1. Presseschau
Wiener Student geht gegen Gendersprache vor
Ein Student aus Wien wehrt sich gegen den Gender-Zwang an seiner Uni. Richtlinien und ein Leitfaden geben Genderregeln vor, obwohl diese nicht der amtlichen Rechtschreibung entsprechen – bei Nichtbeachtung droht Punktabzug. Diesen will der Student der Transkulturellen Kommunikation am Zentrum für Translationswissenschaft (ZTW) der Universität Wien nicht hinnehmen. „Es ist nicht Aufgabe der Universität, durch eine bestimmte Sprachgestaltung in Studienleistungen zu einer ‚Veränderung der Welt‘ beizutragen, wie es in der Leitlinie formuliert ist“, sagt sein Anwalt, Dr. Gerald Ganzger von der Kanzlei Lansky, Ganzger, Goeth, Frankl und Partner in Wien. Der VDS unterstützt den jetzt der Universität zugestellten Feststellungsantrag. „Der Studiengang soll junge Menschen befähigen, Texte zu übersetzen – frei von Ideologie und politischen Absichten“, stellt Ganzger klar, „einen Studenten dazu zu zwingen, eine Meta-Ebene zu öffnen und den Inhalt eines Textes weltanschaulich zu verändern, überschreitet die Kompetenzen der Dozenten.“ Das Gendern sei wirklichkeitsfremd, zumal die Uni in anderen Veröffentlichungen selbst Begriffe wie „Kläger“, „Berufungsgegner“, „Richter“ benutzt und damit akzeptiert, dass das generische Maskulinum alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht, anspricht. „Es ist nicht hinnehmbar, dass Studenten ohne gesetzliche Grundlage eine politisierte Sprache nutzen müssen, um keine negativen Studienauswirkungen befürchten zu müssen. Woanders würde man sowas ‚Erpressung‘ nennen“, so Ganzger, „das eigenmächtige Diktat durch die Prüfer ist schlichtweg nicht akzeptabel.“
Der VDS unterstützt das Vorgehen des Studenten – finanziell und auch moralisch. „Universitäten sind seit jeher ein Ort des freien Denkens und des offenen Diskurses. Wenn sie jedoch missbraucht werden, um eine politische Agenda durchzudrücken, muss man laut werden und sich wehren“, sagt Prof. Walter Krämer, Vorsitzender des VDS. Laut Klaus Kaindl, Studienprogrammleiter am Zentrum für Translationswissenschaften, gibt es eine derartige Verpflichtung aber gar nicht. Im Standard sagte er, Studenten müssten keine Angst haben, schlechter benotet zu werden, wenn sie sich nicht an die Leitlinien hielten. Nur in einzelnen Lehrveranstaltungen sei das Gendern notenrelevant – nämlich dort, wo Texte zu Übungszwecken gendergerecht übersetzt werden sollen. Im späteren Berufsleben könne es schließlich vorkommen, dass Auftraggeber eine „gendergerechte Übersetzung“ wünschen. „Das Ganze ist ein emotionales Thema“, sagt Kaindl, „es gibt Studierende, die das als grundsätzlichen Angriff auf ihre Freiheit sehen.“ Der Studienpräses der Uni Wien, der für studienrechtliche Belange zuständig ist, muss jetzt über den Antrag entscheiden. Das Ziel des Studenten: Einen Bescheid zu erwirken, „der garantiert, dass der Verzicht auf gendergerechte Sprache nicht zu einer schlechteren Beurteilung führt. Bei künftigen Prüfungen könnte der Student den Bescheid dann vorlegen“, heißt es im Standard. Anwalt Ganzger erwartet eine Entscheidung in den nächsten sechs Monaten. (derstandard.de, vds-ev.de)
Literatur gar nicht erst lesen
Studenten, die mit Samthandschuhen angefasst werden – diesen Eindruck könnte man an deutschen Universitäten bekommen, wenn man die Beobachtung von Ingo Berensmeyer näher anschaut. Berensmeyer ist Anglistik-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. In einem Gastbeitrag in der FAZ berichtet er von den immer häufiger vorkommenden sogenannten „Trigger“-Warnungen, also Hinweisen, dass das folgende Gesagte, Gelesene oder Gesehene möglicherweise als verstörend wahrgenommen werden könnte. In der Literatur könnte das Inhalte mit Brudermord, Blutrache oder Frauenfeindlichkeit betreffen – bei solchen Seminaren stehe vorher immer häufiger der Hinweis, dass sie zarte Gemüter zu sehr berühren könnten. In der Praxis sorgten solche Hinweise jedoch eher dafür, dass Diskussionen im Keim erstickt werden, weil Studenten (zumindest indirekt) aufgefordert werden, dem Seminar fernzubleiben oder die entsprechenden Texte gar nicht erst zu lesen, so Berensmeyer: „Studenten, die doch mündige Bürger sein oder zumindest werden sollten, werden dadurch im Namen einer wohlmeinenden ‚Fürsorge‘ bevormundet, die den Idealen der universitären Lehre widerspricht.“ Eine ergebnisoffene Diskussion sei so nicht möglich, das Unerwartete, Überraschende könne gar nicht erst eintreten: „Literatur greift gestaltend auf das Imaginäre, auf menschliche Träume und Albträume zu; dem gilt es, sich zu stellen, ohne Scheu und ohne Bevormundung. Es kann nicht Sinn und Zweck des Literaturstudiums sein, die Herausforderung durch die Fremdheit der Fiktion zu unterbinden.“ Die Alternative müsste sonst eine generelle Information vor dem Studium sein: „Vor Literatur wird gewarnt!“ (faz.net)
Anmerkung zu dem Wort trigger, es hat mehrere Bedeutungen: Anstoß, aber auch Abzug an einer Schusswaffe, in der Technik ist es ein Auslöser, oder der (Steuer-)Impuls zum Auslösen, trigger bezeichnet auch den Zeigefinger. Trigger-happy bedeutet unter anderem schussfreudig oder knipsfreudig. Ein weites Feld, mehr dazu hier: dict.leo.org.
Sprachförderung für Schweizer Kinder
Die Zahl der eingeschulten Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen nimmt zu. Auch im Schweizer Kanton Baselland ist dies der Fall. Daher plant der Kanton eine frühe Sprachförderung von Kindern. Dies gilt nicht nur für Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, sondern auch Muttersprachler. Die sprachlichen Defizite seien bisher unterschätzt worden. Sprachliche Frühförderung ist kein reines Migrationsthema, erklärt Thomas Nigl, der zuständige Projektleiter für die frühe Sprachförderung bei der Baselbieter Sicherheitsdirektion. Seit 2013 gibt es zwar eine obligatorische sprachliche Frühförderung für Fremdsprachige, eine Förderung von Kindern aus deutschsprachigen Haushalten sei jedoch ein Novum. Das Gesetz sieht vor, dass die Eltern ihre Kinder unmittelbar vor dem Kindergarten zu einer von den Gemeinden getragenen Sprachförderung schicken, die den Kindern eine Erweiterung des Grundwortschatzes ermöglicht. Die Gemeinden entscheiden hierbei autonom, ob und wie sie die frühe Sprachförderung umsetzen wollen. Auch der Schweizer Lehrerverband begrüßt diese Entscheidung. Die zunehmenden sprachlichen Defizite werden hierbei vor allem auf die digitalen Medien zurückgeführt. Sprache zu hören reiche nicht, vielmehr sei der Kontakt zu anderen Kindern entscheidend für die Sprachentwicklung. Bisher soll die Frühförderung im Baselland freiwillig sein. Dies führe laut Experten jedoch zu einer Bildungsungleichheit, da bildungsferne Familien schon jetzt räumlich abgetrennt seien. Ungenügende Deutschkenntnisse seien zum Teil auch auf den Wohnort zurückzuführen. (20min.ch)
Positive Sprachentwicklung im Lockdown
Eine Untersuchung eines Forschungsteams aus Oslo mit Beteiligung der Universität Göttingen hat ergeben, dass sich die Sprachentwicklung von Kindern im Lockdown verbessert habe. Hierfür protokollierten Eltern von über 2.000 Kindern aus 13 verschiedenen Ländern den Wortschatz der Kinder zu Beginn des Lockdowns im März 2020. Nach einem Monat wurden sie erneut kontaktiert. Zunächst kam heraus, dass sich die Zeit, die vor Bildschirmen verbracht wird, verlängerte. Vor allem in Anbetracht der Heimbetreuung der Kinder, zusätzlich zu den weiteren Verpflichtungen der Eltern, war diese Folge zu erwarten. Insgesamt haben Kinder im Lockdown jedoch mehr Wörter gelernt. Das sei die Folge der gesteigerten Aktivitäten zusammen mit den Eltern. Zwar habe eine kurze Isolation von Kleinkindern keine negativen Auswirkungen auf die Sprachentwicklung, jedoch sollte man nicht annehmen, dass dieses Ergebnis auch bei längerfristigen Schulschließungen gelte, so die Forscherin der Universität Oslo, Professor Natalia Kartushina. (br.de)
„Blubb Blubb?“ – „Blubb!“
Sie haben keine Stimmbänder und geben doch Laute von sich. Wissenschaftler der Cornell University in New York haben jetzt herausgefunden, dass Fische sich auch mit Lauten unterhalten – bisher waren nur Kommunikationswege über Farbsignale, Körpersprache oder Elektrizität bekannt. Die Forscher haben verschiedene Töne aufgezeichnet, einige klingen wie ein Nebelhorn, andere erinnern an zirpende Grillen. Wie die Fische ohne Stimmbänder Töne erzeugen können, dazu haben die Forscher eine Theorie: „Die wahrscheinlich häufigste Anpassung sind Muskeln, die mit der Schwimmblase verbunden sind. Tatsächlich sind die Schwimmblasenmuskeln der Krötenfische die am schnellsten kontrahierenden Skelettmuskeln der Wirbeltiere“, so der Ökologe Aaron Rice. Durch diese Kontraktionen würden dann Töne erzeugt. (focus.de)
98 % bei Germanistik-Grundkurs durchgefallen
Diese Durchfallquote war überdurchschnittlich: Bei einem Germanistik-Grundkurs an der Uni Vechta sind 98 % der Studenten durchgefallen. Normalerweise fallen 40 % durch, so die Uni. Einige Studenten bemängelten die schweren Aufgaben; die Universität selbst vermutet, dass die Teilnehmer des Kurses nicht ausreichend vorbereitet waren. Fast niemand sei zu den Sprechstunden des Dozenten erschienen, heißt es beim NDR. Dabei sei dieser als kooperativ bekannt, sagte der Asta. Die Uni hat mittlerweile eingelenkt: Die Klausur wurde annulliert und wird noch einmal geschrieben. (ndr.de)
2. Gendersprache
Städte positionieren sich gegen Gendersprache
Der Dichter Joachim Ringelnatz hätte beim Thema „Gendern“ vermutlich viel Freude gehabt, bietet es doch neben einer ernsthaften Diskussion auch allerlei Möglichkeiten zur humoresken Betrachtung. Seine Heimatstadt Wurzen (Sachsen) hat jetzt entschieden: Das Gendern wird wieder abgeschafft. Nach einigen politischen Ränkespielen wurde der Beschlussvortrag, künftig gemäß den Regeln des deutschen Rechtschreibrates zu folgen, angenommen. Damit verschwinden Sternchen, Doppelpunkte etc. aus der Verwaltungssprache. Kurz vorher hat auch schon Osnabrück in einer Mitteilung im Rat mitgeteilt, dass auf Gendersprache verzichtet wird: „Die gewünschte und von der Stadt in zahlreichen gesellschaftlichen Lebensbereichen auch geförderte Diversität darf nicht zu Abkopplungen führen. Ganz im Gegenteil muss die Stadt ein Interesse daran haben, dass die Vielfalt diverser Gruppen nicht zur Sprachlosigkeit zwischen diesen Gruppen führt.“ Auch hier wird der Verweis auf den Rechtschreibrat geführt, der Satzzeichen zum Gendern nicht empfiehlt. (wurzener-land-nachrichten.de, hasepost.de, ris.osnabrueck.de)
Dozenten überziehen Kompetenzen
An vielen deutschen, österreichischen und schweizerischen Universitäten wird gegendert; es gibt Leitfäden oder Anleitungen der Dozenten – und die Studenten wagen es nicht, dagegen vorzugehen, weil sie von genau diesen Dozenten weiter benotet werden müssen. Zu diesen Erkenntnissen kommt nun auch eine Recherche der FAZ. Dabei, so Thomas Thiel, überschreiten die Dozenten ihre Kompetenzen. Studenten würden jedoch im Fall eines Nicht-Genderns moralisch in Frage gestellt. Dabei hat selbst eine Umfrage unter Hochschuldozenten erst kürzlich ergeben, dass 47 Prozent von ihnen einen Druck zum Gendern verspüren. Ihre gendernden Kollegen sehen sich dabei auf der „richtigen“ Seite der Diskussion: „Oft ist es der Glaube, im Besitz eines besonders fortschrittlichen Bewusstseins zu sein, der Dozenten in die Sprache von Studenten hineinredigieren lässt.“ Problematisch sei das Gendern vor allem, weil es tief in die Ausdrucksformen der studentischen Arbeiten eingreift, zugleich aber als solches nicht verbindlich an allen Universitäten ist – obwohl die, die es nutzen, eine ganzheitliche Daseinsberechtigung für sich in Anspruch nehmen. Das Verfassungsgericht halte sich bisher bedeckt und verweise auf den Rat für deutsche Rechtschreibung, der sich gegen die Verpflichtung zum Gendern ausspricht. (zeitung.faz.net)
Gendern nervt auch junge Menschen
Jüngere finden Gendern gut? Von wegen! Laut einer Studie des Kölner Rheingold-Instituts sind 54 Prozent der 14- bis 35-Jährigen in Deutschland von der Debatte genervt oder empfindet Gendern als sprachliche Stolperfalle, die vom Inhalt ablenkt. Nur 44 Prozent halten das Gendern für gerechtfertigt. Gendern schaffe auch in der jungen Generation Gräben, so die Studienleiterin Judith Barbolini, und das sei nicht zielführend. Vor allem die Unterscheidung in einen männlichen und einen weiblichen Teil am Ende eines Wortes würde eher als Trennung denn Verbindendens wahrgenommen: „Wo ein *innen, da ein Außen“, werden Studienteilnehmer zitiert. Wo Gendern zu strikt durchgesetzt würde, fühlten sich Menschen provoziert. Vor allem im privaten Umfeld würde es als irritierend wahrgenommen, wenn man gendere oder es offensiv einfordere. Für die Studie wurden 2.000 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16-35 Jahren befragt. (rheingold-marktforschung.de, nwzonline.de, rp-online.de)
Führungskräfte bleiben skeptisch
Vier von zehn Führungskräften sehen laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung und des Reinhard-Mohn-Instituts der Universität Witten/Herdecke keine Vorteile darin, verbindliche Regeln zum Gendern einzuführen. Frauen und Männer gleichermaßen sagten: Im eigenen Unternehmen seien vorgegebene Gesetze oder Regeln nicht nötig. „Damit muss nicht unbedingt eine gleichstellungsfeindliche Haltung zum Ausdruck kommen, sondern eher eine Skepsis gegenüber Regulation von außen und damit verbunden womöglich Widerstand seitens der Führungskräfte bei der Umsetzung verpflichtender Regeln“, so die Studien-Autoren. Für fast dreiviertel der Befragten spielt laut Studie das Geschlecht einer Führungskraft auch keine Rolle. Aber: Je höher die Führungsebene war, desto positiver wurde das Bild bei der Gleichstellung im eigenen Unternehmen bewertet. (zeit.de)
3. Sprachspiele:
Dem Wort auf die Lippen schauen
Die Fälschung von Bildern, Filmen und Sprache ist als Deep Faking bekannt, ein Kofferwort aus deep learning und fake. Die Anwendung dieser neuen Technik begann mit dem Austausch von Gesichtern auf Fotos, sehr beliebt zur Darstellung von bekannten Personen in peinlichen Situationen, sie setzte sich fort mit dem Austausch von Stimmen und mittlerweile können ganze Filmsequenzen täuschend ähnlich Fakes wie Tatsachen darstellen. Da werden ganze Körperbewegungen auf andere Personen übertragen und der dazu gesprochene Text wirkt echt, vom Lippenspiel bis zur Tonlage. So ist es mittlerweile möglich, das Klangerlebnis eines gesprochenen Textes derart zu verändern, dass man als Betrachter glaubt, da würde tatsächlich Donald Trump von Barack Obama heruntergemacht. In dem viel beachteten Obama Deep Fake des US-Schauspielers und Regisseurs Jordan Peele ist zu beobachten, wie Obama anscheinend (oder scheinbar? – der Unterschied gewinnt an Bedeutung) über die Gefahren von Falschinformationen und gefälschten Nachrichten spricht und (als Beispiel) über seinen Nachfolger im Amt untypisch ordinär herzieht. Dafür hat Jordan Peele seine eigene Mimik mit Hilfe der Deep Fake-Technik auf die Gesichtszüge von Obama übertragen.
Für solche Fälschungen benötigt man einen Rechner mit leistungsstarker Grafikkarte und ein Programm, das es gratis im Internet gibt, zum Beispiel Myfakeapp. Bald wird man gut getarnte Täuschungen sogar mit dem eigenen Smartphone herstellen können. Wie ist das möglich? Weissenberg Business Consulting sagt über das Deep Learning: Es „befähigt Maschinen, sich ohne menschliches Handeln zu verbessern und neue Fähigkeiten zu erlernen. Dabei extrahiert das System Muster und Rechenmodelle aus vorhandenen Daten. Im Anschluss lassen sich diese Erkenntnisse mit Daten korrelieren und mit einem entsprechenden Kontext verknüpfen. Durch den gewonnenen Kontext kann die Maschine schlussendlich Entscheidungen treffen.“
Wie man eine Stimme fälscht, ist auf einem Video bei Youtube (11 Minuten) zu sehen und hören. Bereits die ersten Anwendungsschritte ermöglichen erstaunliche Sprachimitation, selbst über Sprachgrenzen hinweg. Das könnte Angst machen, aber die hilft nicht weiter. In der Gegenbewegung werden bereits Techniken erforscht, ebenfalls mithilfe künstlicher Intelligenz, mit denen man Fälschungsmachwerke automatisiert erkennen kann, wenn unser menschliches Gehirn dazu nicht mehr in der Lage ist. Dazu muss jeweils die Datengrundlage ausgewertet werden, ein Unterfangen für sehr leistungsstarke Rechner. Das zeigt, welches Bedrohungspotenzial in Deep Fakes steckt. Man kann mit Falschmeldungen Börsenkurse manipulieren, diplomatische oder militärische Zwischenfälle provozieren, oder auch nur den guten Ruf des Nachbarn vernichten.
Was kann der Sprachsensible tun, um den Machenschaften nicht auf den Leim zu gehen? Ein paar Tipps mögen helfen. Als erstes wie auch als letztes ist die Plausibilität des Inhalts einzuschätzen. Kann es sein, dass (erfundenes Beispiel!) eine Bundestagsabgeordnete den Präsidenten eines befreundeten Landes einen „Ziegenf…“ nennt? Dass Kabarettisten dieses dürfen, bleibt dahingestellt, aber diese freundliche, sympathische Person? Offenbar wird man noch genauer hinhören müssen, wer was wo gesagt hat, so wie man auch geschriebene Zitate mit nur mit äußerster Vorsicht übernimmt (schön wär’s). Auch der Klang, eine falsche Aussprache oder unnatürliche Sprechweise bieten Anlässe zum kritischen Hinterfragen. Aber Vorsicht, beim ersten Betrachten des Obama Deep Fake dürfte auch der beste Kenner des Englischen der Fälschung auf den Leim gehen.
Vielleicht ist die positive Kehrseite dieser Fälschungen, dass wir beim Wörter empfindsamer gebrauchen, weil wir es müssen, um Täuschungen zu erschweren, wir können kritischer hinhören und auf diese Weise eine Sprechkultur wieder entdecken, oder neu entfalten, die uns zur Zeit verloren geht. Eine Kultur, in der die gelegentliche echte Beleidigung immer noch erkennbar echt – und verzeihbar – bleibt. (ars.electronica.art, weissenberg-group.de, daserste.de, wikipedia.org, deutschlandfunk.de, youtube.com)
4. Kultur
Letzte Sprecherin des „Yaghan“ verstorben
Mit dem Tod von Cristina Calderón starb kürzlich auch die Sprache „Yaghan“. Calderón war die letzte Muttersprachlerin der Yaghan-Ureinwohner; die Chilenin lebte auf der Inselgruppe Feuerland in Südamerika. Nach dem Tod ihrer Schwester hatte die chilenische Regierung Calderón 2009 zum „lebenden menschlichen Schatz“ erklärt; sie war der Inbegriff für den Erhalt der Yaghan-Kultur. Ihre melodische Sprache ist keine Schriftsprache. „Ich bin die Letzte, die Yaghan spricht. Andere können es verstehen, aber niemand spricht oder beherrscht es so wie ich“, hatte Calderón einst gesagt. Je nach Schätzung sind aktuell 1.500 bis 3.000 Sprachen vom Aussterben bedroht. (n-tv.de)
Die integrative Kraft des chinesischen Schriftsystems
Die chinesische Schrift sei das komplizierteste System von Formen, welches die Menschheit geschaffen habe, und das markanteste Alleinstellungsmerkmal der chinesischen Kultur, so der Heidelberger Professor für Kunstgeschichte Ostasiens Lothar Ledderose. In einem umfassenden Wörterbuch des Chinesischen sind etwa 70.000 Schriftzeichen festgehalten. Jedoch gab es in der Landesgeschichte immer wieder Versuche, das Schriftzeichensystem zu reformieren. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Schriftsteller Lu Xun, der vor allem in den 1930er Jahren Zustimmung fand, denn er schlug vor, eine chinesische Lateinschrift einzuführen. Mit der Entstehung der Volksrepublik 1949 wendete sich jedoch das Blatt, der Zusammenhalt Chinas sollte nicht gefährdet werden. Legitimiert wurde die Beibehaltung der chinesischen Schriftzeichen vor allem durch eine Verknüpfung mit kommunistischen Ideologie der Partei. Trotzdem folgten weitreichende Veränderungen im Schriftzeichensystem. 1958 wurde die Vereinfachung einer großen Zahl von Schriftzeichen gebilligt und das „Pinyin“, ein Umschriftsystem in Lateinschrift, wurde neben den Schriftzeichen eingeführt. Es folgten weitere Vereinheitlichungen, der Peking-Dialekt galt fortan als Grundlage zur sprachlichen Vereinheitlichung des Chinesischen. Der Gedanke, die Schriftzeichen komplett abzuschaffen, löste trotzdem Entrüstung bei den meisten aus. Dialektunterschiede, unterschiedliche Aussprachen und Lesungen machen die Schriftzeichen zu einem komplexen und komplizierten Schriftsystem. Das chinesische Schriftsystem hat indes auch einen integrierenden Charakter. Das Schreiben fordert ständiges Üben und man befindet sich in einer Sphäre, in der Regeln gelten und befolgt werden müssen. Eine fortlaufende Selbstdisziplinierung, die auch einen großen Teil der Kultur ausmacht. (nzz.ch)
Im Beruf ein Lob aussprechen
Im Beruf sollten wir auf Wortwahl und Tonlage achten, denn neben der Arbeitsweise beeinflusst vor allem der Sprachstil Erfolge und Misserfolge im Berufsleben. Beziehungen zu Kollegen können langfristig geschädigt werden durch übellaunige Aussagen. Bestimmte Ausdrücke sollte man daher mit Bedacht verwenden. Dazu zählt das „aber“. Es stellt den vorangegangenen Teil des Satzes in Frage und macht ein Lob zunichte. Wenn man ein Lob mit einer anschließenden Anmerkung kommunizieren möchte, sollte man auf Alternativen zum „aber“ greifen. Positive Formulierungen von Kritik wären hierfür ein Lösungsansatz. Denn nicht nur die eigene Denkweise ändert sich durch positive Formulierungen, vielmehr können auch die Reaktion des Umfelds und der Teamgeist gesteigert werden. Auch bei Negativworten wie „müssen/sollen“ oder „Problem/Fehler“ können negative Assoziationen geweckt werden. Zwar kann man auf diese Worte nicht immer verzichten, aber durch gewähltes Vokabular verbessere sich nicht nur das Sprachbild, sondern auch das Verhältnis zum Chef und den Kollegen. (bewerbung.com)
5. Berichte
Regionalleiter Kassel im Interview mit der HNA
Normann Günther ist seit einem knappen Jahr der neue Regionalleiter des VDS in Kassel. In einem Interview mit der HNA (Hessisch Niedersächsische Allgemeine) stellte er jetzt deutlich die Probleme heraus, die beim Gendern entstehen. Vor allem der direkte oder indirekte Zwang, mit denen Studenten, Angestellte usw. zum Gendern verpflichtet werden, ist ihm ein Dorn im Auge. Es sei eine „…oktroyierte Sprache, mit der eine politische Agenda verfolgt werden soll“, sagt Günther, sie reduziere Menschen auf ihre Sexualität. Generell, so Günther, gehe es eher um Befindlichkeiten, aus denen man aber keine allgemeingültigen Regeln für Sprache ableiten könnte: „Mit dem Zwangs-Gendern versuchen linke Hochschulen, ihre Gedanken zu verbreiten. Zwang ist einfach der falsche Weg.“ Wer Gendern per Leitlinien etc. durchzusetzen versuche, verhalte sich undemokratisch – und das, obwohl die Mehrheit der Menschen laut verschiedener Umfragen gegen das Gendern sei. Dennoch würde es regelmäßig als Angriff aufgefasst, wenn man das Gendern ablehnt, und man werde im Rechtspopulismus verortet. Mit den Argumenten, die gegen das Gendern sprechen, wollen sich Genderbefürworter nicht auseinandersetzen. (hna.de)
6. Denglisch
Happie in Bayern
In die Rubrik „Kratzers Wortschatz“ der Süddeutschen Zeitung schaffte es in der vergangenen Woche der Anglizismus „happy“. Niemand ist mehr glücklich, alle sind nur noch happy, meint Hans Kratzer, und zwar so sehr, dass man das Wort auf Deutsch „happie‟ schreiben sollte. Damit wäre also die Integration des englischen Wortes in die deutsche Sprache einen großen Schritt weiter, ähnlich wie bei Schal, (Rechner-)Maus oder Keks. Das wäre ganz im Sinne von Wolf Schneider, der die kurzen, knackigen und dem Deutschen leicht anzupassenden Anglizismen bereits vor Jahren willkommen geheißen hatte. (sueddeutsche.de)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke