1. Presseschau
Mehr Flämisch in Brüssel
Belgien umfasst mehrere Sprachgebiete: Niederländisch, umgangssprachlich auch Flämisch genannt, Französisch und Deutsch. Die flämische Ministerin für Brüssel, Cieltje Van Achter, plant nun die Stärkung der Position der niederländischen Sprache in Belgiens Hauptstadt. Der „Totaalplan Nederlands voor Brussel“ sieht vor, bereits bestehende und auch neue Initiativen zu bündeln, um das gesamte flämische Netzwerk in Brüssel zu stärken.
Besonderer Wert werde hierbei auf die Sprachförderung von Kindern und Jugendlichen gelegt, da frühe Kontakte mit der Sprache ihre spätere Nutzung wahrscheinlicher machen. Zudem sollen Erwachsene durch zusätzliche Lernangebote und eine engere Zusammenarbeit der Arbeitsämter VDAB und Actiris unterstützt werden, um auch bessere Berufschancen in Flandern zu eröffnen. Ein weiterer Schwerpunkt liege auf der Zweisprachigkeit von Behörden, Krankenhäusern und Rettungsdiensten. In einem Krankenhaus wurde bereits ein Pilotprojekt gestartet, um die Zweisprachigkeit des Personals zu verbessern. (belganewsagency.eu)
Eklatante Fehler
„Das Dauergerede verdirbt die Sprache“, dieser Meinung ist Viola Schenz in der Neuen Zürcher Zeitung. Telefonate, die Podcast-Inflation und laute Gespräche würden zunehmend geschwätzig, umständlich und fehlerhaft. Es würden Füllwörter, Floskeln, Redundanzen und Nebelkerzen produziert. Man verharre im Möglichen, Vagen („ich würde sagen“). Dabei verlange seriöser Journalismus „Nüchternheit und Neutralität, in Inhalt und Stil: klar formulierte Fakten, erkennbare Quellen, kritische Fragen. Eklatante sprachliche Fehler seien auch in den Leitmedien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an der Tagesordnung. Die Folge dieser Entwicklung: „Längst reden die Leute jenseits von Radio und TV“ ebenso. Der Zeitungsbeitrag ist auch eine Vorstellung des Buches des Kunsthistorikers Wolfgang Kemp: „Irgendwie so total spannend“. (nzz.ch)
KI gegen Diskriminierung
Die Sozialorganisation Aktion Mensch hat den KI-Chatbot „Able“ entwickelt, der andere KI-Anwendungen auf diskriminierende Sprache hinweisen soll. „Able“ stehe für „Ableism Bias Language Evaluation“ und wurde gemeinsam mit der Hochschule Bielefeld, dem KI-Dienstleister wonk.ai sowie Menschen mit Behinderung entwickelt.
Das System soll stereotype Formulierungen wie „trotz seiner Behinderung hat er studiert“ hinterfragen, da solche Aussagen alltägliche Entscheidungen für Menschen mit Behinderung als außergewöhnlich darstellen würden. Zudem soll er sachliche Fehler, respektlose Ausdrucksweisen oder unnötig komplizierte Sprache anderer KI-Systeme korrigieren helfen. (zeit.de)
2. Gendersprache
Wie Darmstadt (nicht) gendert
Trotz der Forderung des Kulturstaatsministers Wolfram Weimer, dass öffentlich geförderte Institutionen wie Museen, Stiftungen oder Rundfunk künftig auf Gendersonderzeichen verzichten und sich stattdessen an die Regeln von Rechtschreibung und Grammatik der deutschen Standardsprache halten sollen, zeigt sich im hessischen Darmstadt ein gemischtes Bild. Das Landesmuseum nutzt weiterhin unterschiedliche Formen, von Doppelnennungen bis zum Genderstern, verweigere aber eine Stellungnahme zu Weimers Vorstoß.
Das Museum Wiesbaden verzichte schon länger auf Gendersprache. Das städtische Institut Mathildenhöhe betont dagegen die Bedeutung sprachlicher Vielfalt als Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft. In der Stadtverwaltung seien Paarformeln und „geschlechterneutrale Formulierungen“ vorgesehen, erklärt der Sprecher Frank Horneff. Man arbeite bereits an einer entsprechenden Rundverfügung. Genderstern, Unterstrich oder Doppelpunkt seien allerdings nicht vorgesehen, da sie nicht Teil der deutschen Orthografie sind. Private Museen wie die Bahnwelt Kranichstein setzen ebenfalls auf Paarformulierungen und betonen, dass Sonderzeichen bislang „kein Thema gewesen“ seien. (echo-online.de (Bezahlschranke))
3. Sprachspiele: Phrasen der Neuzeit
e egal
Zu den unsicheren Sprachzeichen, zu denen Deutschlerner für die Artikelbestimmung greifen können, gehört das auslautende e. Es charakterisiert viele Feminina (Rose, Dose, Seele, Anne usw.), allerdings nicht allein (Anna, Villa). Außerdem fallen doch einige Maskulina unter diese Gruppe (Löwe, Affe, Krake usw.) und systematisch wirkt das auslautende e bei maskulinen Herkunftsbezeichnungen: der Kroate, der Grieche usw. Als Schwa-Laut hat es das Schicksal, im Mündlichen oft wegzufallen (ich hab gesehen), was sich nicht nur die Dichtung zunutze macht, um im Fall des Falles das Metrum einzuhalten. Manchmal ist das e bedeutungsunterscheidend: das Tablett, die Tablette; ein und eine, manchmal aber nur variierend: ein Ros entsprungen, eine Rose; das Triskel, die Triskele. Ros ist dabei im Kirchenlied eine der schönsten kontroversen Stellen im dt. Liedgut, seine Interpretation reicht von Reis im Sinne von Neuzweig (rod), Wurzel (radice, root) und Knospe bis hin zur vollendeten Blüte (Rose, Mariensymbol).
Das auslautende e in den schwach betonten Endungen macht es vor allem Kindern schwer, die richtige Schreibung zu lernen (Hörschreibung führt zu: Lehra). Als Partikel eh (sowieso) kommt es unserer Sprechunlust entgegen. Im Deutschen muss das Graphem e gleich drei Laute vertreten, das heißt, die jeweiligen Lautvarianten müssen mit dem ganzen Wort gelernt werden. Auch die qualitative Lautung bzw. die Lautart kann betroffen sein: Beim ɛ (Trema-A) greift oft die Sprecherleichterung zu e (Kese statt Käse).
Eine andere Schwierigkeit lauert in der nicht angezeigten Längung: der Weg vs. weg: die Wegsperrung. Allerdings wäre es falsch, daraus abzuleiten, man müsste nun spezielle sprachliche Mittel finden, diese Probleme zu lösen. Wie in den meisten Fällen schafft die Umgebung des Wortes die Auflösung, welches Wort wie verwendet werden muss.
Wir sehen hier die partielle Inkongruenz von Sprech- und Schriftsystem. Letzteres zeigt in manchen Fällen den Unterschied an (dass vs. das), alles andere ist Sprachgefühl, erworben durch Gebrauch. Da e der am häufigsten in Texten vorkommende Vokal ist, lohnt es sich, das Spiel Galgenmännchen mit e zu beginnen. Nach der Häufigkeit der Vokale und Konsonanten sollte man sich ENISRA merken und zunächst diese Buchstaben abarbeiten. Und umgekehrt kann man den Gegner Worte mit Vokalen und Konsonanten suchen lassen, die relativ selten sind, wie in Borschtsch. Das e spielt die Solorolle in den Deklinationsendungen von Adjektiven, wir haben -e, -er, -en, -em, -es. Leider ist das System nicht gerade fürs Ohr gemacht, besonders in Verbindung mit den Nasalen ist die Endung schlecht zu hören. Bei der Pluralbildung spielt e keine systematische Rolle. Die von Sprachlehrern oft ins Spiel gebrachte Regel, bei Umlautung erscheine e (Hahn zu Hähne, Kahn zu Kähne, Kran zu Kräne, Zahn zu Zähne) ist wieder allenfalls eine Pi-mal-Daumen-Regel, denn erstens gilt sie nicht in allen Fällen (Rad wird zu Räder, Ahn wird zu Ahnen) zweitens ist sie monodirektional (aus Wal wird nicht Wäle).
Myron Hurna
Der Autor (geboren 1978) promovierte in Philosophie über das Thema moralische Normen. Er schrieb mehrere Bücher über die politische Rhetorik, besonders über die Rhetorik des Holocaustvergleichs und über die politisch korrekte Sprache (Zensur und Gutsprech). Sein neues Buch „Amoklauf am offenen Lernort“ ist bei Königshausen & Neumann erschienen.
4. Kultur
Bayerns Dialekte nicht in Gefahr
Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) untersuchen mit der Dialekt-App „DaBay“, wie sich Dialekte in Bayern entwickeln. Seit dem Start vor drei Monaten haben rund 3.000 Menschen teilgenommen, vor allem aus Altbayern, meist zwischen 40 und 60 Jahren. Gesammelt wurden Antworten zu 38 Themenfeldern mit insgesamt rund 800 Fragen, etwa zu Wortschatz, Redewendungen oder zur Wahrnehmung von Dialekt im Alltag. Die Forscher betonen, dass Hochdeutsch zwar immer stärkeren Einfluss habe, ein Untergang der Dialekte aber nicht zu beobachten sei. Erste Rückmeldungen zeigen, dass viele regionale Sprachformen lebendig geblieben sind, auch wenn diese Ergebnisse nicht repräsentativ seien. (heise.de)
Schüler feiern ihr Sprachdiplom
Im fränkischen Landkreis Forchheim haben 31 Jugendliche aus Deutschklassen an vier Mittelschulen das Deutsche Sprachdiplom (DSD) I erworben. Die Prüfung testet Lese- und Hörverstehen sowie schriftliche und mündliche Kommunikation und gilt als international anerkanntes Zertifikat. Elf Schüler erreichten dabei die Niveaustufe B1, 13 die Stufe A2, sieben wurden für ihre Teilnahme ausgezeichnet. Die stellvertretende Landrätin Rosi Kraus betonte bei der Festveranstaltung, dass der Erwerb solider Sprachkenntnisse für Integration, Bildung und Beruf entscheidend sei. (infranken.de)
Kirche fordert frühzeitige Förderung
Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) weist zum Start des Kita-Jahres auf den steigenden Sprachförderbedarf in Kindertagesstätten hin. Laut Carsten Schlepper, Leiter des Landesverbands Evangelischer Tageseinrichtungen, wachse eine zunehmende Zahl von Kindern in sprachlich wenig anregenden Umgebungen auf. Folgen seien deutliche Defizite, die einen Sprachförderbedarf voraussetzen.
Bundesweit betreffe dies rund 8,6 Prozent der Kinder, in Bremen je nach Stadtteil stark schwankend. In Gröpelingen können rund 74 Prozent der Kinder nicht ausreichend Deutsch sprechen, in Schwachhausen seien es unter 10 Prozent. Die Zahlen stammen aus einer Studie der Kaufmännischen Krankenkasse aus dem Jahr 2023.
Mit dem Projekt „Sprach-Kita 2.0“ gebe es in Bremen zwar Förderstrukturen, diese seien jedoch unzureichend finanziert und über 2026 hinaus unsicher. Schlepper fordert eine verlässliche Grundfinanzierung und qualifizierte Sprachförderung ab dem ersten Kita-Jahr. Diese kann durch gemeinsames Erzählen, Singen und Reimen abgedeckt werden. Ziel sei es, dass alle Kinder mit guten Deutschkenntnissen in die Schule starten können. (weserreport.de)
5. Berichte
Sprache trifft Kunst in Gera
Ein Mitgliedertreffen der etwas anderen Art fand zuletzt in Gera statt. Unser Vereinsmitglied Peter Carqueville hat zu einer Führung durch seine private Skulpturensammlung eingeladen. Das Motto: „Apollo, Moses und die Tyrannen des 20. Jahrhunderts“. In den sozialen Medien teilen wir die vielen tollen Eindrücke. (x.com/vds, facebook.com/vds, instagram.com/vds, tiktok.com/vds)
6. Denglisch
TikTok-Sprache schafft es ins Wörterbuch
Das Cambridge Dictionary, herausgegeben vom Universitätsverlag der Universität von Cambridge in England, hat in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 6.000 neue Wörter aufgenommen. In der Netzausgabe des Wörterbuchs stammen viele neue Begriffe auch aus der Netzkultur. Unter den Neuzugängen sind Wörter wie „tradwife“, das ein traditionelles Frauen- und Familienbild in sozialen Medien beschreibt, gebildet aus „traditional“ (traditionell) und „wife“ (Ehefrau), oder „delulu“, abgeleitet von „delusional“ (wahnhaft). In Deutschland arbeite der Duden ähnlich, gehe jedoch strenger vor. Neue Wörter müssen sich über Jahre hinweg in unterschiedlichen Textsorten etablieren, nicht nur in sozialen Netzwerken. Erst dann entscheide die Redaktion über eine Aufnahme. Colin McIntosh, der in der Redaktion des Cambridge Dictionary arbeitet, erklärt, dass die Internetkultur die englische Sprache verändere und diese Auswirkungen im Wörterbuch festgehalten werden. Allerdings werden nur Wörter hinzugefügt, die vermutlich auch langfristig im Sprachgebrauch bleiben. (dw.com)
7. Soziale Medien
Wer im Glashaus sitzt…
Auf X (vormals Twitter) teilt der Nutzer @littlewisehen das Bildschirmfoto einer Konversation, die auf der gleichen Plattform stattgefunden hat. Dort beschwerte sich ein Nutzer: „Es ist so unattraktiv, wenn jemand nicht das/dass unterscheiden kann. Seit ihr nie zur Schule gegangen oder was?“ Den offensichtlichen Fehler von „seit“ zu „seid“ korrigierte der Nutzer Damian direkt darunter. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. (x.com)