Infobrief vom 23. Oktober 2020: Generisches Maskulinum bei DAX-Unternehmen

1. Presseschau

Generisches Maskulinum bei DAX-Unternehmen

Bild: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Oft entsteht der Eindruck, dass sich immer mehr Institutionen der Gendersprache verschreiben – seien es Universitäten, Zeitungen oder öffentlich-rechtliche Sender. In eine gegenläufige Richtung entwickelt sich die Finanzberichterstattung der DAX-Unternehmen. „Im Vergleich zu den Vorjahren ist tendenziell eine Abkehr von Doppelbenennungen erkennbar“, berichtet PR-Journal-Autor Manfred Piwinger, der die Geschäftsberichte der Unternehmen aus dem Jahr 2019 untersucht hat. Grund für die Verwendung des generischen Maskulinums ist vor allem die bessere Lesbarkeit. So schreibt zum Beispiel die Deutsche Lufthansa in ihrem Geschäftsbericht: „Zur Vereinfachung der Sprache haben wir in unserem Bericht die maskuline Form verwendet.“ Auch im Geschäftsbericht von Covestro wird erwähnt, dass aus Gründen der leichteren Lesbarkeit auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet werde. Dazu jedoch auch der „Hinweis im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes: Gleichberechtigung ist uns wichtig.“ (pr-journal.de)


Welttag des Stotterns

Die Buchstaben wollen nicht so herauskommen, wie sie sollen; oder Wörter werden unnötig mehrfach wiederholt – Stottern kann unterschiedliche Ausprägungen haben. Jedes Jahr am 22. Oktober erinnert der Welttag des Stotterns an dieses Phänomen, das die Forschung noch immer nicht vollständig versteht. Rund fünf Prozent aller Kinder stottern, aber nur bei einem Prozent setzt es sich noch im Erwachsenenalter fort. Dabei wird meist in Stresssituationen gestottert oder bei einer spontanen Konversation. Erstaunlicherweise stottern Menschen meist nicht, wenn sie sich mit Kindern oder Tieren unterhalten – der Stressfaktor, der Drang, alles richtig auszusprechen, fällt weg. (br.de)


Unterricht auf Deutsch

75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs soll es im ehemaligen Sudetenland in der heutigen Tschechischen Republik erstmals wieder Schulunterricht auf Deutsch geben. Der Präsident der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien, Martin Dzingel, sagte anlässlich der Tschechisch-Deutschen Kulturtage, man habe „Vereinbarungen mit zwei Grundschulen in Cheb/Eger und Jablonec nad Nisou/Gablonz an der Neiße getroffen“. Ab dem Schuljahr 2021/2022 soll die Hälfte des Fachunterrichts an den beiden Schulen in deutscher Sprache erfolgen. Die Nachfrage sei riesig.

Wie viele Angehörige der deutschen Minderheit heute noch in Tschechien leben, ist unklar. 2011 bekannten sich knapp 20.000 Bürger zu ihrer deutschen Herkunft, vor allem im böhmischen Erzgebirge. (freiepresse.de)


Sprache – gar nicht affig

Auch wenn Affen nicht sprechen können: Sie erkennen Grundzüge der Sprache. Forscher der Universität Zürich haben in einem Experiment mit einer künstlichen Grammatik aus Tönen festgestellt, dass deren Grundzüge nicht nur von Menschen, sondern auch von Affen verstanden werden. Dafür wurden Beispiele mit einem Relativsatz vorgespielt; die Affen erkannten Einschübe, die Satzteile repräsentierten – sie erkannten aber auch, wenn diese Einschübe fehlten oder fehlerhaft waren. Das deute darauf hin, dass bestimmte Merkmale der Sprache bereits bei unserem letzten gemeinsamen Vorfahren existierten, so die Forscher. (bluewin.ch)


Sprachschützer in Québec

Mehrere Debatten hat es gebraucht, aber mittlerweile darf man im kanadischen Québec auch Pasta und Cocktails bestellen. Im Québecer Büro für die französische Sprache achten Linguisten darauf, dass Französisch die dominierende Sprache bleibt. Die Charta der französischen Sprache von 1977 ist einzuhalten. Dazu gehört, dass Straßenschilder französisch gehalten sind und auf Speisekarten die Gerichte auf Französisch fett gedruckt werden. 4.000 Beschwerden schicken Bürger jährlich an das Büro, damit es möglichen Verstößen gegen die Charta nachgehen kann. (welt.de)


2. Unser Deutsch

Weitere Nonsenssprüche

Viele Leser haben mir weitere Nonsenssprüche geschickt. Ich gebe sie gerne weiter und beginne mit einem Ausflug ins Englische: See you later, alligator ist die witzige Erweiterung der bekannten Abschiedsformel. Ihr folgt als Antwort: in a while, crocodile. Das entspricht genau dem bekannten Muster von Ende Gelände oder hätte, hätte – Fahrradkette: ein Spruch aus zwei Gliedern, die ein Reim verbindet. Der erste Teil (see you later) gibt die Bedeutung an, der zweite – das Nonsenswort – verstärkt sie. Das englische Beispiel ist dialogisch, wobei spaßigerweise das Reimwort alligator durch das synonyme crocodile wiederaufgenommen wird. Wer als Reptil verabschiedet wird, antwortet dem Krokodil.

See you later, alligator – das kennt mancher aus Bill Haleys unvergesslicher Rock’n’Roll-Version vom Jahre 1950. Der Spruch hat manche weitere Nachfolger gefunden wie bye bye, butterfly oder so long, King Kong.

Im Deutschen haben besonders die Sprüche mit Vornamen Inflation. Ich erinnere an bitte, Brigitte und danke, Anke. Hierher gehören auch machs gut, Knut; hau rein, Hein; nicht schlimm, Jim; bis später, Peter oder das war’s, Lars.

Ein junger Leser steuert bei: mal schaun, übern Zaun. Hier geht der Nonsens in Sinn über: ‚warten wir ab, was kommt‘. Ausdruck des Erstaunens ist: Alter, Verwalter. Wenn man das Muster kennt, sind schnell neue Sprüche gefunden. Zum Beispiel hat die Wendung Alles klar auf der Andrea Doria mancherlei seemännische Nachfolger gefunden, wobei alles klar abgewandelt wird – dann folgt der Reim. Vergleichen wir:

alles im Griff auf dem sinkendem Schiff – alles in Butter auf dem sinkenden Kutter – alles im Lot auf dem sinkenden Boot. Eine Kombination mit den kurzen Namenssprüchen bietet: Alles Roger in Kambodscha.

Nonsenssprüche folgen einem festen Muster, das kreative Neubildungen und Abwandlungen herausfordert: Erfindungen des Volksmunds für den Dialog im Alltag. Wir finden Aufforderungen, Grüße, Urteile und schließen diesen Rundblick mit: Laber, Rharbarber.
Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e.V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


3. Kultur

Zuhause in verschiedenen Sprachen

„Im Grunde bin ich in Sprache zu Hause“, sagt Odile Kennel. Die Berliner Autorin und Übersetzerin ist zweisprachig aufgewachsen und bezeichnet Französisch als ihre Muttersprache, ihre erste Sprache, obwohl sie in Deutschland aufgewachsen ist. Französisch habe sie sprechen und lesen gelernt, schreiben aber auf Deutsch. Später kamen noch Englisch, Spanisch und Portugiesisch hinzu. Odile erzählt, sie werde oft gefragt, in welcher Sprache sie zu Hause sei – eine Frage, die sie unmöglich beantworten könne. Wahrheitsgemäß müsse sie am ehesten sagen: „Mein Zuhause hat mehrere Räume, der eine ist eher französisch eingerichtet, der nächste eher deutsch, meine anderen Sprachen haben ebenfalls ihren Platz. Und die Bedeutung der Räume ändert sich, Sprache ist nicht statisch.“ (berliner-zeitung.de)


Niederdeutsche Literatur

In der Alltagssprache ist das Niederdeutsche nicht mehr weit verbreitet. Vor allem jüngere Generationen verwenden kaum noch einen Dialekt. Um dem entgegenzuwirken, haben sich 1992 die norddeutschen Bundesländer in der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen dazu verpflichtet, Niederdeutsch als Regionalsprache im Norden zu erhalten und die notwendigen Strukturen für dessen Förderung zu schaffen. Neben Musik und Theater sei insbesondere die Literatur von Bedeutung, so Doreen Brandt, die kürzlich eine neue Professur für niederdeutsche Literatur an der Universität Oldenburg angetreten hat. Niederdeutsch sei zwar vorrangig eine gesprochene Sprache, aber sie brauche zum Überleben ihre Literatur. Niederdeutsche Literatur zeige, über welche komplexen Ausdrucksmöglichkeiten die Sprache verfüge – so etwas könne Anlass sein, die Sprache zu lernen. Besonders produktiv sei die niederdeutsche Literatur gegenwärtig in der Lyrik und im Hörspiel. (nwzonline.de)


4. Denglisch

Wie Maschinen unsere Sprache beeinflussen

Technik verändert unser Lernen – das stellt Christoph Hein in seiner Rede für die Fruchtbringende Gesellschaft fest. Das Kopfrechnen weicht dem Taschenrechner, Texte werden per Rechtschreibkorrektur verfasst und auch Übersetzen funktioniert mehr oder weniger gut über automatische Programme. Maschinen nehmen uns das Denken ab, was wiederum zu einer Veränderung der Sprache führt. Ähnlich im Roman 1984 von George Orwell: „Neusprech“ nennt sich die neue Sprache, die in der entworfenen Dystopie etabliert wird und alte Begriffe ersetzen soll. Denglisch sei ein ähnliches Neusprech in unserer heutigen Zeit, so Hein. Einerseits seien es Fremdwörter aus der Computersprache, andererseits Neologismen, die sich durch Comics oder Filmserien ausbreiteten. Ebenfalls bringe das Neusprech seltsame Wortschöpfungen hervor, die zwar Englisch klingen, aber im Englischen ursprünglich so nicht existieren: Handy und Public Viewing sind nur zwei Beispiele dafür.

Im Gegensatz zu Orwells Roman, in dem die neue Sprache durch den Staat vorangetrieben und vorgeschrieben wird, sei das heutige Denglisch durch Maschinen geschaffen worden, denen wir uns ohne jeden Zwang auslieferten, so Heins These: Computer und Handy hätten den Brief und die Handschrift verdrängt. Das Ergebnis sei eine Sprache, die aus Abkürzungen bestehe, an die Geschwindigkeit der Maschinen angepasst sei und nicht mehr ihrem ursprünglichen Reichtum entspreche. Dadurch werde nicht nur die Schriftsprache verkürzt, sondern auch das Bedeutungsumfeld, die Semantik und Syntaktik schrumpften auf die allernotwendigsten Bausteine. (berliner-zeitung.de)


5. Termine

26. Oktober, Region 50/51 (Köln)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln

28. Oktober, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

4. November, Region 09 (Chemnitz)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:00 – 18:30 Uhr
Ort: Solaristurm, Neeferstraße 88, 09116 Chemnitz

4. November, Region 07 (Gera, Jena)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Paulaner Wirtshaus Gera, Clara-Zetkin-Straße 14, 07545 Gera

5. November, Region Österreich (Wien)
Stammtisch des Jungen VDS
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Gasthaus zum Holunderstrauch, Schreyvogelgasse 3, 1010 Wien, Österreich

25. November, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

25. November, Region 20/22 (Hamburg)
Feierliche Übergabe des „Elbschwanenordens“ 2020 an die Autorin Kirsten Boie (Anmeldung erforderlich)
Zeit: 18:30 Uhr
Ort: Gästehaus der Universität Hamburg, Rothenbaumchaussee 34, 20146 Hamburg

26. November, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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