VDS-Infobrief 357: 15/2017 Mängel an Schulen

1. Presseschau vom 7. bis 13. April 2017

2. Literatur

3. Denglisch

 

1. Presseschau vom 7. bis 13. April 2017

Mängel an Schulen

Germany, Bavaria, Chairs and blackboard in classroom

Fotolia / #89543410 / weseetheworld

„Wir sind auf dem Weg in eine Republik der Analphabeten“ betitelt die Journalistin Hildegard Strausberg ihren Artikel in der WELT und kritisiert darin die Rechtschreibung und Orthographie deutscher Studenten und Hochschulabsolventen. Einen Grund dafür sieht sie in der mangelhaften schulischen Bildung, die aus der „Erleichterungsdidaktik“ vieler Pädagogen resultiere, welche in der Methode des „Schreibens nach Gehör“ ihren Höhepunkt gefunden habe.

Die Bildungsforscherin Ute Frevert mahnt zudem vor sinkenden Ansprüchen an deutschen Schulen. Mit dem Ziel, möglichst viele Schüler durch das Abitur zu bringen, reduzieren Schulen den Schwierigkeitsgrad ihres Unterrichts, was wiederum eine „Noteninflation“ an den Hochschulen zur Folge habe.

Hinzu kommt, dass der schulische Unterricht im Falle einer Krankheit der Lehrerkörper häufig ersatzlos entfällt. Während die Stichproben der Landesregierung NRW im letzten Jahr ergaben, dass in etwa zwei von zehn Fällen die Schüler nach Hause geschickt werden oder sich anderweitig beschäftigen müssen, anstatt durch Vertretungslehrer unterrichtet zu werden, geht aus einer Erhebung des Rechercheprojekts „Unterrichtsausfall – der Check“ hervor, dass an den 57 untersuchten Dortmunder Schulen rund 40 % der nicht planmäßig stattfindenden Stunden einfach entfallen. Zudem vertraten nur in der Hälfte der Fälle auch fachkundige Lehrer den Unterricht des Kollegen. Die Lösung sieht das Recherchezentrum CORRECT!V in der längst überfälligen Einstellung neuer Lehrkräfte und dem Willen der Regierung, sich sachgemäß mit solcherlei Datenerhebungen auseinanderzusetzen. (welt.de, deutschlandfunk.de, correctiv.org)

 

Feminismus und Sprache

Der Genderwahn ist in allen Teilen der Gesellschaft angekommen. Dass Feminismus dabei zu einem Statussymbol geworden sei, findet die Journalistin Elisabeth Raether grundsätzlich nicht falsch, betont jedoch, dass man nicht „in Diskussionen um politisch korrekte Sprache verharren“ dürfe. Stattdessen solle man sich auf die Bereiche konzentrieren, die das Leben der Frau tatsächlich einschränken, beispielsweise der Erfolg rechter Parteien in Europa.

Wie die Debatte um geschlechtergerechte Sprache zuweilen groteske Züge annimmt, hat der VDS in der Vergangenheit bereits häufig thematisiert und kritisiert. Zu einer Umbenennung von Straßenschildern auf Forderung der Rot-Rot-Grünen kommt es allerdings nicht. Bei dem Leitartikel des letzten Infobriefes handelte es sich lediglich um einen Aprilscherz. (deutschlandfunk.de, tagesspiegel.de)

 

Sprachlicher Umgang mit Behinderungen

Der Deutschlandfunk berichtete kürzlich von einer neuen Figur, die in der amerikanischen Ausgabe der Sesamstraße auftritt. Darin stellt die Puppe Julia ein kleines Mädchen von vier Jahren dar, das Autismus hat. Der Deutschlandfunk bezeichnete Autismus in diesem Zusammenhang als Krankheit und wurde dazu von der Internetseite Leidmedien.de aufgeklärt. Projektleiterin Lilian Masuhr erklärt, dass Autismus angeboren und nicht heilbar sei. Die Bezeichnung der Betroffenen als „leidende Opfer“ werde ihnen nicht gerecht. Vielmehr leiden sie unter den Vorurteilen und Reaktionen des Umfelds. Als Sprachpolizei sehe Masuhr das Projekt Leidmedien.de nicht, sondern vielmehr als Hilfestellung für Journalisten, die über Menschen mit Behinderungen berichten. Außerdem sei es wünschenswert, dass weniger über, sondern mehr mit den Betroffenen gesprochen werde. (deutschlandfunk.de, leidmedien.de)

 

Kindliche Kommunikation im Alltag

Gemeinsames Mittagessen, allabendliches Vorlesen oder Berichte von Tageserlebnissen – nicht in allen Familien ist die familiäre Kommunikation ein fester Bestandteil des Alltags. Um das zu ändern hat das Bundesfamilienministerium das Projekt „Sprach-Kita“ ausgerufen, an dem sich derzeit 5500 Kindertagesstätten beteiligen. Wo es an sprachlichem Kontakt mangele, würde ein Austausch durch die Beschäftigung mit Tablets und Computerspielen kompensiert, kritisiert Ulrike Dietzsch, Kita-Bereichsleiterin vom Volkssolidarität-Kreisverband Gera. Bei dem Projekt gehe es nicht nur darum, die Quantität der Sprache zu erhöhen, sondern auch die Qualität – besonders in einer Zeit, in der Sprache immer rauer werde, betont Dietzsch. Die eigens für das Projekt eingestellten Sprachfachkräfte sollen aus diesem Grund nicht nur die Kinder fördern, sondern auch Eltern und Erzieher für die eigene Sprache und die der Kinder sensibilisieren. (gera.thueringer-allgemeine.de)

 

Plattdeutsch

Zusammen mit Vertretern von plattdeutschen Vereinen und Plattdeutschbeauftragten hat die niedersächsische CDU zu einer Fachdiskussion über das Plattdeutsche in Hannover eingeladen. Besonders thematisiert wurde der „Sprachenplan“, der die Verankerung der Plattdeutschen Sprache im Unterricht vorsieht. Das Plattdeutsche solle dann beispielsweise in den Mathematikunterricht integriert werden und somit künftig keine Mehraufgabe für die Lehrer darstellen. Das Kultusministerium wies bereits 2011 auf diese „Immersionsmethode“ hin, um das Plattdeutsch in Schulen zu verankern.

Auch Casper Lahme aus Alme setzt sich für den Erhalt der Plattdeutschen Sprache ein. Zusammen mit seinem Co-Autor Dr. Werner Beckmann hat er ein Plattdeutsches Wörterbuch herausgebracht, welches vergangenen Mittwoch vorgestellt wurde. (nwzonline.de, wp.de)

 

2. Literatur

Die Frage nach dem Sinn

Der Lyriker Fritz Weigle, besser bekannt als F. W. Bernstein, prägte als Zeichner und Lyriker maßgeblich die Neue Frankfurter Schule, eine der einflussreichsten literarischen Gruppierungen der 1960er-Jahre. Mit dem Buch Frische Gedichte meldet sich Bernstein in diesem Jahr zurück, in dem er ironisch sein Alter, Alltägliches oder seine Bezüge zu Lyrikkollegen aufarbeitet – und sich zuweilen betont des Sinns entsagt. „Ich habe da mal so getan, weil es sich so schön gereimt hat, als sei der Sinn völlig unnötig, das stimmt natürlich nicht. Auch die Absage an den Sinn ist ja Sinn“, erklärt Bernstein im Interview mit der ZEIT. (zeit.de)
F. W. Bernstein: Frische Gedichte. Verlag Antje Kunstmann, München 2017. 208 S., 18 €

 

3. Denglisch

Business-Denglisch

Die Süddeutsche Zeitung hat das A bis Z der Bürobegriffe zusammengefasst und verweist gleich unter dem ersten Punkt „A wie Anglizismen“ auf sinnloses Denglisch im Büroalltag. So heißt es in dem Artikel: „Der Projektbeauftragte von heute beschäftigt sich selbstverständlich nicht einfach mit einem Thema, das man auch mit einem deutschen Wort beschreiben könnte. Da könnte sich ja womöglich – Himmel, hilf! – jeder dahergelaufene Normalo etwas darunter vorstellen“.

Auch wer beruflich viel Unterwegs ist und gerne Geschäftsreisen durch ein paar private Tage verlängert, sollte sich auf ein neues Wort gefasst machen: „Bleisure Travel“. „Die englische Wortschöpfung Bleisure setzt sich aus Business (Geschäft) und Leisure (Freizeit) zusammen“, erklärt SPIEGEL ONLINE und wirft so die Frage auf: Benötigt man da für die Begriffserklärung nicht künftig fast so lange wie für die „Bleisure“-Reise selbst? (sueddeutsche.de, spiegel.de)

 


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Redaktion: Anna Beckmann, Lea Jockisch, Holger Klatte

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