1. Presseschau
Die Wurzeln des Berlinerischen
Ausgerechnet ein ausgestorbenes Rittergeschlecht sorgte in und um Berlin dafür, dass sich der Dialekt ausgebildet hat, den wir heute als „Berlinerisch“ wahrnehmen. Die Berliner Zeitung erinnert an die Sprachwissenschaftlerin Agathe Lasch, die als erste Frau eine Professur in Germanistik innehatte und 1942 von den Nazis erschossen wurde, weil sie Jüdin war. Lasch hatte 1928 das Standardwerk zum Thema „Berliner Sprache“ geschrieben. Sie beschrieb, wie ein gesellschaftlicher und politischer Umbruch um 1500 dafür sorgte, dass das bisherige Platt einem ostmitteldeutschen Dialekt wich. Hochsprache wurde die neue Sprache der Bevölkerung – durch alle Schichten hinweg. Die Verschleifung des G zu einem J und das Hinzufügen von Buchstaben hielten Einzug; Begriffe wie „ick“ und „wat“ gehörten zunächst nicht dazu, sie folgten erst später aufgrund der Migrationsbewegung vom Land in die Stadt. Heute nennen Sprachwissenschaftler das Berlinerische einen Metrolekt, also eine Sprachvarianz, die ausschließlich in einer Metropolregion vorkommt und sich aus verschiedenen Dialekten speist. (berliner-zeitung.de)
Prince Charles im Bundestag
Der britische Thronfolger Prince Charles, der Fürst von Wales, hat bei seiner Rede am Volkstrauertag im Bundestag die Verbundenheit Deutschlands mit dem Vereinigten Königreich betont. „Wir werden immer Freunde, Partner und Verbündete sein“, sagte er und plädierte für gegenseitiges Verständnis und Respekt. Die Rede hielt er größtenteils auf Deutsch, welches er nahezu fehlerfrei beherrscht. Das liegt nicht nur daran, dass die Königsfamilie verwandtschaftlich eng mit Deutschland verbunden ist. Charles Großmutter väterlicherseits war eine Prinzessin von Battenberg. Der Name Battenberg wurde 1917 vor dem Hintergrund des 1. Weltkrieges in Mountbatten umbenannt – Mountbatten-Windsor ist bis heute der „Familienname“ der Nachkommen der amtierenden Königin Elisabeth II. (bundestag.de)
Leichte Sprache und indirekte Rede
Zum Thema „Leichte Sprache“ vertrat Melanie Möller in der FAZ (12.11.2020) die Auffassung, dass diese Bewegung die Spaltung der Gesellschaft in Gebildete und Ungebildete nicht etwa verringert oder gar überwindet, sondern im Gegenteil verschärft. Die Idee, Menschen das Begreifen komplexer Sachverhalte durch Vereinfachung der Sprache zu erleichtern, sei das eine. Etwas anderes sei es aber, in allen Bereichen sprachliche Vereinfachungen vorzunehmen – in der irrigen Annahme, dass dadurch die Verständlichkeit für alle besser werde. Das Gesagte verliere dabei vielmehr an Eindeutigkeit und die Differenzen würden nur größer.
In einem Leserbrief (18.11.2020) weist die Berliner Lehrerin Susanne Eisenberg darauf hin, dass es das Ziel sein müsse, möglichst allen die Standardsprache zugänglich zu machen und die Verstehensfähigkeit des einzelnen entsprechend seiner Fähigkeiten zu schulen und weiterzubringen. Nur so könne der notwendige Zusammenhalt in der Gesellschaft gewährleistet werden. Dem ist zuzustimmen. Schon viel zu lange folgen die Ansprüche an das Sprachvermögen in Schulen und Hochschulen dem Prinzip der Vereinfachung und Nivellierung, die angeblich der „Demokratisierung“ der Sprache dienen sollen. Darin ist nicht zuletzt einer der Gründe zu suchen, dass immer öfter die wissenschaftliche Qualität von Doktorarbeiten (nicht nur bekannter Persönlichkeiten) besonders in den Geisteswissenschaften in Frage gestellt wird. Wer in der Schule nicht gelernt hat, die indirekte Rede richtig zu verwenden, merkt oft gar nicht mehr, dass er nur reproduziert, was andere gesagt haben.
Menschen mit Gebärmutter
Statt ein wichtiges und tragisches Thema in seiner Breite objektiv zu beleuchten, macht die TAZ Mädchen, Frauen und Trans-Männer unsichtbar, wenn sie keine Gebärmutter aufweisen. Die Reduzierung auf ein Organ ist misogyn; Frauen, die ohne Gebärmutter zur Welt gekommen sind oder diese bei einer Hysterektomie verloren haben, werden hier nicht nur unsichtbar gemacht – ihnen wird ihr Frau-Sein abgesprochen. Auch Trans-Männer, die im falschen Körper geboren sind, gibt es demnach nicht. Dabei werden sie weltweit verfolgt, ausgegrenzt und sind Gewalt ausgesetzt. Die TAZ leistet sich ein Bild vom Menschen, das mehr Ideologie als Tatsachen enthält. (taz.de)
Sprachsteuerung für Maschinen
„Alexa, spiel was von Robbie Williams!“ – Sprachsteuerung ist längst in viele Wohnzimmer eingezogen. Größere und komplexe Maschinen könnten in Zukunft ebenfalls über eine Sprachsteuerung Arbeiten verrichten. Ein Unternehmen in Würzburg hat dafür einen Prototypen entwickelt. Ziel sei es, eine Software-Lösung anzubieten, die sich für verschiedene maschinelle Steuerungen – ganz gleich aus welchem Produktionsbereich – anwenden lasse. Dazu ist es aber unerlässlich, vorher festgelegte Befehle auszusprechen: So könne „Automatikmodus!“ einen Befehl auslösen, während das ähnliche „Automatikbetrieb!“ die Maschine still bleiben ließe. (elektrotechnik.vogel.de)
Test für Englischversteher
Englisch für die Karriere ist schön, macht aber viel Arbeit. Beinahe ähnliches sagte Karl Valentin –über die Kunst. Maren Hoffmann bietet nun im Spiegel Online ein Quiz für jene, die sich im Geschäftsleben mit Muttersprachlern messen möchten. Bei der Übermittlung von Informationen achte man „vor allem darauf, Missverständnisse und Unklarheiten zu vermeiden“, sagt sie. Also nicht zu glänzen. „Bei Sprachbildern kommt es eher aufs Verstehen an als auf die aktive Anwendung“, meint Sprachwissenschaftlerin Genevieve Sabin. Der Test ist vergnüglich, könnte aber Demut verursachen: (spiegel.de)
2. Unser Deutsch
Danke
Es ist eins der meistgebrauchten Wörter in den Dialogen des Alltags, Ausdruck eines freundlichen Miteinanders. Oft wird es erweitert zu danke sehr, danke schön, danke vielmals, verkürzt aus ich danke. Indem wir danke sagen, erkennen wir an und würdigen, dass uns ein Geschenk gegeben, eine freundliche Handlung erwiesen oder ein Angebot gemacht wurde. Es ist mehr als eine Äußerung, es ist – wie die Linguisten sagen – eine Sprechhandlung. Danke ist eine Erwiderung, mit der wir das Angebotene annehmen, manchmal auch ablehnen. Das Gegenstück ist bitte, ebenfalls eine Verkürzung aus der Wendung ich bitte, und oftmals erweitert zu bitte sehr oder bitte schön.
Es lohnt sich, in der Geschichte des Wortes zu graben und auch die verzweigte Wortfamilie zu Wort kommen zu lassen. Der Ursprung des gemeingermanischen Wortes Dank lässt sich sicher bestimmen: Es ist abgeleitet vom Verb denken, und zwar mit Hilfe des Ablauts (hier von e zu a), im Althochdeutschen thanc und thenken. Ähnliche Verbalsubstantive mit Ablaut sind Gesang (zu singen) und Fuhre (zu fahren). Es sind Reste einer seit langem ausgestorbenen Form der Wortbildung. Deshalb erkennen wir den Zusammenhang heute nicht mehr. Die semantische Nähe zum Verb denken kommt aber in der Ableitung Gedanke noch gut zum Ausdruck. So steckt, zumindest historisch, auch im Wort Dank ein Kern von ‚überlegen‘, von geistiger Zuwendung.
Der Ablaut hat sich besser und systematisiert in den Ablautreihen der starken Verben erhalten, hier dient er der Tempus-Markierung wie in singen – sang – gesungen. Aber auch dies ist bereits im Althochdeutschen nicht mehr produktiv. Längst hat die schwache Konjugation diese Aufgabe übernommen.
Das führt uns zurück zum Verb danken, althochdeutsch thankōn ‚Dank abstatten‘, abgeleitet vom Substantiv Dank und zu der Frage: Wie steht es mit der Kultur des Dankens in unserer Zeit? Wird den Kindern noch beigebracht: Du musst Dich auch bedanken! Ist der Bedanke-mich-Brief für die Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke aus der Mode gekommen? Gerne erinnere ich mich an den schwedischen Brauch tack för senast. Mit diesen Worten bedankte man sich am Tag nach einer Einladung, in einem Anruf oder beim Wiedersehen, für ‚das letzte‘. Ein hübsches Ritual, dem sich der junge Lektor vor Jahren gerne angeschlossen hat. Man gab zu erkennen: Ich denke gerne zurück an diese Einladung und danke dafür. Hier scheint etwas durch aus der etymologischen Verwandtschaft von danken und denken.
Und was hat es mit der Abdankung, dem Abdanken auf sich? Ursprünglich bedeutete es ‚jemandem (beim Abschied) für erwiesene Dienste Dank sagen‘. Schon im 16. Jahrhundert entwickelte sich daraus die heutige Bedeutung ‚jemanden aus dem Dienst entlassen‘. In Lessings ‚Minna von Barnhelm‘ spielt ein abgedankter Offizier eine bedeutende Rolle. Heute ist von Abdankung nur bei gekrönten Häuptern die Rede. Denkwürdig war die erzwungene Abdankung des letzten deutschen Kaisers. Wilhelm II. verzog sich nach dem verlorenen Krieg beleidigt ins niederländische Exil. Seitdem verbindet sich mit Abdankung feudaler Oberhäupter ein Gefühl von Erleichterung. Darauf warten viele Briten schon lange.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e.V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Kultur
Reggaemusiker Gentleman singt erstmalig auf Deutsch
„Die deutsche Sprache fühlte sich beim Singen gar nicht fremd, sondern im Gegenteil absolut vertraut an“ – so beschreibt der Musiker Gentleman sein Erlebnis in der Fernsehsendung „Sing meinen Song“. Dort präsentierte er ein Lied des Sängers Mark Forster als Reggae-Version und war erstaunt darüber, wie wohl er sich mit der deutschen Sprache fühlte. Nun erscheint bald sein erstes Album auf Deutsch. Die Lieder sind persönlicher geworden und teils subtiler in der Ausdrucksweise. „Du musst dich nackig machen, du singst direkt in die Seele rein, jedes Wort wird verstanden“, erzählt der Musiker. Der Gedanke, irgendwann einmal auf Deutsch zu singen, war jedoch schon länger da, „seit 20 Jahren eigentlich“, so Gentleman. Der Auftritt bei „Sing meinen Song“ hat letztlich den Startschuss gegeben. (heckmeck.tv, kurier.at)
Corona-Bescheinigung im Elsass auf Deutsch
Die Elsässische Partei Unser Land hat die Ausgangsbescheinigung, die man coronabedingt seit Ende Oktober in Frankreich braucht, ins Deutsche übersetzt. Damit will sie zeigen, dass Deutsch als Sprache stärker gefördert werden muss. Zweisprachigkeit sollte im Elsass als solche anerkannt und nicht diskriminiert werden, so die Partei. Mit der Übersetzung des Formulars will sie verdeutlichen, dass das Elsass mehr Souveränität von den Zentralorganen in Paris zugebilligt bekommen sollte. Die Sprache ist der Partei wichtig, sie setzt sich auch für die Anerkennung des Deutschen als zweite Amtssprache im Elsass ein. (unserland.org)
4. Berichte
VDS-Mitglied Sabine Mertens über die Gendersprache
Schadet es der deutschen Sprache, wenn wir gendergerechte Formen verwenden? Diese und weitere Fragen wurden in der jüngsten Folge des Podcasts Yvonne & Berner diskutiert. Unter anderem kam dabei auch Sabine Mertens, die Leiterin der VDS-Arbeitsgruppe Gendersprache, zu Wort. Die permanenten Markierungen des Geschlechts in der Sprache seien nicht zielführend, argumentiert sie. Dadurch gehe unter anderem die Möglichkeit verloren, allgemeingültige Aussagen zu machen. Das generische Maskulinum sei allein schon sinnvoll, weil sich durch seine Verwendung Aussagen treffen lassen, die für jeden Menschen gelten. Sabine Mertens bezeichnet sich selbst als „Berater, Therapeut und Autor“. Für sie stellt dies keine männliche Formulierung dar, sondern die unmarkierte und allgemeine Form, die den Fokus auf die Tätigkeit – statt auf das Geschlecht – legt.
Aber wie könne es gerecht sein, wenn immer die männliche Form verwendet werde und Frauen bloß „mitgemeint“ seien, lautet eine weitere Frage im Podcast. Der Terminus „mitgemeint“ sei schon falsch, sagt Sabine Mertens. Es seien nicht irgendwelche Leute „mitgemeint“, sondern es seien einfach alle gemeint – weil das generische Maskulinum eben die allgemeine Form sei, die jeden einbeziehe. Das Problem sei letztlich, dass hier versucht werde, ein Problem zu bekämpfen, welches gar kein Problem sei: Denn die allgemeine Form sei nicht diskriminierend. Stattdessen werde durch das Gendern die Klarheit in der Sprache verwischt. (audionow.de)
5. Denglisch
Denglisch in der SZ
Die Süddeutsche Zeitung hat sich zur Frage „Denglisch oder nicht?“ positioniert. Die leitende Redakteurin Katharine Riehl erklärte, die Redaktion überprüfe, wo ein englischer Begriff sinnvoll sei und wo man eher einen deutschen wähle. Das sei meist abhängig davon, wie sehr ein Begriff bereits in der Alltagssprache geprägt sei – „Lockdown“ gehöre zum Beispiel dazu. Bei anderen Begriffen wie „Fashion Show“ sei das deutsche „Modenschau“ genauso griffig wie das englische Pendant.
Lockdown ist allerdings eine schöngefärbte „Ausgangssperre“, und trifft bisher auf Deutschland in dieser Absolutheit nicht zu. (sueddeutsche.de)
6. Termine
! ABGESAGT ! 25. November, Region 03 (Cottbus)Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus
! ABGESAGT ! 25. November, Region 20/22 (Hamburg)Feierliche Übergabe des „Elbschwanenordens“ 2020 an die Autorin Kirsten Boie (Anmeldung erforderlich)
Zeit: 18:30 Uhr
Ort: Gästehaus der Universität Hamburg, Rothenbaumchaussee 34, 20146 Hamburg
! ABGESAGT ! 26. November, Region 18 (Rostock)Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock
IMPRESSUM
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke