1. Presseschau
Mehr Deutsch in der Türkei
In der Türkei wächst das Interesse an der deutschen Sprache, vor allem bei jungen Menschen. Viele renommierte Schulen schicken mittlerweile über 75 Prozent ihrer Schüler nach Deutschland und Deutschkurse, besonders beim Goethe-Institut, seien sehr gefragt, berichtet die Deutsche Welle.
Zu erklären sei dies durch die Tatsache, dass Deutschland der wichtigste Handelspartner der Türkei ist und über drei Millionen Türkeistämmige in Deutschland leben. Deutsch wird an türkischen Schulen, Universitäten und in Sprachkursen zunehmend als zweite Fremdsprache nach Englisch bevorzugt. An vielen Schulen und Universitäten steigt die Nachfrage nach Deutschprogrammen und immer mehr türkische Studenten entscheiden sich, in Deutschland zu studieren. Die schwierige wirtschaftliche Lage in der Türkei und die besseren Berufschancen in Deutschland seien hierfür entscheidende Beweggründe.
Zwar steige die Nachfrage nach Deutschkursen, jedoch herrsche vielerorts ein eklatanter Lehrermangel, so dass das Angebot die Nachfrage nicht decken könne. Viele Deutschkurse beim Goethe-Institut seien restlos ausgebucht. (dw.com)
Von Ostbelgien bis an die Wolga
Seit 2013 geben die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften alle vier Jahre einen neuen Bericht „zur Lage der deutschen Sprache heraus“. Im nun erschienenen 4. Bericht geht es um die Verbreitung des Deutschen in Europa, 22 Sprachwissenschaftler nähern sich diesem Thema mit unterschiedlichen Fragestellungen. In den Kernländern Deutschland, Österreich, Schweiz und Liechtenstein habe das Deutsche eine „institutionell gefestigte Rolle mit Integrationskraft“. Zwar seien die Einflüsse anderer Sprachräume, denen die deutsche Sprache auch heute ausgesetzt ist (vor allem durch Anglizismen und Zuwanderung), eine Herausforderung, würden sie aber nicht gefährden. Im Gegenteil: Durch Zuzug würden mehr Menschen Deutsch lernen und sprechen und damit vor dem Rückgang retten.
Ausführlich beschrieben wird auch die Situation deutschsprachiger Gemeinschaften in anderen Ländern Europas, „von Süddänemark bis Norditalien und von Ostbelgien bis an die Wolga“. Demnach wird in 15 Ländern Deutsch gesprochen, in sieben davon gilt Deutsch als Amtssprache. Historisch gesehen sei dies die europäische Sprache mit der größten Ausbreitung. Allerdings sind die Perspektiven für die deutschsprachigen Minderheiten unterschiedlich. Während in Rumänien und Ungarn wieder mehr Deutsch gesprochen wird, geht die Verbreitung in der Ukraine, in Polen, in Tschechien oder an der Wolga in Russland zurück. (mdr.de, welt.de)
Ohne Deutsch in die Schule
In Bayern hat eine Studie ergeben, dass von 128.000 Vorschulkindern 23.800 die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, um dem Unterricht folgen zu können. Focus-Online stellt verschiedene Lösungsvorschläge aus der Politik vor. Bayerns Kultusministerin Anna Stolz will alle betreffenden Kinder im neuen Kindergartenjahr in einen verpflichtenden „Vorkurs Deutsch“ schicken. Heike Reichelt, Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Thüringen, verweist eher auf Vorsorgeuntersuchungen, zu denen Kleinkinder regelmäßig gehen müssten. Dort würden auch sprachliche Kompetenzen abgefragt. Reichelt sieht auch den steigenden Medienkonsum bei Kindern als Ursache für schlechte sprachliche Fähigkeiten an. (focus.de)
2. Gendersprache
Gendern für den Aktienkurs
