1. Presseschau
Mehrsprachigkeit von klein auf
Es ist nie zu spät, Sprachen zu lernen – davon ist Prof. Tanja Rinker (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) überzeugt. Die Sprachwissenschaftlerin sieht keine Hindernisse, wenn Eltern ihre Kinder mehrsprachig erziehen. Das Alter spiele zwar durchaus eine Rolle, aber hauptsächlich, wenn es um die Voreingenommenheit gegenüber Neuem geht: „Ein einjähriges Kind hat noch keine Angst davor, sich zu blamieren, Laute und Wörter auszuprobieren. Doch im Laufe der Zeit werden wir immer gehemmter“, so Rinker. Bis zum Eintritt in die Pubertät würde das Gehirn neue Verknüpfungen zulassen, danach erreiche es ein Plateau, das keinen natürlichen Spracherwerb mehr zulasse, sondern eher mit „Lernen“ einhergehe. Auch die Frage nach „Wörter oder Grammatik“ beantwortet Rinker klar: Wörter seien der Grundstock: „Wer viele Wörter kennt, kann in einer neuen Sprache in eine echte Kommunikation treten.“ Dennoch sei die Grammatik selbstverständlich nicht zu vernachlässigen – sie zu lernen, werde im Laufe des Lebens aber immer mühevoller. (n-tv.de)
Genderstern in gesprochener Sprache
Den Genderstern durchs Sprechen heraushören – das will die Universität Wien ab sofort praktizieren. Laut einer neuen Leitlinie soll er als kurze Pause auftauchen; problematisch, wenn elektronische Geräte Hörgeschädigten Texte mit Genderstern vorlesen, denn dieses Zeichen wird normalerweise nicht erkannt, die gesprochene Form ist dann automatisch weiblich. Eine Gruppe Geisteswissenschaftler wehrt sich gegen diese Vorgabe. Man sehe darin eine „Kriegserklärung an die deutsche Sprache“, heißt es. Es dürfe nicht sein, dass von oben verordnet wird, wie wissenschaftliche Arbeiten verfasst werden dürfen oder wie an der Hochschule zu sprechen sei – vor allem dürfe man wegen solcher Vorgaben keine schlechtere Bewertung riskieren. Eine solche Leitlinie bedrohe die Redefreiheit. (nzz.ch)
Kommentar: nzz.ch
Kritik am Unwort des Jahres
Seit fast dreißig Jahren küren Sprachwissenschaftler jedes Jahr das Unwort des Jahres. Für 2019 fiel die Wahl der Jury auf das Wort „Klimahysterie“, welches zu verschiedensten Reaktionen in den Medien führte. Kritiker werfen der Jury vor, sie wolle mit dem Begriff stark polarisieren. Die diesjährige Wahl sei nicht nur die Bewertung eines Wortes, sondern auch die Bewertung einer Haltung, und somit ein starker parteiergreifender Zugriff auf dieses Wort, so die Autorin Juli Zeh im Deutschlandfunk. Auch die Bild stört sich an den einseitigen Meinungen der Jury: „Unter den „Unwörtern“ der letzten 15 Jahre findet sich kein einziger Begriff, der dem linken politischen Spektrum entstammt.“
Von anderen Seiten hingegen kommt Zustimmung. Der Tagesspiegel sieht die „Klimahysterie“ berechtigterweise zum Unwort des Jahres gewählt, denn: „Wer „Klimahysterie“ ruft, verbirgt damit nur mäßig bis miserabel, dass ihm schlicht die Argumente fehlen und entlarvt, worum es ihm geht.“ Die Zeit sieht das ähnlich. „Klimahysterie“ sei in seinem gängigen Gebrauch das vielleicht gefährlichste Wort dieser Tage. (cicero.de)
Sprachdiät
Aufgeblähte Sprache gibt es überall – in der Werbung, in der Zeitung; und sie fällt uns häufig nicht mal auf, weil sie so sehr in unseren alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen ist. Deshalb plädiert Klaus Brinkbäumer in seiner Kolumne für eine radikale „Sprachdiät“, um die, wie er sie nennt, „verfettete Sprache“ wieder zu verschlanken. Dazu gehören viele negative Begriffe und Floskeln wie „droht zu scheitern“, aber auch Management-Sprache wie „asap“ und „zeitnah“. Auch Superlative wie „unfassbar“ und „nahezu“ würden die Sprache unnötig aufblähen. Stattdessen solle man versuchen, Dinge klarer und schnörkelloser zu benennen – das schaffe Konturen und betone die Wichtigkeit einer Sache mehr als unnötige Füllwörter. (tagesspiegel.de)
2. Unser Deutsch
Rauchen
Man könnte wieder anfangen mit dem Rauchen, schon aus Widerspruch gegen den aufdringlichen Zeitgeist, diese Verteufelung, diese Satanisierung eines Genusses, der unsere Lebenskultur über drei Jahrhunderte mitgeprägt hat. Helmut Schmidt mit Mentholzigarette und seine Frau Loki, ebenso rauchend, Gerhard Schröder mit dicker Havanna und, wer erinnert sich noch, Herbert Wehner, an seiner Pfeife kauend – das sind Ikonen selbstbewussten Genießens.
Woher kommt eigentlich das Wort? Es ist – als Ableitung des Substantivs rouh – schon im frühen Mittelalter als schwaches Verb rouhen bezeugt, damals noch in der Bedeutung ‚dampfen, Rauch erzeugen‘, eng verwandt mit dem gleichbedeutenden starken Verb riohhan, das später eingeschränkt wurde auf die Bedeutung ‚Geruch von sich geben‘ (hier riecht es faulig) und ‚Geruch empfinden‘ (den Braten riechen, er hat Lunte gerochen). Rauchen und riechen sind gleichsam Geschwister, die sich auseinander gelebt, den semantischen Kontakt verloren haben.
Aber wann und wie wurde aus dem ‚dampfen‘ unser ‚Tabak rauchen‘? Die Lexikographen vermuten eine Übertragung von französisch fumer du tabac, also so viel wie ‚Tabak verdampfen‘. In unserem rauchen ist das eingesparte Tabak gleichsam (unsichtbar) inkorporiert wie z.B. auch alkoholisches Getränk in trinken und Trinker für das ‚krankhafte Saufen‘ und den ‚unverbesserlichen Säufer‘. Schon im 17. Jahrhundert taucht auch das Substantiv Raucher auf, aber erstmals 1910 das Wort Nichtraucher, das wir bald nicht mehr benötigen, wenn es keine Raucher mehr gibt.
An die alte Bedeutung von ‚dampfen’ erinnern heute wieder die Rauchwolken, welche aus dem Fenster mancher Autos aufsteigen, die von E-Zigaretten herrühren, jenen Kastraten des Rauchgenusses.
Ich habe mir überlegt, ob ich meine alten Meerschaumpfeifen wieder hervorhole oder meiner Frau eine Schachtel Simon Arzt kaufe (wenn es diese Orientzigarette noch gibt), die sie damals in ihre Zigarettenspitze steckte und nach Art von Audrey Hepburn von sich streckte. Nein, das nicht. Doch schon die Erinnerung wärmt beinahe wie ein tiefer inhalierender Zug und ein langsames Ausdampfen der karzinomgefährdeten Lunge.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Kultur
VDS unterstützt Mitarbeiter der Deutschen Welle
Mitarbeiter der Deutschen Welle sorgen sich um die Vielfalt und Aktualität ihres Senders, welcher künftig die Nachtschichten der Online-Redaktion umstrukturieren und Schichten streichen will. Rund 50 freie Mitarbeiter baten in einem offenen Brief an die Staatsministerin für Kultur und Medien um Hilfe und warnten vor den Streichungen im Online-Angebot der Deutschen Welle. Um dem Bedeutungsverlust der deutschen Sprache in Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft entgegenzuwirken, stellt sich auch der Verein Deutsche Sprache auf die Seite des Auslandssenders und unterstützt die Mitarbeiter in ihrem Vorhaben. „Es ist offensichtlich, dass die Deutsche Welle zunehmend ihrer staatlichen Aufgabe nicht nachkommt: Dazu gehört auch die Förderung der deutschen Sprache‟, so der VDS-Vorsitzende Prof. Dr. Walter Krämer. „Die Medienvielfalt in deutscher Sprache darf nicht eingestampft werden.“ (lifepr.de, vds-ev.de)
Sprachforscher über die Sprache der Bajeschi in Ungarn
Woher die Volksgruppe der Bajeschi wirklich kommt, ist noch nicht abschließend geklärt, Wissenschaftler vermuten einen Ursprung bei den Roma. Früher ein Sklavenvolk in den Minen des Bergbaus, leben die Bajeschi heute als rumänisch-sprechende Minderheit hauptsächlich in Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Ein Sprachforscher hat jetzt die eigene Sprache, die sich innerhalb der Volksgruppe über Jahrhunderte herausgebildet hat, untersucht. Dabei sind spezielle Besonderheiten zu Tage getreten, die es in anderen europäischen Sprachen nicht gibt. So nennen Ehefrauen ihre Männer „mein Mensch“, während Männer ihre Frau als „meine Zigeunerin“ bezeichnen. (derstandard.de)
Film über Udo Lindenberg
Ein Film über das Leben und Werk Udo Lindenbergs kommt nun in die Kinos. Lindenberg steht mit seinem Panikorchester und der Platte „Alles klar auf der Andrea Doria“ seit 1973 auf der Bühne. Sein Lied „Sonderzug nach Pankow“ (1983) und die frühen Auftritte in Ost-Berlin fügten der Berliner Mauer erste Risse zu. Schwerpunkt des Films sind die frühen Jahre des Künstlers Lindenberg, noch vor den großen Erfolgen – eine Zeit, in der es nicht leicht war, deutschsprachige populäre Musik zu machen. „Wir müssen diese tolle deutsche Sprache wiederfinden‟, erklärte Lindenberg die damalige Entscheidung gegenüber der DPA. Auch dafür hat Lindenberg 2010 den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache vom VDS und von der Eberhard-Schöck-Stiftung erhalten. (berliner-zeitung.de, kulturpreis-deutsche-sprache.de)
Deutsch in Belgien
Kriege verschieben Grenzen – in Westeuropa war Belgien eins der Länder, das dies am häufigsten erleben musste. Mal französisch, mal preußisch, war Belgien am Ende des 1. Weltkrieges in den Grenzen angekommen, in denen wir es auch heute noch kennen. Damals wurden Belgien im Rahmen des Versailler Vertrages mehrere Gemeinden des Deutschen Reiches zugesprochen. Dort, im Bereich Eupen, Malmedy und Sankt Vith, lebten damals viele Deutsche, die auch nach dem Krieg in ihrer Heimat bleiben wollten. Heute sind ihre Nachfahren Belgier – sprechen aber häufig immer noch Deutsch. Und sie sind zufrieden mit ihrem Leben zwischen zwei Welten. Den Grund für die Zufriedenheit sieht der Ministerpräsident des entsprechenden Bundeslandes vor allem in der Anerkennung des Deutschen als Amts- und Landessprache (1963). (nzz.ch)
4. Denglisch
Geseatete Reporter beim Phoner mit Talents
Denglisch ist hip – vor allem in der Werbung. Aber auch als Reporter im Promi-Bereich ist es überall vorhanden, egal wie sinnvoll oder nicht es ist, sagt Promi-Reporterin Annika Schönstädt. Aus Schauspielern würden „Talents“, getroffen werde sich im „Meet-and-great-Room“, und man setzt sich auch nicht einfach in die „Front Row“, man wird „geseatet“. All das passiert dabei nicht nur im Kontakt mit englischsprachigen Kollegen, sondern auch mit deutschsprachigen. Das Denglisch habe sich einen Weg in den normalen Sprachgebrauch gebahnt und sorge für kuriose Situationen. Wirklich hilfreich oder besser sei es dabei allerdings nur selten. (morgenpost.de)
5. Termine
24. Januar, Region Österreich (Wien – Verein Muttersprache)
Hauptversammlung des Vereins Muttersprache mit anschließendem Festvortrag: Der Reformator Martin Luther – Formator der deutschen Sprache
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Bezirksmuseum Floridsdorf, Prager Str. 33, 1210 Wien, Österreich
27. Januar, Region 50/51 (Köln)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln
28. Januar, Region 01 (Dresden, Riesa)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Ortsamt Dresden-Loschwitz, Grundstr. 3, 01326 Dresden
29. Januar, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus
30. Januar, Region 67/68/69 (Rhein-Neckar)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Kyffhäuser – Das Gasthaus, Ladenburger Str. 38, 69120 Heidelberg
5. Februar, Region Österreich (Wien)
Stammtisch des Jungen VDS
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Siebensternbräu, Siebensterngasse 19, 1070 Wien
7. Februar, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Ausstellungseröffnung mit Karikaturen von Friedrich Retkowski (im 1. OG)
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Stadtbibliothek Solingen, Mummstr. 10, 42651 Solingen
10. Februar, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)
10. Februar, Region 20/22 (Hamburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg
IMPRESSUM
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke
© Verein Deutsche Sprache e. V.