1. Presseschau
Langsamer altern dank Mehrsprachigkeit
Mehrsprachigkeit schützt offenbar vor beschleunigtem Altern. Das hat eine Studie des Trinity College Dublin herausgefunden. Neben Ernährung und Bewegung sei die Fähigkeit, mehrere Sprachen zu sprechen, ein weiterer Faktor, um länger jung zu bleiben. Wer regelmäßig zwischen verschiedenen Sprachen wechsele, trainiere seine Aufmerksamkeits- und Kontrollmechanismen – diese würden im Alter traditionell nachlassen. Gleichzeitig stelle Mehrsprachigkeit einen gewissen Schutz vor Demenz dar. Die Forscher stellten anhand mehrerer untersuchten Faktoren fest, dass Menschen, die regelmäßig mehr als eine Sprache verwenden, deutlich seltener Alterungsanzeichen zeigten – dieser Zusammenhang blieb selbst dann bestehen, wenn es Einflüsse seitens der Bildung, des Einkommens oder der Luftqualität gab. Je mehr Sprachen jemand spricht, desto mehr verstärkt sich dieser Effekt. Für die Studie wurden Gesundheitsdaten von mehr als 86.000 Menschen aus 27 europäischen Ländern ausgewertet. (tagesschau.de, spektrum.de)
Die Sprache der Musik
Die spanische Sängerin Rosalía verbindet in ihrer Musik Flamenco mit Pop. Auf ihrem neuen Album „Lux“ singt sie in 13 verschiedenen Sprachen, unter anderem auch auf Deutsch. Doch selbst wenn man eine Sprache nicht beherrsche, könne man die Musik genießen, sagt der Sprachwissenschaftler François Conrad. Allein der Klang der Sprache sorge dafür, dass wir etwas als angenehm oder unangenehm empfinden, oft sei unser persönlicher Hintergrund dafür verantwortlich, wie gern wir eine Sprache hören. „Sprachen auf anderen Kontinenten haben teilweise ganz andere Laute als wir, auch wenn es teilweise Schnittmengen gibt. Welche Vokale, welche Konsonanten? Das Deutsche bellt unter anderem, weil es sehr viele Konsonanten-Cluster gibt, wie ‚Strumpf‘ – das ist ein sehr kompliziertes Cluster, viele Konsonanten in einem Wort“, so Conrad. Auch die Sprachmelodie sei für die Wahrnehmung wichtig. Polnisch zum Beispiel nutze viele zischende und nasale Laute und schöpfe das sprachliche Spektrum stark aus. Spanisch hingegen sei auf tiefere Frequenzen spezialisiert und habe ein vergleichsweise kleines Lautsystem. Beides habe Vor- und Nachteile, sagt Conrad: „Die Theorien sagen auch, dass die Sprachbenutzer, deren Ohren auf viele verschiedene Frequenzen eingestellt sind, besonders gut Musik erfassen können, weil das Ohr das gewohnt ist und es ihnen leichter fällt, Fremdsprachen zu erwerben, gerade auf lautlicher Ebene, weil das Ohr das besser verarbeiten kann.“ Der Flamenco sei nicht nur feurig, sondern auch gefühlvoll: Im Spanischen könne man Vokale beim Singen ohne Verständniseinbußen lang ausdehnen. Durch solche Variationen könne man Emotionen besonders gut darstellen und hervorrufen. (ndr.de)
Fast grenzenlos übersetzen
Der Meta-Konzern stellt ein neues KI-System vor, welches gesprochene Sprache versteht und in 1.600 weitere Sprachen transkribieren kann. Damit liegt das neue Spracherkennungssystem „Omnilingual ASR“ deutlich über dem Branchenstandard. Andere KI-Systeme beschränken sich auf einige Hundert Sprachen und benötigten für das Transkribieren große Mengen an Audiodateien, damit das System lernen kann. Laut Meta könne das neue System Sprachen auch mit einer geringen Menge an Audio-Text-Beispielen lernen und dessen Übersetzungsleistung sei somit auf theoretisch 5.400 Sprachen erweiterbar. Omnilingual ASR ist für die Nutzung auf mobilen Geräten bis hin zu großen Forschungsmodellen geeignet. (the-decoder.de)
KI diskriminiert Dialekte?
