Infobrief vom 20. November 2022: Mehr Geld für Sprachförderung im Ausland

1. Presseschau

Mehr Geld für Sprachförderung im Ausland

Der Bundeshaushalt für das Jahr 2023 steht fest. Auf Initiative der SPD, Grünen und FDP enthält er 5,2 Millionen Euro für die Sprachförderung im Ausland. Knapp 5 Mio. Euro sollen der außerschulischen Förderung des Deutschen in Polen zugutekommen. Damit reagiert die Bundesregierung auf die Streichung von Unterrichtsstunden für die Schüler aus der deutschen Minderheit an polnischen Schulen. 250.000 Euro sind vorgesehen für den Erwerb eines Kulturhauses in der Ukraine, dort soll Kultur- und Spracharbeit für Flüchtlinge und deutsche Volksgruppen geleistet werden. Erstmals sollen auch Bundesmittel für die Förderung des Polnischunterrichts in den Bundesländern festgeschrieben werden; solche Förderung war bisher ausschließlich Ländersache. Die sowieso anstehende Entscheidung für das Polnische habe indes, laut dem Koordinator für die deutsch-polnische Zusammenarbeit Dietmar Nietan, nichts zu tun mit den Deutsch-Kürzungen in Polen. Polnische Politiker hatten in jüngster Zeit immer wieder gefordert, mehr muttersprachlichen Polnisch-Unterricht in Deutschland zu ermöglichen. (wochenblatt.pl)


Integration mit Vielsprachigkeit

In acht Sprachen bewegt sich die Iranerin Hoora Dabbaghian. Die Studentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) erhält den diesjährigen Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Mit dem Preis werden herausragende Leistungen und soziales Engagement internationaler Studenten honoriert. Dabbaghian war 2018 für das Studium nach Deutschland gezogen, sie hat nun ihr Masterstudium im Fach Europastudien absolviert. „Fremdsprachen zu beherrschen hilft dabei, ein besseres Verständnis von anderen Kulturen und Menschen zu bekommen“, sagt die 31-jährige Dabbaghian. Deutsch hatte sie für ihr Studium in Eichstädt erworben, in Sprachkursen belegte sie Spanisch, Französisch, Russisch und Schwedisch. Bereits vorher beherrschte sie Englisch, Arabisch und Persisch. Nach den ersten drei Fremdsprachen werde der Erwerb weiterer Sprachen immer leichter, versichert sie. Sie möchte ihr Repertoire noch um Japanisch ergänzen. Mit ihren sprachlichen Fähigkeiten werde sie sich beruflich bei der Integration von Flüchtlingen und Einwanderern einbringen. Auf diese Weise möchte sich Dabbaghian auch später im „Leben für eine bessere Welt und für mehr Frieden einsetzen“, berichtet ingolstadt-today.de. (ingolstadt-today.de)


Verpönte Sprache im Spiegel

Die typische Sprache, die im Spiegel der Siebziger und Achtziger gepflegt wurde, soll Wolf Schneider zuwider gewesen sein, wird im Nachruf des Magazins aus dem Nähkästchen berichtet. „Dass im Spiegel heute niemand mehr ‚Präside‘ (statt Präsidiumsmitglied) schreibt“, liege auch daran, dass von den Absolventen der Henri-Nannen-Schule „etliche in der Redaktion arbeiten und Schneiders Lehren beherzigen.“ (Druckausgabe Spiegel 47. Woche)


2. Gendersprache

Gendern in England

Seitdem die Labour-Regierung 2004 Fremdsprachen als Pflichtfach abgeschafft hat, ist ein drastischer Rückgang von Sprachkompetenz in England zu bemerken. Im europäischen Durchschnitt sollen 80 Prozent der Menschen zwischen 15 und 30 Jahren in mehr als 2 Sprachen lesen und schreiben können. In England seien es lediglich 32 Prozent. Die Universität Cambridge möchte vor diesem Hintergrund das Sprachenlernen attraktiver gestalten und verkündet, dass Deutschkurse künftig auch „inklusiv“ gestaltet werden und somit die Gendersprache verwendet werden kann. In der vergangenen Woche sprach bereits Anthony Doyle auf GB News mit Oliver Baer, Mitglied des VDS-Vorstands, über diese Entwicklung. Besonders betont hatte Baer, dass das forcierte Gendern scheitern werde, denn Sprache entwickle sich auf ‚natürliche Weise‘ eben nicht durch Anweisungen von oben, sondern durch den täglichen Gebrauch aus dem Volke heraus. Als ‚grotesk‘ bezeichnet auch Gina Thomas, Feuilletonkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in London, diese Entscheidung. Sie sieht darin den Versuch eine vermeintliche Weltoffenheit als Teil der Werbestrategie für die Universität zu verwenden. (faz.net)


Wissenschaftler gegen Genderentscheidung in Thüringen

Die Thüringer CDU hatte vergangene Woche im Parlament einen Antrag gegen gendergerechte Sprache in Landtag und Landesregierung durchgesetzt. Die Landesregierung gab in der letzten Woche bekannt, sie werde dieser Entscheidung entsprechen und in der öffentlichen Kommunikation nicht mehr gendern. Gegen diese Entscheidung reichten nun Wissenschaftler der Universität Erfurt einen offenen Brief ein. Thüringens Bildungsminister Helmut Holler gab nämlich seinerseits bekannt, dass Schulen keine Vorgabe zur Verwendung der Gendersprache bekommen. „Ob sie angewendet wird und wie sie angewendet wird, muss aber jeder selbst entscheiden“, gab der Bildungsminister bekannt. Die Wissenschaftler bekräftigen die gängige Behauptung, dass die sprachliche Sichtbarmachung der diversen Geschlechtsidentitäten zur Grundlage einer weltoffenen Gesellschaft gehöre. Insgesamt 145 Wissenschaftler haben den Brief unterzeichnet. Die CDU-Fraktion antwortet darauf, dass die Wissenschaftsfreiheit respektiert werde, „aber gleichzeitig sollte die Wissenschaft auch die deutsche Sprache respektieren“. Alle überregionalen Medien (zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung) befassen sich mit dem Thema. Am interessantesten ist dabei nicht die Sache (das Gendern), sondern der Umstand, dass ohne die AfD im Landtag der CDU-Antrag keine Mehrheit gefunden hätte … (n-tv.de, sueddeutsche.de)

3. Kultur

Sprache im geteilten Deutschland

Die Sendung „Aus den Archiven“ des Deutschlandfunk befasst sich in der neuesten Ausgabe mit den Varianten des Deutschen im Westen und in der DDR. Die Beiträge von Friedhelm Jeismann und Gisela Schütze aus den Jahren 1968 und 1980 gehen unter anderem der Frage nach, inwiefern Ost- und Westdeutsch überhaupt existierten. Während der Westen nach Schlagworten wie „Mehrwertsteuer“, „Baukostenzuschuss“ und „Sozialpaket“ klang, spiegelten im Osten „Brigade“, „Establishment“ und „antiautoritär“ den Zeitgeist. Dazu werden auch Politiker und Schriftsteller wie Reiner Kunze befragt. Das Audio gibt es zum Herunterladen bei deutschlandfunkkultur.de.


Rheinische Wendungen

Jörg Manhold erklärt auf ga.de rheinische Redewendungen. „Hä kütt en Schluffe jekruffe“ ließe sich ins Hochdeutsch etwa mit „Er kommt in Pantoffeln angeschlurft“ übersetzen. Das Wort „Schluffe“ kann jedoch auch als Verb verwendet werden und hat eine ähnliche Bedeutung wie „kruffe“, nämlich kriechen oder schleichend gehen. „Schluffe“ als „Pantoffeln“ sei laut Sprachwissenschaftlern jedoch auf den rheinischen und niederdeutschen Sprachraum beschränkt. Das dazugehörige Verb mit der Bedeutung „nachlässig“ oder „träge“ sei jedoch ein eigenständiges Wort, das von der Nordsee bis in die Alpen verbreitet sei.

„Kellner, bringen Sie mir mal ein Kölsch!“ oder auf Rheinisch „Köbes, dunn mer ens eens!“ ist eine Redewendung, mit der sich Mundartfreunde besonders gern befassen. „Köbes“ bezeichnet im Rheinischen spezifisch den Kellner in einem Kölsch-Brauhaus. Der Ursprung der Redewendung gehe auf eine Legende zurück, heißt es, ist aber durch die Sprachwissenschaft nicht hinlänglich belegbar. Sie besagt, dass „Köbes“ die mundartliche Kurzform des Vornamens Jakob sei. Wirte der Pilgerherbergen hierzulande seien als „Köbes“ angesprochen worden, eine Anspielung auf den Jakobsweg. In der Mundart gelte der „Köbes“ auch als „vierschrötiger Mensch“, ein schlecht gelaunter, gemeinhin kleiner, dicker Mann, der „charakterlich derb und ungehobelt“ daherkomme. (ga.de, ga.de)


Wann iss, wann ess?

Hermann Unterstöger beschäftigt sich in der Süddeutschen in seiner sprachkritischen Kolumne „Sprachlabor“ mit dem e/i-Wechsel beim Imperativ: iss statt ess. Manche Schreiber und Sprecher machen darum einen Bogen, um sich „nicht bei der Verwendung der literarischen Hochsprache erwischen (zu) lassen“. Spannend werde es „bei wahlweise stark oder schwach konjugierten Verben. Es heißt: ‚Erschrick nicht!‘, aber: ‚Erschrecke ihn nicht!‘“ Als zweites Thema befasst sich Unterstöger mit dem Eindruck eines Lesers, dass das Wort unfassbar ein bisschen zu oft, nämlich unfassbar inflationär verwendet werde. (sueddeutsche.de)


4. Denglisch

Stellenanzeigen entschlüsseln

Digitale Stellenanzeigen und Berufsbezeichnungen greifen immer öfter auf Anglizismen zurück. Rilana Kubassa vom Tagesspiegel bezeichnet die Formulierungen als „kryptisch anmutende Wortkombinationen“, wie beispielsweise „Junior Consultant Platform Solutions“ oder „Working Trade Student Marketing Analyst“. Anstatt jedoch derartigen Beschreibungen auszuweichen, rät Kubassa dazu, Recherche zu betreiben, um die Anglizismen zu verstehen. Denn es sei ein grundlegendes Verständnis der englischen Begriffe notwendig, um moderne Stellenanzeigen zu lesen. Berufsbezeichnungen, die das Wort „Chief“ enthalten oder manchmal auch nur den Buchstaben C (dem „CEO“ nur ähnlich) bedeuten, dass man untergeordnete Bereiche eines Unternehmens führt. Der „Manager“ ist zumeist ein Abteilungsleiter, kann aber auch einzelne Personen oder Kunden betreuen. Kubassa vereweist darauf, dass die englischen Berufsbezeichnungen international vergleichbar sind. Zumeist sind es Bezeichnungen neuer Berufsfelder, wie Medien und Marketing, ursprünglich aus dem englischsprachigen Raum. Kubassa bezeichnet deutsche Übersetzung der englischen Berufsbezeichnungen in Stellenanzeigen daher als „kontraproduktiv“ und „unnötig“. Andererseits gibt auch Kubassa zu, dass Anglizismen interessanter und moderner klingen, zum Beispiel „Accountant“ statt „Buchhalter“. (tagesspiegel.de)


5. Soziale Medien

Prien mit Ansage gegen Gendern

Politiker sind dafür bekannt, dass sie gerne um den heißen Brei reden, keine klaren Aussagen treffen und die Bürger oft mit mehr Fragen zurücklassen als diese vorher hatten. Umso erfrischender ist die Ansage der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien (CDU) auf Twitter. Dort schrieb die Nutzerin @CarinaSmolik01: „K1, 9. Klasse, muss in den Aufsätzen im Deutschunterricht jetzt gendern. Wenn nicht, bekommen die Schüler Punktabzug. Lehrer sagt, Anweisung aus dem Landesbildungsministerium. Stimmt das @Prienkarin?“ Prien antwortete: „Leute, dass ist natürlich totaler Unsinn und wäre rechtswidrig. Bitte Schulleitung und Schulaufsicht sofort informieren.“ Für diese klare Kante erntete sie viel Zuspruch. (twitter.com/VDS_weltweit)

(Anm.: „K1“ bedeutet im Internet, wo es häufig auf die Länge ankommt, „Kind 1“, also das Erstgeborene; die nachfolgenden Kinder werden entsprechend K2, K3 etc. abgekürzt. Zitate sind hier wörtlich übernommen, inklusive der Rechtschreibfehler, die dabei ggf. unterlaufen.)


6. Kommentar

Sichtbare Verlogenheit

Zunächst ging es beim Gendern um die Sichtbarmachung der Frauen, dann der Schwulen, der guten Gerechtigkeit halber schließlich um alle Geschlechtsidentitäten. Tatsächlich sind aus dieser Perspektive zahlreiche weitere Minderheiten betroffen. „Wir möchten dazu beitragen, Menschen mit Behinderung sichtbarer zu machen. Sie sollten in allen Lebensbereichen mitgedacht werden.“ Sebastian Bergfeld, der in der WAZ zitierte Redaktionsleiter des Medienprojektes Wuppertal, möge uns verzeihen. Seine Worte, ganz aus dem Zusammenhang gerissen, ermuntern aber zu einer korrigierten Formulierung. Ohne den Wuppertalern hier zu widersprechen: Im Grunde geht es nicht um Sichtbarmachung, sondern um tätige Würdigung. Es geht darum, dass Greifbares geschieht, dass es getan wird – statt alles Pulver darauf zu verschießen, dass ungerecht Erlebtes erst einmal anders benannt wird – und dabei bleibt es dann: „Dafür haben wir uns doch ordentlich aus dem Fenster gelehnt!“ Nein, neue Benennungen stellen sich nachher von alleine ein – wenn neue Fakten durch Taten entstehen. (Oliver Baer)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

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