1. Presseschau
Russisch in Lettland
In Lettland lebt die größte russischsprachige Minderheit innerhalb der Europäischen Union. Rund ein Viertel der Letten hat russische Wurzeln, in der Hauptstadt Riga fast die Hälfte. Lettland wurde 1921 unabhängig und gehörte als Lettische Sowjetrepublik von 1940 bis 1990, unterbrochen von der Besetzung durch die Nationalsozialisten, zur Sowjetunion.
Aber die Situation für die Russischsprachigen in Lettland ist seit Beginn des Ukraine-Krieges schwieriger geworden. Staatliche Schulen haben vollständig auf Lettisch als Unterrichtssprache umgestellt. Auch Deutsch als Fremdsprache steht wieder häufiger auf dem Lehrplan.
Ende 2025 sollen auch die russischen Sendungen des lettischen Rundfunks eingestellt werden. Wer dann noch Fernsehen auf Russisch anschauen will, muss dann eben auf Sender aus Russland zurückgreifen. Die ZEIT schreibt, dass laut lettischem Geheimdienst die Unterstützung für Russlands Politik unter russischsprachigen Einwohnern des Landes überdurchschnittlich hoch sei. Zu Wort kommt aber auch der lettische Politiker Boriss Cilevičs, der kritisiert, dass die Regierung der russischsprachigen Minderheit signalisiere: „Ihr gehört nicht zu Lettland, ihr seid hier fremd.“ (zeit.de)
Times New Roman statt Calibri
Im US-Außenministerium darf die serifenlose Schriftart Calibri nicht mehr verwendet werden, offizielle Dokumente sind in Times New Roman zu verfassen. Damit werde eine Entscheidung der Biden-Ära rückgängig gemacht, schreibt die IT-Plattform golem.de. Calibri wurde seinerzeit eingeführt, weil es wegen seiner schlichten Art Menschen mit Behinderungen, etwa mit einer Sehschwäche oder Legasthenie, den Zugang zu Texten erleichtern sollte. Das entsprechende Büro für Vielfalt und Inklusion des Außenministeriums hatte es damals empfohlen, unter dem neuen US-Außenminister Marco Rubio wurde diese Regelung aber wieder abgeschafft. Die damalige Umstellung nannte er eine „verschwenderische“ Maßnahme zur Förderung der Vielfalt. Die Rückkehr zu Times New Roman stelle „die Würde und Professionalität der schriftlichen Arbeit des Ministeriums“ wieder her, heißt es in der entsprechenden Anordnung. Serifenschriften würden allgemein als Ausdruck von Tradition, Formalität und Feierlichkeit wahrgenommen, so Rubio in der Anordnung. (golem.de)
Mehrsprachigkeit ist keine Sackgasse
Die Mehrsprachigkeitsforscherin Birgit Spechtenhauser kritisiert in einem Interview mit dem Südtiroler Nachrichtenportal Salto die gängige Praxis, Sprachkenntnisse von Kindern vor allem monolingual zu bewerten.
Viele Debatten konzentrierten sich auf Defizite im Deutschen, ohne das gesamte Sprachenrepertoire eines Kindes zu berücksichtigen. Aus dynamisch-systemischer Sicht, so Spechtenhauser, beeinflussen sich Sprachen im Kopf ständig gegenseitig. Alle Sprachen, die die Kinder mitbringen, seien wertvoll und vermittelten metalinguistische und sprachübergreifende Fähigkeiten, die das Lernen weiterer Sprachen unterstützten. Die verbreitete Annahme, Mehrsprachigkeit könne Erstsprachen schwächen, weist Spechtenhauser deutlich zurück. Probleme entstünden vor allem, weil mehrsprachige Kinder nach monolingualen Maßstäben beurteilt würden.
Sprachstandserhebungen seien zwar ein mögliches Instrument, blieben aber Momentaufnahmen und orientierten sich meist an monolingualen Normen. Für eine realistische Einschätzung brauche es Verfahren, welche die Prozesse des Sprachenlernens sichtbarer machen. Auch im Unterricht sieht Spechtenhauser Nachholbedarf. Sprachen würden häufig isoliert voneinander vermittelt, obwohl gerade der sprachübergreifende Transfer große Lernpotenziale biete.
Lehrer sollten laut der Forscherin die mehrsprachigen Ressourcen der Kinder ausdrücklich wertschätzen und sie ermutigen, vorhandene Sprachen zu nutzen, unabhängig davon, ob sie selbst alle Sprachen beherrschen. (salto.bz)
Herold der Emphase
Die FAZ beschäftigt sich mit den rhetorischen Fähigkeiten des Bundeskanzlers Friedrich Merz, dessen rednerischer Werkzeugkasten „gänzlich anders bestückt und sortiert“ sei als jener seiner Vorgänger Angela Merkel und Olaf Scholz. Man attestiert Merz einen „Hang zur Überakzentuierung“, eine mechanisch getaktete Prosodie und „schlichteste rhetorische Figuren“ wie dem Hendiadyoin, also Paar- oder Zwillingsformeln („mit Fug und Recht“ oder „völlig klar und eindeutig“). Merz lasse davon „ganze Divisionen“ aufmarschieren.
Um Entschlossenheit zu demonstrieren, verwende Merz häufig das Adverb „sehr“ und betone, dass er etwas „mal deutlich sagen müsse“.
Der Bundeskanzler („Herold der Emphase“) kommt nicht gut weg in der Bewertung der FAZ („entkernt, semantisch ausgeräumt, bar jeder Plastizität“). Geschwätz und Beschwörung träten an die Stelle von nüchterner Deskription. Immerhin: „Ähs“ seien normalerweise untypisch. (faz.net (Bezahlschranke))
2. Gendersprache
Orwells „Neusprech“ der heutigen Zeit
George Orwell beschrieb in seinem Roman 1984 das „Neusprech“, eine vom totalitären Staat Ozeanien geschaffene politische Kunstsprache, die durch radikale Vereinfachung und Beschränkung des Wortschatzes kritisches Denken unmöglich machen sollte. Der Autor Matthias Heine sieht hierfür Parallelen zur gegenwärtigen Lage der deutschen Sprache. Zwar werde Sprache heute nicht staatlich mit Zwang oder Gewalt durchgesetzt, doch erinnerten viele sprachpolitische Eingriffe, darunter Umbenennungen, Wortverbote und ideologisch aufgeladene Neuschöpfungen, an historische Formen der Sprachlenkung.
Etablierte Begriffe würden zunehmend durch euphemistische Neuwörter ersetzt, etwa „verhaltensgestört“ durch „neurodivers“, „dick“ durch „mehrgewichtig“ oder „Frau“ durch „Menstruierende“. Auch Abkürzungen wie BIPoC oder FLINTA, deren ideologische Wirkung eher aus ihrer Struktur als aus ihrer Bedeutung komme, trügen zu dieser Entwicklung bei. Grammatische Eingriffe, etwa im Rahmen der Gendersprache, würden zudem immer stärker als verpflichtend vermittelt.
Laut Heine mache dies das Deutsche schwerer verständlich und führe zu einer Sprache, die viele als befremdlich oder ausschließend erleben. Trotz dieser Tendenzen betont er, dass wir nicht in einer Sprachdiktatur leben. (welt.de (Bezahlschranke))
3. Sprachspiele: Neues aus dem Wort-Bistro
Warum geht man jemandem auf den Leim?
Sie sah täuschend echt aus. Die E-Mail hatte ein professionelles Erscheinungsbild. „Juhu, Post vom Finanzamt – und das in meinem Urlaub“, frohlockte ich. Der Inhalt der elektronischen Post indes bereitete meinem Jubel ein Ende.
„Bitte senden Sie uns schnellstens Ihre Bankverbindung und ihre Kontaktdaten zu“. Das Lächeln auf meinen Wangen begann langsam aber sicher damit, sich aus meinem Gesicht zu schleichen und auf meinem Antlitz einer gewissen Skepsis Platz zu machen.
