1. Presseschau
- Krämers Sprachverein 2.0
- Lebendiger Dialekt?
- Vergessene Sprache
- Auch ein Dialekt – die Sprache der Politiker
2. Unser Deutsch
- Das oder dass?
3. Berichte
- Schlagzeile des Jahres in der Presse
- Geschlechtergerechte Sprache im DUDEN
4. VDS-Termine
5. Literatur
- Toter Dichter
- Tage des Lesens
6. Denglisch
- Sightseeing in Börlin
7. Sprachlosigkeit
- Im Inhalt spielen weder Text noch Bild eine Rolle
8. Kommentar
- Nützlich unterschieden, sinnlos bezeichnet
1. Presseschau
Krämers Sprachverein 2.0
Frauenrechtlerin Marlies Krämer, die von ihrer Sparkasse als Kundin und nicht als Kunde angesprochen werden möchte und ihren Rechtsstreit bis in den Bundesgerichtshof führte, hat nun einen Verein „zur Erlangung der sprachlichen Gleichberechtigung“ mit Sitz in Sulzbach gegründet. Die eigene Position macht der Verein auch in der Satzung deutlich, in der das „generische Femininum“ verwendet wird. Männer seien darin mitgemeint, die männliche Bezeichnung sei in Bezeichnungen wie Schriftführerin bereits enthalten. Es könne also natürlich auch ein Mann Schriftführerin werden. Die geschlechtergerechte Schreibweise mit Gendersternchen lehnt Frau Krämer ab. Dieses trenne die feminine Endung vom Hauptwort (vgl. Mitstreiter*in): „Ich möchte als ganze Frau erkennbar sein und nicht zerstückelt werden“. (sol.de, saarbruecker-zeitung.de)
Lebendiger Dialekt?
Die Pforzheimer Zeitung berichtet über Nachwuchsprobleme der Mundarttheater. Beispielsweise in Stuttgart bilden die Theater einen Verbund, so können sie einander Schauspieler ausleihen. Vereine, in denen sich Freunde eines Dialektes zusammentun, spüren derweil Aufwind und verzeichnen höhere Mitgliederzahlen. Wolfgang Wulz vom Mundartkünstlerverein mund.art führt das darauf zurück, dass die Bürger in der Globalisierung auf Heimat und Kindheitstraditionen zurückgreifen.
Viele junge Menschen beherrschen den Dialekt ihrer Heimatregion nicht mehr, verstehen ihn aber noch. So auch die aus Köln stammenden Mitglieder der Band AnnenMayKantereit. Ihre Sprache klinge zwar rheinisch, es fehle ihnen aber an „Fachvokabular“, sagt der Sänger Henning May. Lieder auf Kölsch zu veröffentlichen, überließen sie deshalb lieber anderen jungen Bands wie Kasalla. (nnn.de, pz-news.de)
Auch ein Dialekt – die Sprache der Politiker
In der Jahreschronik des Spiegel 2018 umreißt Nils Minkmar in einem kurzen Absatz den eigenen Beitrag der Volksparteien zum Verlust ihrer Bedeutung: „Innenpolitisch nähern sich SPD und Union auch sprachlich dem Punkt der Entropie: Wenn die Bundeskanzlerin eine Rede hält, vergisst man mitunter bereits vor dem Ende, worum es geht. Noch konfuser kommunizieren Olaf Scholz und Andrea Nahles. Selbst große politische Projekte wie die gemeinsame europäische Arbeitslosenversicherung werden so vorgestellt, dass höchstens einige Fachleute und Politjunkies überhaupt realisieren, was vollbracht wurde.“ Auch sonst lesenswert, diese Chronik.
An anderer Stelle, in der (oben erwähnten) Pforzheimer Zeitung wird dagegen Ministerpräsident Kretschmann mit seinem Honoratioren-Schwäbisch als guter Botschafter der Mundart gelobt. Ganz im Sinne der Image-Kampagne Wir können alles. Außer Hochdeutsch redet der Grüne, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Sein „Der Käs is gegessen“ zur Unwiderrufbarkeit des Bahnprojekts Stuttgart 21 ist unvergessen.
Vergessene Sprache
Einer bereits verschwundenen Sprache neues Leben einhauchen: Dieser Aufgabe haben sich Studenten der Universität Cambridge gestellt. Sie widmen sich mit Akkadisch einer Sprache , die seit etwa 2000 Jahren als ausgestorben gilt. Aus einem babylonischen Gedicht, überliefert auf einer Tontafel aus dem Jahr 701 nach Christus, entwickelten sie die Geschichte eines armen Mannes, der sein letztes Hemd gegen eine Ziege eintauscht und sie dem Bürgermeister seiner Stadt Nippur zum Geschenk machen möchte. Die Geschichte verfilmten sie in akkadischer Sprache. Das Ergebnis ihrer Arbeit ist auf YouTube zu sehen mitsamt deutschen Untertiteln und einem Transskript zum Mitlesen: youtube.com. (deutsch.rt.com)
2. Unser Deutsch
Das oder dass?