Computerlinguistikforscher der Universität Mainz fanden heraus, dass KI-Systeme, wie ChatGPT oder Gemma, Dialekte benachteiligen bzw. Verfasser von Dialekt-Texten eher mit negativen Eigenschaften verbinden. Für den Versuch wurde derselbe Inhalt in sieben verschiedenen Dialekten verfasst, darunter Plattdeutsch, Rheinländisch, Bairisch und Standard-Hochdeutsch. Die Künstlichen Intelligenzen beschrieben die Dialekt-Texte als „ungebildet“, „ländlich“ oder einfach „traditionell“, während der hochdeutsche Text als „gebildet“, „professionell“ und „vertrauenswürdig“ beschrieben wurde. Die Forscher warnen davor, dass KI-Sprachmodelle, welche immer häufiger beim Auswahlverfahren von Bewerbungen eingesetzt werden, bestimmte Personen somit diskriminieren könnten. Sie fordern, dass die KI-Programme fortan ohne diese sprachliche Bewertung entwickelt werden. (deutschlandfunknova.de)
2. Gendersprache
Keine Genderzeichen in Norderstedt
Vergangene Woche hatten wir über die Abstimmung zum Gendern in Norderstedt berichtet (vds-ev.de), jetzt ist das Ergebnis da: Der Rat hat sich mit einer knappen Mehrheit gegen das Gendern in städtischen Veröffentlichungen ausgesprochen. CDU und AfD haben den FDP-Antrag unterstützt, während SPD und Grüne dagegen waren. Die WiN (Wir in Norderstedt) enthielt sich. Die FDP hatte kritisiert, dass in Norderstedt mit zweierlei Maß gemessen würde: Die Stadt nutze Gendersternchen, in den Klassenarbeiten würden sie hingegen als Fehler angestrichen. (abendblatt.de (Bezahlschranke))
VDS in Niedersachsen lehnt Entwurf des Gleichstellungsgesetzes ab
Im Oktober wurde im Niedersächsischen Landtag über das geplante Gleichstellungsgesetz debattiert. Teil dieses Gesetzes ist auch die Einführung eines Gendersprach-Leitfadens für die gesamte niedersächsische Landesverwaltung. Der VDS in Niedersachsen in Person der Regionalleiter Alexander Börger (Braunschweig), Tobias Hillemacher (Oldenburg) und Achim Sohns (Hannover) haben zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. „Insgesamt vermittelt das Gesetz eher den Eindruck, als solle ideologisiert werden, anstatt echte Gleichberechtigung anzustreben“, so der VDS Niedersachsen. Gleichberechtigung werde durch ein politisches Gender-Mainstreaming-Programm ersetzt, das nicht auf Neutralität, sondern auf Quoten und Steuerung – Sprachsteuerung – setze.
Paragraph 17 des Gesetzentwurfs fordert „geschlechtergerechte Sprache“ in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes und in der Öffentlichkeitsarbeit. Dazu folgende Stellungnahme:
„Damit greift der Staat in Sprachfreiheit und Ausdrucksgewohnheiten der Bevölkerung ein, die diese Form der sprachpolitischen ‚Begleitung‘ weder wünscht noch benötigt. Unsere Kritik lautet: Sprache soll beschreiben, nicht umerziehen – staatlich verordnete Sprachformen (Genderstern, Doppelnennungen etc.) verletzen den Grundsatz der kulturellen Neutralität des Staates. Sie stehen weiterhin gegen die Beschlusslage des Rates für deutsche Rechtschreibung, der sich eindeutig gegen Gendersprachformen, insbesondere in der schulischen Kommunikation mit minderjährigen Kindern und Jugendlichen, ausgesprochen hat. Derartiges isoliertes Vorgehen der Landesregierung schafft eine niedersächsische Sprachinsel und steht gegen 80 Prozent der Bevölkerung auch in Niedersachsen, die Gendersprachformen bekanntlich ablehnen. Gendern richtet sich – aufgrund seiner in Teilen sinnwidrigen grammatikalischen und gegen die Sprachökonomie gerichteten Formen – in der Zuwanderungsgesellschaft gegen Menschen, die die deutsche Sprache erwerben. Gender-Sprachformen sind in der Lebenswirklichkeit der Menschen ausländerfeindlich. Das Gleiche gilt für viele Menschen mit Behinderungen (Sehbehinderte, Legastheniker u. a.). Gendern ist behindertenfeindlich.“
3. Sprachspiele: Neues aus dem Wort-Bistro
Warum schiebt man Leuten „etwas in die Schuhe?“
Es war eine kleine und unscheinbare Polizeimeldung, die es aber bei genauerem Lesen in sich hatte: In der Redaktion unseres Radiosenders erschien um 10.47 Uhr eine Nachricht auf den Bildschirmen, die über einen Parfümdiebstahl im Hamburger Hauptbahnhof Auskunft gab. Ein Mann hatte in einem Kosmetikladen versucht, Duftstoffe und Salben im Wert von mehr als 1.400 Euro zu stehlen. Zugegeben: Bei manch einer teuren Creme reicht eine kleine Tube, um auf diesen stolzen Preis zu kommen. Der Langfinger hatte aber laut Polizei eine ganze Reisetasche voller Diebesgut in der Hand.
Warum bestiehlt man eine Drogerie? Vielleicht wollte der Halunke eine kriminelle Duftmarke setzen. Auf jeden Fall ist anzunehmen, dass er nach seiner Tat verduften wollte. Dies ist ihm aber nicht geglückt. Der Ladendetektiv hatte anscheinend den richtigen Riecher. Jedenfalls wurde der Dieb von der Polizei festgenommen. Eigentlich schade, denn zumindest die Gesichtscremes hätte er mit Schmiergeld bezahlen können.
Der Meldung war leider nicht zu entnehmen, wie sich der Bösewicht auf seinen Diebstahl von Duftstoffen vorbereitet hat. Vielleicht hat er vorher einen Schnupperkurs besucht? Zu hoffen ist indes, dass der Parfümdieb nach seiner Tat die Nase voll hatte von solchen Untaten. Den Ertrag seiner illegalen Entnahme von Duschgel konnte er sich jedenfalls in die Haare schmieren. Zumindest war er nicht pfiffig genug, den Kosmetikklau einem anderen Kunden in die Schuhe zu schieben. Diese hatten offenbar den Braten gerochen. All diese Überlegungen führten mich zur Frage, warum man jemandem etwas „in die Schuhe schiebt“, wenn man nach einer kriminellen Handlung den Verdacht auf eine andere Person lenken will. Laut Duden steckt dahinter das listige Verhalten von Landstreichern, die früher in einer Nachtherberge vor einer drohenden Kontrolle entwendete Sachen rasch in die Schuhe eines anderen schoben, um unschuldig zu erscheinen. Solch ein übles Verhalten ist wohl als Tatsachenkosmetik zu bezeichnen. Wenn aber jemand dabei beobachtet wurde, wie er einem Zimmergenossen etwas in die Schuhe schob, dann war sein Ablenkversuch ganz offensichtlich für die Füß’.
Philipp Kauthe
Radio-Journalist, Buchautor, Podcast „Schlauer auf die Dauer“ (philipp-kauthe.de)
4. Kultur
Plattdeutsche Buchmesse in Hamburg
Am 8. und 9. November fand die Plattdeutsche Buchmesse in Hamburg statt. Dort präsentierten Verlage ihre plattdeutschen Neuerscheinungen. Das Bücherangebot war vielfältig, neben Belletristik gab es auch Lehrwerke und Kinderbücher. Da Platt vom Aussterben bedroht ist, gründeten Schriftsteller und Liedermacher im Jahr 2023 ein PEN-Zentrum für die niederdeutsche und friesische Sprache. Laut der Carl-Toepfer-Stiftung, welche die Plattdeutsche Buchmesse ausrichtet, soll diese ebenfalls einen Beitrag zum Erhalt der Sprache als norddeutsches Kulturgut leisten. (deutschlandfunkkultur.de)
5. Berichte
Bergischer Sprachpreis verliehen
Der 6. Bergische Sprachpreis „Die Eule“ ist am Freitag an die Musikerin, Texterin und Buchautorin Petra Halfmann verliehen worden. Die Laudatio hielt Markus Berg, Geschäftsführer des Velberter Bildungszentrums Bleibergquelle, an dem die Preisträgerin unterrichtet. Er unterstrich ihre Verbundenheit zum Bergischen Land und ehrte ihre karitative Tätigkeit bei der Gefährdetenhilfe Hückeswagen, bei der sie mit Strafgefangenen zusammenarbeitet.
Nach der Auszeichnung bedankte sich Petra Halfmann mit einem Konzert bei den rund 70 Besuchern, die ins Werkzeugmuseum Remscheid gekommen waren. Hans-Ulrich Mundorf, Leiter der Region Bergisch-Land im VDS, freute sich über den gelungenen Abend: „Petra Halfmann ist eine würdige Trägerin des Bergischen Sprachpreises ‚Die Eule‘. Wir sind beeindruckt von ihrer Ausdrucksfähigkeit und ihrer Musikalität.“ (instagram.com/vds, facebook.com/vds)
Noch freie Plätze für Online-Seminar „Erfolgreich verhandeln“
Für das im Rahmen der VDS-Akademie geplante Online-Seminar „Erfolgreich verhandeln“ am Samstag, dem 22. November (9:00 Uhr bis ca. 16:00 Uhr) sind noch Plätze frei (30 Euro für Vereinsmitglieder, 50 Euro für Externe). In 4×90 Minuten erhalten Sie wertvolle Tipps für Ihren Alltag: Erfahren Sie etwas über Verhandlungs-Bremsen, psychologische Verhandlungsmodelle, weiche und harte Techniken der Verhandlungsführung sowie über Manipulationstechniken. Prof. Dr. Bruno Klauk, kooptiertes Mitglied des Bundesvorstands und Außenbeauftragter des VDS, wird das Seminar in interaktiver Form leiten. Im Nachgang der Veranstaltung erhalten Sie eine Teilnahmebescheinigung. Die Anmeldung erfolgt über die Netzseite des VDS: vds-ev.de
Geschichte von Christen und Juden
Die Mitglieder der Regionalgruppen 88 und 89 besuchten gemeinsam das Laupheimer Museum zur Geschichte von Christen und Juden. Sarah Rieder, Leiterin Bildung und Vermittlung des Museums, erläuterte Aspekte des Zusammenwachsens und vor allem auch des Zusammenlebens von katholischen und evangelischen Christen mit den in der Region zunächst vor allem als „Devisenbringer“ für die adligen Herrschaften angesiedelten und geduldeten Juden. Laupheim beherbergte die größte jüdische Gemeinde in Württemberg. Carl Laemmle, in Laupheim als Karl Lämmle geboren und aufgewachsen, verließ die Stadt in Richtung USA, wo er in Hollywood die Universal Studios gründete und damit maßgeblich am Erfolg und der Geschichte dieser Filmmetropole beteiligt war. Die Jüdin Gretel Bergmann, die weltbeste Hochspringerin der 1930er Jahre und Aspirantin auf den Olympiasieg 1936 in Berlin, stammt ebenfalls aus Laupheim.
Der Großteil der Gruppe traf sich danach noch im Café zu Austausch über Christen, Juden und das Thema deutsche Sprache bei Kaffee und Kuchen. Regionalleiter Klaus Häußermann hatte den Ausflug organisiert.
6. Denglisch
Josef Joffe über Fremdwörter im Deutschen
„Er schätzt Deutsch wie Englisch gleichermaßen“ steht unter einem Artikel von Josef Joffe in der WELT, in dem es um „englisches Wording“ und den „Import von Lehnwörtern“ geht. Viele englische Ausdrücke seien knapper und treffender, aber das gelte lange nicht für alle. So richtig entscheiden, welche Anglizismen er nun gut findet und welche weniger, kann Joffe sich aber nicht.
Zunächst sinniert er über eine „Flut von Lehnwörtern“ aus dem Griechischen, Lateinischen und Französischen, die über das Deutsche hereingebrochen sei. Für das Englische hat Joffe viel Lob übrig: Es sei „das neue Latein mit simplerer (frz.) Syntax und Grammatik (gr.-lat.)“ und habe auch „keine Bandsätze und keine ausgefieselte Sprachlehre“. Und überhaupt: „Aneignung ist keine Schande, sondern Gewinn.“ Die Amis dominierten die Popkultur rund um den Erdball, schreibt Joffe, was auch an Alltagsgesten wie „high five“ oder „fist bumps“, also das freundschaftlich Zusammenstoßen der Fäuste, zu erkennen sei. Schließlich kommt Joffe zu Übersetzungsversuchen für Anglizismen (Jeans – „Nietenhose aus robustem Baumwolltuch“).
Als er im Laufe dieser Argumentation beiläufig Donald Trump erwähnt, kippt die Argumentation ins Sprachkritische: „Doch brauchen wir kein ‚Keyboard‘, weil ‚Tastatur‘ reicht. Schon gar nicht müssen wir ‚downloaden‘, statt ‚runterladen‘“. Joffe findet eine ganze Reihe solcher unsinnigen Ersetzungen aus dem Englischen. Und besonders der „Oberbajuware Markus Söder“ verwende „schlimmsten Marketing-Sprech“.
Im Großen und Ganzen hat Joffe aber an der denglischen Flut nichts auszusetzen. „Laptop“ sei eben besser als „tragbarer Rechner“. Das mag sein, aber wie wäre es beispielsweise mit „Klapprechner“? (welt.de)
7. Soziale Medien
Frank Thelen zur deutschen Sprache
Der Unternehmer und Investor Frank Thelen nutzt im beruflichen Umfeld zwar viele Anglizismen, dennoch weiß er die deutsche Sprache zu schätzen. In einem Zitat, das er uns exklusiv zur Verfügung gestellt hat, drückt er seine Verbindung zur deutschen Sprache aus. (instagram.com/vds, facebook.com/vds, linkedin.com/vds)
Falsche Formen
Bei X schrieb diese Woche die Nutzerin @MamaMammut: „Das fällt mir zunehmend auf: Einfachste Vergangenheitsformen sind vielen Kids unbekannt. Bei uns (3. Klasse) kamen so tolle Varianten wie ‚schwimmen – ich schwummte‘ oder ‚helfen – ich holfte‘“, dazu postete sie das Bild aus einem Arbeitsbuch. Die Kinder sollten dort das Präteritum von bestimmten Verben bilden. Das Kind, das hier an den Verben gearbeitet hatte, machte aus „ich rufe -> er rufte“ und aus „ihr steht -> er stehte“. In den Kommentaren schrieben viele Nutzer, dies liege wohl unter anderem daran, dass als Vergangenheitsform verstärkt ausschließlich das Perfekt genutzt würde. Außerdem würde Kindern weniger vorgelesen, sodass diese nicht mehr über das Hören die ersten Schritte des Spracherwerbs machen könnten. (x.com/mamamammut)
8. Buchwelt
Angststillstand und Resilienz
Richard David Precht, einer der namhaftesten Intellektuellen liberalen Zuschnitts, hat sich nach seinem Buch über die Vierte Gewalt (Fischer 2022) ein weiteres Mal die Kommunikation im öffentlichen Raum vorgenommen. Sein im Oktober bei Goldmann erschienenes Buch „Angststillstand – Warum die Meinungsfreiheit schwindet“ – wird ihm nicht weniger „Schittstürme“ eintragen.
Das unerwartete Schlüsselwort im Buchtitel fasst zusammen, wie sich die aktuelle Situation für viele von uns anfühlt. Links-grüne Kreise hingegen tun besorgte Aussprüche wie „Man hütet sich inzwischen, öffentlich zu sagen, was man denkt“ als rechtspopulistisches Gerede ab.
Demgegenüber hält sich Precht an aktuelle repräsentative Umfragen, welche solche Ängste unter den Bürgern in großem Umfange bestätigen. Nur noch 40 % waren 2023 überzeugt, sie könnten sich frei äußern. Immerhin greift die Praxis um sich, vom „Mainstream“ abweichende Auffassungen durch die sogenannte Cancel-Culture, also Auftrittsverbote, Arbeitsplatzverlust, Abwertung von Examensarbeiten u. ä., zu sanktionieren. Zusätzlich werden unerwünschte Meinungen mit einem moralischen Unwerturteil belegt. Dies sind nach Precht die sozialen „Kosten“ praktizierter Meinungsfreiheit. Die Gesetzgebung erfindet dazu abwegige neue Tatbestände wie „Delegitimierung des Staates“. Sich dagegen zu wehren, wird durch ein Übergewicht links-grüner Leitmedien immer schwerer. Die Gesellschaft gerät in einen Zustand von Angststarre und unternimmt kaum etwas gegen die Gefahren für die wesentlich auf freier Kommunikation beruhende Demokratie.
Prechts Essay fasst den Diskussionsstand auf 200 Seiten in 13 übersichtlichen Kapiteln zusammen und empfiehlt allen gegen die bei jedem politisch passenden Anlass hochgepeitschte Empörung mehr Resilienz.
(Dr. Kurt Gawlitta, Berlin)