Kurzum: Ich schaute, als würde ich bei Regen und Wind zitternd an einer Bushaltestelle stehen. Wieso sollte das Finanzamt bei mir Bankdaten und Kontakte erfragen? Warum bittet das Finanzamt mich um Daten, die es doch haben müsste? Und schon wieder änderte sich mein Gesichtsausdruck. Für mein Smartphone, in welches ich schaute, muss es ein wahres Spektakel gewesen sein. Meine Mimik wechselte so rasch wie die Beleuchtung in einer Diskothek. Jetzt begann der dritte Akt auf der Bühne meines Gesichts und eine Mischung aus Triumph und Überheblichkeit stellte sich ein: „Habe ich Euch doch durchschaut, Ihr Halunken“, rief ich. Offenbar hatte es sich nämlich um eine Mail von Betrügern gehandelt, denn ich ignorierte die Nachricht und seither habe ich nie wieder etwas über diesen Sachverhalt gehört.
Leider erhalten Millionen von Menschen Post von Kriminellen und hin und wieder geht die Masche auf. Ich selbst wollte vor Jahren an einem Seminar teilnehmen. Der Titel: „So zocken Sie Ihre Opfer richtig ab“. Ich hatte auch brav die Teilnahmegebühr vorab überwiesen und erschien drei Tage später zum Seminar. Ich war aber alleine. Sonst kam niemand … Da fühlte ich mich an den Studenten erinnert, der vor einem „Testen-Sie-Ihre-Dummheit-Automaten“ stand. Er befolgte den Hinweis: „Bitte stecken Sie 20 Euro in den Schlitz“. Der Student gehorchte, der Geldschein wurde eingezogen und der junge Mann jubelte: „Juhu, endlich bin ich Schein-frei“. Tatsächlich ist aber zu hoffen, dass möglichst wenige Menschen irgendwelchen Kriminellen auf den Leim gehen. Diese Redensart geht übrigens laut Duden darauf zurück, dass früher Menschen Vögel fingen, hierzu eine Holzplatte mit Leim bestrichen, die Vögel angelockt wurden und hernach stecken blieben. Wer so verfuhr, über den konnte man anschließend sagen: „Der Typ hat echt einen Vogel“.
Philipp Kauthe
Radio-Journalist, Buchautor, Podcast „Schlauer auf die Dauer“ (philipp-kauthe.de)
4. Kultur
Papst gegen Gewaltsprache im Internet
Papst Leo XIV. rückt seit seinem Amtsantritt die Idee einer „entwaffnenden Sprache“ ins Zentrum seiner Friedensinitiativen. Laut Thierry Bonaventura, Kommunikationsverantwortlicher der Weltsynode, verstehe der Papst Sprache nicht nur als Ausdruck, sondern als wirksamen Hebel gegen Aggression, Polarisierung und digitale Gewalt. Dies erklärt er in einem aktuellen Blog-Beitrag für „Healing of Wounded Memories“ der Stiftung Pro Oriente. Papst Leo XIV. rufe dazu auf, Sprache bewusst zu wählen und auch den eigenen Tonfall zu überprüfen, um Konflikte zu vermeiden. Zudem fordere der Papst Bildungseinrichtungen, Medien und auch digitale Plattformen dazu auf, Sprachmuster und Kommunikationsstile kritisch zu prüfen. Sein Konzept, welches insbesondere die Gefahren der digitalen Kommunikation aufführt, veröffentlichte er Ende Oktober im Apostolischen Schreiben „Neue Landkarten der Hoffnung entwerfen“. (katholisch.de)
Mensch oder KI-Chatbot?
Menschen klingen immer mehr wie ein KI-Chatbot. Bereits im Sommer wiesen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung darauf hin, dass englischsprachige YouTube-Nutzer verstärkt zu Begriffen neigen, die man sonst von KI-Modellen kennt, zum Beispiel „underscore“ (bekräftigen, unterstreichen) oder „meticulous“ (akribisch, sorgfältig). Jetzt häufen sich auch Berichte auf der Kommunikations-Plattform Reddit, dass solche Begriffe – teils unbewusst, teils aus Bequemlichkeit – übernommen werden. Die Beiträge würden zwar von Menschen stammen, klängen aber so, als seien sie von einer KI verfasst worden. Das würde die Moderation der Foren erschweren, „denn dort, wo echte Konflikte und persönliche Geschichten den Reiz ausmachen, verliert der Austausch seinen Wert, wenn Beiträge künstlich wirken“, heißt es auf dem Portal winfuture.de. Dadurch, dass KI-Modelle von menschlicher Sprache lernen, die Menschen dann aber diese KI-Formulierungen übernehmen, würden die Grenzen verschwimmen, berichtet eine Moderatorin. (winfuture.de)
Troohsdorf, Soost und Kiemsee?
