1. Presseschau
Kulinarisches Vokabular
Ob Rezepte ausgetauscht werden, man das genüssliche Abendessen im Restaurant lobt, oder gemeinsam gekocht wird – gegessen wird täglich, und gesprochen darüber fast ebenso oft. Je nachdem aus welcher Region wir stammen, fällt unsere Wortwahl unterschiedlich aus. Naschen, schnösen, schlickern –das sind Begriffe, die das Verspeisen von Süßigkeiten bezeichnen. Zu einem guten Frühstück gehören Brötchen, nur heißen sie mitunter auch Wecken, Semmeln oder Schrippen. Unser kulinarisches Vokabular wird stark durch regionale Gegebenheiten geprägt. Aber nicht ausschließlich – auch das soziale Umfeld trägt seinen Teil dazu bei. Begriffe, die im familiären Kreis vertraut sind, können im Freundeskreis Verwirrung stiften. Die Zeit hat diesbezüglich einen Aufruf gestartet und möchte eine „bunte Sammlung der schönsten Genusswörter zusammenstellen“. Es geht um die Frage, wie wir unser Essen beschreiben. „Welche ungewöhnlichen Begriffe nutzen Sie am liebsten? Welche neuen Adjektive haben Sie oder Ihr Umfeld erfunden? Wenn wir über ein Gericht mehr sagen können als ‚lecker‘, dann schulen wir unseren Geschmack und unsere Wertschätzung“, heißt es im Aufruf.
Wer der Zeit einen Einblick in sein kulinarisches Vokabular geben möchte, kann eine Mail an community-redaktion@zeit.de schreiben. Alternativ kann die Kommentarfunktion oder das Umfrageformular unter folgendem Artikel genutzt werden: zeit.de.
Bundestag erlaubt Gendersprache
Der Tagesspiegel berichtet, dass die Verwaltung des Bundestags gegendert vorgelegte Anträge, Entschließungsanträge und so weiter nicht mehr korrigiert, Gendersternchen, Gender_Gap und andere Zeichen werden nicht mehr angepasst, sondern dem Plenum in der eingereichten Form vorgelegt. Der VDS hat bei der Pressestelle des Bundestags nachgefragt, sie hat diese Vorgehensweise bestätigt. Lediglich die Titel der Vorlagen blieben weiter „vorlesbar“, so ein Bundestagssprecher. Darüber hinaus seien die Fraktionen für die Schriftstücke zuständig, trügen daher auch das Risiko, „dass die Intentionen ihrer politischen Initiativen bei den übrigen Mitgliedern des Bundestages unter Umständen nicht oder falsch verstanden und deshalb abgelehnt werden“. Der VDS hat sich in einem offenen Brief an den Bundestagspräsidenten Dr. Wolfgang Schäuble und den Direktor beim Bundestag, Dr. Lorenz Müller gewandt und diesen Brief auch zur Kenntnisnahme an die Fraktionsvorsitzenden weitergeleitet. Darin macht der VDS deutlich, dass auch Volksvertreter sich an die Regeln der amtlichen Rechtschreibung halten sollten, da allein diese verbindliche Strukturen vorweisen. Die Abgeordneten vertreten die Sprachgemeinschaft , diese lehnt das Gendern aber mehrheitlich ab, daran sollten sich auch die Volksvertreter orientieren. Geschlechtergerechtigkeit werde vom VDS umfänglich unterstützt, das Gendern der Sprache diene der Gerechtigkeit jedoch nicht – vielmehr käme das Kulturgut zu Schaden, das uns allen eine Kommunikation auf Augenhöhe überhaupt erst ermöglicht. (vds-ev.de, checkpoint.tagesspiegel.de)
Audi setzt auf gendergerechte Sprache
Der Autohersteller Audi will künftig gendergerecht kommunizieren und hat dafür geltende Richtlinien herausgegeben. „Vorsprung beginnt im Kopf“ lautet der Titel des entsprechenden Dokuments. Dort werden den Mitarbeitern verschiedene Varianten des Genderns ans Herz gelegt. So könnten neutrale Bezeichnungen, Partizipformen oder Passivkonstruktionen Verwendung finden. Auch der Gendergap wird empfohlen – es solle zum Beispiel künftig „Audianer_innen“ heißen.
In den sozialen Medien gibt es gemischte Reaktionen darauf. Auch der Verein Deutsche Sprache e. V. bezieht Stellung. Der Geschäftsführer des Vereins, Holger Klatte, hat Verständnis dafür, dass sich Audi-Fahrer nun bevormundet fühlen und verärgert reagieren. Ihm zufolge sollten große Unternehmen wie Audi in einer Sprache sprechen, die verstanden werde. „Wenn ich ganz allgemein von Autofahrern oder Autokäufern spreche, ist die geschlechtliche Identität der Person vollkommen irrelevant. Dass hier nur Männer gemeint seien, die Auto fahren, ist absurd. […] Dem Bemühen um Respekt oder dem Einsatz gegen Diskriminierung hilft ein solcher Unterstrich sicherlich nicht weiter“, so Klatte. (spiegel.de, bild.de)
Wutdebatten im Schatten sozialer Medien
Wer auf der vermeintlich falschen Seite der „Political Correctness“ steht, der ist rückständig, intolerant und veraltet. Das ist der Eindruck, den Klaus Staeck in seiner Kolumne in der Frankfurter Rundschau gewonnen hat. Debatten werden in Zeiten von sozialen Medien, in der viele Gesprächsteilnehmer anonym unterwegs sind, mit viel mehr Wut und Verunglimpfung geführt als früher, da man einander sehen und anfassen konnte. Wer einen Zustand kritisiert, der emotional aufgeladen sein kann, dem schlägt der geballte Hass der anderen Seite entgegen. Zuletzt musste der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erfahren, was ein Shitstorm ist. Thierse, der sich seit langem für Folteropfer, Überlebende des Holocaust und Kultur einsetzt, sah sich plötzlich massiven verbalen Angriffen ausgesetzt, die ihn als rechtsextrem darstellten. „Es hat sich in dieser Gesellschaft etwas grundlegend verändert, wenn die Basis der Demokratie zwar noch für die Mehrheit, aber nicht mehr für eine meinungsstarke, die ‚sozialen Netzwerke‘ als Lautsprecher nutzende Gegenöffentlichkeit gültig zu sein scheint“, so Staeck. „Deren Absolutheitsanspruch steht einer pluralistischen Gesellschaft entgegen, weil man sich mit der anderen Meinung nicht mehr auseinandersetzen muss.“ (fr.de)
Gendern laut Umfrage unbeliebt
Befürworter der Gendersprache bringen in aller Regel an, dass Sprache Gleichberechtigung ausdrücken müsse. In einer Umfrage des Karriereportals Monster stimmten dieser Aussage jedoch nur 14 Prozent der Befragten zu. Stattdessen gaben 36 Prozent an, dass sie keine Lust auf sprachliche Veränderungen im Arbeitsalltag hätten – lieber solle alles so bleiben, wie es ist. Die Mehrheit hingegen ist geteilter Meinung: „Gendergerechte Sprache ist zwar wichtig, man kann es aber auch übertreiben“ lautete die Aussage, der 41 Prozent aller Befragten zustimmten. Nur 10 Prozent war das Thema insgesamt gleichgültig. An der – allerdings nur online durchgeführten – Umfrage von Yougov nahmen 2048 Personen teil. (zeit.de, presseportal.de)
Gebärdensprache weltweit unterschiedlich
Sprachen haben unterschiedliche Ausprägungen: Einige funktionieren mit Lauten, die Wörter ergeben, andere mit Pfiffen – oder mit Gebärden. Diese unterscheiden sich weltweit, teilweise gibt es eigene Dialekte. BestimmteWörter, zum Beispiel die Zeichen für 1, 2, 3 oder für Körperteile sind ähnlich, darüber hinaus werden verschiedene Zeichen und verschiedene Grammatiksysteme verwendet. Die Gebärdensprache wurde in Deutschland überhaupt erst 2002 offiziell als Sprache anerkannt. Seither haben auch Gehörlose vor Gericht das Anrecht auf einen Gebärdendolmetscher. (swr.de)
2. Unser Deutsch
hü und hott
Die beiden Interjektionen werden heute meist übertragen gebraucht, im Sinne von ‚der eine sagt hü, der andere hott‘ oder ‚erst hü, dann hott‘, mal in die eine, mal in die andere Richtung.
Das erinnert an die Empfehlungen und Beschlüsse in der Corona-Pandemie: erst nützen die Masken angeblich nichts, dann werden sie zur Pflicht gemacht und kostenlos verteilt. Erst genügen die einfachen, die Alltagsmasken, dann müssen es die gefilterten FFP-2-Masken sein. Hü und hott auch beim Impfen: Nur zwei besonders gute Vakzine seien für die Alten ab 80 geeignet, ein dritter nur für die Jüngeren. Dieser sei allerdings weniger wirksam und hätte gewisse Nebenwirkungen. Die Folge: viele Jüngere verweigerten das Impfen, dieser Stoff blieb liegen. Darauf hieß es sofort: „April, April, so war es nicht gemeint, jetzt wissen wir mehr. Kommt doch alle her, ihr Impflinge!“ Der Chef der Impfkommission kommentierte bloß: „schlecht gelaufen“. Und schließlich die sogenannten Schnelltests. Erst hieß es hü: Laien können das garnicht, es braucht Fachpersonal (ich habe es – unerlaubt – probiert: kinderleicht), dann hott: zur Not geht’s schon. Jetzt heißt die Devise: testen, testen, testen! Man sieht: hü und hott sind ein Wortpaar, das die erlebte Wirklichkeit nur zu gut abbildet.
Wir fragen: wo kommt dies sprechende Interjektionspaar her? Es stammt aus der Zeit vor Auto und Traktor, als der Fuhrmann noch seine Ochsen und der Kutscher seine Pferde antrieb mit lautem hü, hüa oder hottehü; und wenn es nach rechts gehen sollte: hotte. (Vielleicht, so sagt es eine Deutung: weil jetzt das rechte Pferd eines Zweiergespanns gemeint war.) Schon seit dem 16. Jahrhundert sind diese Zurufe belegt, zur Etymologie weiß man nichts. Ein Indiz für ihr Alter ist auch das Hottepferdchen, ein altes Wort der Kindersprache für ein Pferd.
Mit hü und hott verbinden wir das Bild des Kutschers, der die Peitsche schwingt. Dazu gehört auch ein lautes brrrrr: Signal zum Lockdown. In der Pandemie-Bekämpfung ist der Kutschbock allerdings überbesetzt mit den Chefs von Bund und Bundesländern. Sie mühen sich redlich, doch bewahrheitet sich auch das Sprichwort: viele Köche verderben den Brei.
Als Kutschen und Fuhrwerke noch dem Transport von Mensch und Ware dienten, zur Goethe-Zeit zum Beispiel, war das Inventar solcher Zurufe sicher viel reicher, so vielfältig wie unsere Dialekte. In heutiger Alltagssprache ist davon nur dieses kleine markante Gegensatzpaar übrig geblieben, hü und hott, eine Erinnerung an die Lebenskultur vergangener Jahrhunderte.
Nachtrag
Mehrere Leser bestätigen, berichtigen und ergänzen meine Skizze der Zurufe an Ochsen, Kühe und Pferde. hü(ah) gilt allgemein dem Anziehen des Gespanns, nach links heißt wist, nach rechts hott. Im bayerischen Lechrain steht ööh(a) für den Halt an Ochsen und Kühe, brr nur für die Pferde. Und aus Wien wird berichtet: hü und hott stehen für Anziehen und Anhalten, die Deutung in der Klammer aber sei falsch: für eine Wende nach rechts werde das linke Pferd eines Zweiergespanns angesprochen. Mein Dank gilt den aufmerksamen Lesern.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e.V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Kultur
Tag der Grammatik
Es gibt schon viele kuriose „Ehrentage“: Den Spann-zu-Hause-einen-Regenschirm-auf-Tag, den Tag des Butterbrotes oder auch den Tag der Jogginghose (der übrigens mit dem Welt-Knuddeltag und dem Ehrentag des Hörnchens zusammenfällt). Der Tag der Grammatik, der am 4. März gefeiert wird, hat aber tatsächlich einen vielschichtigen Hintergrund. In den USA, wo er erfunden wurde, basiert er auf der englischsprachigen Aussprache des Datums: March 4th. Das kann auch als Imperativ verstanden werden: „march forth“ – „marschiert vorwärts“! Die Absicht dieses nationalen Ehrentags der Grammatik liege darin, sagt dsa Marketing „die Sprache und die entsprechenden Regeln zu beherrschen und diese zu ehren. Denn nur durch eine klare, verständliche Kommunikation kann eine Unterhaltung zwischen zwei oder mehreren Menschen gelingen – ohne Grammatik keine einwandfreie Kommunikation.“ (dsa-pr.de)
Dichter aufgepasst!
Am 21. März ist Welttag der Poesie. Aus diesem Anlass veranstaltet das Bonner Campusradio bonnFM einen Poesie-Wettbewerb. Ob Student oder nicht, jeder darf ein eigenes Gedicht einsenden. Thematisch ist alles willkommen – ob lustig, nachdenklich, sozialkritisch oder romantisch. Das Gedicht sollte in deutscher Sprache verfasst sein und 150 Wörter nicht überschreiten. Einsendeschluss ist der 15. März 2021. Mehr unter: bonn.fm.
4. Berichte
Wahlprüfsteine für Rheinland-Pfalz
Am Sonntag, dem 14. März wird in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt. VDS-Regionalleiter Hans-Dieter Bottke hat sprachpolitische Wahlprüfsteine an die fünf Parteien mit den größten Erfolgsaussichten geschickt. Ihm geht es um Deutsch in der Schule und in der Ausbildung, die Haltung der Parteien zur Gendersprache und die rechtliche Stellung der deutschen Sprache. Die Aussagen der Parteivertreter bringen wenig Überraschendes: Alle wollen die Deutschkenntnisse von Schülern und Auszubildenden fördern. Die Grünen wollen „konsequent geschlechtergerechte Sprache in allen Behörden, Gesetzen und auf allen Formularen (…) umsetzen“. Die rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten betrachten die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz als „überflüssig“. Die AfD will „hartnäckig auf die zentrale Bedeutung eines selbstbewussten Umgangs mit der deutschen Muttersprache in allen gesellschaftlichen Bereichen hinweisen.“ Für die FDP „zählt die Qualität der Wissenschaft, der Lehre und der Forschung, und nicht die Sprache, die dabei gesprochen wird.“ Für die CDU ist es seit 2008 ein erklärtes Ziel, „Deutsch als Sprache der Bundesrepublik Deutschlands ins Grundgesetz aufzunehmen“.
Die ausführlichen Fragen und Antworten sind nachzulesen unter: vds-ev.de.
5. Denglisch
Click & Meet
Die Läden sind geschlossen, verkauft werden soll trotzdem. Damit auch in Zeiten der Pandemie eingekauft werden kann, hat man sich neue Konzepte überlegt – natürlich mit englischem Titel. Es begann mit Click & Collect, was offenbar nur unter Mühen mit „Klicken & Abholen“ übersetzbar ist. Der Kunde verpflichtet sich mit seiner Bestellung zum Kauf und holt den Artikel dann beim Laden ab. Nachdem nun die ersten Lockerungen angekündigt wurden, folgt Click & Meet, welches mit etwas Übung in„Klicken & Treffen“ übersetzbar ist – im Grunde nichts weiter als eine Weiterentwicklung des Click & Collect-Prinzips: Der Kunde vereinbart einen Termin mit dem Geschäft und kann zur vereinbarten Zeit zum Einkaufen vorbeikommen. Während das Konzept Click & Collect noch einen Zusammenhang zur Wortbedeutung aufweist, klingt Click & Meet eher nach Partnerbörse als nach Einkaufen. Absicht? (noz.de, rnd.de)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Alina Letzel, Dorota Wilke, Holger Klatte