Infobrief 358: 16/2017 Schleswig-Holstein erntet Kritik

1. Presseschau vom 14. bis 20. April 2017

2. VDS-Termine

3. Literatur

4. Denglisch

 

1. Presseschau vom 14. bis 20. April 2017

Schleswig-Holstein erntet Kritik

Die in „Leichter Sprache“ verfasste Wahlbenachrichtigung zur Landtags­wahl in Schleswig-Holstein sorgte bereits unmittelbar nach Versendung für reichlich Aufsehen (siehe Infobrief 14/2017). Nun hat sich auch der Verein Deutsche Sprache mit einer Pressemitteilung zu Wort gemeldet: „Die Benachrichtigung ist nicht nur ein Frontalangriff auf unsere Sprache, es ist zweifelhaft, ob sie wegen ihrer Verfälschungen überhaupt als gültig angesehen werden kann“, so VDS-Vorstandsmitglied Dr. Reiner Pogarell. Sie verunglimpfe das „berechtigte Anliegen leseschwacher Menschen“ und weise zudem „grobe Eingriffe in Wortschatz und Grammatik“ auf. Auch inhaltlich sei die Wahlbenachrichtigung fehlerhaft, wenn es beispielsweise heißt: „Sie können eine Brief-Wahl machen“. Das können zwar die Organisatoren der Wahl, die Wähler und Wählerinnen selber dürfen jedoch lediglich „per Brief ihre Stimme abgeben“, betont Pogarell. „Mit seiner Kritik wendet sich der Verein Deutsche Sprache ausdrücklich nicht gegen Versuche, Personen mit Leseschwächen bei der Bewältigung ihres Alltags zu helfen. Das Adressieren aller Wahlberechtigten in „Leichter Sprache“ sei aber eher geeignet, dieses berechtigte Anliegen zu diskreditieren“, heißt es in der Pressemitteilung. VDS-Mitglied und Autor Bastian Sick verweist auf seinem Internetblog zudem darauf, dass in dem Brief an keiner Stelle auf die „Leichte Sprache“ und somit auf den Grund für das „ungewohnte Schriftbild“ verwiesen wurde. (welt.de, zeit.de, stern.de, vds-ev.de, bastiansick.de)

 

Handschrifttrainer

Ob Angestellter oder Unternehmer – auch in Zeiten von E-Post und Videokonferenzen ist die Handschrift nach wie vor ein wichtiger Faktor für die berufliche Außendarstellung. Auch wenn sich handschriftliche Notizen häufig nur noch auf kurze Sätze auf Klebezetteln beschränken, ist die Nachfrage nach Handschrift-Trainern groß. Die Hamburgerin Susanne Dorendorff ist eine von ihnen und hat in ihren Seminaren häufig mit Führungskräften zu tun, deren Handschrift auf dem Niveau von Drittklässlern sei. Zu ihren „Schülern“ gehören allerdings nicht nur Geschäftsleute, sondern auch schon Kinder. Laut einer Umfrage des Deutschen Lehrerverbands haben rund 83 Prozent der Grundschüler Probleme mit der Handschrift, die sich im Erwachsenenalter zu einer Schreibphobie entwickeln können, wie Dorendorff bei ihren Klienten beobachtet. Dies ist vermutlich eine Konsequenz der sinkenden Wertschätzung und mangelnden Förderung der Handschrift in Schulen. In Finnland wurde die Schreibschrift im Unterricht sogar vollkommen abgeschafft. Dort lernen die Schüler stattdessen neben der Blockschrift den Umgang mit der Tastatur am Computer. (sueddeutsche.de)

 

Sprache im Ruhrgebiet

Seit 2006 erforschen Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum den „Korpus der gesprochenen Sprache des Ruhrgebiets“. Das Projekt untersucht, wie der Dialekt in Filmen oder Romanen vermittelt und tatsächlich im Alltag, beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln, gesprochen wird. Besonders prägnant für den Dialekt im Ruhrgebiet sei demnach, Vokale in die Länge zu ziehen. Andere obligatorische Begriffe seien hingegen nur vermeintlich typische Merkmale des Dialekts, wie die Projektleiterin Kerstin Kucharczik erklärt: „Die t-Endung bei dat und wat und die Kontraktionen wie hasse, kannse, willse sind eigentlich gar nicht isoliert typisch für das Ruhrdeutsche. Man kann sie auch in anderen Regionen finden.“ Ziel des Projekt sei es, das Ansehen der „früher derart diskriminierten“ Sprache zu verbessern, erklärt der Germanist Heinz Menge. Besonders die Medien greifen durch Vorurteile belastete Ausdrücke auf und tragen so zu dem schlechten Bild des Ruhrdeutschen bei, wie Steffen Hessler, wissenschaftlicher Mitarbeiter des germanistischen Instituts, betont. „Gerade Possessivkonstruktionen – ,Kind, dann fahr doch mit de Mama ihr Auto‘ – nutzen die Leute häufig als Sprachspiel und nicht, weil sie wirklich so reden würden.“ So sei auch die aus Currywurst und Pommes bestehende „Mantaplatte“ eine Zuschreibung, die sich erst durch den medialen Gebrauch im Ruhrgebiet festigte. Aus diesem Grund sei es wichtig, sich die Unterschiede zwischen Mediolekt und dem tatsächlichen Regiolekt bewusst zu machen, findet Hessler. Eine Veränderung des Dialekts durch Zuwanderer erkennen die Forscher hingegen nicht. Anders als vielerorts angenommen, leitet sich das Ruhrdeutsche nicht vom Polnischen, sondern vom Plattdeutschen und Jiddischen ab und blieb somit schon in den Jahrzehnten zunehmender Migration weitestgehend unverändert. (deutschlandfunk.de, news.rub.de)

 

Rund um das Bairische

Bereits vor acht Jahren stufte die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) das Bairische als bedrohte Sprache ein. Thomas Pfeffer, Erzieher und Kreisvorsitzender im Landkreis Deggendorf, hat in einer nicht-repräsentativen Telefonumfrage städtischer Kindergärten den Anteil der Bairisch-Sprecher erfasst. Der niedrigste Wert lag bei 35 Prozent, der Durchschnittswert lag zwischen 50 und 60 Prozent. Pfeffer sieht in den Städten einen stärkeren Rückgang des Dialekts als in den kleineren Gemeinden. Dies ließe sich auf den geringen Migrationsanteil und den sozialen Status der Dialekte auf dem Land zurückführen.

Auch der „Förderverein Bairische Sprache und Dialekt“ bemüht sich um weitere Unterstützer. Neben dem emeritierten Papst Benedikt XVI. und dem Sprachwissenschaftler Ludwig Zehetner wird nun die Biathletin Laura Dahlmeier als Ehrenmitglied in den rund 3300 mitgliederstarken Förderverein aufgenommen.

Wie gut kennen Sie sich mit der bairischen Sprache aus? In der Süddeutschen Zeitung können Sie ihr Wissen rund um den Dialekt aus dem Süden in einem Quiz testen. Worum handelt es sich bei einem Waggala? Und was ist ein Pflotsch? Zum Quiz geht es hier. (hogn.de, bayernkurier.de, quiz.sueddeutsche.de)
(25.04.2017 korrigiert)

 

2. VDS-Termine

22. April 2017 Region Afrika (Elfenbeinküste)
Tag der deutschen Sprache
Zeit: 8:00 Uhr
Ort: Lycee Moderne Bongouanou

23. April 2017 Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
„Nachrichten aus dem Bergischen Denglisch-Land“ Produktion der VDS-Region Bergisch-Land
Radio-Wuppertal, UKW (FM) 107,4 MHz
Zeit: 19:00 – 20:00 Uhr (nach den Nachrichten)

25. April 2017 Sprachrettungsclub Bautzen/Oberlausitz e. V.
Bautzens Sprachretter laden zu einem Abend voller Poesie und Musik ein. Hartmut Zielonka lässt uns den „Atem der Liebe“ mit Unterstützung von Interpreten des Philipp-Melanchthon-Gymnasiums spüren
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Spree-Pension, Fischergasse 6, 02625 Bautzen

25. April 2017 Region 30 (Hannover)
Mitgliederversammlung und Vortrag Dr. Reiner Pogarell (VDS-Vorstandsmitglied): „Woran sterben Sprachen?“
Zeit: 16:00 Uhr (Versammlung), 17:00 Uhr (Vortrag)
Ort: Versammlungsraum des Rudolf-Steiner-Hauses, Brehmstraße 10, 30173 Hannover

25. April 2017 Region 57 (Siegen)
Mitgliederversammlung mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Landgasthof „Merje“, Kreuztal-Kredenbach

26. April 2017 Region 04 (Leipzig)
Regionalgruppentreffen mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: H.Tangermann, Ludolf-Colditz-Straße 34, 04299 Leipzig

26. April 2017 Region 27 (Bremerhaven, Cuxhaven)
Vortrag Dr. Reiner Pogarell (VDS-Vorstandsmitglied): „Woran sterben Sprachen?“
Zeit: 17:00 Uhr

26. April 2017 Region 84 (Landshut)
„Leselupe“ – Literaturstammtisch in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Bildungswerk Landshut e. V.
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Evangelisches Bildungswerk Landshut, Luitpoldstraße 3 (II. Stock), 84034 Landshut

 

3. Literatur

Akademieausgabe von Uwe Johnson

Schriftsteller Uwe Johnson erhält als erster Autor des 20. Jahrhunderts eine Akademieausgabe seiner Werke. Damit reiht er sich neben literarische Größen wie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller ein, deren Ausgaben bereits von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften editiert wurden. Als erstes Werk der 43-bändigen Werkausgabe erschien nun in Rostock „Mutmassungen über Jacob“ aus dem Jahre 1959. Unter dem Namen „Rostocker Ausgabe“ solle die Reihe in den nächsten 20 Jahren vollständig veröffentlicht werden, so Holger Helbig, Inhaber der Uwe-Johnson-Stiftungsprofessor an der Universität Rostock. (deutschlandradiokultur.de)

 

Reclam wird 150

Literarische Klassiker und ein gelber Umschlag sind sein Erkennungszeichen. Der Reclam-Verlag feiert in diesem Jahr sein 150. Bestehen. Besonders unter Schülern sind die kleinen Büchlein bekannt und gefürchtet. Als zeitlose Schullektüre führt Schillers „Wilhelm Tell“ mit 5,4 Millionen Exemplaren die Bestsellerliste des Verlags an, gefolgt von Goethes „Faust“ und Kellers „Kleider machen Leute“. Mit einer Änderung der Urheberrechtsregelung beginnt die Geschichte des Verlags 1867, der schnell ausgebaut wird und schon bald 140 Titel jährlich veröffentlicht, darunter Klassiker der deutschen und europäischen Literatur, antike Texte, philosophische Werke, Unterhaltungsliteratur, Gesetzesausgaben und Operntexte. 1912 können die erschwinglichen Ausgaben sogar erstmals an Automaten gezogen werden. Neben der seit 1970 typischen Farbe zeichnen sich die Büchlein vor allem durch ein anderes Merkmal aus: „Im Gegensatz zu anderen Büchern sind viele Reclam-Hefte mit Markierungen und Notizen versehen, manchmal regelrecht zerlesen. Man sieht, dass mit ihnen gearbeitet wurde“, beschreibt Ulrich von Bülow, der Leiter des Literaturarchivs in Marbach den besonderen Reiz Reclams. (morgenpost.de)

 

4. Denglisch

Moonlight Shopping

Am 27. April findet in der Berner Innenstadt zum wiederholten Male das „Moonlight Shopping“ statt. Kolumnist Martin Erdmann erklärt in „Der Bund“ auf humoristische Weise, warum Besucher dem nächtlichen Einkauf fernbleiben sollten. Statt einem „bronzenen Kuchenboden-Mond“, wie er auf den Plakaten zum „Moonlight-Shopping“ abgebildet ist, werde der Einkauf am 27. April bis zur Hälfte bei Tageslicht stattfinden. Denn laut Erdmann gehe die Sonne an diesem Tag erst um 20.35 Uhr unter. Danach folgt die Dämmerung, die bis 21.50 Uhr anhält. Da in der vorherigen Nacht Neumond ist, müsse man beim „Moonlight-Shopping“ wohl gänzlich ohne Mond auskommen. Neben der Widerlegung dieser leeren Versprechungen bezieht sich Erdmann auch auf den Verein Deutsche Sprache, der bereits in einer Mitgliederversammlung in Halle im Jahre 2010 die Nutzung von englischen Bezeichnungen wie „Moonlight Shopping“ kritisierte. (derbund.ch)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche über die deutsche Sprache. Bestellbar unter: infobrief@vds-ev.de.

RECHTLICHE HINWEISE

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Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Anna Beckmann, Lea Jockisch, Holger Klatte

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