1. Presseschau
20 Jahre neue Rechtschreibung in der Presse
Vor 20 Jahren, am 1. August 1999, haben die meisten deutschen Printmedien die Reform der deutschen Rechtschreibung aus dem Jahr 1996 übernommen. Damit wurden die neuen Regeln für eine breite Öffentlichkeit erst richtig wahrnehmbar, und die Reaktion der Reformgegner nahm noch einmal Fahrt auf. Mit Erfolg: Ein neuer Rechtschreibrat wurde 2004 eingerichtet, der die neuen Regeln „unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und der Akzeptanz in der Sprachgemeinschaft“ überarbeiten sollte. Schreibvarianten wurden erlaubt, sodass man immerhin wieder einen vielversprechenden von einem viel versprechenden Politiker unterscheiden konnte. Die „FAZ“ kehrte im Sommer 2000 zur alten Rechtschreibung zurück, viele andere Zeitungen und Verlage folgten oder entwickelten eigene Hausorthografien. Die Reform der Reform hat auch dazu beigetragen, dass die Verwirrung um die Rechtschreibregeln zugenommen hat oder diese generell als Spitzfindigkeiten wahrgenommen werden. Die meisten Deutschen verwenden einfach weiter die alten Regeln. Sprachtests an Schulen haben 2018 ergeben, dass 22 Prozent der Viertklässler nicht den Mindeststandard an Rechtschreibkenntnissen erreichen. „Dann schreib doch wie du willst‟, konstatierte der Spiegel 2018. Bevor die deutsche Sprache wieder einer einheitlich anerkannten Rechtschreibung folgt, wird es noch viele Jahre dauern.
Wer meint, dass er die neue Rechtschreibung beherrscht, kann das hier überprüfen: abendzeitung-muenchen.de, mittelbayerische.de.
Wissenschaft ohne Publikum
An fast jeder Universität gibt es ein Institut für Kommunikationswissenschaften, ein seit Jahrzehnten beliebtes Studienfach. Darin geht es um die Wirkung, die Inhalte und die Akteure der Medien, um Öffentlichkeitsarbeit und PR und natürlich um die Werbung. Ein Fach, das in Zeiten der Digitalisierung, der Netzwerke und Suchmaschinen viel zu sagen haben müsste. Hat es aber nicht, stellt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) fest, zumindest hört man öffentlich nichts davon: „In der Schweiz und in den benachbarten Ländern verbleibt das Fach zumeist unterhalb des Wahrnehmungs-Radars der Journalisten‟, so die NZZ. Die Schuld trügen die Vertreter des Faches selbst: Die Wissenschaftler müssen auf Englisch publizieren, damit sie international überhaupt wahrgenommen werden. Dies erschwere nicht nur die Diskussion auf Konferenzen, schlimmer ist noch, dass außerhalb der Forschergemeinde kaum jemand zur Kenntnis nimmt, was mit Millionen an Steuergeldern erforscht wurde. Auch die Themen seien in der Vergangenheit gesellschaftlich wenig relevant gewesen, wenn sie sich mit „Arzt-Patienten-Gesprächen‟ oder „Konfliktlösungsstrategien von Ehepaaren‟ befassten. (nzz.ch)
Boris Johnson und der Anglizismen-INDEX
In der Kolumne „Müßiggang‟ des Weser Kurier stellt Hendrik Werner eine Verbindung zwischen dem neuen britischen Premierminister und dem VDS-Anglizismen-INDEX her. Der Verfasser befürchtet, dass zumindest das britische Englisch durch die neue Regierung seinen Einfluss auf das Deutsche verlieren könnte. Für diesen Fall plant der Kolumnist einen Index mit seiner Meinung nach schützenswerten englischen Wörtern wie „idler“, „loafer“, „dallier“, „trifler“ und „piddler“ (Müßiggänger, Tändler, Faulenzer, Nichtstuer, Bummler). Der Kolumnist behauptet, der Index des VDS umfasse „sage und schreibe 7500 verdammungswürdige Anglizismen“ – was wieder einmal falsch ist. Der Index listet sie, die überflüssigen wie die willkommenen. (weser-kurier.de)
Drei Fragen zur Gendersprache
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt hat sich (endlich) zur Diskussion um die Gendersprache geäußert. Sie erinnert zwar daran, dass sie das bereits 1991 ausführlich getan hat, aber das ist nun wirklich schon eine Weile her. „Es zählt nicht zu den üblichen Aufgaben von Gesetzgebern und Behörden, über die Regeln der deutschen Sprache zu entscheiden oder gar, sie zu ändern‟, steht in der Stellungnahme des Akademie-Präsidiums. Das geht direkt an die Adresse von Rathäusern und Behörden, die eigene Leitfäden zur Gendersprache entwickelt haben.
Sachlich und sehr verständlich erklärt die Akademie dann, wie das mit dem grammatischen Genus und dem Geschlecht von Lebewesen in der deutschen Sprache geregelt ist. Schließlich ruft sie dazu auf „dass man nicht nur in der Literatur, sondern auch im sonstigen Sprachgebrauch, insbesondere in den Medien, Plumpheit vermeiden und nach bewusstem Ausdruck streben soll.‟ (deutscheakademie.de)
2. Unser Deutsch
bepreisen
Das politische Leben benötigt immer wieder neue Wörter oder Wortbedeutungen, um Aktuelles zu benennen und es den Bürgern (die Bürgerinnen sind mitgemeint) zu vermitteln. Ein heikles Thema sind Steuererhöhungen, die keiner wünscht. Aber der Staat benötigt das Geld für einen kleinen Ausgleich von Reich und Arm (genannt Sozialausgaben), für die Finanzierung der zahlreichen öffentlichen Aufgaben und natürlich auch für sein wachsendes Personal. Dafür hat sich erst unlängst das Verb bepreisen angeboten. Es ist nicht neu. Geschäftsinhaber kennen das Bepreisen der Waren, also ihre Auszeichnung mit einem Preis. Der Preis war für die Kunden sichtbar. Auch in den Banken ist das Wort bekannt: Sie bepreisen einen Kredit nach dem Risiko, gemeint ist das Ausfallrisiko. Hier ist der Preis schon weniger gut sichtbar, die unterschiedliche Kreditwürdigkeit der Kunden bleibt eine interne Abwägung zwischen Erfolg (der Rückzahlung mit Zins und Zinseszins) und dem Kreditausfall.
Die jüngste Übertragung greift weiter hinaus: Die Nutzung von Straßen, Brücken, Tunneln, insbesondere unserer Autobahnen, wird bepreist. Dafür benutzen wir im deutschsprachigen Raum das Wort Maut, ein altes Wort für ‚Zoll‘, das aus der Wortfamilie von messen stammt. Eigentlich nichts anderes als eine Steuer für eine Dienstleistung.
Hier knüpft die allerneueste Verwendung an. In der Umweltdebatte wird nach schnellen und wirksamen Instrumenten gesucht, den CO2-Ausstoß unserer Autos, Schiffe, Flieger, unserer Heizungen, unserer Industrie drastisch zu vermindern. Bepreisen steht hier verdeckt für eine neue Steuer, die einem guten Zweck dienen soll. Neue Aufgaben, sagen die Politiker, brauchen neue Mittel. Dies war schon oft die Ausrede für Steuer-Erfindungen. Wir erinnern an einen klassischen Fall: die Sektsteuer, im Amtsdeutsch Schaumweinsteuer genannt. Sie wurde 1902 von Kaiser Wilhelm II zum Ausbau der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt. Auch der Nord-Ostsee-Kanal, ursprünglich Kaiser-Wilhelm-Kanal genannt, profitierte davon. Die Flotte ist schon zweimal untergegangen. Die Sektsteuer haben wir heute noch.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Kultur
Geschichte des Deutsch-Pop
In dieser Woche sind unter den zehn meistverkauften Popmusik-Alben sechs deutschsprachige. Wie gut die sind, mag jeder selbst entscheiden. Feststellen lässt sich immerhin: Deutschsprachige Musik verkauft sich gut. Über die Neue Deutsche Welle Ende der 70er und in den 80er Jahren hat das Deutschlandradio in dieser Woche einen Beitrag im Programm. Zu Wort kommen Inga Humpe („2raumwohnung“) und Andreas Dorau („Fred vom Jupiter‟). Beide verraten, dass sie ihre musikalischen Vorbilder in den USA gefunden und diese Musik in die deutsche Sprache übertragen haben. Bald verband man deutschsprachige Musik zunehmend mit (Spaß-)Schlager, womit Humpe und Dorau sich nicht identifizieren konnten. „Dann war es erst mal ein paar Jahre total out, Deutsch zu singen‟, sagt Dorau.
Dem würde Till Lindemann von der Gruppe Rammstein klar widersprechen. Auf Sputnik-News, einem Portal, das zum russischen Sender Russia Today gehört, wird die Gruppe vorgestellt. Lindemann behauptet, dass die Rammstein-Konzerte mehr Ausländer für die deutsche Sprache begeistert als die Bemühungen des Goethe-Instituts. In Moskau besuchten 100.000 Fans das Konzert, in St. Petersburg sollen es am Freitagabend 60.000 sein. (deutschlandfunkkultur.de, de.sputniknews.com)
4. Berichte
Konferenz der ISPRUD
Die Internationale Sprachunion Deutsch lädt zu ihrer 3. Konferenz ein, die vom 18. bis 20. September in Mogiljow (Republik Belarus) unter dem Motto „Deutsch Weltweit“ stattfinden wird. Der Organisator Vladimir Stawski kündigt neben wissenschaftlichen Vorträgen und Arbeitsgruppen zu germanistischen Themengebieten auch ein reichhaltiges Besichtigungs- und Kulturprogramm an. Anmeldungen und Themenvorschläge für Referate werden erbeten an: wlad-stawski@tut.by.
Die Konferenzgebühr (inkl. Übernachtung und Verpflegung) beträgt 120 Euro. Laut Auswärtigem Amt ist für deutsche Staatsbürger eine visumfreie Einreise nach Belarus über den Flughafen Minsk bis zu einer Aufenthaltsdauer von 30 Tagen möglich.
Die ISPRUD ist eine Organisation von Nicht-Muttersprachlern, die sich beruflich mit der deutschen Sprache und der deutschen Kultur befassen (insbesondere Germanisten, Sprachlehrer, Übersetzer, Dolmetscher) oder dies aus rein persönlichem Interesse tun. Ihr Präsident ist der Posener Philosophieprofessor Bolesław Andrzejewski. (fg-db.de)
5. Denglisch
Krieg der Supermärkte
Die Supermarktketten in Deutschland liefern sich derzeit einen öffentlichen Werbekrieg. Lidl machte den Anfang mit „Lidl lohnt sich. ALDI anderen sind teurer“ oder „So günstig, REAL ist das nicht“ und „So günstig. Da dreht sich der Penny zweimal um.“ Netto reagierte mit einer ganzseitigen Anzeige in der Bild mit dem Spruch „Du willst a Lidl bit more Auswahl? Dann geh doch zu Netto!“
2018 stand Lidl noch auf der Liste zur Wahl des Sprachpanschers, weil in deutschen Filialen mit englischen Sprüchen geworben wurde. In diesem Jahr klingt die Werbung um einiges erfrischender.
Wer in diesem Jahr zur Wahl für den Sprachpanscher steht, ist hier zu sehen: youtube.com. (deutschlandfunk.de)
6. VDS-Termine
7. August, Region 07 (Gera, Jena)
Zweiter Stammtisch der Regionalversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Paulaner Wirtshaus Gera, Clara-Zetkin-Straße 14, 07545 Gera
8. August, Region 25 (West-Schleswig-Holstein)
Mitgliederversammlung mit anschließendem Vortrag „Deutsch im Wandel“
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gaststätte Tante Jenny, Schiffbrücke 12, 25813 Husum
12. August, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:15 Uhr
Ort: Gaststätte Kaiser-Treff, Hahnerberger Straße 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg
12. August, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)
12. August, Region 20, 22 (Hamburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg
24. August, Region Österreich (Wien)
Stammtisch des Jungen VDS
Zeit: 20:00 Uhr
Ort: Café Ritter am Ottakring, Ottakringer Str. 117, 1160 Wien
28. August, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus
29. August, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus „Zum Bauernhaus Biestow“, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock
6. September, Region 48 (Münsterland)
Infostand auf dem Wochenmarkt
Zeit: 08:00 – 12:00 Uhr
Ort: Wochenmarkt Saerbeck, Marktstraße, 48369 Saerbeck
6. September, Region 53 (Bonn, Vor-Eifel und Siebengebirge)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Tennis-Club Heiderhof, Sommerbergweg 4, 53177 Bonn
IMPRESSUM
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Oliver Baer
© Verein Deutsche Sprache e. V.