Infobrief vom 23. Juli 2022: Ausdrucksstarke Symbole

1. Presseschau

Ausdrucksstarke Symbole

Emojis gehören zur Verständigung per Telefon-Messengerdiensten und im Netz. Die Symbole und die kleinen gelben Gesichter bereichern die Ausdrucksfähigkeit. Am 17. Juli fand nun der internationale Emoji-Tag statt. An dem Tag wird festgestellt, welche Emojis auf Plattformen wie Instagram und Twitter am häufigsten genutzt werden. Jeder fünfte Tweet beinhaltet mittlerweile ein Emoji. Am beliebtesten ist das weinende Gesicht. In den meisten Ländern werden jedoch überwiegend Gesichter mit Freudentränen und rote Herzen verwendet. Die Bildplattform Instagram stellt fest, Sport-Emojis seien besonders beliebt. Nach Fußball auf Platz 1 werde der Yoga-Emoji häufig verwendet. Immer wieder kommen Software-Aktualisierungen auf den Markt, die neue Emojis vorstellen. 2022 seien die weltweit beliebtesten Emojis das „Gesicht hält Tränen zurück“, „Herzhände“ und „schmelzendes Gesicht“ gewesen. (onlinemarketing.de)


Ukrainisch als Amtssprache

Die Ukraine hat seit 2019 ein Sprachgesetz zur Stärkung der ukrainischen Sprache, seinerzeit unterzeichnet von Präsident Selenskyjs Vorgänger Pereschenko. Demnach soll Ukrainisch in öffentlichen Einrichtungen als einzige Sprache verwendet werden und auch Film, TV und Radiosendungen sollen eine Ukrainisch-Quote einhalten. Die Bestimmungen des Gesetzes traten schrittweise in Kraft, „um nicht jene vor den Kopf zu stoßen, die bis dahin die ukrainische Sprache noch nicht beherrschten,“ berichtet die taz. Seit Mitte Juli 2022 werden Verstöße mit Geldstrafen geahndet. In dem bilingualen Staat wird im Westen überwiegend Ukrainisch gesprochen, im Osten besteht die Verkehrssprache überwiegend aus russischen Dialekten mit ukrainischen Komponenten, auch als Asarowsche Mischsprache bekannt. Dem soll das umstrittene Gesetz entgegen wirken. Ukrainisch müsse seit Juli 2022 zum Beispiel im Fernsehen und im Kino, in Buchverlagen sowie im Tourismus und bei Stadtführungen benutzt werden, berichtet die taz. Das gleiche gelte seit Januar 2022 für überregionale Zeitungen, ab Mitte 2024 auch für die Lokalpresse. Bußgeldstrafen sollen nicht den Alltagsgebrauch der russischen Sprache betreffen, sondern die Amtssprache, auch bei öffentlichen Verlautbarungen über die Lage an der Front. „Bis heute gibt es Bürgermeister oder Leiter von Militärverwaltungen, die Informationen über Beschuss, Folgen von Raketeneinschlägen und anderen Kriegsereignissen nur auf Russisch weitergeben“, schrieb Taras Kremin, Ombudsmann für den Schutz der Staatssprache, auf Facebook. Jedoch werden nicht nur Äußerungen auf Russisch in der Öffentlichkeit geahndet. Auch das Verwenden von Deutsch oder Englisch durch Amtspersonen und Unternehmen wird kritisiert. Als Beispiel führte die Behörde englischsprachige Äußerungen von Präsident Wolodymyr Selenskyj bei Besuchen des US-Schauspielers Sean Penn und des britischen Milliardärs Richard Branson an. (n-tv.de, taz.de)


Café Mohrenkopf wird umbenannt

Nach 70 Jahren auf dem Münchener Oktoberfest ändert das Traditionscafé „Mohrenkopf“ nun seinen Namen. Das Café ist traditionsgemäß mit einem kleinen Zelt auf der Wiesn vertreten. Die Torten und Kuchen werden weiterhin an derselben Stelle zu finden sein, jedoch sei der Name „nicht mehr zeitgemäß“. Die Betreiberin Katharina Wiemes sagt „eine Tradition stirbt, wenn man sich nicht weiterentwickelt.“ Die legendäre Wiesn-Konditorei wurde von ihrem Großvater Paul gegründet. Künftig läuft das Zelt unter dem Namen „Café Theres“. (tz.de)


Verein lässt friesisches Sylt aufleben

Die NDR-Sendung Nordtour präsentiert den Verein Sölring Foriining, er stellt die Interessenvertretung der Friesen auf Sylt dar. Trachten, Tänze, Architektur und Sprache der Friesen sind die Anliegen des Vereins. Sinje Lornsen möchte alle Sylter für das Friesentum begeistern. Sprache, Respekt und Weltoffenheit seien die Grundlagen der friesischen Kultur. Die Vorsitzende des Vereins Maren Jessen erklärt, dass sich die lange Ahnengeschichte der Friesen durch die Sprache definiert. Auch wenn sie heutzutage nicht mehr zwingend gesprochen, sondern eher verstanden wird, sei dies ein „integraler Teil“ friesischer Identität. Jessen und Lornsen treten selber mit Puppenspielen auf Friesisch in Schulen und Theatern auf. (ndr.de)


2. Gendersprache

Argentinien verbannt Gendersprache aus öffentlichen Schulen

Durch einen großen Artikel in der New York Times vom 20. Juli wurde eine schon im Juni getroffene Entscheidung der argentinischen Landeshauptstadt Buenos Aires weltweit bekannt, die Verwendung von Gendersprache in öffentlichen Schulen zu verbieten. Der Chef der Stadtverwaltung, Horacio Rodriguez Larreta, beruft sich auf die Real Academia Española (das spanische Äquivalent der Académie française) als der maßgeblichen Institution für die Pflege der spanischen Sprache. Auch die Academia Argentina de Letras, die für die spanische Sprache in Argentinien zuständig ist, steht hinter der Entscheidung. Demnach sind genderneutrale Wortneubildungen wie in „Todes celebran juntes“ (alle feiern zusammen) hinfort unzulässig, da überflüssig und verwirrend. Das nichtmarkierte grammatische Maskulinum genüge: „Todos celebran juntos.“ (nytimes.com (auf Englisch))


Biobäcker eröffnet Genderfiliale

In Wiesbaden eröffnet die Bäckereikette „Biokaiser“ im September eine Filiale, die den gegenderten Namen „Biokaiser*in“ tragen soll. Die Unternehmenssprecherin Shari Fischer erklärt, dass die Filiale von jungen Mitarbeitern geplant und gestaltet werde und dem Unternehmen die „Gleichstellung aller und das Sehen von Minderheiten ein Anliegen“ sei. Fischer sagt, man habe überwiegend positive Rückmeldungen zum geplanten Konzept der Filiale erhalten. Neben dem gegenderten Namen setzt die Filiale auf „innovative ökologische Lösungen“ bei der Einrichtung wie gebrauchte Tische, Stühle und Reststoffe aus der Textilindustrie. Weitere Genderfilialen an anderen Standorten seien bei Erfolg des jetzigen Projekts nicht ausgeschlossen. (merkurist.de)


Sinnloser Genderstreit

In der Brigitte-Kolumne „Kopfkarussel“ schreibt Christian Schierwagen über die Sinnlosigkeit des Genderstreits. Manche Themen eigneten sich aufgrund ihrer Emotionalität nicht für ein Streitgespräch und die Debatte um die Gendersprache sei genau ein solch emotional geführtes Streitthema. Dabei hebt er hervor, dass sich die Streitkultur mit den Jahren verändert habe und Argumente oft nicht mehr überzeugten. Er zitiert den Kommunikationspsychologen Frank Naumann aus einem Interview mit der Zeit: „Was sich durchsetzt, sind Interessen“, so der Psychologe. So weit, so gut. Doch dann macht Schierwagen genau das, was er selbst als sinnlos bezeichnet: Er trägt zwei Argumente vor, die häufig gegen das Gendern verwendet werden, und versucht diese dann mit Gegenargumenten zu entkräften. Zum einen nennt er die Zerstörung der deutschen Sprache und zum anderen die Aufrechterhaltung der „biologischen Natürlichkeit“. Beide seien geheuchelt und für sich genommen schon „vollkommener Nonsens.“ Wenn sich jemand durch die Gendersprache diskriminiert fühle, solle man sich nicht sogleich lautstark mit „Dieser ganze Gender-Wahnsinn geht mir so auf die Nerven, ich kann es nicht mehr lesen!!!“ zu Wort zu melden. Vielmehr könne man auf jemanden, der sich durch Sprache verletzt fühle, mit „Ich sehe dich, wie kann ich dir helfen?“ reagieren. (brigitte.de)

3. Sprachspiele: Unser Deutsch

schickimicki

Als der Finanzminister unlängst seine zweite Ehe mit einem Aufgebot hochrangiger Gäste auf der Ferieninsel Sylt zelebrierte und im Promi-Lokal Sansibar festlich beging, da dachten manche Beobachter nur: schickimicki. Das deutet Distanz an gegenüber dem hochgestellten Politiker, der zur Zeit die Aufgabe hat, die finanziellen Folgen der Corona-Epidemie und des Ukraine-Krieges zu bewältigen, ärgste Not zu lindern und dafür andere zu schröpfen. Eigentlich sei das ein Substantiv – so die Wörterbücher – und bezeichne ‚jmd., der sich betont modisch gibt, Wert auf modische Kleidung, modischen Tand legt‘. Das Wort kam in den 80er Jahren auf, hat inzwischen seine Bedeutung erweitert und ist heute auch als Adjektiv verwendbar.

Der kritische Ton rührt von der Bildungsweise her. Das Adjektiv schick, um 188o entlehnt aus französisch chic, hat eine zweifache Erweiterung erfahren: durch die Ableitung mit dem Suffix –i und die Verdoppelung (Reduplikation). Das Suffix –i ist hochproduktiv, es bildete ursprünglich Koseformen wie Mutti, Opi, Hansi, später auch scherzhafte Personenbezeichnungen wie Schatzi, Knacki , Studi sowie Sachbezeichnungen wie Trabbi, Brummi, Kuli. Die spielerische Verdoppelung durch –micki setzt hier noch eins drauf. Diese Form der Wortbildung ist im Deutschen selten. Andere Sprachen nutzen sie ausgiebig. Lateiner erinnern sich vielleicht an die Stammformen von ‚laufen‘ und ‚täuschen‘, currō – cucurrī, fallō – fefellī. Reduplikation diente der Tempusbildung. Wir kennen Verdoppelung vor allem aus der Kindersprache. Es ist die erste, die sogenannte Lallphase, in der wohl Wörter wie Papa und Mama, Pipi und Popo gebildet wurden. In diesem Umfeld ist schickimicki als scherzhaft-kritisch einzustufen. Entscheidend ist der Kontext. Wer bald den Sprit für seinen alten Diesel nicht mehr zahlen kann und auch den Urlaubsflug meiden muss, der findet das Vorzeigen des feschen Porsche, den Privatflieger eines illustren Gastes und überhaupt die pressefreundlich dargebotene Bewirtung einer Hundertschaft von Gästen zumindest unpassend, eben schickimicki.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


4. Kultur

Latein lebt

Im Mai berichtete der Infobrief bereits über die geplante Sonderausstellung zur lateinischen Sprache „Latein. Tot oder lebendig?“ in Lichtenau. Nun ist die Ausstellung in vollem Gange und unter den Besuchern findet sich auch eine Gruppe von Menschen, welche die alte Sprache in den modernen Sprachgebrauch integrieren möchte. Latein-Lehrer Christian Kupfer bietet einen Konversationskurs an, in dem Latein nicht wie üblich zur Übersetzung antiker sowie mittelalterlicher Texte, sondern zur lebhaften Unterhaltung verwendet wird. Mit 15 Teilnehmern war der Kurs sofort ausgebucht. Für den modernen Sprachgebrauch sei jedoch auch Kreativität gefragt. Lockere Gespräche könnten mit „Venio Colonia“ – Ich komme aus Köln – begonnen werden. Mit „potio Arabica“ kann man sich zum Kaffee einladen. Die Neo-Römer versuchen jedoch auch Begriffe des 21. Jahrhunderts in die lateinische Sprache zu übersetzen. Aus dem Selfie, also der Fotografie in der Art eines Selbstportraits, wird „ipsulum“, gebildet aus „ipse“, also „selbst“. Die E-Mail ist die „epistula electronica“. Der Trend, Latein wieder zum Leben zu erwecken, erfreut sich internationaler Beliebtheit. Die Treffen und Kursangebote dienen hierfür nicht nur dem Selbstzweck, sondern stehen im Dienst des Sprachenlernens. (westfalen-blatt.de)


5. Denglisch

Forscher bevorzugen Englisch

Sascha Zoske plädiert in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für die Rückkehr des Deutschen als Wissenschaftssprache. Manche Professoren sprächen weiterhin fast nur Englisch, obwohl sie seit vielen Jahren an deutschen Instituten tätig sind. Die Verkehrssprache in den Forschungsstätten der Biochemiker, Astrophysiker oder Neuropsychologen sei dominiert vom Englischen. Selbst Pressemitteilungen werden fast ausschließlich auf Englisch verfasst. Zoske beschreibt, dass sich eine Art Parallelgesellschaft gebildet hat, denn in Instituten, Tagungen und Publikationen sei Englisch ausschlaggebend. Zoske betont jedoch, dass er grundsätzlich nicht gegen eine Internationalisierung ist, sondern die sprachliche Beschränkung als Nachteil sieht. Schließlich sei nicht jeder wissenschaftsinteressierte Mensch sicher genug im Englischen, um sich über komplexe physikalische oder biologische Phänomene unterhalten zu können. Auch aus Sicht der Arbeitgeber ist Deutsch in der Wissenschaft erstrebenswert. Die Goethe-Universität in Frankfurt teilt mit, dass der Deutscherwerb der dort tätigen Wissenschaftler „Bestandteil des organisatorischen Selbstverständnisses“ sei. (faz.net (Bezahlschranke))


6. Soziale Medien

Kiels peinliches Gedenken

Anlässlich des internationalen Gedenktags für Drogentote zwitscherte die Landeshauptstadt Kiel auf Twitter einen Hinweis auf eine geplante Gedenkveranstaltung. Jedoch leistete sich der Verfasser im zuständigen Team einen Fehltritt. Aus dem Gedenktag für Drogentote wurde der „internationale Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen“. Und weiter hieß es: „In Gedenken an die verstorbenen Drogengebrauchenden“. Mehrere Nutzer, unter anderem der VDS, empfanden den Einsatz der Gendersprache an dieser Stelle unpassend. Nutzer @Carrot1Couch kommentiert „Drogengebrauchende? Das verharmlost einfach mal maßlos.“ Das tragische Schicksal der Opfer werde durch den Einsatz der Gendersprache nicht deutlich genannt und heruntergespielt. Nutzer @ChronoKoala fragt berechtigterweise „Müsste es nicht Drogengebrauchthabende heißen?“ (twitter.com)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Walter Krämer, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel, Jeanette Zangs

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