Infobrief vom 17. Oktober 2025: Kinder in Niedersachsen sprechen schlecht Deutsch

1. Presseschau

Kinder in Niedersachsen sprechen schlecht Deutsch

In Niedersachsen haben viele Kleinkinder Probleme beim Deutschsprechen. Allein in Salzgitter zeigten mehr als 44 Prozent bei der Schuleingangsuntersuchung Sprachauffälligkeiten. In der Region Hannover und der Stadt Osnabrück war ein Drittel der Kinder betroffen. Das geht aus einer Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag hervor. Ein begrenzter Wortschatz, Schwierigkeiten beim Satzbau oder die Unfähigkeit, klare und verständliche Sätze zu bilden, waren nur einige Probleme. Laut Kultusministerium hätten vor allem Migrantenkinder Schwierigkeiten, wenn im eigenen Umfeld wenig Deutsch, sondern die Muttersprache gesprochen werde. „Dabei sei nicht die Zweisprachigkeit an sich das Problem, sondern eher der eingeschränkte Zugang zu Bildung und mangelnde Förderung“, schreibt die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Kinder aus bildungsfernen Haushalten hätten ebenfalls häufiger Probleme als solche aus Familien mit mittlerem oder hohem Bildungsgrad. Die sozioökonomische Lage einer Familie habe damit einen spürbaren Einfluss auf die Sprachentwicklung und den Bildungserfolg eines Kindes, so Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne), deswegen sollte gerade die frühkindliche Bildung besonders in den Blick genommen werden. Die Mehrsprachigkeit solle gefördert werden, damit Erstsprache und deutsche Sprache gleichermaßen gefestigt und unterstützt werden können, so Hamburg. Für den CDU-Bildungspolitiker Christian Fühner sind die Zahlen „alarmierend“ und eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Der Vorschlag seiner Fraktion: ein verpflichtender Sprachtest im vorletzten Kitajahr sowie ein intensives Förderprogramm im letzten Jahr vor der Einschulung. Außerdem sollten alle Fünfjährigen verpflichtend eine Kindertageseinrichtung besuchen. (haz.de (Bezahlschranke))


Das Aus der „Veggie-Wurst“?

Das EU-Parlament stimmte in der vergangenen Woche für einen Beschluss, der vorsieht, Begriffe wie „Wurst“ und „Schnitzel“ für vegetarische Fleischersatzprodukte zu verbieten. Die Mehrheit der Abgeordneten, insgesamt 335, sprach sich dafür aus, dass künftig nur noch tierische Produkte diese Namen tragen sollen. Bislang ist der sprachliche Beschluss rund um die Bezeichnung von Fleischersatzprodukten jedoch noch nicht entschieden, denn neben den Abgeordneten müssen auch die 27 EU-Staaten zustimmen. Die Bundesregierung hat bislang keine Position zu dem Parlamentsbeschluss bekannt gegeben. Den ursprünglichen Antrag hatte die französische Konservative Céline Imart eingebracht. Sie beklagte das hohe Verwechslungsrisiko, wenn vegane und vegetarische Produkte mit Begriffen wie „Wurst“, „Schnitzel“ oder „Burger“ gekennzeichnet sind. Zu den Befürwortern gehört unter anderem der Verband der Fleischwirtschaft. (tagesschau.de)


Sprachverarmung durch KI

Das niedersächsische Projekt „n-report“ von der Heise Mediengruppe bringt journalistische Arbeit und Medienkompetenz in die Schulen. Zum Abschluss werden im Rahmen eines Wettbewerbs und eines zusammenfassenden Magazins die Schülerbeiträge veröffentlicht.

In einem Kommentar im aktuellen n-report-Magazin von heise online erklärt die Jurorin Kristina Beer, dass man in den Schülerbeiträgen deutliche Anzeichen der „KI-Sprache“ erkennen könne. KI-Chatbots wie ChatGPT oder Copilot, die Texte generieren können, bieten meist einfache Antworten und Zusammenfassungen, die oft oberflächlich und ungenau seien. Bestimmte Wortfolgen wie „Zusammenfassend lässt sich sagen“ seien ebenfalls ein typisches Anzeichen für einen KI-generierten Text und tauchten mehrfach in den Schülerbeiträgen auf. Beer warnt davor, dass die Nutzung von KI zu einer Verflachung der Sprache oder sogar einer „Sprachverarmung“ führen könne, da sich die Beiträge in der Wortwahl ständig wiederholten. Auch könnten die KI-Programme weder menschliche Erfahrungen noch kritisches Denken umsetzen. Die Gefahr der Vermittlung von Falschnachrichten bestehe daher weiterhin. (heise.de)


Ukraine will Russisch als geschützte Minderheitensprache streichen

In der Ukraine gilt Russisch bisher als geschützte Minderheitensprache – das soll sich jetzt ändern. Das ukrainische Kabinett will die russische Sprache von der entsprechenden Liste streichen lassen. Als Grund nennt die Regierung die „Notwendigkeit, die Sprachenliste an die aktuellen geopolitischen, gesellschaftlichen und sprachlichen Entwicklungen anzupassen“. Während auch Moldauisch wegfallen soll, kommen Tschechisch und Hebräisch (als Ersatz für „Jüdisch“) hinzu. Die anderen geschützten Sprachen wie Bulgarisch, Deutsch, Polnisch und Ungarisch sollen bleiben.

Dieses Vorgehen sorgt für Kritik und Unterstützung gleichermaßen. Der Philologe und Soldat Ostap Ukrajinec begrüßt den Gesetzentwurf, da laut ihm das Konzept einer „geschützten Sprache“ voraussetze, dass eine Sprache bedroht sei. Davon könne man beim Russischen aber nicht reden. Dazu gebe es in der Ukraine keine „russische nationale Minderheit“, die russisch als Muttersprache spreche und deren Rechte gemäß europäischem Recht speziell geschützt werden müssten. Die ukrainische Politikwissenschaftlerin Anastasia Piliavsky, Professorin für Anthropologie und Politik am King’s College in London, kritisiert den Gesetzentwurf hingegen scharf. Er verletzte den Artikel 10 der ukrainischen Verfassung, in dem der russischen Sprache und anderen Sprachen nationaler Minderheiten eine freie Entwicklung und Nutzung gewährt werde. Zudem könne man der Ukraine vorwerfen, die Rechte der russischsprachigen Minderheit systematisch zu verletzten, und das wiederum stelle ein Hindernis für den EU-Beitritt dar. (taz.de)


Einfach nur quatschen

Sprache sei mehr als nur die Vermittlung und der Austausch von Wissen, schreibt Christian Geyer in einem Kommentar in der FAZ. Der Psychologe Steven Pinker hatte in einem Welt-Interview die „Wissens-Herstellung“ als zentralen Grund für die Evolution von Sprache ausgemacht, doch das sei zu kurz gedacht, so Geyer. Viel wichtiger sei die Fähigkeit, durch Sprache überhaupt in Kontakt zu kommen. Nicht das „Was“ sei ausschlaggebend, sondern das „Dass“ des Sprechens, um „sozial gestützte Selbstwirksamkeit“ zu erfahren. Der Austausch miteinander, am besten im direkten Gespräch und nicht digital, sei essenziell wichtig, denn gerade dabei würden Gestik und Mimik mit einfließen. Dieses Gefühl, vom Gegenüber wahrgenommen zu werden, sei eher der Grund, warum sich Sprache evolutionär entwickelt habe. (faz.net)


Lettland und die Reformation

Bei einem Besuch der lettischen Nationalbibliothek in Lettlands Hauptstadt Riga überreichte Reiner Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, einen Brief Martin Luthers, um die Verbindung beider Regionen zur Reformation hervorzuheben.

Derzeit widmen sowohl Estland als auch Lettland dem 500-jährigen Jubiläum des Buchdrucks in ihren Landessprachen große Aufmerksamkeit. Die ältesten in lettischer und estnischer Sprache gedruckten Bücher sind Reformationsschriften und wurden womöglich in Wittenberg in Sachsen-Anhalt gedruckt. Die Kopie des Briefes, den Haseloff überreichte, stammt nach Angaben der Stiftung Luthergedenkstätten aus dem Jahr 1525 und war an die Livländischen Ordensbrüder gerichtet. Livland erstreckte sich über Gebiete des heutigen Estlands und Lettlands. (stern.de)

2. Sprachspiele: Unser Deutsch

Tradwives

Endlich ein verbaler Ersatz für Hausfrau, diese unwürdige Berufsangabe der Ehefrau, die sich nur um Kinder, Küche, Keller kümmert. Und natürlich um den geldschürfenden Ehemann, den Ernährer der Familie. Es ist ein trotziges Wort gegen das Narrativ von der modernen Frau, die alles kann, Mann wie ein Mann sein und dazu noch Frau mit allen Pflichten der Haushaltsführung. Dagegen gibt es unerwartet Widerstand. Er bündelt sich in dem neuen Begriff Traditional wives, amerikanisch abgekürzt Tradwives. Schwer übersetzbar, darum entlehnt.

Ich fühle mich betroffen und erinnere mich: Wir wollten unsere Jungs in den Kindergarten schicken. Mehr Freiraum für die Mutter, mehr Zeit für den eigenen Beruf. Nach einem Tag kommt der älteste zurück: „da gehe ich nicht mehr hin“. Dazu der zweite: „dann opfere ich mich“. Doch auch daraus wurde nichts. Unsere Söhne tollten lieber mit den Nachbarskindern auf der Straße herum, erklärten sie zur ‚Spielstraße‘, bauten in unserem Garten eine Holzhütte, benannt ‚Zur gewaschenen Ohrfeige‘. Jeden Tag kamen sie mit schmutzigen Klamotten zurück, glücklich, der Kindergartenpädagogik entgangen zu sein. Ihre Mutter hat wohl oder übel den eigenen Beruf eingeschränkt. Kürzlich feierten wir im Kreis von Söhnen und Enkeln einen runden Hochzeitstag: in der Mitte unsere Tradwife.

Unerwarteten Zuspruch erfahren die Freunde traditioneller Hauswirtschaft von einer bekannten Schauspielerin. Veronika Ferres, so berichtet die Süddeutsche, bekennt sich zur Lust am Bügeln und wenn sie Zeit habe, spüle und putze sie gern. Auch manche Männer lieben die Hausarbeit, schnippeln das Gemüse, gehen mit dem Staubsauger durch die Wohnung, wenn die Putzhilfe mal wieder ausgefallen ist. Andere erledigen die meisten Einkäufe, sind früh beim Bäcker oder fahren abends noch zum Supermarkt, der bis 20 Uhr aufhat. Vieles lässt sich gemeinsam machen, gerne der Wochenmarkt jeden Samstagmorgen. Von dort gibt es einiges gemeinsam zu schleppen. In den letzten Jahrzehnten hat sich einiges eingependelt, was Gleichberechtigung und Gleichbelastung betrifft. Auch den berüchtigten Macho gibt es immer seltener. Gott sei Dank.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


3. Kultur

Häuserverkauf rettet Plattbibliothek

Der Verein „Institut für niederdeutsche Sprache“ (INS) residiert im Haus Schnoor 41 in Bremen und besitzt insgesamt vier historische Gebäude. Um den Erhalt des Stammsitzes weiterhin stemmen zu können, verkauft der Verein nun drei seiner Häuser in Bremens historischem Schnoor-Viertel.

Das INS setzt sich seit mehr als 50 Jahren für die Förderung des Plattdeutschen ein und besitzt auf jeweils drei Etagen des Schnoorhäuschens eine, laut Vorstandsmitglied Rainer Schoßbeck, „einzigartige Bibliothek“ mit Tonarchiv und Videomaterial, die insgesamt mehr als 46.000 Medieneinheiten umfasst. Mit dem Erlös des Häuserverkaufs soll das Stammhaus ausgebaut und der Bibliotheksbestand restauriert werden, kündigt der Vereinsvorsitzende Heiko Block an. (weser-kurier.de (Bezahlschranke))


Wenn Farben sprechen können

Professor Dr. Axel Buether, Lehrstuhlinhaber für Didaktik der visuellen Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal, ist überzeugt davon, dass Farben eine ganz eigene Sprache sind und tiefe Einblicke in menschliche Persönlichkeiten bieten können. In seinem neuen Werk „Das große Buch der Farbenpsychologie“ untersucht er die nonverbale Kommunikation der Farbwahl und kommt zu dem Ergebnis, dass Farben nicht nur die Umgebung prägen, sondern auch die inneren Wünsche, Stimmungen und Charakterzüge ausdrücken können. Die sogenannte „Farbsprache“ wird dabei als ein weiteres Kommunikationsmittel verstanden. Sein Werk richtet sich sowohl an Fachleute als auch an die breite Öffentlichkeit. (wuppertaler-rundschau.de)


Kino mit friesischem Nebeneffekt

Der neue Film des Regisseurs Fatih Akin, „Amrum“, besticht nicht nur mit Landschaftsaufnahmen der Insel, sondern auch mit einer Besonderheit: Die Schauspieler mussten für ihn Friesisch lernen. „Amrum“ basiert auf den Kindheitserinnerungen des Schauspielers, Drehbuchautors und Professors Hark Bohm, der auf Amrum aufgewachsen ist. Der Film beschreibt die letzten Tage des Nationalsozialismus und die Zeit nach dem Krieg auf der Insel. Dabei bekam auch die Sprache der Insel einen besonderen Stellenwert. Der Amrumer und Friesisch-Experte Jens Quedens wurde von Akin engagiert, um Drehbücher zu überarbeiten und Dialoge zu übersetzen. Anschließend brachte dieser den Schauspielern wie Diane Kruger und Detlev Buck Friesisch bei. Die beiden nordfriesischen Dialekte Öömrang und Fering werden heute nur noch von ein paar Tausend Menschen auf den Nordsee-Inseln Amrum und Föhr gesprochen. (ndr.de, taz.de)


4. Berichte

Vorlesetag mit Experten auf dem Sprachhof

Der VDS und das Lernserver-Bildungsprojekt bieten in diesem Jahr erstmalig zum bundesweiten Vorlesetag der Stiftung Lesen ein gemeinsames Projekt an. Zusammen mit Experten verschiedener Fachbereiche gehen wir der Bedeutung des Vorlesens für einen bildungsorientierten Spracherwerb auf den Grund. Dabei werden am 21. November 2025 auf dem Sprachhof sowie an Schulen und Kindergärten der Umgebung Vorlese-Aktionen für die Jüngeren geboten, der Leseclub des Jungen VDS bietet eine Lesung aus Franz Kafkas Roman „Der Prozess“ an. Experten berichten, warum dem Vorlesen eine zentrale Rolle beim Spracherwerb zukommt. Am 22. November wird der Schriftspracherwerb beleuchtet und wie er gefördert werden kann, damit alle Kinder dem Schulstoff bestmöglich folgen können. Vor- und Grundschulpädagogen, aber auch Eltern, Lernbegleiter und Lesepaten sind herzlich eingeladen, sich zu unserer Tagung anzumelden. (vds-ev.de)


5. Soziale Medien

Die Macht des s

Eine einfache Kanne Teewasser hat neulich für eine kurze Verwirrung gesorgt. Im St.-Josefsstift Trier war vor ihr ein Zettel zu sehen mit der Aufschrift „heiße Wasser“. Vermutlich wollte sie sich nicht höflich vorstellen, sondern einfach nur mitteilen, was sie enthielt. Auf Instagram vermutete der Nutzer @jan11lein, dass es sich vielleicht um mehrere Wasser handele, die dort drin sein könnten. Zum Schmunzeln hat das unscheinbare „s“, das fehlte, den Einsender jedenfalls sehr gebracht. (instagram.com/vds)


6. Buchwelt

Deutscher Buchpreis verliehen

Dorothee Elmiger hat den Deutschen Buchpreis gewonnen. In ihrem Roman „Die Holländerinnen“ erzählt sie die Geschichte einer Schriftstellerin, die eine Theatergruppe in den südamerikanischen Dschungel begleitet. Dort soll ein Theaterstück rekonstruiert werden, das auf dem realen, mysteriösen Verschwinden zweier niederländischer Touristinnen in Panama basiert. Je tiefer sich die Gruppe im Dickicht und Morast verlaufe, desto mehr reiße Elmiger die Leser in den Sog der Angst, so die Begründung der Jury: „Ihr Roman erzählt von Menschen, die in ihr ‚dunkelstes Gegenteil‘ verfallen.“ Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zeichnet seit 2005 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Die Schweizer Schriftstellerin Elmiger, die in den USA lebt, bekommt damit ein Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro. (deutscher-buchpreis.de)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel

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