Infobrief 438 (44/2018): 25 Jahre Niederdeutsch

1. Presseschau

  • 25 Jahre Niederdeutsch

2. Unser Deutsch

  • Nischel

3. Berichte

  • VDS in der Presse

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Rhetorik der Alternativlosigkeit
  • Büchner-Preis

6. Denglisch

  • Halloween

 

1. Presseschau

25 Jahre Niederdeutsch

Deutsche Mundarten – Michael Postmann [public domain – gemeinfrei], von Wikimedia Commons
Seit 25 Jahren kann an der Universität Greifswald Niederdeutsch studiert werden. Mit dem Felix-Hausdorff-Zentrum gibt es seit zwei Jahren ein eigenes Kompetenzzentrum für die Niederdeutschdidaktik des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Niederdeutsch ist Teil des Bildungsangebotes der Germanistik für angehende Deutschlehrer. Da Niederdeutsch im Zuge des „Landesheimatprogramms“ als dritte Fremdsprache in der Schule festgelegt ist, vermittelt es den Absolventen eine Karrierechance: Sie werden bevorzugt eingestellt. (ostsee-zeitung.de)

 

2. Unser Deutsch

Nischel

So nennen die Chemnitzer jene monumentale, sieben Meter hohe Plastik des sowjetischen Bildhauers Lew Kerbel, die den Namensgeber der Stadt zu DDR-Zeiten darstellt, quasi das Abbild ihrer Umbenennung: Karl Marx. Nischel ist ein Dialektwort für ‚Kopf‘, liebevoll und respektlos zugleich, bekannt im Sächsischen, Thüringischen und Schlesischen. Davon ist auch das Verb nischeln abgeleitet, für ohrfeigen, an den Haaren ziehen, Kopfnüsse verteilen.
Hier geht es um das riesige Haupt jenes deutschen Revolutionärs aus Trier, der zusammen mit Friedrich Engels aus Barmen, seinem Weggefährten, Koautor und Förderer, meist im Exil lebend, ein Gedankengebäude errichtet hat, welches die Welt um ihrer Besserung wegen bis heute in verfeindete Lager zerteilt hat.
Dieser Nischel, inzwischen Wahrzeichen von Chemnitz, Erinnerung an den 1953 aufgedrungenen Namen Karl-Marx-Stadt, dieser Nischel des unermüdlichen Revolutionärs, des bekanntesten Deutschen nach Martin Luther, prangt riesig im Hintergrund der Bilder gewalttätiger Demonstrationen, ein Mahnmal für das, was menschlicher Verstand und Unverstand anrichten kann, eine Erinnerung an die Leidenszeit der Stadt in der Deutschen Demokratischen Republik.
Ein anderes Denkmal des berühmten Mannes steht seit dem 5. Mai 2018 auf dem Simeonstiftsplatz der Stadt Trier, in der Karl Marx vor 200 Jahren geboren wurde. Die fünfeinhalb Meter hohe Statue des chinesischen Künstlers Wu Weishan ist ein Geschenk der Volksrepublik China, das mit gemischten Gefühlen angenommen wurde.
Auch Friedrich Engels wurde von einem chinesischen Künstler verewigt, eine Statue, die ihn als nachdenklichen Mann zeigt. Widerspruch gegen das Geschenk aus der Fremde gab es auch damals. Doch sind die Wuppertaler nicht so zimperlich. Nach ihrem großen Sohn, Friedrich Engels, haben sie die längste Straße der Stadt benannt, welche von Elberfeldt – Döppersberg bis zum Barmer Alten Markt führt, parallel zur Wupper und zur Schwebebahn über ihr.
Drei Monumente, von Künstlern aus kommunistischen Staaten gestaltet, von der Sowjetunion und China gespendet – Danaergeschenke, deren man sich nicht erwehren konnte und denen man nur halben, zerquetschten Dank zubilligt. Hin- und hergerissen zwischen der Achtung vor den großen Denkern aus der eigenen Heimat und der Abscheu vor den Folgen. Ach, könnte man doch die Leistung trennen von ihrem Missbrauch, das großartige Engagement für soziale Gerechtigkeit von der verheerenden politischen Anwendung!

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. Berichte

VDS in der Presse

Die Oberhessische Presse berichtete in der vergangenen Woche über die Arbeit der VDS-Mitglieder Ernst Lorch und Hermann Schubart, die sich mit ihrer Regionalgruppe in Marburg insbesondere der Themen Anglizismen und Gendersprache angenommen haben, und warb für das nächste Mitgliedertreffen. (op-marburg.de)

 

4. VDS-Termine

6. November, Region 38 (Braunschweig, Salzgitter, Wolfsburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 16:00 Uhr
Ort: Gaststätte Holzwurm, Georg-Westermann-Allee 36, 38104 Braunschweig

7. November, Region 97 (Würzburg)
Regionaltreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Am Stift Haug Textorstraße 24, 97070 Würzburg

9. November, Region 24 (Kiel, Flensburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Restaurant Waldschänke, Projensdorfer Str. 232, 24106 Kiel

9. November, Region Dänemark
Vortrag von Vorstandsmitglied Dr. Reiner Pogarell zum Thema Woran sterben Sprachen?
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Kulturhaus Valby, Zimmer 1, 3. OG, Valgårdsvej 4, 2500 Valby, Dänemark

 

5. Literatur

Rhetorik der Alternativlosigkeit

Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung stellt die Politikwissenschaftlerin Astrid Séville ihr neues Buch Der Sound der Macht vor. Den Klang, den sie sich von der Politik wünscht, beschreibt Séville als „so zivilisiert wie möglich“, er solle politische Differenzen „manifestieren“, aber auch „die Komplexität von Politik deutlich machen“. Vor allem aber solle nicht mehr versucht werden, „die ideologischen Hintergründe und Unsicherheiten von politischen Entscheidungen zu vernebeln“. Die Rede von „Alternativlosigkeit“ insbesondere im Hinblick auf Sachzwänge, die zwar existieren, aber nicht zum Abwürgen von Diskussionen missbraucht werden dürfen, sei „technokratisch-ermüdendes Gerede der etablierten Parteien“. Wählerinnen und Wähler müssen aber auch bereit sein, Widersprüche, Komplexität und Unsicherheiten auszuhalten und zunächst Unverständliches nicht gleich als „Elitenklüngel“ zurückzuweisen. (sueddeutsche.de)

 

Büchner-Preis

Der diesjährige Georg-Büchner-Preis geht an die deutsch-ungarische Autorin Terézia Mora. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird seit 1951 durch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung vergeben. Er gilt als wichtigster Literaturpreis Deutschlands. Die ausgezeichnete Autorin erhielt bereits 2013 den Deutschen Buchpreis für ihren Roman Das Ungeheuer, der Teil einer Trilogie über einen IT-Spezialisten namens Darius Kopp ist. Mora kritisierte in ihrer Dankesrede die Debattenkultur in Deutschland, die sich radikalisiert habe, sowie den Fokus der medialen Berichterstattung zu ihrer Auszeichnung mit dem Deutschen Buchpreis. Bereits in den Überschriften habe dieser immer darauf gelegen, dass sie eine Frau und Ausländerin sei. Mora nannte den Effekt, den dieser Umstand auslöse ein „seltsames Licht“, das auf „den schönen freien Menschen“ falle. (zdf.de, deutschlandfunk.de)

 

6. Denglisch

Halloween

Halloween ist ein Fest, dessen Tradition nicht in Deutschland verwurzelt ist und von vielen immer noch als befremdlich betrachtet wird. Auch viele englische Wörter, die im Zusammenhang mit Halloween importiert wurden, stoßen auf Ablehnung. Halloween regt aber durchaus auch dazu an, sich mit der deutschen Sprache auseinanderzusetzen. T-Online führt dazu verschiedene Aufsagereime an, die von Kindern in der Hoffnung auf Süßigkeiten vorgetragen werden, zum Beispiel diesen: „Wir sind die Spukgespenster // und machen sehr viel Krach. // Wir sind die Spukgespenster // und steigen euch aufs Dach! // Doch habt Ihr süße Sachen, // hör’n wir auf, Krach zu machen!“. Vielleicht verlegt die jüngere Generation ältere Karnevalstraditionen auf einen anderen kalten Tag, aber wessen Empfinden seiner religiösen Bindung an den Reformationstag nicht durch Verkleidungen und Sprüche beeinträchtigt wird, sollte Kindern den Spaß gönnen können. (t-online.de)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Redaktion: Oliver Baer

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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