Infobrief vom 15. August 2025: Investoren sprachlich überzeugen 

1. Presseschau

Investoren sprachlich überzeugen 

Junge Unternehmen sind häufig auf der Suche nach Investoren, um in den Markt eintreten zu können. Worauf es sprachlich bei den Präsentationen vor den Geldgebern ankommt, erklärt Lorenz Graf-Vlachy im Gespräch mit Spiegel. Graf-Vlachy ist Inhaber der Professur für Unternehmensführung an der TU Dortmund. Zusammen mit seinen Kollegen der Universität Passau und der Technischen Universität München hat er herausgefunden, dass kognitiv komplexe Sprache bei den Präsentationen von besonderer Bedeutung sei.

Die Auswertung von 547 Gründungsvorstellungen beim internationalen Wettbewerb „TechCrunch Disrupt“ hat ergeben, dass sprachliche Komplexität in den Fragerunden oftmals zu mehr Investorenkapital im darauffolgenden Jahr führte, unabhängig von Muttersprache und Herkunft. Jedoch könne man die Investoren nicht nur mit Fremdwörtern beeindrucken. Formulierungen, die Nuancen, Vergleiche und Abwägungen erhalten, gelten als besonders erfolgsversprechend, auch wenn keine Fremdwörter verwendet werden. Dazu gehören Wörter wie „könnte“, „allerdings“, „besser“, „möglicherweise“ oder „außer“. Die Verwendung dieser Wörter lasse darauf schließen, dass die Jungunternehmer Vor- und Nachteile besser reflektieren können.

Die Sprache der Gründer gelte als Signal an die Investoren, zu viel sprachliche Komplexität kann allerdings kontraproduktiv sein, erklärt Graf-Vlachy. Verständlichkeit und die Kürze der Präsentation gelten als ebenso wichtig wie die sprachliche Kompetenz der Inhaber. (spiegel.de (Bezahlschranke))


Jibbali retten

Im Oman wird hauptsächlich arabisch gesprochen, doch in der südlichen Region Dhofar gibt es auch Jibbali. Jibbali gilt als gefährdete Sprache, die nur rund zwei Prozent der Bevölkerung beherrschen. Um ihr Überleben zu sichern, setzt der 35-jährige Saïd Chamas auf die Weitergabe durch Volkslieder und Gedichte, die Kinder in ihrem Alltag begleiten können. Auch in den sozialen Medien engagiert sich Chamas für den Erhalt der Sprache. Parallel dazu beteiligt sich die Universität Dhofar wissenschaftlich an einem Jibbali-Wörterbuch mit etwa 125.000 Einträgen, übersetzt ins Arabische und Englische. Das Wörterbuch wird ergänzt durch eine digitale Version mit Aussprachefunktion, um auch die einzigartigen Laute der Sprache zu bewahren. (deutschlandfunkkultur.de)


Willkommensklassen nicht förderlich

Schulpflichtige Flüchtlinge kommen in den meisten Bundesländern zunächst in „Willkommensklassen“, um sie zur Einschulung auf die Regelklassen vorzubereiten. Eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kommt nun zum Ergebnis, dass Schüler, die nach dem Besuch der Willkommensklassen eingeschult werden, schlechter Deutsch beherrschen als jene, die von Beginn an in Regelklassen unterrichtet werden. Der mangelnde Kontakt zu gleichaltrigen deutschen Muttersprachlern ist offenbar ein Grund dafür. Der Politik empfehlen die Studienautoren, in den Grundschulen auf getrennte Vorbereitungsklassen zu verzichten. (mdr.de)


Germanistik-Kongress in Graz

Im Juli fand in Graz der XV. Kongress der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG) statt, der sich sozusagen als „Weltverband der Germanistik“ versteht, so die FAZ. Das Rahmenthema lautete „Sprache und Literatur in Krisenzeiten“. In 66 Sektionen und rund 1.100 Vorträgen wurden unter anderem die „Bedeutung der sprachkritischen Analyse der politischen und medialen Krisenkommunikation“ herausgestellt, das Thema Flucht und Krieg in der Literatur behandelt und über Diversität im Sprachunterricht diskutiert.

Der IVG-Kongress findet alle fünf Jahre statt. (faz.net)


2. Gendersprache

Weimer wirbt für richtiges Deutsch

Das Einführen von DDR-Methoden und ein „missionarischer Kulturkampf“ wurden Kulturstaatsminister Wolfram Weimer vorgeworfen, nachdem er vergangene Woche erklärte, dass im Kanzleramt künftig wieder korrektes Standarddeutsch zu verwenden ist. Dabei hatte er nichts anderes getan, als seinen Mitarbeitern nahezulegen, sich an die Regeln von Rechtschreibung und Grammatik der deutschen Standardsprache zu halten. Und Weimer legt nun nach: Er fordert auch alle öffentlich geförderten Institutionen wie Museen, Stiftungen oder Rundfunk, dieser Linie zu folgen. „Es geht dabei um eine gemeinsame Verantwortung für die Verständlichkeit staatlich geförderter Kommunikation“, sagte der parteilose Politiker. (tagesschau.de, welt.de (Bezahlschranke))


Genderverbot für die documenta?

Die nächste documenta-Austellung in Kassel wird 2027 stattfinden. Nach dem Genderverbot des Kulturstaatsministers diskutiert man in der documenta-Stadt, ob im Rahmen der Weltkunstschau Gendersprache verwendet werden soll, weil die Ausstellung natürlich auch aus Bundesmitteln gefördert wird.

Auf Anfrage der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung erklärte documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann: „Im Kulturbetrieb ist die geschlechterspezifische Sprache etabliert und viele Menschen aus unseren Zielgruppen und auch Künstler*innen erwarten einen antidiskriminierenden Umgang von einer Institution wie der documenta.“

Normann Günther, VDS-Regionalleiter in Kassel, wünscht sich die öffentliche Kommunikation der documenta ohne Genderzeichen, insbesondere weil diese für nicht-deutschsprachige Besucher und Künstler schwerer verständlich sind. Für Günther ist ein Verzicht auf solche Genderzeichen „kein Kampf gegen etwas, sondern für die deutsche Sprache.“ (hna.de)

3. Kultur

Bundesdeutsch in Österreich

In Österreich, insbesondere in Wien, sprechen immer mehr junge Menschen Bundesdeutsch. Grund dafür sei der Konsum von Medien, die vorwiegend in Deutschland produziert werden. Die österreichische Tageszeitung Der Standard erklärt, dass es unter den Jugendlichen und im urbanen Umfeld als „moderner“ gelte bundesdeutsch zu klingen.

Im Austauschforum auf der Netzseite melden sich allerdings viele Nutzer, die den heimischen Dialekt verteidigen. „Wir haben und sollten in Österreich unsere Dialekte leben und lieben“ schreibt die Nutzerin „Laubfroschmädchen“. 134 Personen stimmen ihr zu. (derstandard.de)


4. Berichte

Sprache verbindet Deutschland und Litauen

Der Lokalsender Ahlen TV hat einen Bericht über die jüngste Litauen-Reise der VDS-Mitglieder Mechtild und Dieter Massin veröffentlicht. In der Litauischen Hauptstadt Wilna/Vilnius besuchten die Massins den Lotte Klub, der aus ehemaligen Lehrern und Dozenten für Deutsch der Universität in Vilnius. Dieter Massin berichtet, „Das Interesse an Deutschland ist enorm.“ Der Filmbeitrag auf Ahlen TV zeigt, wie durch Zusammenarbeit mit Kulturvereinen Brücken des Verständnisses zwischen verschiedenen Ländern gebaut werden. Dabei spielen kulturelle Aktivitäten wie Musik und Theater sowie die gemeinsame Sprache eine wichtige Rolle. (youtube.com/AhlenTV, instagram.com/VDS, facebook.com/VDS)


5. Denglisch

Wie der Algorithmus das Deutsche lenkt

Die sprachlichen Gepflogenheiten der Jugend werden heutzutage nicht mehr durch Gespräche in Schulhöfen gelenkt, sondern sind Ausdruck eines sprachlichen Wandels, der von Algorithmen in den sozialen Medien vorangetrieben wird. Dies beweisen auch die Auswahlmöglichkeiten zum diesjährigen Jugendwort des Jahres (der Infobrief berichtete). Dieser sogenannte „Algospeak“ (die Algorithmussprache) enthält Denglisch als festen Bestandteil. Begriffe wie „lowkey“ (heimlich), „Cringe“ (Fremdscham), oder „lost“ (im Kontext der Jugendsprache als „planlos“ zu übersetzen) werden dabei komplett in den deutschen Sprachgebrauch der Jugendlichen übernommen.

Jedoch werde nicht nur die deutsche Sprache „verenglischt“, sondern englische Begriffe werden auch „verdeutscht“, berichtet Der Standard auf seiner Netzseite. Die verbreitete Verwendung von Ausdrücken wie „Checkst du?“ und die Antwort „(ich) checke!“ seien Beispiele hierfür. Die ursprüngliche Bedeutung des Verbs „to check“, also etwas zu überprüfen, hat sich in jugendlichen Sprachkontexten zu einem Synonym für „Verstehst du?“ und „Ich habe es verstanden“ gewandelt.

Die grammatikalische Korrektheit sei von geringer Bedeutung und das Verb werde oft isoliert gebraucht, ohne Subjekt oder Objekt. Kommentarspalten und kurze Videoausschnitte seien hierfür maßgeblich verantwortlich. Tiktoks, Youtube-Shorts und Instagram-Reels nutzen und bekräftigen diesen sprachlichen Wandel, oftmals auch für den eigenen ökonomischen Vorteil. (derstandard.at)


6. Soziale Medien

Genderverbote – Genderpflichten

In den Sozialen Medien geht es um das Genderverbot von Kulturstaatsminister Weimer. Die Bundestagsabgeordnete Kathrin Göring-Eckhart schrieb auf x.com: „Das letzte Mal, dass mir jemand vorschreiben wollte, wie ich zu sprechen habe, waren es DDR-Bonzen.“ Diese Aussage beißt sich allerdings mit einem Beschluss ihrer eigenen Partei, die Grünen, von 2015, mit dem das Gendersternchen innerhalb der Partei-Kommunikation zur Pflicht werden sollte. (x.com/missdelein2)


7. Buchwelt

Ein Beinahe-Staatsstreich 1920 in Deutschland – Von Malaparte zu Hensel

Unser IFB Verlag Deutsche Sprache, mag er von seiner Marktmacht her auch zu den kleineren Akteuren gehören, leistet genau das, was man von einem guten Verlag erwartet, nämlich geistige Brückenschläge, quer durch die europäische Kultur. Gänzlich unerwartete sogar! Vor Jahrzehnten habe ich von Curzio Malaparte (1898–1957), dem italienischen Autor des weltberühmten Kriegsbuchs „Kaputt“, sein frühes Werk (1931), „Die Technik des Staatsstreichs“, gelesen. Neuauflage übrigens 1988 bei Edition Tiamat. Ein Buch, das europaweit Aufsehen erregt, seinem Autor Ruhm, jedoch unter Mussolini Gefängnis und Verbannung eingetragen hat. In Deutschland wurde ihm sogar die besondere Aufmerksamkeit zuteil, bei einer Bücherverbrennung der Nazis „dabei gewesen zu sein“.

Malaparte untersucht in seinem unverändert aktuellen Werk die Mechanismen eines Umsturzes am Beispiel der Oktober-Revolution, der faschistischen Machtergreifung in Italien, des Regimes von Pilsudski in Polen und der damals offensichtlich bevorstehenden Machtergreifung Hitlers. Ein Kapitel ist dem Kapp-Lüttwitz-Putsch in Deutschland (1920) gewidmet. Fasziniert beschreibt Malaparte, wie ein Generalstreik der Arbeiter und der Öffentlichen Dienste ganz Berlin lahmlegte. Die Regierung hatte die Hauptstadt längst verlassen. Die Arbeiter wieder an den Arbeitsplatz zu zwingen, misslang. Die geplante Machtübernahme durch die Freicorps lief ins Leere. Malaparte reflektiert die verzwickte Lage der demokratischen Regierung, die nun in ihr Amt zurückkehrte. Sie benötigte die Reichswehr wieder, um eine Machtübernahme durch kommunistische Arbeiterräte zu verhindern.

Historisch setzt hier Horst Hensels gewaltiges Werk „Salz und Eisen“ an, das 2024 im IFB Verlag erschienen ist. Der Leser erlebt– in Romanform, jedoch eng an den Fakten – den Arbeiteraufstand von 1920 im Ruhrgebiet mit. Die von Malaparte heraufbeschworene Gefahr scheint plötzlich Realität zu werden. Eine Realität, die Deutschland und Europa hätte verändern können. Die Chance zum Umsturz erschien so unerwartet, dass die von den radikalen Feinden der Demokratie eröffnete machtpolitische Schneise von den Kommunisten nicht genutzt werden konnte. Es fehlte an einer entschlossenen, machtorientierten Führung. Die Gelegenheit verstrich so rasch, wie sie am Horizont erschienen war. In einem Wirbel packender Szenen zieht ein beklemmendes, wenn auch weitgehend vergessenes Stück deutscher Geschichte den Leser in seinen Bann. (Dr. Kurt Gawlitta)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili

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