Wie spricht man eigentlich die deutschen Orte Owen, Soest oder Hoheneggelsen aus? Schreibweise und Aussprache vieler Ortsnamen fallen in Deutschland auseinander. Der Stern zeigt auf seiner Netzseite eine Landkarte mit Ortsnamen, die anders ausgesprochen werden, als ihre Schreibung vermuten lässt. Historische Lautentwicklungen und regionale Besonderheiten erklären diese Diskrepanz, erklärt der Linguist Simon Meier-Vieracker, Professor an der Technischen Universität Dresden. So wird der niedersächsische Ort Syke als „Sieke“ korrekt ausgesprochen, das norddeutsche Jever, bekannt durch das gleichnamige Bier, wird „Jefer“ ausgesprochen und Bad Oeynhausen spricht sich Bad „Öhnhausen“. Meier-Vieracker erklärt, dass Ortsnamen oftmals nicht nur stabile Eigennamen sind, sondern auch dialektale Prägungen spiegeln, die sich der standardisierten Sprache gegenüber widerständig zeigen. (stern.de)
5. Berichte
Gründung der „Communità dell’Italofonia“ in Rom
Während für die französische Sprache die Interessengemeinschaft französischsprachiger Länder, die „Internationale Organisation der Frankophonie“, schon seit Jahrzehnten erfolgreich wirkt, hat die italienische Regierung nun ebenfalls entschieden, auf staatlicher Ebene die internationale Aufmerksamkeit und Wertschätzung für die italienische Sprache zu fördern. Unter dem Vorsitz von Außenminister Tajani wurde am 18. November in Rom die „Communità dell’Italofonia“ aus der Taufe gehoben. Sogar die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, hat teilgenommen. Gründungsmitglieder waren unter anderem Regierungsvertreter der italienischsprachigen Schweiz sowie Sloweniens, Rumäniens, Albaniens und des Kosovo. Auch Vertreter afrikanischer Staaten waren dabei. Der Papst hat angesichts der Rolle des Italienischen als faktischer Amtssprache des Vatikans eine Botschaft an die Gründungsversammlung gerichtet.
Im Gründungsdokument heißt es: „Die italienischsprachige Gemeinschaft setzt sich als Ziele, die italienische Sprache in der Welt zu fördern, zu verbreiten und zu schützen, den politischen Dialog und die internationale Zusammenarbeit zu begünstigen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Wachstum zu stärken, die Entwicklung wirtschaftlicher Handelsbeziehungen unter ihren Mitgliedern und die Kontakte unter den Unternehmen zu fördern, die Verbindungen unter den Zivilgesellschaften zu festigen sowie die kulturellen, wissenschaftlichen und akademischen Beziehungen zu entwickeln.“
Auch der VDS hat bereits mehrmals der Bundesregierung und anderen Regierungen von Staaten, in denen Deutsch Amtssprache ist, vorgeschlagen, auf staatlicher Ebene eine Interessengemeinschaft deutschsprachiger Länder ins Leben zu rufen. (Dr. Kurt Gawlitta) (italofonia.info)
6. Soziale Medien
Oberteile zum Essen
Dass Übersetzungen über mehrere Sprachen hinweg nicht immer korrekt sind, zeigt die Einsendung unseres Mitglieds Oliver Nawrocki: Er war auf Teneriffa unterwegs und hat in einem Restaurant auf der Speisekarte „Oberteile“ zum Essen gefunden. (instagram.com/vds, facebook.com/vds)
Der Baum steht!
Die fleißigen Wichtel der Geschäftsstelle haben den Weihnachtsbaum auf dem Sprachhof aufgestellt und geschmückt. Ein paar Impressionen gibt es auf unserem TikTok-Kanal: tiktok.com/vds
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel
