Infobrief Nr. 453 (8. Ausgabe in diesem Jahr)

1. Presseschau

Gendergerechte Sprache in Dortmund

Bild: pixabay / geraltPixabay-Lizenz

Nach Hannover will nun auch Dortmund die gendergerechte Sprache in der Verwaltung einfĂŒhren. Man werde sich an Hannover orientieren, aber eine eigene Richtlinie verfassen. Das werde den Schriftverkehr nicht verkomplizieren, so die Gleichstellungsbeauftragte Maresa Feldmann: „Man gewöhnt sich an alles in der Sprache.“ Sigrid Nieberle, Literaturwissenschaftlerin an der TU Dortmund meint: „Behörden mĂŒssen sich sehr konkret ausdrĂŒcken, damit sie rechtssicher und verlĂ€sslich kommunizieren können“. UnerwĂ€hnt bleibt die Frage, in welchem Maße eine nicht mehr lesens- und hörenswerte Sprache noch ernstzunehmen wĂ€re. (ruhrnachrichten.de)


Das Publikum mit Moral einseifen

Framing lĂ€sst sich kurz und knapp mit Schönreden ĂŒbersetzen, oder mit Manipulieren. Schon diese Unterscheidung zeigt, worum es geht: Das Publikum – in diesem Falle der ARD – soll beeinflusst werden. Dazu gibt es ein internes Handbuch, es soll den Mitarbeitern dienen, „nicht, damit aus ihnen bessere Journalisten werden, sondern um selber ein bisschen zu manipulieren und die Themen ihrem Publikum umso wirkungsmĂ€chtiger zu verkaufen“, bemerkt die Neue ZĂŒrcher Zeitung. Fast könnte man meinen: nun aber bewusst, also nicht mehr versehentlich. (nzz.ch, spiegel.de)


Berufsvorbereitungsjahr Sprache

Das 2015 in Rheinland-Pfalz eingefĂŒhrte Berufsvorbereitungsjahr Sprache (BVJ-S) richtet sich an zugewanderte Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren ohne Schulabschluss. Das Schuljahr soll auf eine anschließende Berufsreife oder duale Ausbildung vorbereiten. Sowohl fachliche als auch sprachliche Kompetenzen sollen ausgebaut werden. Ziel ist, dass die Jugendlichen mit Ende des Schuljahres das Sprachniveau B1 erreichen. Seit dem laufenden Schuljahr wird ein Ă€hnliches Jahr auch fĂŒr Ă€ltere Zugewanderte bis zu 25 Jahren angeboten. (t-online.de)


Eine Lanze fĂŒr Dialekte

Christian Streich, Trainer des FC Freiburg, nimmt es genau. Er pflegt seine Sprache heimatverbunden. In seiner Mundart könne er sich auf das Wesentliche konzentrieren – und bleibe verstĂ€ndlich, versichert er dem Spiegel-Online. Mit Freiburger Badisch gelinge das am besten, mehr noch als mit der Dialektvariante in seinem Heimatort Eimeldingen bei Lörrach. (spiegel.de)


2. Unser Deutsch

MissverstÀndliche Wörter

Mindesthaltbarkeit
Mitder Wendung mindestens haltbar bis (folgt Datum) soll auf verpackten Lebensmitteln ausgedrĂŒckt werden, dass das Produkt bis zu dem Tag – bei sachgemĂ€ĂŸer Lagerung – ohne QualitĂ€tseinbußen und insbesondere ohne gesundheitliches Risiko verzehrt werden darf. Beim Bienenhonig aus der Imkerei sind es zwei Jahre nach AbfĂŒllung, aber wir wissen, dass der Honig noch nach vielen Jahren bestens schmeckt, er ist nur etwas fester geworden. Noch gut zu verzehren sind auch die Inhalte von BĂŒchsen, GlĂ€sern, Schachteln, TĂŒten – trotzdem sortieren die Discounter alles rechtzeitig aus, was sich dem ominösen Datum nĂ€hert. Millionen Lebensmittel werden so verschwendet. Und auch viele von uns Verbrauchern schauen akribisch auf die kleingedruckten Daten und entfernen die scheinbar ‚abgelaufenen‘ Produkte aus Regal oder KĂŒhlschrank.
Wo liegt der Fehler, wo das MissverstĂ€ndnis? Mit der Wendung mindestens haltbar bis wird der Gedanke nahegelegt, etwas könnte nicht mehr haltbar, nicht mehr genießbar sein, sobald die angegebene Mindestfrist abgelaufen ist. Es wird der Rahmen der Haltbarkeit angesprochen und mit dem Datum wird deren Ende nahegelegt. Viele verwechseln das mit dem sogenannten Verfallsdatum von Medikamenten. Auch hier wird ein Datum angegeben, aber mit anderer Bedeutung. Auf der Packung steht verwendbar bis (es folgt Datum). Danach darf das Medikament nicht mehr verkauft werden. Seine Laufzeit – so heißt es beim Hersteller – ist abgelaufen. Der kleine Unterschied von verwendbar bis 
 und mindestens haltbar bis 
 kostet Tausende Tonnen guter Lebensmittel. In beiden ist etwas abgelaufen, wenn die Frist vorbei ist. Hier die Laufzeit (sie ist beendet, das Produkt darf nicht mehr verwendet werden), dort bloß die Garantiezeit fĂŒr besten Zustand. In anderen LĂ€ndern, rund um Deutschland herum, wird die Mindesthaltbarkeit sprechend und unmissverstĂ€ndlich, nĂ€mlich positiv ausgedrĂŒckt: best before 
, mieux avant
, melio prima
, mejor antes
 (es folgt das Datum). Unsere verdruckste Verwaltungssprache zeigt, wie falsche Wörter in die Irre fĂŒhren können.

Durchgang verboten
Dieses Schild findet sich an kleineren Wegen, schmalen DurchgĂ€ngen, denkbaren AbkĂŒrzungen und soll sagen: zurĂŒck, hier darfst Du nicht lang.
Man kann das Schild aber auch anders lesen: Das Wort Durchgang gibt ĂŒberhaupt erst den Hinweis, dass sich dort ein Durchgang befindet, sonst brauchte man ja nichts zu verbieten. Und der FußgĂ€nger kann daraus den Schluss ziehen: na, dann versuche ich es mal. Wird ja nicht gleich ein Polizist dastehen. Zumal es sich sowieso meist um private Verbote handelt.


Kurz: Auch negative Information ist Information. Kein Schild aufstellen wÀre manchmal besser, spart Kosten und ist ein kleiner Beitrag, unser Verbotsunwesen abzubauen.
Alternativ bleibt die ruppige Wahl: Kein Durchgang. Muss ja nicht stimmen. Hauptsache es schreckt ab.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor fĂŒr Germanistische Sprachwissenschaft an der UniversitĂ€t Erlangen-NĂŒrnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. ErgĂ€nzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


3. VDS-Termine

26. Februar, Region 90, 91, 92 (NĂŒrnberg, Erlangen)
Mitgliedertreffen mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 19:00 – 20:30 Uhr
Ort: AltdorfstĂŒbchen im Weinstadel, Maxplatz 8, 90403 NĂŒrnberg

27. Februar, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

27. Februar, Region 10 – 14, 16 (Berlin und Potsdam)
Mitgliedertreffen sowie Lesung aus dem Roman „Youssefs Gesetz“ von und mit Kurt Gawlitta
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Via Nova, UniversitĂ€tsstraße 2, 10117 Berlin

8. MĂ€rz, Region 24 (Kiel, Flensburg)
Mitgliedertreffen mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Sportrestaurant Altenholz, Klausdorfer Str. 78b, 24161 Altenholz

9. MĂ€rz, ElfenbeinkĂŒste
Tag der deutschen Sprache der Partnerschulen
Zeit: 9:00 – 12:00 Uhr
Ort: LycĂ©e Moderne de Bongouanou, ElfenbeinkĂŒste

11. MĂ€rz, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:15 Uhr
Ort: GaststĂ€tte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Str. 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg

11. MĂ€rz, Region 67, 68, 69 (Rhein-Neckar)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Gastwirtschaft Sigma, Kaiser-Wilhelm-Str. 39, 67059 Ludwigshafen

11. MĂ€rz, Region 20,22 (Hamburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg

21. MĂ€rz, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock


4. Literatur

Literaturpreis „Text & Sprache“

FĂŒr den Literaturpreis Text & Sprache, der jĂ€hrlich vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e. V. verliehen wird, wurden fĂŒr 2019 zwölf Autoren nominiert: Luise Boege, Nora Bossong, Milena Michiko FlaĆĄar, Stefanie Höfler, Nancy HĂŒnger, Martin Lechner, Svenja Leiber, Enis Maci, Verena Roßbacher, Judith Schalansky, Matthias Senkel und Takis WĂŒrger. Der Kulturkreis fördert seit 1951 junge KĂŒnstler in der Architektur, der Bildenden Kunst, Literatur und Musik. Verliehen wird der Literaturpreis am 12. Oktober 2019 in Leipzig. Er will das zeitgenössische PhĂ€nomen fließender Gattungsgrenzen sowie das genreĂŒberschreitende Schaffen junger Autoren abbilden. (kultur-port.de)


5. Denglisch

Anglizismen machen beliebt

Wer gut bei Jugendlichen und Kindern ankommen will, muss laut SĂ€nger Mark Forster mehr Anglizismen verwenden. Im Gesangswettbewerb The Voice Kids sitzt er u.a. zusammen mit Lena Meyer-Landrut und Stefanie Kloß von Silbermond in der Jury. Ebenfalls dabei sind Alec Völkel und Sascha Vollmer, die zwei SĂ€nger der Band BossHoss, die gleich in der ersten Sendung der neuen Staffel Schmach erlebten. Trotz des Mottos „Bigger, Better, BossHoss!“ wollte niemand in ihr Team. Jury-Kollege Forster kritisierte spaßeshalber: „Sascha, ein bisschen mehr Anglizismen einbauen. Du sagst: ‚Nice Performance‘ oder ‚chilligen Song hast du da ausgesucht‘. Etwas, das die eben verstehen.“ (ok-magazin.de)


Vier, nicht zwei Antworten

Kritik am denglischen Sprachgebrauch löst regelmĂ€ĂŸig eine Art vegetativen Reflex aus. Sofort meldet sich jemand, der widerspricht, das sei doch alles nicht so schlimm: „Die Sprache lebt, die Sprache wandelt sich“ und dergleichen mehr. Offenbar streiten da Puristen mit Beliebikern und es steht mal wieder 1:1, Thema erledigt: Alle haben recht, will sagen, der eine hat nicht verloren, der andere nicht gewonnen – und wie wĂ€r‘s mit einem Elfmeterschießen? Peter Littger schaut genauer hin. Unter dem Titel Denglisch? Nonstop Schmu! bietet er nicht zwei, sondern vier mögliche Antworten auf die Frage „was angesichts dieses zunehmenden Chaos zu tun ist“. (xing.com)


6. Schnipsel – Saftiges Deutsch

In seiner Glosse Furchtlos in den Brexit – Germany‘s eigenes England
finden anglophile Leser diesen Satz zum Vorlesen: „Meine gymnasialen BemĂŒhungen zum Erlernen der englischen Sprache kann man ohne weiteres als zurĂŒckhaltend qualifizieren; alldieweil unser Englischlehrer, ein Rustikalpauker mit Stoppelhaaren, eine beunruhigende Auftretensweise pflegte, die ganz und gar nicht zu jenem passen wollte, was ich mir von der „feinen englischen Art“ versprochen hatte.“ (biallo.de)

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthĂ€lt Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. MĂ€nner sind mitgemeint, manchmal oder immer. Namentlich gekennzeichnete BeitrĂ€ge können mit der Meinung der Redaktion ĂŒbereinstimmen. Oder auch nicht.

Redaktion: Oliver Baer, Alina Letzel

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