Das oder dass – braucht es das? So fragen schon Generationen von Schülern und Eltern. Warum unterscheidet unsere Rechtschreibung zwischen Artikel und Pronomen einerseits (das) und Konjunktion (dass, bis vor kurzem daß) andererseits? Warum, wagen manche zu fragen, werden im Englischen die gleichen Funktionen durch that (und immer in dieser Schreibung) wahrgenommen?
Bei der Rechtschreibreform wurde eine Korrektur versucht. Das zuständige Gremium, der Internationale Arbeitskreis für Orthographie (mit Vertretern aus BRD, DDR, Schweiz und Österreich) schlug vor, auf diese Unterscheidung künftig ganz zu verzichten. Dies lehnten Vertreter der Kultusministerkonferenz am 4.2.1993 mit folgenden Worten ab: „Die Aufhebung der deutlichen Unterscheidung im Schriftbild zwischen Konjunktion und Pronomen bzw. Relativpronomen erschwert die Möglichkeit, durch bewusstes ‚optisches Markieren‘ die unterschiedliche Funktion dieser ‚Partikel‘ im Satzbauplan zu verdeutlichen und die Fähigkeit zur Bildung komplexer Satzbaupläne und zur entsprechenden Einsicht in dieselben zu üben, zu erweitern und zu festigen.“ Eine Art O-Ton besorgter Deutschlehrer.
Gehen wir kurz der Geschichte dieses ‚Kummerwortes‘ der deutschen Rechtschreibung nach! Zunächst: Es ist das vierthäufigste Wort des Deutschen, beide Verwendungen – Pronomen hier, Konjunktion dort – begegnen uns etwa gleich häufig. Schon im späten Mittelalter begann man sie verschieden zu schreiben, vielleicht ein Reflex auf die lateinischen Übersetzungsäquivalente (hoc für das Pronomen, ut und quod für die Konjunktion). Schon im 17. Jahrhundert ist die Verschiedenschreibung fester Bestandteil der Schreibnorm. Zwei Gründe gibt es hierfür: die Orientierung aller Druckschriften am Leser, der am Wörtchen daß sofort erkennt: Aha, eine Konjunktion, die einen Nebensatz einleitet. In der Tat gab es in der sich herausbildenden deutschen Schreibnorm zwei Haupttendenzen: Gleiches immer gleich und Verschiedenes verschieden zu schreiben. Das führte einerseits zur sogenannten Stammschreibung, dem Prinzip, den Stamm jedes Wortes (auch bei lautlicher Abwandlung) immer gleich oder mit ähnlichem Zeichen (au/äu) zu schreiben, also zum Beispiel Haus und Häuser, leben, lebt und leblos. Andererseits führte dies zur Verschiedenschreibung von Substantiven (groß) und anderen Wortarten (klein), was eben auch der schnellen Erkennung ihrer verschiedenen Funktionen dient. Auch die lexikalischen Dubletten lehren/leeren, Moor/Mohr, her/Heer und viele andere mehr gehören hierher. Der Verzicht auf die Verschiedenschreibung wäre ein gewisser Traditionsbruch gewesen, auch ein Verstoß gegen charakteristische Grundlinien der deutschen Rechtschreibung. Andererseits eine echte Entlastung für Schreiber und Schreiblehrer.
Wie halfen sich die Reformer aus der Bredouille? Sie ersetzten daß durch dass – nach dem Muster von Schuß zu Schuss, also dem Ersatz des Schluss-ß durch ss nach dem Prinzip der Stammschreibung. Was dort sinnvoll erschien, war allerdings bei daß gänzlich überflüssig. Denn Doppelkonsonanten gibt es im Deutschen vor allem bei flektierbaren Wörtern wie Kamm/Kämme, kann/können, die auch mehrsilbig sein können. Dagegen benötigen unflektierbare Einsilber wie ab, am, an, bis, hin, im, in, mit, ob, um, von immer (trotz Kurzvokal) nur ein Konsonantenzeichen. Das neue dass passt nicht ins System. Und das eigentliche Problem, die Verschiedenschreibung, blieb bestehen. Eine Scheinreform. Daß oder dass – es ist ein Kummerwort im Deutschen geblieben.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Berichte
Schlagzeile des Jahres in der Presse
Über die Wahl zur Schlagzeile des Jahres haben unter anderen diese Medien berichtet: meedia.de, deutschlandfunk.de, de.nachrichten.yahoo.com, welt.de, zeit.de.
Hier finden sie die Liste der 30 höchstbewerteten Schlagzeilen.
Geschlechtergerechte Sprache im DUDEN
Bei Telepolis gibt es ein Interview mit der Duden-Redaktionsleiterin Dr. Kathrin Kunkel-Razum zum Thema geschlechtergerechte Sprache (Gendern). Auch der VDS wird erwähnt. Die Postkartenaktion des VDS auf der Leipziger Buchmesse grenze geradezu an Verleumdung. Konstrukte wie die Helikopterin oder die Prostatapatientin würden von der Duden-Redaktion natürlich nicht empfohlen, dies sei „völlig klar, […] richtiger Schwachsinn“, so Kunkel-Razum. (heise.de)
4. VDS-Termine
Anmerkung: Die Taktung des Terminkalenders wird verbessert.
7. Dezember, Region 60 (Frankfurt/Main)
Mitgliederversammlung mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Bürgerhaus Griesheim, Schwarzerlenweg 57, 65933 Frankfurt am Main
7. Dezember, Region 89 (Ulm)
Lesung des Literatur- und Autorenvereins Günzburg
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Café Herzdame, Dominikus-Zimmermann-Str. 3, 89312 Günzburg
Eintritt freitag
8. Dezember, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen mit Jahresrückblick
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus
5. Literatur
Toter Dichter
In seinen literarischen Daseinsanalysen lebt er weiter. Andrei Bitow lehnte den Tod als letzten Sinnzerstörer ab, starb aber am vergangenen Montag im Alter von 81 Jahren in Moskau. Der Schriftsteller nutzte in seinen Werken die Metapher des Reisens und nutzte seine genreübergreifende Literatur, um seine Leser mit Ungewohntem zu konfrontieren und zur Reflexion ihrer kulturellen und ästhetischen Denkrahmen zu bewegen. Literaturwissenschaftler werden ihn missen: Es wird nicht viele Werke geben, in denen ein Literaturwissenschaftler als Held auftritt. (nzz.ch)
Tage des Lesens
Die Stiftung Lesen zur Förderung der Lesekultur in Deutschland initiierte 1988 das Projekt Tage des Lesens. Auch in diesem Jahr haben sich Schulen daran beteiligt. Vom niederschwelligen Vorlesen über Buchvorstellungen und Informationen zum Büchermarkt bis zum Einblick in das Ringen von Schriftsteller und Lektor um die beste druckbare Textfassung wird den Schülern einiges zum Thema geboten und die Begeisterung für das Lesen wieder entfacht – so die Hoffnung. (blick-aktuell.de)
6. Denglisch
Sightseeing in Börlin
Heute+, ein Format des ZDF, bringt online einen Beitrag zum Thema Denglisch. Der Sprachkritiker Peter Littger erkundet die Hauptstadt, entdeckt Möchtegern-Englisch und schöpferische Sprachvermischungen. Zu Demonstrationszwecken in der Weltstadt Berlin wählte er ein Ladengeschäft zum Erwerb eines beliebten Obst-und-Gemüse-Pürees, einen Ort wo nur in englischer Sprache kommuniziert wird. Dort bestellte er „in English“ einen „Smusi“. Zu sehen ist der Beitrag hier: zdf.de.
7. Sprachlosigkeit
Im Inhalt spielen weder Text noch Bild eine Rolle
„GMX-Spamfilter stuft einfach jede dritte E-Mail als Spam ein“ berichtet Der Postillon. Auf Befragen soll GMX das System als Notlösung erklärt haben: Als Spam werde ganz einfach jede dritte Mail aussortiert. Da der Inhalt der meisten elektronischen Post – zumeist aus Sprachhülsen sorgfältig komponierter Text – sowieso nicht erst auf spamverdächtigen Inhaltsstoffe geprüft wird, erübrige sich ein aufwendiger Spamfilter.
Man sollte meinen, dieses Verfahren würde die Nutzer entrüsten, „da sich aber nur wenige Nutzer darüber beschwert haben, haben wir es einfach bei dieser kostengünstigen Variante belassen“, zitiert der Postillon einen nicht genannten Sprecher von GMX. Anmerkung der Redaktion: Keine. Mehr darüber: der-postillon.com.
8. Kommentar
Nützlich unterschieden, sinnlos bezeichnet
„Radikal ist ein wunderbares Wort. Es heißt, das Übel an der Wurzel zu packen und zu bekämpfen”, sagt Marlies Krämer. Sie will die Gleichstellung von Frau und Mann erzwingen, indem sie das maskuline durch das feminine Genus ersetzt (siehe oben: Krämers Sprachverein 2.0). Für diesen Kampf geben jedoch die Wurzeln der Sprachentstehung wenig her: Die Unterscheidung in maskulines und feminines Genus ist eine nachträgliche Erfindung, die mit Mann und Frau nichts zu tun hatte. Die Grammatiker ahnten nicht, was sie anrichten. Sonst hätten sie die Genera statt männlich/weiblich lieber hell/dunkel unterschieden. Auch luftig/wässerig hätte genützt. Ein unverfängliches Paar wie erdbeerig/johannisbeerig hätte der Gesellschaft einen Streit erspart, der zur Verflachung der Sprache viel, zur Gleichstellung der Geschlechter nichts beisteuert – außer Lippenbekenntnissen, die so viel wiegen wie McDonalds Bekenntnis zum gesunden Essen.
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.
Redaktion: Oliver Baer
© Verein Deutsche Sprache e. V.