‘, ‚hens Auswahl‘… Ich kann das alles nicht mehr #gendern. Der Nutzer @RBoehme86 kommentiert: „Oh Gott was ist das denn für ein Sprachunfall“, und @Netzaffe schreibt: „In DA gab es schon immer Charaktere mit unterschiedlicher Sexualität. Die Chars waren cool und glaubwürdig und haben sich in die Welt eingefügt. Jetzt fühlt es sich wie Erziehung an. Gefällt mir nicht. Kauf ich nicht.“ (x.com/pure_angelwings, instagram.com/VDS)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel