Infobrief vom 28. Februar 2025: Sächsisch gestern und heute

1. Presseschau

Sächsisch gestern und heute

„Der Sozialismus wird siegen“, hörte man Walter Ulbricht häufiger sagen. Wegen seiner sächsischen Aussprache wurde daraus „Der Sozialismus wird siechen“ und sorgte für Spott. Sächsisch hatte in der DDR den Charakter einer „Oberschichtsprache“, erklärt der Leipziger Germanist Beat Siebenhaar im MDR. Der Dialekt sei aber nicht „Prestigevarietät“ geworden, weil die Distanz der politischen Elite zur Bevölkerung zu groß gewesen sei. Wobei es das eine Sächsisch streng genommen gar nicht mehr gibt, sondern Sprachräume des Meißnischen und des Osterländischen rund um Leipzig sowie des Vogtländischen, des Erzgebirgischen und des Lausitzischen. Kennzeichnend für diese Dialekte sind eine Entrundung der Vokale und eine weichere und unbehauchte Aussprache der Konsonanten, z. B. „Diede“ statt hochdeutsch „Tüte“. Goethes Eltern schickten ihren Sohn nach Leipzig zum Studieren, auch weil dort seinerzeit das beste Deutsch gesprochen wurde. Denn Martin Luther hatte sich bekanntlich bei seiner Bibelübersetzung am mitteldeutschen Raum der meißnischen Kanzleisprache orientiert. Der Dialektologe Peter Porsch hält das Sächsische in dem Beitrag für unterbewertet: „Das Sächsische ist Hoch- oder besser Standarddeutsch, komisch ausgesprochen. Aber jeder versteht die Sachsen und sagt: Wie reden die denn?“. (mdr.de)


Mehrsprachigkeit fördert Impulskontrolle

Eine US-amerikanische Studie belegt, dass Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, bessere exekutive Funktionen vorweisen, als Kinder, die nur mit einer Sprache aufwachsen. Insbesondere Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) profitieren hierbei von der Mehrsprachigkeit. Die Forscher der Universität Miami testeten 116 Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren, 53 davon wiesen eine Autismus-Spektrum-Störung auf. Von den 53 ASS-Kindern waren 21 mehrsprachig. Neben der Hauptsprache Englisch waren in der Studie die Zweitsprachen Spanisch, Portugiesisch, Hebräisch, Französisch, Japanisch und Bulgarisch vertreten. Eltern mussten zusätzlich einen Fragebogen über ihre Kinder ausfüllen, die Kinder selbst wurden im Bereich der exekutiven Funktionen getestet. Exekutive Funktionen bezeichnen in der Hirnforschung die geistigen Fähigkeiten, mit denen Menschen ihr eigenes Verhalten, die Aufmerksamkeit und ihre Gefühle steuern. Es stellte sich heraus, dass alle mehrsprachigen Kinder bessere exekutive Funktionen als die einsprachigen Kinder aufwiesen. Insbesondere die mehrsprachigen Kinder mit ASS zeigten eine bessere Impulskontrolle als die einsprachigen ASS-Kinder. Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, müssen soziale Signale verstehen, um zu entscheiden, welche Sprache sie sprechen möchten, erklärt die Professorin Lucina Uddin. Ebenfalls müsse man bei der Mehrsprachigkeit eine Sprache stets unterdrücken. Diese Hemmung bilde einen großen Teil der exekutiven Funktionen und sei ebenfalls Teil der Impulskontrolle. Die Forscher schlussfolgerten anhand der Studienergebnisse, dass insbesondere Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen eine Förderung der Mehrsprachigkeit zugutekommen könne. (fr.de)


Diktierfunktion verunglimpft US-Präsidenten

In den Sozialen Medien verbreiteten sich in der vergangenen Woche Videos, in denen zu sehen ist, dass iPhone-Nutzer in den USA einen erstaunlichen Fehler in der Diktierfunktion der Apple-Geräte vorfanden. Sobald die Nutzer das Wort „racist“ (Rassist) in die Sprachaufnahmefunktion des iPhones einsprachen, schrieb die Diktiersoftware zunächst „Trump“ aus. Das System korrigierte in diesen Fällen jedoch den Fehler wieder von selbst. US-Medien verifizierten die Videos, allerdings wurde deutlich gesagt, dass der Fehler nur bei einigen Geräten auftauche. Gegenüber der New York Times wurde der Fehler auch von Sprechern der Firma Apple eingeräumt. Das Unternehmen arbeite bereits an der Fehlerbehebung, jedoch habe die Diktierfunktion auch andere Wörter mit dem Konsonanten „r“ als „Trump“ wiedergegeben. Auch der Spiegel testete die Diktierfunktion bei deutschen Geräten. Dort trat der Fehler allerdings nicht auf. (spiegel.de)


Albanisch retten

Das Institut für Linguistik und Literatur der albanischen Akademie für Wissenschaften erinnerte anlässlich des Internationalen Tags der Muttersprache in der vergangenen Woche an die Bedeutung der albanischen Sprache für die nationale Identität und Kultur. Das Institut gedachte der Personen, die für das Albanische gekämpft haben, insbesondere der bekannten Persönlichkeiten der Renaissance, welche die Sprache und Schreibweise vereinheitlichten. Der albanische Präsident Bajram Begaj betonte, dass die Sprache durch die Globalisierung vor großen Herausforderungen stehe. Die Sprache sei vor Assimilation zu schützen und insbesondere die Menschen in der Diaspora sollten die Sprache weiterhin sprechen, um die nationale Identität und kulturelle Vielfalt zu bewahren. (koha.net)


Ruppige Sprachentwicklung

Zum Internationalen Tag der Muttersprachen berichtet Hans Kratzer in der Süddeutschen Zeitung über seinen Besuch einer Klima-Demonstration im Landkreis Landshut. Als eine Klimaschützerin der Gruppe „Grannies for Future“ am Mikrofon spricht, kommentierte dies ein Zaungast mit „Jetzt schnabeln sogar de oidn Weiber auf Englisch!“ – was Kratzer wiederum zu der Feststellung bringt, dass Klimaschützer ihr Anliegen aus Elitarismus oder aus Gedankenlosigkeit lieber in Fremdwörter kleiden, als es in einem allgemein verständlichen Deutsch zu vermitteln. Die Fortentwicklung der deutschen Sprache sei selten „so ruppig“ geschehen, wie in der Gegenwart, so Kratzer. Besonders geht es Kratzer am Tag der Muttersprachen aber um das Bairische. Ein Problem sei, dass der Dialekt häufig auf „Gaudi, Seppltum und Tralala“ reduziert werde und bei seiner Verwendung die Ernsthaftigkeit fehle. (sueddeutsche.de (Bezahlschranke))


2. Gendersprache

Anfeindungen gegen Rostocker Lokalpolitiker

Der Rostocker Gastronom und Lokalpolitiker Andreas Szabó gilt als Förderer der queeren Szene in der Stadt. Er war sogar vier Jahre lang Vorsitzender des CSD-Vereins, der den Christopher Street Day in Rostock ausrichtet. Nun ist Szabó bei seinem Verein in Ungnade gefallen. An die Tür seines Restaurants wurde das Wort „Verräter:innen“ geschmiert. Grund: Bei einer Abstimmung in der Rostocker Bürgerschaft hatte er nicht für Gendersternchen und -doppelpunkt in der behördlichen Kommunikation gestimmt, sondern sich enthalten. Ergebnis der Abstimmung war schließlich, dass die Stadt Rostock nach außen ohne Genderzeichen kommunizieren soll. Das Verhalten des CSD-Vereins gegenüber Szabó „ist an Verlogenheit nicht mehr zu überbieten“, kommentiert der Chefreporter der Ostseezeitung,Andreas Meyer. „Diejenigen, die stets Toleranz fordern, erweisen sich als absolut intolerant“, so Meyer. Für den CSD-Verein rechtfertigt sich Vereinssprecher Franko Wegner: „Dass sich Andy Szabó bei dieser Abstimmung enthält, zeigt uns, dass wir nicht die gleichen Vorstellungen davon haben, wie Solidarität für die queere Community aussieht“. (ostsee-zeitung.de (Bezahlschranke))

Ein unbestreitbarer Beschluss

Im mecklenburg-vorpommerischen Greifswald entschieden die Mitglieder der Bürgerschaft mit 20 zu 19 Stimmen, dass die Stadtverwaltung in offiziellen Briefen und Anschreiben künftig auf Gendersonderzeichen verzichtet. Bereits im September letzten Jahres fand der Beschluss eine konservative Mehrheit, den der Oberbürgermeister Stefan Fassbinder jedoch beanstandete und außer Kraft setzte. Die Rechtsaufsichtsbehörde prüfte den Fall und kam nun zu dem Schluss, dass der Beschluss nicht rechtswidrig sei, da die Gendersonderzeichen nur in der Außendarstellung und nicht im internen Austausch verboten werden. In dem Beschluss heißt es, dass keinem Mitarbeiter der Stadtverwaltung vorgeschrieben werden solle, wie er zu sprechen habe. Im Schriftverkehr mit Dritten habe man sich aber an die amtliche Rechtschreibung zu halten. (ndr.de)


3. Kultur

Eschenburg feiert Dialekte

Die Gemeinde Eschenburg in Mittelhessen feiert auch in disem Jahr wieder ein Mundart-Festival. Laut Veranstalter wird Eschenburg am 1. Mai zum „Treffpunkt für Dialektliebhaber, Musikfreunde und Kulturbegeisterte“. Bei einem vielfältigen Programm mit Musik, Vorträgen und interaktiven Sprachwerkstätten könne man die regionale Sprachvielfalt entdecken und feiern. Das Festival leiste zudem einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der regionalen Sprachkultur, freut sich Corinna Bonnekamp, Veranstalterin des Festes. Bereits zwei Mal haben die Gemeinde Eschenburg und der Dialekt-Dachverband „MundART“ ein solches Festival ausgerichtet. (mittelhessen.de)


4. Berichte

Mitgliedertreffen in Karlsruhe

Die Mitglieder der Region 76 unter der Leitung von Carola Blume-Kullmann trafen sich im Hotel Leonardo in Karlsruhe. Auf dem Programm stand eine Lesung aus dem Buch „Seid ihr noch ganz bei Trost!“ von Peter Hahne mit anschließender Diskussion. „Wir teilen Hahnes Kritik an Anglizismen und Genderzeichen, zumal wir selbst auf der Schornsteinfeger-Rechnung neuerdings lesen ‚We kehr a lot‘. Außerdem sprach der Mundartautor Rainer Iben über einige Feinheiten des badischen Dialektes.


5. Denglisch

Nicht übersetzbar

Der Münchner Merkur kapituliert vor dem Denglischen. Deutsche Entsprechungen für englische Wörter scheinen mehr und mehr zu verschwinden. „Die digitale Welt, von englischen Begriffen dominiert, modifiziert auch den Sprachgebrauch vor allem der jüngeren Generationen“, so der Verfasser des Beitrags mit dem Kürzel „phi“. Als Beispiele werden u. a. genannt: Flatrate (Pauschalpreis), Bullshit (Schwachsinn), Worldbuilding (Weltenbau), Screenshot (Bildschirmfoto) oder Shitstorm (Empörungswelle). Darüber ließe sich trefflich streiten. (merkur.de)


6. Soziale Medien

Lustig Österreichisch

Auf X (vormals Twitter) zeigen sich Nutzer verdutzt über einen Beitrag von Nutzer Fabian Pimminger. Dieser lamentierte bei seinem letzten Einkauf im Supermarkt, dass „die Weckerl aus der Backbox ohne Sackerl aufs Kassa-Förderband gelegt“ wurden. Der Österreicher meinte die Brötchen, welche ohne einen Beutel auf das Kassenband gelegt wurden. Deutsche Nutzer waren amüsiert von der Wortwahl, so auch Nutzerin Rachel. „Je länger ich diesen Tweet anschaue desto schlimmer wird es. Weckerl ok. Was für Backbox, wie kommt man auf Sackerl, was soll ein Kassa-Förderband sein?“ Der ursprüngliche Beitrag hat fast 400.000 Aufrufe und sorgt bei vielen deutschsprachigen Nutzern für Lacher. (x.com/frosch161)


Passendes zum Tag der Muttersprache

Auch wir haben in der vergangenen Woche in den Sozialen Medien den Tag der Muttersprache zelebriert. Auf Facebook und Instagram gab es hierfür von uns ein passendes Zitat von Jean-Paul Belmondo: „Auch ein Mensch, der zwanzig Sprachen beherrscht, gebraucht seine Muttersprache, wenn er sich in den Finger schneidet.“ (facebook.com/vds)


„Baumliebhabende“

Das SRF verlinkte in den Sozialen Medien einen redaktionellen Beitrag über Auseinandersetzungen zwischen „Baumliebhabern“ und Förstern in Basel. Und obwohl im eigentlichen Artikel von Baumliebhabern und Förstern, also der Form im generischen Maskulinum, gesprochen wird, besteht die Redaktion des SRF auf X (vormals Twitter) auf die gegenderte Überschrift „Baumliebhabende und Försterinnen und Förster“. Auch der VDS konnte sich daraufhin einen Ausdruck der Verwunderung nicht verkneifen: „Baumliebhabende. Merkt ihr selbst, oder?“ (x.com/srfnews, x.com/vds)


Mehr als fragwürdig

Dass die Logik der Genderbefürworter mehr als fraglich ist, beweist ein Beitrag von Nutzerin @MisstheMoon11 auf X (vormals Twitter). Denn sie geht davon aus, dass Menschen, die gegen die Gendersprache sind, auch gleichzeitig Frauen als „minderwertig“ ansehen. Die 74 Antworten auf ihren Beitrag teilen unsere Verwirrung. Nutzer @kontagram schreibt „Gute Besserung“, während Nutzer @aribertdeckers schärfere Worte findet: „Ist das Satire oder eine Psychose?“ (x.com/missthemoon11)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Stephanie Zabel

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