Wie in vielen Unternehmen in Deutschland gibt es auch beim Technologiekonzern SAP einen Genderleitfaden. Offiziell handelt es sich dabei um nicht verpflichtende Empfehlungen mit dem Ziel, „so inklusiv wie möglich“ zu kommunizieren. Demnach sollen in englischen Texten geschlechtsbezogene Begriffe vermieden werden; statt „he“ oder „she“ empfiehlt SAP das „singular they“. Bei deutschen Personenbezeichnungen soll besser der Doppelpunkt im Wortinneren stehen. Ein Mitarbeiter des Unternehmens kommt nun in der Berliner Zeitung zu Wort und berichtet, dass die Genderregeln Anpassungsdruck und Sprachzwang zur Folge hätten, dem sich kein Mitarbeiter entziehen könne. „Die Äußerung offener Kritik bleibt eine Ausnahme, weil die Sorge vor beruflichen Konsequenzen groß ist“, so der Mitarbeiter, der in dem Beitrag anonym bleibt und „Elias P.“ genannt wird. „Die Sprache, die eigentlich verbinden soll, wird zum trennenden Marker, an dem Loyalität gemessen wird“, so Elias P. Er schildert den Eindruck, dass die Genderregeln bei SAP lediglich der Außenwirkung dienten. „Die 180-Grad-Wende wäre kein Problem, wenn sie dem Aktienkurs dient“, so der SAP-Mitarbeiter. (berliner-zeitung.de (Bezahlschranke))
3. Sprachspiele: Phrasen der Neuzeit
Adj + weg => Red
In seinem Buch Terre des hommes erläutert Antoine de Saint-Exupéry seine Ästhetik der Reduktion: In der Kunst wie in der Technik gelange man durch Kürzen, Schleifen und Anpassen zu immer reduzierteren Formen, zu einer „elementare(n) Schlichtheit“ von der „Güte wie ein Gedicht“. Er resümiert: „Nicht dann, wenn nichts mehr hinzuzufügen ist, hat man die Vollkommenheit erreicht, sondern, so scheint es, erst dann, wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“ (Wind, Sand und Sterne, alle S. 58) So scheint es! Tatsächlich ist eine der populärsten Regeln der Ästhetik, zumal der modernen, die des Weglassens. Alle Stilistiker empfehlen sie, Wolf Schneider dogmatisierte sie. Verleger empfehlen regelmäßig, Adjektive zu streichen. Doch wird man diesen Rat nicht jedem erteilen. Man denke sich die starken Adjektive hier weggelassen: „Die Sonne schien feurig durch die Ränder der schlaffen, müdegeregneten Wolken, als die kleine Familie von Pierres Begräbnis nach Hause fuhr.“ (Hesse: Roßhalde, S. 164) Oder hier: „Schließlich gab es eine lange Pause, die Stille hing wie eine Wolke im Zimmer, nur vom gellend spitzen Gang der kleinen, koketten Uhr unterbrochen.“ (ebd., S. 146) Man sieht die nützliche Funktion der Adjektive und auf eine kokette Uhr würde ich niemals verzichten wollen.
Diese Adjektive sind ganz plastisch, während das Weglassen in modernen Texten und Gegenwartstexten immer zum gleichen Ton führt. Es ist auch sonst nichts dran an der Devise der Reduktion. Tatsächlich wird ein Kunstwerk nicht nur dann (quantitativ) fertig und (qualitativ) vollendet sein, wenn man nichts mehr weglassen kann. Es wird auch so sein, dass man nichts mehr hinzufügen und beim Vorhandenen nichts umstellen kann. Alles fügt sich zu einer Harmonie, sei das Kunstwerk nun reduziert oder sprachlich vielleicht etwas barock. Jedenfalls sollte die Reduktion nicht Adjektive treffen, die ja nicht nur Nomen versinnlichen, sondern die, vor das Nomen gesetzt, auch Widersprüche und Tautologien bauen können. Nicht einmal lange Wörter und überlange Wörter wären zu meiden, wenn der sonstige Inhalt sie trägt. Und unsere Beobachtung straft auch die alte Metaphysik des Schlechten als Mangel des Guten Lügen: Das Malum ist nicht nur ein Mangel an Bonum, sondern tritt auch auf, wenn die Dinge vertauscht sind oder wenn etwas Falsches (oder das Richtige am falschen Ort) hinzukommt. Man denke sich jemanden, der Arme und Beine vertauscht hat oder dem ein Horn wächst. Das Schlechte und das Scheitern einer harmonischen Ästhetik haben drei Ursachen, nicht bloß eine.
Myron Hurna
Der Autor (geboren 1978) promovierte in Philosophie über das Thema moralische Normen. Er schrieb mehrere Bücher über die politische Rhetorik, besonders über die Rhetorik des Holocaustvergleichs und über die politisch korrekte Sprache (Zensur und Gutsprech). Sein neues Buch „Amoklauf am offenen Lernort“ ist bei Königshausen & Neumann erschienen.
4. Kultur
Schlesische Mundart schweißt zusammen
Im polnischen Mittelwalde (Międzylesie) fand vor einigen Wochen eine Buchvorstellung zur Glatzer Mundart statt. Das Glatzer Platt entwickelte sich aus thüringischen und fränkischen Dialekten und zählt auch heute noch als schlesische Mundart. Das vorgestellte Buch, dessen Entstehung unterstützt wurde von mehreren Organisationen und Gemeinden, wie der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und der DFK Glatz, enthält Gedichte von bekannten Autoren wie Erhard Gertler und Hermann Günzel, ergänzt durch polnische Übersetzungen. Die Gedichte wurden von der Deutschlehrerin Joanna Kraczkowska ins Polnische übersetzt. Das Projekt soll insbesondere das Interesse an der Geschichte und Kultur der Deutschen im Glatzer Land vor 1945 fördern. Das Glatzer Platt sei weiterhin lebendig, berichtet das polnische Wochenblatt. An der Veranstaltung nahmen sowohl interessierte Polen als auch deutschsprachige Besucher teil. (wochenblatt.pl)
5. Berichte
Jiddisch-Vortrag im Sprachhof
In einer Zeit, in der Frauen eher selten als literarisch wertvoll angesehen wurden, hat die jüdische Kauffrau Glückel von Hameln (1645-1724) auf Jiddisch über die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg geschrieben und ihre jüdische Kultur aufgegriffen. Die Literaturwissenschaftlerin Dr. Elvira Grözinger, ehemalige Jiddisch-Dozentin an der Uni Potsdam und der FU Berlin, war am Montagabend auf dem Sprachhof in Kamen zu Gast und berichtete über ihre Forschung zur ersten Autorin in jiddischer Sprache. In den Sozialen Medien teilen wir die Eindrücke des Abends. (instagram.com/VDS, facebook.com/VDS)
6. Denglisch
Dramatische Zunahme
Anglizismen begleiten uns in der deutschen Sprache bereits seit Jahrzehnten, insbesondere die jüngeren Generationen verwenden in ihrer Alltagssprache das Gemisch aus deutschen und englischen Begriffen. Inzwischen werden jedoch sogar ganze Satzkonstruktionen aus dem Englischen übernommen. Formulierungen wie „Ich bin fine damit“ zeigen, wie sehr sich Strukturen vermischen.
Das berichtet auch Christopher Häufele, Deutschlehrer am Werkgymnasium in Heidenheim. Laut Häufele hätten Anglizismen in der deutschen Sprache durch den Einfluss der jüngeren Generationen „dramatisch zugenommen“. Nicht nur die gewählten Jugendwörter der vergangenen Jahre, die fast ausschließlich englische Begriffe seien, sondern auch der Umgang mit den Sozialen Medien, Videospiele und das Schauen von Serien in englischer Originalsprache trage zur Vermehrung des Denglischen bei. Auch englischsprachige Literatur werde immer beliebter. Doch obwohl Deutschlehrer wie Christopher Häufele dieser Entwicklung mit Besorgnis entgegenblicken, gibt es Sprachwissenschaftler, die keinen Grund zur Besorgnis sehen.
Daniel Rellstab, Professor an der pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd, führt das Argument auf, dass sich Sprache stets gewandelt habe, früher durch Latein oder Französisch, heute durch Englisch. Nur rund drei Prozent der Wörter im Duden seien tatsächlich englischen Ursprungs. Der Deutschlehrer Häufele betont zwar, dass Literatur und Lehrwerke im Unterricht das Deutsche weiterhin fest verankern, jedoch leugnet er nicht, dass im alltäglichen Sprachgebrauch das Deutsche zunehmend vermindert dargestellt wird und somit auch dessen Ausdruckskraft zu verblassen droht. (swr.de)
7. Soziale Medien
Buchmesse öffnet Türen
Die Frankfurter Buchmesse öffnet ihre Türen für Privatbesucher in diesem Jahr bereits am Freitagvormittag. Das Übersetzerportal UEPO berichtet dies auf Instagram. Die Frankfurter Buchmesse findet in diesem Jahr vom 15. bis zum 19. Oktober statt. Neben Fachbesuchern können auch Privatbesucher an der Messe teilnehmen und es werden zahlreiche Branchenrelevante Preise verliehen. Im vergangenen Jahr konnten Privatbesucher erst ab dem Freitagnachmittag auf das Gelände. (instagram.com/uepo.de)
Süttember 2025
Es ist wieder Süttember!
Gemeinsam mit Schneider Schreibgeräte verlosen wir neun Sets zum Gestalten von Postkarten. Auf unserem Instagram-Kanal gibt es jede Woche Dienstag ein neues Postkarten-Rätsel, mitmachen kann man ausschließlich über unsere Internetseite: vds-ev.de. (instagram.com/VDS, instagram.com/VDS)
Urlaubspostkarten – die Gewinner
Postkarte aus dem Urlaub? Sowas wurde in den letzten Jahren immer seltener, die meisten nutzen mittlerweile WhatsApp, um kurze Urlaubsschnappschüsse zu teilen. Wir haben deshalb in den sozialen Netzwerken darum gebeten, uns ganz altmodisch Papierpostkarten zu schicken. Viele haben mitgemacht, und unter allen, die ihre Adresse auf die Karte geschrieben haben, haben wir ausgelost: 3 Gewinner bekommen von uns in den nächsten Tagen ein VDS-wunschlos-glücklich-Paket. Ein Video von der Auslosung gibts hier: instagram.com/VDS, facebook.com/VDS, x.com/VDS.
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel