Bild: Staatsministerium Baden-Württemberg / Uli Regenscheit
1. Presseschau
Sprache zwischen Hund und Mensch
Sitz, Platz, Stöckchen – die Kommunikation von Mensch zu Hund ist nicht immer leicht, funktioniert aber mit guter Erziehung. Bei den klassischen Befehlen wie „Sitz“ oder „Platz“ identifiziert der Hund das gesprochene Wort und führt anschließend die erlernte Handlung durch. Auch tauchen in sozialen Medien immer wieder Videos auf, in denen Hundebesitzer die „Lieblingswörter“ ihres Hundes in einen längeren gesprochenen Text einbinden und währenddessen die Reaktion des Tieres beobachten. Solche Wörter können etwa „Gassi gehen“ oder „Leckerli“ sein. Immer wieder zeigt sich: Bestimmte Begriffe lassen den Hund aufhorchen. Sie führen zu einem Moment der Aufmerksamkeit, in dem der Hund in der gesprochenen Sprache etwas erkennt und darauf reagiert.
Dass Hunde die menschliche Sprache gänzlich verstehen, lässt sich davon zwar nicht ableiten – dennoch bestätigt eine Studie, dass Hunde die Fähigkeit haben, einzelne Worte in einem Redefluss zu erkennen. Das Vorgehen ähnele dem von Kindern im Alter von acht Monaten, schreibt das Team um die ungarische Verhaltensforscherin Marianna Boros im Wissenschaftsjournal Current Biology. Neue Wörter würden identifiziert, lange bevor die Bedeutung verstanden werde. Hierfür suchen Hunde nach wiederkehrenden Mustern und erkennen gemeinsam auftauchende Silben als Wörter. „Muster zu erkennen, ist keine typisch menschliche Fähigkeit“, so Boros. Immer wieder zeigten Studien, dass auch Tiere aus den Regelmäßigkeiten in ihrer Umgebung lernen. Wörter in einem Redefluss zu erkennen, gehe jedoch noch darüber hinaus. Die Fähigkeit sei bislang nur bei Menschen bekannt gewesen, betont Boros.
In den durchgeführten Experimenten wurden den Hunden künstlich erzeugte Sprachen vorgespielt. Dabei zeichnete man die Gehirnwellen der Tiere auf und analysierte diese. Die Ergebnisse legten immer wieder eine überraschende Ähnlichkeit zum Menschen dar. Das Gehirn von Hunden scheint Sprache also ähnlich zu verarbeiten wie das von Menschen. (sueddeutsche.de)
Twitter-Panne beim Otto-Versand
Der Großkonzern Otto steht aktuell unter heftiger Kritik. Auf dem Twitter-Kanal des Großkonzerns wurde die aktuelle Folge dessen Podcasts „O-Ton“ beworben. In der Beschreibung der Folge wurde das Wort Kollegen mit Sternchen gegendert. Otto-Sprecher Frank Surholt sei überrascht von der Kritik, da sich der Konzern bereits seit 2019 zur Gendersprache bekennt. Jedoch dürften vor allem die patzigen Antworten des Otto-Mediensprechers die Nutzer verärgert haben. Denn als einige Kunden erklärten, wegen der Sternchen nicht mehr bei Otto einkaufen zu wollen, antwortete der Otto-Twittersprecher lediglich mit einer Anleitung, wie man sein Kundenkonto löschen könne. Das Hashtag #ottogendert war daraufhin in den deutschlandweiten Trends. Unter diesem Hashtag waren die meisten Nutzer brüskiert von der Aufforderung das Kundenkonto zu löschen, sofern man nicht mit der Verwendung von gendergerechter Sprache einverstanden sei. (rnd.de)
Übersensibel
In ihrem neuen Buch „Sensibel. Über moderne Empfindlichkeiten und die Grenzen des Zumutbaren“ beschäftigt sich die Autorin und Philosophin Svenja Flaßpöhler auch mit der Bedeutung der Sprache für das Zusammenleben. Sie führt aus, wie Sensibilität (oder ein Mangel daran) der Kommunikation durchaus auch schaden kann. Jemand anderem keinen Schaden zufügen zu wollen, sei zwar ein wertvoller Gedanke, „aber die gesellschaftliche Aufgabe kann sich nicht darin erschöpfen, Verletzungen zu vermeiden, sondern sie muss die Individuen auch ermächtigen, mit Zumutungen umzugehen. Sonst würden wir die Freiheit aufgeben.“ Nur das vermeiden von negativen Ereignissen würde eine Gesellschaft so ausrichten, dass gar nichts mehr passiert – das kenne man bereits aus totalitären Systemen. Wichtiger sei es daher, die Resilienz zu stärken, denn die sei, wenn man so will, ein „demokratisches Prinzip, das mit Krisen, Zumutungen und Schmerz rechnet. Resilienz nimmt diese Unvermeidbarkeit auf und versucht, daraus eine Stärke zu entwickeln.“ Für Flaßpöhler habe daher auch das generische Maskulinum ein emanzipatorisches Potenzial: „Das generische Maskulinum ist geschlechtsneutral, es schützt die Intimität, anstatt sie hervorzukehren und eröffnet einen Raum, in dem sich alle einfinden können.“ Darüber hinaus sei Sprache kein System, das man sich „zurechtschnitzen“ könne, um die Welt auf magische Weise zu verändern: „Denn die Sprache übersteigt uns alle. Sprache repräsentiert nicht zielgenau, Sprache verfehlt mich immer schon, Sprache ist überindividuell. Sie ist ein allgemeines System, in das wir hineingeworfen werden.“ (welt.de, Bezahlschranke)
2. Gendersprache
Sahra Wagenknecht zum Gendern
Für leise Töne ist Sahra Wagenknecht (Die Linke) nicht unbedingt bekannt. Und so geht sie nicht nur mit anderen, sondern auch mit den eigenen Leuten hart ins Gericht. „Lifestyle-Linke“ nennt sie die Generation, die sich aus ihrer Sicht von den linken Idealen entfernt hat und mit allgemeinheitstauglichen Meinungen auf Kuschelkurs geht. Dabei stört sie sich auch am Anbiedern an das Gendern. Das Gendersternchen nutze sie nicht, sagte sie im Interview mit der NZZ am Sonntag: „Man sollte die deutsche Sprache, die eine sehr schöne Sprache ist oder zumindest sein kann, so gebrauchen, dass sie gut verständlich ist und ihre Eleganz behält, statt sie durch immer neue künstliche Regeln kaputtzumachen.“ Die Stotterei mit „*innen“ sei unnötig, vor allem hänge die Gleichberechtigung nicht davon ab, dass man das generische Maskulinum ächte. Es geht vielmehr um gleiche Löhne und darum, dass Berufe, die hauptsächlich von Frauen ausgeübt würden, besser bezahlt werden. „Wenn ich von mir sage, ich bin Ökonom, dann ist das eine Beschreibung meiner Kompetenz, und ich bin genert, wenn etwas Männer mich belehren, ich sei doch Ökonomin.“ (nzzas.nzz.ch)
Alter weißer Knacker
Alt – aber kein Stück leise! Dieter Hallervorden ist ein Mann klarer Worte, egal was seine Umgebung dazu sagt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er jetzt mit 86 Jahren ein neues Musikalbum rausgebracht hat, dass die jüngere Gender-Generation Schnappatmung bekommen lässt. So singt er in einem der Lieder von den Bemühungen, Frauen in der Sprache häufiger vorkommen zu lassen. Gendern sei ein Martyrium, heißt es im Lied, und „Muss ich den Zapfhahn jetzt Zapfhuhn nennen?“. Er sei ein Freund der Gerechtigkeit, „beim Gendern tut mir Mutter- und Vatersprache leid. Ihr Klang so schön, es ist verzwickt, wird von Sternchen, von Punkten und Strichen gef… (Piepton)“ Das Gendern hätte keine Chance, ist sich VDS-Mitglied Hallervorden in dem Lied sicher und macht klar: Zum alten Eisen gehört er noch lange nicht! „Ich weiß, ich bin ein alter weißer Knacker, doch auch in der Birne noch ein sexy Motherfucker.“ (op-online.de)
Bayern lehnen Gendersprache ab
Antenne Bayern hat beim Meinungsforschungsinstitut Kantar eine große Bayernstudie zu mehreren Fragestellungen in Auftrag gegeben. Eine Frage drehte sich um die vermeintlich gendergerechte Sprache: „Findet ihr ‚Gendern‘ im Sprachgebrauch gut?“ Die deutliche Mehrheit – 73 Prozent – sagte „Nein“; lediglich 19 Prozent befürworteten sie in der Umfrage, 8 Prozent machten keine Angaben. Damit ist diese Umfrage eine weitere, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren gezeigt hat, dass die Mehrheit der Menschen das Gendern ablehnt. Bei den verschiedenen Umfragen schwankt die Ablehnung zwischen 60 und 80 Prozent. (antenne.de)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Booster und Inzidenz
Booster stammt aus der englischen Fachsprache der Medizin. Es ist eine Kurzform von booster shot oder booster injection mit der Bedeutung ‚Auffrischungsimpfung‘. Im Englischen erklärt sich booster als Ableitung vom Verb to boost mit den Bedeutungen ‚ankurbeln, verstärken, steigern‘. Dieses Verständnis geht für alle Deutschsprachigen verloren, die nur Schulenglisch gelernt haben. Dabei gewinnt Booster inzwischen, dank seiner lautmalerischen Kraft, ein gewisses semantisches Eigenleben. Auffrischung wäre verständlich, klingt aber weniger dringlich, weniger medizinisch. Unsere Fachleute in den Talkshows ziehen das englische Fachwort vor, sie leben in der Blase von internationalen Studien, Untersuchungen und Bewertungen. Journalisten plaudern es nach. Inzwischen gibt es sogar eine deutsche Eigenbildung, das Verb boostern. „Ich bin schon geboostert“, klingt nach aktivem Mitmachen gegen die Pandemie.
Noch unklarer ist Inzidenz, auch ein Fachwort der Medizin und der Epidemiologie. Damit wird in den täglichen Nachrichten das dramatische Ansteigen der Corona-Erkrankungen dokumentiert, sagt aber vielen trotz gelegentlicher Erläuterungen nur eines: es wird wieder schlimmer. Das Wort ist wohl dem englischen incidence entlehnt und stammt von mittellateinisch incidentia ab. Gemeint ist ‚die Anzahl neu auftretender Erkrankungen in einem bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum‘, und zwar bezogen auf 100 000 Einwohner. Problematisch an dieser statistischen Größe ist zweierlei: Anstieg oder Rückgang in bestimmten Regionen gehen im statistischen Durchschnitt unter. Hotspots der Erkrankung werden nicht sichtbar. Der andere Fehler liegt in dem Umstand, dass neuerdings überwiegend Ungeimpfte erkranken, die Inzidenz aber auf die Gesamtbevölkerung bezogen wird. So bleibt die Dramatik dieser Entwicklung in der Statistik verborgen. Das gilt auch für die Belastung der Krankenhäuser. Dies ist ja das eigentliche Nadelöhr in der Bewältigung der Pandemie. Kurz: Inzidenz-Berechnungen sind nur aussagekräftig, wenn sie differenzieren. Dies aber unterbleibt in den meisten Nachrichten. Das ist das Problem beim Transfer medizinischer Terminologie in die Alltagssprache: Er möchte wissenschaftliche Erkenntnisse weitergeben, ist aber in Gefahr, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen, zu verfälschen oder gar nicht verstanden zu werden.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e.V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Dialekte – anpassen oder nicht?
Kommunikation braucht eine gemeinsame Basis – das gilt auch für Dialekte, so ein Beitrag im Schweizer Radiosender SRF. Zu einem bestimmten Grad passiert das absichtlich, damit man selbst besser verstanden wird – es kommt aber auch oft dazu, dass Sprecher ihre Dialekte unbewusst anpassen und spezifische Merkmale abschwächen. Außerdem haben viele Sprecher seltener Dialekte die Sorge, ausgelacht zu werden, heißt es im Beitrag. Die Anpassung fällt besonders bei sog. Randdialekten auf, die unbekannter sind, zum Beispiel der Urner und der Sensler Dialekt. Wer aus dem Berner oder Züricher Raum kommt, passt sich seltener an, da diese Dialekte häufiger vorkommen. Es sei – so das Fazit – eine Frage der Persönlichkeit, wer seine Sprache anpasst und wer nicht. Stolz auf den eigenen Dialekt sorge eher dafür, dass man ihn ungeachtet seiner sprachlichen Umgebung beibehält; ist man eher zurückhaltend und möchte in einer fremden Umgebung nicht auffallen, passt man seinen Dialekt an. (srf.ch)
Lebensmittelbezeichnungen und ihre Ursprünge
Über Essen zu reden, gehört für viele zur Alltagssprache und findet ganz selbstverständlich statt – sei es beim Schreiben des Einkaufszettels, der Planung des Abendessens oder dem Schwärmen vom Lieblingsrestaurant. Woher die Namen für Obst- und Gemüsesorten, Getränke oder Gewürze eigentlich kommen, fragen wir uns dabei jedoch selten. Der Dudenverlag geht diesen Fragen im neu erschienenen Buch Sprachschätze – Essen und Trinken: Die verborgene Herkunft unserer Wörter nach. So leitet sich etwa die „Apfelsine“ von den Begriffen „Apfel“ und „China“ ab, das Zimtgewürz hat seinen Ursprung im Malaiischen Wort für „Süßholz“ und das „Baguette“ ist das französische Wort für „Stange“, welches wiederum vom italienischen Wort für „Stock“ (‚bacchetta‘) abstammt. Überraschend ist der Begriff „Cappuccino“, der einen kirchlichen Hintergrund aufweist. „Cappuccio“ steht im Italienischen nämlich für die Kapuze und wurde in Verbindung mit der braunen Farbe der Kutte der Kapuzinermönche zum Namensgeber für diese Zubereitungsart des Kaffees. Mehr als 200 solcher Begriffe aus der Welt des Essens und Trinkens werden im Buch des Dudenverlags erläutert. (sueddeutsche.de)
5. Berichte
Gewinnerin aus Windhuk
Die Internationale Medienhilfe (IMH) hat zum 3. Mal den Titel „Auslandsdeutsche des Jahres‟ vergeben. Siegerin ist Sybille Moldzio aus Namibia, die 23% der über 8.600 abgegebenen Stimmen aus aller Welt erhielt. Moldzio ist Moderatorin und Mitbetreiberin des privaten deutschsprachigen Senders Hitradio Namibia in der Hauptstadt Windhuk. In der einstigen deutschen Kolonie leben bis heute rund 20.000 Deutsche und Deutschstämmige, die eine wichtige Stütze der namibischen Wirtschaft darstellen und eine beeindruckende Infrastruktur mit eigenen Schulen, Buchhandlungen, Brauereien, Cafés, Ärzten, Karnevalsvereinen, zwei Radioprogrammen und sogar einer deutschsprachigen Tageszeitung geschaffen haben.
Bewerberinnen für den Titel „Auslandsdeutsche des Jahres 2022‟ können unter der Adresse berlin@medienhilfe.org schon jetzt unverbindlich die Bewerbungsunterlagen anfordern. (radioszene.de)
6. Denglisch
The Länd
Erst tauchten sie still und heimlich in Baden-Württemberg auf, die Schilder mit „The Länd“. Schnell war klar: Das war eine Aktion des Landes. Was folgte, war eine große und prachtvolle Pressekonferenz – da war das Kind aber schon in den Brunnen gefallen: Denn so recht mochten sich die wenigsten mit „The Länd“ anfreunden, geschweige denn identifizieren. Die Aktion baut auf dem vorherigen, humoresken Motto „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ auf. Der Sarkasmus, den das alte Motto jedoch noch in sich trug, ging hier völlig verloren. „Wer in einem Bundesland lebt, braucht nicht von seiner Regierung über deren augenzwinkernd gemeintes Heimatbild belehrt zu werden. Länder-Marketing ist nach innen überflüssig und verfehlt nach aussen seinen Zweck, weil es dort in der Regel erst recht niemand versteht“, schreibt Alexander Kissler in seinem Kommentar in der NZZ. 21 Millionen Euro hat das Projekt gekostet, so das Redaktionnetzwerk Deutschland (RND), und Frank Volk, der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Neckargemünd ist davon alles andere als begeistert. In einem Facebook-Beitrag macht er seinem Ärger Luft. Über Nacht seien die Plakate aufgetaucht, dabei hätten sie auch an Ortseingangsschildern gehängt, und zwar so, dass die Verkehrssicherheit beeinträchtigt war. Dazu kommt, dass heimischen Vereinen und Gewerbetreibenden das Plakatieren ohne Genehmigung untersagt ist. Auch die hohe Kampagnen-Summe ist ihm ein Dorn im Auge: „Man hätte Förderungen aufstocken können, beispielsweise die landesweite Ausstattung mit Sirenen, die hinten und vorne nicht reichen wird. Oder Schulen fördern. Nur so am Rande“, schreibt er bei Facebook. Dazu kommt der Ärger über den sprachlichen Fehlgriff. Er komme aus dem „Ländle“, das sei die übliche Bezeichnung der Baden-Württemberger: „Wie weit geht die Verballhornung der deutschen Sprache noch? Reichten das Gendersternchen und Großbuchstaben mitten im Wort noch nicht? Nichts gelernt aus ähnlichen Versuchen? ‚Die Mannschaft‘ oder ‚1899‘ als neue Marke hat auch nicht gegriffen. Ich sage nur: ‚Cringe‘ – Fremdschämen für so eine Aktion.“ (rnz.de, nzz.ch, facebook.com)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Alina Letzel, Asma Loukili, Dorota Wilke