1. Presseschau
Nicht „bonjour“, sondern „goedendag“
In der deutschsprachigen Presse wird aktuell über einen Sprach-Fauxpas berichtet, der sich im Dezember vergangenen Jahres in Belgien zugetragen hat. Der Zugbegleiter Ilyass Alba hatte im flämischen Teil des Landes die Fahrgäste mit „Bonjour!“ begrüßt. Korrekt wäre „Goedendag!“ gewesen. In belgischen Zügen ist die Ansprache streng geregelt: Welche Sprache benutzt werden darf, ist davon abhängig, in welcher Region sich der Zug gerade befindet, aber auch, welche Muttersprache der Zugbegleiter hat. In der Hauptstadt Brüssel ist es dann noch einmal komplizierter, hier wechseln sich die Sprachen jährlich ab. Einem Fahrgast stieß der „falsche“ Gruß so sehr auf, dass er Beschwerde einreichte – er fühlte sich diskriminiert. Die belgische „Ständige Kommission für Sprachkontrolle“ hat dem betroffenen Zugbegleiter jetzt, sechs Monate nach dem Vorfall, einen Ordnungsruf erteilt. (focus.de)
Das Aus für die Mohrenstraße
Die Berliner Mohrenstraße darf nach jahrelangen Debatten und juristischen Auseinandersetzungen diesen Namen nicht mehr tragen. Ab dem 23. August wird sie in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt. Die „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“, welche diese Namensänderung maßgeblich vorangetrieben hat, feiert diesen Erfolg, denn der Begriff „Mohr“ gelte als problematisch und rassistisch, erklären die Leiter der Initiative. Der neue Straßenname geht auf den afrikanischstämmigen Gelehrten Anton Wilhelm Amo zurück, der im 18. Jahrhundert in Berlin wirkte. Im Zuge der Umbenennung müssen die Anwohner amtliche Dokumente wie Personalausweis oder Fahrzeugbrief umschreiben lassen, auch der gleichnamige U-Bahnhof erhält den neuen Namen. (rbb24.de)
2. Gendersprache
Keine Sonderzeichen an Sachsens Schulen
Der neue sächsische Kultusminister Conrad Clemens (CDU) bleibt beim „Nein“ zur Gendersprache, auch künftig bleiben an den sächsischen Schulen Gender-Schreibweisen mit Sonderzeichen verboten. Clemens hat eine entsprechende Vorschrift zur Rechtschreibung unterzeichnet, sie tritt zum 1. August in Kraft. „Damit gelten auch künftig an allen öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen die Vorgaben des amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung“, so das Kultusministerium.
Geschlechtsbezogene Paarformen wie „Schülerinnen und Schüler“, geschlechtsneutrale Formulierungen oder Passivformen sind erlaubt. Verstöße gegen die amtliche Rechtschreibung in schriftlichen Arbeiten werden laut Ministerium als Fehler markiert und bei der Bewertung berücksichtigt. „Gute Bildung braucht eine klare Sprache“, betont Clemens. (saechsische.de (Bezahlschranke))
Gender-Sieg in Österreich
In Österreich gibt es mit der „Volksanwaltschaft“ ein Instrument zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung. Sie besteht aus drei Mitgliedern, die als parlamentarischer Ombudsrat agieren, und steht allen Menschen kostenlos zur Verfügung, die sich durch Organe der Verwaltung ungerecht behandelt fühlen und bereits alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben. Diese Volksanwaltschaft hat jetzt einen durchaus großen Sieg in Sachen Gendersprache errungen. Eine Studentin der Privaten Pädagogischen Hochschule (PPH) Burgenland wurde schlechter benotet, weil sie bei einer schriftlichen Arbeit nicht „geschlechtersensibel“ formuliert hatte. Die Studentin wandte sich an die Volksanwaltschaft und argumentierte, dass das generische Maskulinum an sich nicht geschlechterdiskriminierend sei.
Eine Anfrage der Volksanwaltschaft an den Wissenschaftsminister ergab, dass man dort grundsätzlich eine „geschlechtergerechte Sprache“ im Sinne einer Gleichstellung unterstütze und der Uni die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache vorgegeben habe. Erlaubt seien zum Beispiel die Paarschreibweise, geschlechtsneutrale Formulierungen oder die Schrägstrichvariante. Die Volksanwaltschaft kritisierte die Aussage der Uni, dass es sogar „rechtens bzw. sogar geboten (sei), spätestens ab dem 5. Semester bei jeder schriftlichen Prüfung bei Fehlen der ‚geschlechtergerechten Sprache‘ eine negative Beurteilung zu erteilen“. Das hätte bedeutet, dass das Recht jedes Bürgers eingeschränkt wäre, sich im Verkehr mit Behörden „der deutschen Amtssprache in allen sprachlich korrekten Formen (z.B. auch des generischen Maskulinums) zu bedienen“, heißt es in der entsprechenden Stellungnahme: „Die Volksanwaltschaft schloss sich auch nicht der Ansicht an, dass eine sprachliche Gleichstellung in jedem einzelnen Satz beachtet werden muss. Dies würde ja eine vollkommen veraltete Pädagogik des ‚Einbläuens‘ bedeuten, die auch durch ständige, eindringliche Wiederholung eine Gesinnungsänderung erreichen wollte“, so Volksanwalt Dr. Christoph Luisser.
Das Wissenschaftsministerium räumte schließlich ein, dass die negativen Konsequenzen beim Nichtgendern nicht mehr unterstützt würden, die Uni hat daraufhin ihren Hinweis dazu von der Internetseite entfernt. (volksanwaltschaft.gv.at)
Gendern in Kindernachrichten
Die Kindernachrichtensendung Logo des ZDF erklärt Kindern in einem Beitrag, was Gendern ist und wie es funktioniert. Gendern mit einer Pause (Astronaut_Pause_innen) solle dabei helfen, dass sich Mädchen und Frauen mehr zutrauen und erkennen, dass auch sie diesen Beruf ergreifen können. Gegner des Genderns, so Logo, würden sagen, dass das Gendern beim Sprechen störe und allen klar sein sollte, das mit „Astronauten“ jeder gemeint ist.
Zwar ist der Logo-Beitrag einigermaßen ausgewogen und greift lediglich Argumente beider Seiten auf, was jedoch fehlt ist eine Einordnung vor dem Hintergrund der Sprachregeln. Dass Gendern mit Sonderzeichen vom Rat für deutsche Rechtschreibung abgelehnt wird, wird mit keinem Wort erwähnt. Ebenso fehlt die Information, dass Gendern eine private und freiwillige Sache ist und von niemandem verlangt werden darf. (logo.de)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
doppeltgemoppelt
Ein hübsches Wort unserer Umgangssprache. Der Duden nennt als Bedeutung ‚unnötigerweise zweifach ausgedrückt‘, eine ‚scherzhafte Bildung zur Bezeichnung der überflüssigen Verdoppelung‘. Dabei ist der erste Teil (doppelt) verständlich, der zweite (gemoppelt) hat keinen eigenen Sinn. Er entsteht durch eine morphologische Reduplikation von doppeln, mit Variation des anlautenden Konsonanten d zu m. Das Prinzip begegnet häufiger bei Ersatz des Stammvokals i durch a, zum Beispiel in Krimskrams, Tingeltangel, Hickhack. Solche Verdoppelung verstärkt den Sinn des ersten Gliedes. Doppeltgemoppelt heißt ‚überflüssigerweise mehrfach getan‘.
Das lässt mich ans Gendern denken, an die unzähligen Bürger und Bürgerinnen, Politiker und Politikerinnen, Ärzte und Ärztinnen, an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen usw. Jede Berufsbezeichnung lässt sich so doppeln, nur um zu sagen: es können Männer und Frauen sein, Jungs oder Mädel. Es ist das Prinzip ‚Gendern ohne zu gendern‘. Es ist Gendern, weil durch die Doppelung das Generische Maskulinum, also Bürger, Politiker, Mitarbeiter umgangen wird. Es ist andererseits kein klassisches Gendern, weil auf den Genderstern oder ähnliches verzichtet wird. Solche Doppelungen sind systemgerecht. Sie tauchen schon in Texten unserer Klassiker auf. Hitler hat sich ihrer ausdrücklich bedient. Also nichts Neues. Neu ist der selbstauferlegte Zwang immer zu doppeln. Das fängt an zu nerven. Es ist eben doppeltgemoppelt, denn das Gemeinte ist mit einem Wort, mit Bürger, Mitarbeiter, Politiker usw. ja hinlänglich gesagt. Warum unterwerfen sich Journalisten, Politiker, Werbeagenturen freiwillig dieser überflüssigen Verpflichtung? Ein soziales Muss? Um dem Gender-Zeitgeist unbedingt zu folgen. Ein Glück, dass es solches Doppeltmoppeln im normalen Gespräch, in den meisten Zeitungen, in Rechtstexten und in der Schönen Literatur nicht gibt. Und ich vermute, dass auch Eltern so nie mit ihren Kindern sprechen. Das lässt doch für die Zukunft des Deutschen hoffen.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Spende für die Sprachförderung
Die Bürgerstiftung Bad Honnef spendete 10.000 Euro für Kinder in der Offenen Ganztagsschule (OGS). Die Mittel wurden genutzt, um den Mitarbeitern gezielte OGS-Fortbildungen zu ermöglichen, die sich mit der Sprachförderung der Kinder auseinandersetzen. Zudem wurden durch die Mittel Bilderbücher, Sprachspiele und Geräte zur nonverbalen Kommunikation angeschafft. Hille Staß, pädagogische Leitung der Stadtjugendring gGmbH, erklärt, dass Kinder mit geringen Deutschkenntnissen oder Sprachauffälligkeiten von diesen neuen Maßnahmen profitierten. Man sehe bereits erste Erfolge, da sich der Wortschatz der Kinder durch die neuen Methoden und Materialien deutlich erweitert habe. Die Sprachförderung erfolge nicht nur in gesonderten Unterrichtsstunden, sondern werde vom Personal auch in den Alltag der Kinder integriert. (honnef-heute.de)
5. Berichte
Kino im Sprachhof: Die Vermessung der Welt
Auf dem Sprachhof (Hohes Feld 6 in Kamen-Wasserkurl) gibt es am 8. August 2025 ein neues Veranstaltungsformat: „Kino im Sprachhof“. Gezeigt wird der Film „Die Vermessung der Welt“ (2012, Regie: Detlev Buck). Darin entdecken die Wissenschaftler Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß die Besonderheiten der Welt. Für beide stellt sich die Frage: Wie benennen wir eigentlich das, was wir dort erstmalig sehen? Der Film basiert auf dem Roman von Daniel Kehlmann aus dem Jahr 2005 und erkundet, wie sich Erkenntnis in Sprache und Begriffe fassen lässt.
Die Vorführung findet im Freien statt (bei schlechtem Wetter drinnen). Sie ist öffentlich und der Eintritt ist frei, Getränke kann man kaufen (dürfen aber auch mitgebracht werden).
6. Denglisch
Interkommunikation bei Eurosport: Ein Schritt in die richtige Richtung
Die Interviews von einem der größten Sportereignisse der Welt, der Tour de France, wenn auch nicht die eigentliche Berichterstattung vom Rennverlauf, waren bisher einseitig englischlastig. Ob Etappensieger, sportlicher Leiter einer Profimannschaft, Träger des gelben, grünen, weißen oder gepunkteten Trikots, alle mussten sich in englischer Sprache mehr oder weniger „beholfen“ erklären. Die Franzosen haben allerdings schon immer mal wieder gegen den Stachel gelöckt und sich in ihrer Muttersprache geäußert. In diesem Jahr ist auch bei den anderen Nationalitäten offensichtlich ein neuer Geist eingezogen. Auch auf Englisch gestellte Fragen von Sportjournalisten antworten die Vertreter von „Red Bull – Bora Hans Grohe“, der einzigen Mannschaft mit einer deutschen Profilizenz, konsequent in deutscher Sprache. Ob die sensationelle deutsche Entdeckung Florian Lipowitz oder die sportlichen Leiter Aldag, Eiselt oder Denk, alle tun es. Man bezeichnet dieses System linguistisch etwas verschwommen als Interkommunikation. Jeder äußert sich in der Sprache, die er am besten beherrscht, versteht aber die auf Englisch gestellten Fragen. Ein großartiger Kompromiss, der auch in vielen anderen Lebensbereichen helfen dürfte!
Gastbeitrag von Kurt Gawlitta: VDS-Mitglied, Autor, Eurosportzuschauer und ehemaliger Radamateur
7. Soziale Medien
Neffinnen
Beim ORF war in einem Beitrag von „Neffinnen und Neffen“ zu hören. Offenbar war den Redakteuren der Begriff „Nichten“ nicht geläufig. (x.com/missdelein2)
Verstorbene Drogenkonsumierende
Der 21. Juli ist der Tag, an dem man der Drogentoten gedenkt. Es sei denn, man ist der offizielle Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesrepublik, dann gedenkt man der „verstorbenen Drogenkonsumierenden“. (x.com/bdb_offiziell)
Promi zu Dialekten
Matthias Steiner, Olympiasieger im Gewichtheben, hat neben dem Sport noch eine weitere Leidenschaft: die deutsche Sprache. Für unsere Reihe mit Zitaten von Prominenten hat er seine Liebe zu Dialekten offenbart. Die Postkarte mit seinem Zitat und weitere Postkarten – zum Beispiel von Iris Berben, Ralf König und Rolf Zuckowski – können bei der Geschäftsstelle angefordert werden. (instagram.com/vds, facebook.com/vds)
8. Buchwelt
Wuppertaler Auslese
Der Wuppertaler Autor Ulrich Pistor hat seinen Debütroman „Bekenntnisse aus Eberling“ 2025 im IFB Verlag Deutsche Sprache veröffentlicht. Pistor darf das Buch im Podcast „Wuppertaler Auslese“ der Westdeutschen Zeitung vorstellen. In seiner Geschichte verschlägt es den Protagonisten Ludwig Makarius Heterlin in den 1930er Jahren von Norddeutschland ins fränkische Eberling, wo er auf den Rabbi Kurt trifft, der sein Leben nachhaltig verändern wird. (wz.de, wuppertaler-auslese.blogs.audiorella.com)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel