Infobrief vom 9. August 2025: Der fast sprechende Affe

1. Presseschau

Der fast sprechende Affe

Mit „Planet der Affen“ (Originaltitel: La Planète des Singes) hat der französische Schriftsteller Pierre Boulle 1963 eine düstere Zukunftsvision der Menschheit erschaffen. Affen herrschen über die Welt, der Mensch wird gejagt. Eine Besonderheit ist die Sprache: Während die Menschen das Sprechen verlernt haben, beherrschen es die Affen. Forscher der zwei Leipziger Max-Planck-Institute für Kognitions- und Neurowissenschaften und für evolutionäre Anthropologie sowie des Alfred-Wegener-Instituts Bremerhaven haben jetzt herausgefunden, dass auch heute lebende Affen durchaus die Voraussetzungen zum Erlernen von Sprache mitbringen.

Bei MRT-Bildern von 20 Schimpansen, die in afrikanischen Urwäldern eines natürlichen Todes gestorben waren, stellen sie fest, dass diese neuronale Verbindungen haben, die dem des Menschen ähnlich ist. Beim Menschen verknüpft das Nervenfaserbündel „Fasciculus Arcuatus“ zwei Sprachareale miteinander. Die Vermutung der Forscher: Vor 7 Millionen Jahren hat sich diese Verbindung im letzten gemeinsamen Vorfahren von Schimpanse und Mensch gebildet, die Evolution ging dann jedoch getrennte Wege. Beim heutigen Schimpansen ist das Areal deutlich schwächer ausgebildet, deswegen erlaube es möglicherweise nicht die komplexe menschliche Sprache, so die Forscher. (lvz.de (Bezahlschranke))


Halunder retten

Auf Helgoland droht das Helgoländer Friesisch, auch Halunder genannt, auszusterben. Trotz einer Einwohnerzahl von 1.300 Personen, sprechen kaum mehr als 100 meist ältere Menschen den Dialekt noch. Der 22-jährige Helgoländer Jakob Martens will das ändern und entwickelte im Rahmen seiner Bachelorarbeit eine KI-basierte Plattform namens „halunder.ai“. Halunder.ai ist ein Übersetzungsprogramm für die bedrohte Sprache. Martens wolle damit die sprachliche Identität Helgolands bewahren. Er plane sein Projekt noch weiter auszubauen und erhalte hierfür Unterstützung aus Kalifornien, Dänemark und von der UNESCO. (sueddeutsche.de)


Vorlesetag

Am 21. November ist der bundesweite Vorlesetag. Dieses Jahr steht er unter dem Motto „Vorlesen spricht Deine Sprache“. So soll die Mehrsprachigkeit besonders hervorgehoben werden. Vorlesen sei wichtig, und das schon für die Kleinsten. Dennoch werde jedem dritten Kind in Deutschland nicht vorgelesen, so die Initiatoren des Vorlesetages.

Der VDS begeht den Vorlesetag mit einer eigenen Aktion. Gemeinsam mit dem Lernserver-Institut wird es einen zweitägigen Kongress am VDS-Sprachhof in Kamen geben. Dabei soll es um die Frage gehen, warum das Vorlesen für die individuelle Sprachbildung wichtig ist und wie verschiedene Bildungs-Akteure es als Einstieg in die frühe Spracherziehung fördern können.

Vorlesen wird dabei als Einstieg in die frühe Spracherziehung und als mögliche Brücke zu den zentralen Elementen der Sprachkultur wie Lesen, Schreiben mit der Hand und Rechtschreibung in den Blick genommen.

Akteure unterschiedlicher Tätigkeitsfelder wie dem Vor- und dem Grundschulbereich, der Lese- und Schreibdidaktik sowie Lehrerinnen und Lehrer auch aus weiterführenden Schulformen, Eltern, Lesefreunde und Lesepaten, die sich in der Förderung des Schriftspracherwerbs engagieren wollen, aber auch Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft sind eingeladen, sich mit uns über die Bedeutung des Lesens und des Schreibens für lebendige Sprach- und Schriftkultur in einer sich zunehmend verändernden Gesellschaft auszutauschen.

Welche Rolle spielt das Vorlesen im vielschichtigen Prozess des Schriftspracherwerbs? Was kann damit geleistet werden und was nicht?
Welche Erwartungen haben Gesellschaft und Wirtschaft an die frühkindliche und die jugendliche Sprachbildung, welche Rolle spielt die (verbundene) Handschrift auch in zunehmend technologie-orientierten Zeiten, und welche Bedeutung haben Lesen- und Schreibenlernen für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen und das Finden der eigenen Rolle in einer digital geprägten Welt?

Nicht zuletzt: Welche Fähigkeiten und Einsichten brauchen diejenigen, die sie dabei anleiten und begleiten?

Darauf wollen wir Antworten finden. Mit von der Partie sind bisher u. a. Professor Dr. Friedrich Schönweiss vom Lernserver-Bildungsprojekt und Maria-Anna Schulze Brüning, Handschriftexpertin und Mitautorin des Buches „Wer nicht schreibt, bleibt dumm – warum unsere Kinder ohne Handschrift das Denken verlernen“.

Wenn Sie Interesse haben, sich zu beteiligen, eigene Beiträge einzubringen oder einfach nur mitzumachen oder zuzuhören, melden Sie sich bei uns – Kontaktaufnahme und weitere Informationen zu Inhalt, Ablauf und Programm folgen dann nach den Sommerferien an Ihre E-Mail-Adresse.

Weitere Informationen und Anmeldung hier: vds-ev.de. (boersenblatt.net)


2. Gendersprache

Keine Genderzeichen im Kanzleramt

Kultur-Staatsminister Wolfram Weimer hat dem Gendern mit Sonderzeichen im Kanzleramt einen Riegel vorgeschoben. Der Bild am Sonntag bestätigte er seine Anordnung: „Beim Beauftragten für Kultur und Medien im Kanzleramt gelten die Regeln der deutschen Sprache. Im Kanzleramt wird in Briefen, E-Mails und Vermerken nicht gegendert. Statt Formulierungen mit Sternchen oder Binnen-I zu verwenden, begrüßen wir die Adressaten mit der Anrede „sehr geehrte Damen und Herren“. Damit halte man sich im Kanzleramt auch an die Vorgaben des Rats für deutsche Rechtschreibung.“ Gendern spiegle nicht wider, wie die Mehrheit im Land spreche, vielmehr trage es zu einer Spaltung der Gesellschaft bei, so Weimer. Privat dürfe jeder so sprechen, wie er wolle, in seiner Behörde gelte aber die amtliche Rechtschreibung. (faz.net (Bezahlschranke), n-tv.de, bild.de)

3. Sprachspiele: Neues aus dem Wort-Bistro

Warum sagt man „dasselbe in Grün“?

Es ist schon wieder passiert. Schon wieder hing dieses kleine Kärtchen an meinem Auto: „Möchten Sie Ihren Wagen verkaufen?“. Wie häufig ich das Kärtchen auch entferne, am nächsten Tag klebt ein neues Exemplar an meinem Auto. Mit den Steckzetteln könnte ich mittlerweile meine halbe Wohnung tapezieren. Eigentlich praktisch. So spart man sich eine neue Tapete oder Raufaser. Doch manchmal könnte ich die tapezierten Wände hochgehen, wenn schon wieder ein Autohändler sein Kärtchen an meinem Pkw befestigt. Es ist wie bei einem Spinnennetz, das man fortreißt und einen Tag später wieder dort vorfindet. Ich frage mich ernsthaft, warum ständig jemand mein Auto kaufen will. Wieso möchte niemand meinen Toaster, meinen Wasserkocher oder den Haartrockner? Andererseits möchte ich ja auch nicht, dass ein Einbrecher in meine Wohnung einsteigt und kleine Zettelchen an meine Küchengeräte klebt mit dem Schriftzug „Biete 30 Euro für Ihre Mikrowelle“. Die Zahl der potentiellen Autohändler jedoch ist erschreckend. Sogar bei meinen Besuchen auf Youtube schaut mich ein Prominenter an und fragt: „Du willst wissen, wie viel Dein Auto wert ist?“. Inhaltich ähnelt es den kleinen Kärtchen am Auto. Es ist dasselbe in Grün. Vielleicht sollte ich den Spieß einfach umdrehen und mich selbst als Händler in Szene setzen. Bei der nächsten Urlaubsreise könnte ich ins Flugzeug steigen und zum Kapitän sagen: „Ich biete 40 Millionen für diese Maschine“. In ein fragendes Gesicht könnte ich dann sagen: „Kommen Sie, mehr ist diese Kiste doch nicht wert“. Oder bei der nächsten Bundeswehrübung in unserer Nähe klebe ich Kaufangebote an die Panzer. Aber Sie fragen sich bestimmt, warum ich so intensiv über Fahrzeuge schwadroniere. Es war eine lange, umständliche Rampe zur Redensart „dasselbe in Grün“. Opel fertigte nach dem Ersten Weltkrieg ein Automobil in Serie am Fließband. Es war ein Kleinwagen, den man Laubfrosch nannte, weil man ihn nur in grüner Farbe kaufen konnte. Der Wagen war aber kein Original, sondern die Kopie eines französischen Citroen-Autos aus dem Jahr 1921, das es wiederum nur in gelber Variante gab. Das Opel-Auto war also „dasselbe in Grün“. Dem schließt sich eigentlich nur noch eine Frage an: Dürfen die Grünen Musik von Simply Red hören?

Philipp Kauthe

Radio-Journalist, Buchautor, Podcast „Schlauer auf die Dauer“ (philipp-kauthe.de)


4. Kultur

Nicht nur Genetik

Eine jüngst in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature veröffentlichte genetische Studie zur Ausbreitung uralischer Sprachen, darunter auch Ungarisch, hat in Ungarn für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. In der Studie verknüpfen die Forscher bestimmte genetische Komponenten mit der Ausbreitung dieser Sprachfamilien und behaupten, dass es eine „genetische Spur“ der uralischen Sprachen gibt. Das ungarische Institut für Hungarologie warnt jedoch vor einer zu simplen Verbindung zwischen Genetik und Sprache. Es betont, dass Sprachgeschichte nicht einfach durch Gene erklärt werden könne, sondern ein Ergebnis vielschichtiger historisch-kultureller Prozesse sei. Die Sprachentwicklung folge keinem starren Stammbaum, sondern einem dynamischen Netz von Kontakten und Wechselwirkungen. Gemeinschaftliche Traditionen und kulturelle Weitergabe seien der Grund für Sprachverbreitungen. Für ein fundiertes Verständnis der ungarischen Sprach- und Kulturgeschichte sei daher ein interdisziplinärer Ansatz der Archäologie, Geschichte, Linguistik, Ethnologie und Ethnogenetik unerlässlich. (ungarnheute.hu)


Arbeitskreis Ausländerkinder

Der Arbeitskreis Ausländerkinder (AKAK) aus Gauting unterstützt seit mehr als 50 Jahren Kinder mit Migrationshintergrund. Seit 1972 bietet der Verein den Kindern Lern-, Hausaufgaben- und Integrationshilfe an. Marijana Pinkert, die den Verein seit 2018 leitet, betont, dass die Integration am besten über die Sprache erfolgt und somit vom Verein als entscheidender Teil der Entwicklung gefördert werde. 15 ehrenamtliche Helfer unterstützen momentan 50 Kinder. Ab dem Schuljahr 2025/2026 werde zudem die Betreuung der Fünft- und Sechstklässler der Mittelschule im oberbayerischen Starnberg übernommen. Die Kosten in Höhe von 3.400 Euro trägt der Stadtrat. Pinkert erklärt, dass sich im Laufe der Jahre die eins-zu-eins Betreuung der Kinder besonders bewährt habe. (merkur.de)


5. Berichte

Postkarten-Erinnerung

Na? Wer ist noch in Urlaub? Dann schnell noch zum nächsten Souvenirladen und eine Postkarte holen! Wir sammeln Ihre Postkarten aus dem Urlaub – einfach mal, um das Postkarten-Gefühl aus der Zeit vor dem Smartphone und WhatsApp zurückzuholen. Schreiben Sie uns bis zum 15. September 2025 eine ganz traditionelle Urlaubskarte aus den Ferien. Wer zusätzlich noch seine eigene Adresse draufschreibt, kann was gewinnen. Unter allen Einsendern verlosen wir ein Rundrum-Sorglos-Paket zum Thema Spache.

Verein Deutsche Sprache
Urlaubsgrüße
Hohes Feld 6
59174 Kamen


6. Soziale Medien

Ehemalige Teilnehmende

Dass die Gender-Uhren in Berlin ganz besonders laut ticken, ist ja mittlerweile vermutlich bekannt. Interessant ist aber, dass neben den politischen Einrichtungen wohl auch bei der Polizei gegendert wird, was das Zeug hält: So gab es kürzlich nach einer Demonstration den Aufruf der Polizei, alle „ehemaligen Teilnehmenden“ mögen sich bitte entfernen, die Veranstaltung sei bereits von der „Versammleitenden“ beendet worden. (x.com/polizeiberlin_e)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke

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