1. Presseschau
Erster Erfolg gegen Audi
Im Fall des VW-Mitarbeiters, der gegen das Gendern bei Audi klagt, gibt es einen ersten Erfolg. Das Landgericht Ingolstadt hat die Klage vor einem ordentlichen Gericht zugelassen – damit kann der Fall demnächst vor dem Landgericht terminiert werden. Audi hatte beantragt, den Fall vor einem Arbeitsgericht klären zu lassen, weil es ausschließlich arbeitsrechtliche Belange berührt sah. Dieser Argumentation ist das Landgericht nicht gefolgt, es sah offenbar weitreichendere Rechtsgüter betroffen. „Es ist beschämend, wie sehr ein angeblich moderner Weltkonzern auf Formalien rumreitet, anstatt zur Sache Stellung zu beziehen“, sagte der Kläger-Anwalt Burkhard Benecken in der Bild. Der Kläger freut sich über diese Entscheidung: „Ich hoffe auf eine baldige Klärung – dieses aufgezwungene Gendersprech macht mich krank.“ Unterstützt bei seiner Klage wird er vom Verein Deutsche Sprache. Doro Wilke, Pressesprecherin des VDS stellte klar: „Das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen darf nicht einer sprachlichen Ideologie zum Opfer fallen.“ Audi selbst wollte sich zum konkreten Fall nicht äußern, verwies jedoch auf den gegenseitigen Respekt, den man im Unternehmen pflegen möchte und darauf, dass gendersensible Sprache der Ausdruck einer sichtbaren, positiven Haltung zu Vielfalt und Chancengleichheit sei. Der VDS freut sich über Unterstützung in den Verfahren, die aktuell gegen die Gendersprache laufen. Spenden können Sie hier: vds-ev.de. (bild.de)
Der Traum vom Universalübersetzer
Die Menschheit träumt von einem Universalübersetzer. Eine Maschine oder eine App, die es möglich macht, sich weltweit zu verständigen, ohne eigenständig eine Sprache lernen zu müssen. In China gab es anlässlich Olympia Versuche. Angestellte in Handel, Gastronomie und Hotellerie wurden mit Übersetzungsgeräten ausgestattet, um die Kommunikation mit angereisten Journalisten und Sportlern zu erleichtern. Die digitale Übersetzung funktionierte nicht einwandfrei. Übersetzungsprogramme sind heutzutage frei zugänglich und beherrschen bis zu 108 Sprachen. Die gesprochene Sprache bringt die meisten Übersetzungsprogramme jedoch ins Stolpern. Den Systemen mangelt es meist an Kontext, denn niemand spreche perfektes Deutsch in sein Handy, erklärt der Computerlinguist Peter Schüller. Auch mangelt es an Schnelligkeit bei einer Echtzeitübersetzung. Die Programme seien laut Schüller eher für die Übersetzung von Gesetzestexten geeignet, nicht von alltäglicher Kommunikation. Selbst wenn die Textbeispiele des Algorithmus immer vielfältiger und reicher werden, kann maschinelle Übersetzung nie perfekt sein, denn die Besonderheiten alltagssprachlicher Grammatik und Aussprache kann man nicht Lehrbüchern entnehmen. Vielleicht ist ein umfangreicher Universalübersetzer, der uns zu Sprachexperten macht, jedoch nicht notwendig und die holprigen Alltagsübersetzungen der Programme reichen völlig aus – für den Alltag. (derstandard.de)
Die Suche nach der eigenen Muttersprache
Anlässlich des Internationalen Tags der Muttersprache am 21. Februar macht die Linguistin Jacqueline Haddadian auf die Tücken der Mehrsprachigkeit aufmerksam und geht der Frage nach, was eine Muttersprache ausmacht. Denn vor allem Menschen, die mehrsprachig aufwachsen, sind mit der Frage konfrontiert, welche der Sprachen denn nun ihre Muttersprache sei. Die Linguistin selbst besitzt ein umfangreiches Sprachrepertoire. Aufgewachsen ist sie mit Deutsch und Farsi, der Amtssprache im Iran. In der Schule hat sie Französisch und Englisch und an der Universität Spanisch gelernt. Im Duden ist die Muttersprache definiert als „Sprache, die ein Mensch als Kind (von den Eltern) erlernt (und primär im Sprachgebrauch) hat.“ Forscher haben nachgewiesen, dass Kinder bereits im Mutterleib die Mutter sprechen hören und darauf reagieren. Die Sprache der Mutter sei trotzdem nicht zwangsläufig die Muttersprache des Kindes. In der Wissenschaft wird deswegen zwischen Erst- und Zweitsprache unterschieden, die sich im qualitativen Niveau unterscheiden. Ebenfalls gilt unter Linguisten, dass die menschliche Sprachfähigkeit nicht mit der Intelligenz zusammenhänge und grundsätzlich bei allen Menschen gegeben sei. Haddadian zieht bei der Frage um ihre Muttersprache jedoch einen wichtigen Schluss: Neben den faktischen Sprachkenntnissen, die sie in mehreren Sprachen besitzt, gebe es auch eine emotionale Komponente. Deutsch sei die Sprache, in der sie ihre Gedanken und Gefühle am besten ausdrücken kann und somit ihre bevorzugte Erst- und Muttersprache. (stern.de, duden.de)
Das Bairische kein Deppenidiom
Das bairische Idiom und der Bayerische Rundfunk bilden „ein kompliziertes Miteinander“, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Parodiert wird der Dialekt meist in primitiven Comedy-Beiträgen, die das Bairische als Deppenidiom der zurückgebliebenen Hinterwäldler darstellen. Regionale Sprachvereine wie der Bund Bairische Sprache und der Förderverein Bairische Sprache kritisieren anlässlich des Internationalen Tags der Muttersprache diese Verachtung der eigenen Sprache und Kultur. Der Bund Bairische Sprache rät nach Vorbild der norwegischen Rechtslage zu verfahren. Die offizielle Hochsprache wird dort nämlich in sechs regionalen Standardvarietäten gesprochen und geschrieben. Seit fast 150 Jahren verbietet ein Sprachschutzgesetz den Lehrern, Schulkinder zu korrigieren, wenn diese ihren Dialekt verwenden. Der Förderverein Bairische Sprache arbeitet zusammen mit der Universität Salzburg an einem Projekt, um Vorurteile gegenüber Dialektsprechern abzubauen. Beide Vereine setzen sich für den muttersprachlichen Pluralismus ein, um ein Aussterben der Mundarten Bayerns zu verhindern. (sueddeutsche.de)
Fehler gehören dazu
Der Spracherwerb bei Kindern ist ein komplexer Vorgang. Aus undefinierten Lauten werden zielgerichtete, aus ihnen formen sich erst Wörter, dann ganze Sätze. Es ist normal, dass dabei nicht sofort alles grammatikalisch korrekt ist. Fehler gehören zum Spracherwerb, denn sie zeigen, dass Kinder zunächst bestimmte Strukturen lernen, denen sie in einem weiteren Schritt die Besonderheiten hinzufügen – das zeige Lernfortschritt und Kreativität, so André Perler und Markus Gasser im Schweizer Radio SRF: „Das Partizip Perfekt wird oft nach dem Muster ‚ge + Verbstamm + t‘ gebildet (‚spile‘ zu ‚gspilt‘, ‚lose‘ zu ‚glost‘ etc.). Dieses Muster können Kinder bald auf alle Verben übertragen und Partizipien bilden, die sie nie gehört haben. Zum Beispiel wird aus ‚singe‘ im Kindermund ‚gsingt‘ – nur, dass ‚singe‘ nach einem anderen Muster funktioniert (‚gsunge‘).“ Dieser Vorgang der „Übergeneralisierung“ zeigt: Ein Muster wird zwar korrekt angewendet, stimmt aber in diesem einen Fall eben nicht. Dieser „schlaue Fehler“ zeige, dass ein Kind Sprache korrekt lernt und durch eine Korrektur seitens der Erwachsenen anschließend die Grenzen der vermuteten Muster kennenlernt. Auch vermeintlich falsche Laute gehörten zum Spracherwerb. Die Sprechinstrumente sind noch nicht genügend ausgeprägt, um alle Laute korrekt bilden zu können. Dann wird bei Kindern schon mal aus einem „Helikopter“ ein „Helidoppeler“: „Bei schwierig zu produzierenden Lauten und Silbenkombinationen weichen sie auf einfachere aus, die sie bereits beherrschen.“ Fehler machen ist im Verlauf des frühkindlichen Spracherwerbs also ausdrücklich erwünscht. (srf.ch)
2. Gendersprache
Gendern kein natürlicher Sprachwandel
Gendern ein natürlicher Vorgang des Sprachwandels? Das sei ein Märchen, es werde häufig bemüht, um den von Genderbefürwortern forcierten Sprachwandel zu rechtfertigen. Die Linguistin Prof. Heide Wegener sagt in der Welt: Tatsächlich laufe Sprachwandel grundsätzlich anders ab, auf verschiedene Weisen. Eine sei zum Beispiel die Verkürzung, weil sie einer ökonomischen Sprachnutzung entspricht. Aus „Kindertagesstätte“ wird „Kita“, aus „Universität“ wird „Uni“. Weniger Silben bedeuten weniger Arbeitsaufwand. Auch ein Sprachwandel durch Modeerscheinungen sei nicht ungewöhnlich, dabei können Wörter auch länger werden, zum Beispiel „Appartement“ statt „Wohnung“. Nicht zuletzt gibt es reine Eindeutschungen wie „Fahrkarte“ statt „Billet“ oder „Gehweg“ statt „Trottoir“. Ein grammatikalischer Wandel entsteht dabei von unten nach oben, etwas bürgert sich ein und wird übernommen; eine Entlehnung von Fremdwörtern kommt hingegen meist aus der Oberschicht und „sickert“ dann nach unten durch.
Beide Versionen haben etwas gemeinsam: „Natürlicher Sprachwandel verläuft vom Unbewussten zum Bewussten, für den Laien häufig unbemerkt, auch wenn der sich im Laufe seines Lebens neue Formen aneignet, die er natürlich zunächst ablehnt, denn zu Anfang sind sie ja falsch.“ Damit stehe er im direkten Gegensatz zum Gendern, so Wegener: „Genderformen sind weder einfacher, artikulatorisch oder kognitiv, noch verständlicher als die generischen Maskulina, die sie verdrängen sollen (…) Sie entstehen weder unbewusst noch entziehen sie sich einer bewussten Lenkung, insofern haben sie mit natürlichem Sprachwandel nichts zu tun.“ Ihre lexikalen Änderungen ergeben keinen objektiven Mehrwert, aber sie verleihen den Verwendern Prestige. „Die deutlichste Parallele besteht bezüglich Durchsetzung der Formen zu den Verdeutschungen der Fremdwörter im 19. Jahrhundert. Wie zu jener Zeit wird auch der Gebrauch von Genderformen massiv gefordert und gefördert, durch Verordnungen, Handreichungen, Leitfäden. Als deren Herausgeber greifen Behörden und Universitäten steuernd ein. Sie ‚empfehlen‘ Genderformen zwar nur, de facto ordnen sie diese aber aufgrund ihrer Vormachtstellung an, wie sogar die taz schreibt.“ Es sei nicht ohne Ironie festzustellen, dass die Verfechter von Genderdeutsch exakt dieselben Methoden anwenden wie die konservativen Nationalisten des 19. Jahrhunderts, um bestimmte Sprachformen durchzusetzen. „Die AfD-Keule sollte vielleicht nicht gar so schnell geschwungen werden, wenn sich heute jemand nicht manipulieren lassen will.“ (welt.de (Bezahlschranke))
Gendern: Historisch einmaliger Vorgang
Auch Wolfgang Krischke spricht dem Gendern ab ein natürlicher Sprachwandel zu sein. Der Linguist und Journalist beschreibt in der FAZ Gendern als technokratischen Eingriff. Echter Sprachwandel sei ein Trampelpfad: „Den wenigen, die als Erste das Gras niedertreten, folgen immer mehr, bis ein Weg gebahnt ist. Im Gegensatz dazu geht es beim Gendern mit seinem Versuch, das generische Maskulinum zu delegitimieren, um einen gezielten Umbau der Grammatik, vorangetrieben von Aktivisten und ihrem geneigten Umfeld an den Hochschulen, in Behörden, Unternehmen und Medien. Hier wandelt sich die Sprache nicht, sondern sie wird gewandelt durch politischen und institutionellen Druck von oben.“ Verwaltungen schreiben Gendern ihren Angestellten vor, Universitäten geben Empfehlungen, die aber jeder befolgen sollte, der keine schlechte Note haben möchte. Gendern habe nichts mit herkömmlichen Normierungen zu tun, in denen sich Sprache bewege, vielmehr würde am Reißbrett versucht, eine neue Sprache einzuführen – das sei ein historisch einmaliger Vorgang. (faz.net (Bezahlschranke))
Die Dominanz des weiblichen Artikels
Meinhard Creydt schlägt in seinem Artikel auf dem Portal heise.de/telepolis einen Paradigmenwechsel in der Debatte um gendergerechte Sprache vor. Er erklärt, dass in der deutschen Sprache der weibliche Artikel in den zentralen Bereichen des menschlichen Lebens dominiert und enorm ausgebreitet sei. Wo es um Arbeit geht (die Wirtschaft, die Arbeit) oder um Sozialisation und Bildung (die Schule, die Universität, die Kultur) und in vielen weiteren Bereichen würden männliche Artikel ausgegrenzt. Sprachliche Gleichberechtigung und Sichtbarmachung aller Geschlechter sind Argumente der Genderbefürworter. Creydt führt jedoch aus, dass die Diskriminierung des Männlichen in der Bezeichnung der Zentralobjekte unseres Seins omnipotent ist. Die Genderdebatte reduziert die Welt auf Personen. Creydts Beispiele beweisen, dass Deutsch eben keine „reine Männersprache“ ist und die Debatte um das Gendern grundsätzlich verengt und fehlgeleitet ist. (heise.de/tp)
Gendern im Abi
Niedersachsen spielt Pippi Langstrumpf und macht die Welt, widde-widde-wie-sie-ihr gefällt. Abiturienten dürfen in ihren Abiprüfungen gendern. Damit schert das Land (so wie schon Baden-Würrtemberg) aus den Regeln aus, die von der Kultusministerkonferenz (KMK) etabliert wurden, um für eine einheitliche Orthographie zu sorgen, schreibt Heike Schmoll in der FAZ. Man wisse, dass die Regeln nicht „dudenkonform“ seien, heißt es in einer Mitteilung des niedersächsischen Kultusministeriums, wolle sie dennoch nicht als Fehler werten. Damit stößt das Land auch den Rat für deutsche Rechtschreibung vor den Kopf, denn was dieser sagt – und nicht der Duden – ist für die Rechtschreibung verbindlich. Der Vorsitzende des Rats, Josef Lange, wies darauf hin, dass das Regelwerk von den relevanten staatlichen Stellen beschlossen wurde und damit für die Schulen und die Verwaltung bindend sei: „Wenn ein Land sich vom amtlichen Regelwerk verabschiedet, verabschiedet es sich auch von der Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum“, so Lange, das sei ein Rückfall in die Zeit vor 1903. Kriterien im Hinblick auf Verständlichkeit, Lesbarkeit und Übertragbarkeit könnten dann nicht mehr vollumfänglich erfüllt werden: „Wenn staatliche Stellen sich nicht an selbst beschlossene Regeln halten“, wie solle dann Schülern und Bürgern vermittelt werden, „dass staatliche Regeln im Gemeinwesen verbindlich sind“, fragt Lange. (zeitung.faz.net)
Fachzeitschrift der Architekten umbenannt
Die Gremien des Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) haben beschlossen, ihre Fachzeitschrift gendergerecht umzubenennen. Aus der architekt, erstmals 1952 veröffentlicht und absichtlich in der damals modernen Kleinschreibung gehalten, wird die architekt. Der neue befremdlich klingende Titel versucht also ganz ohne Genderstern und Binnen-I auszukommen. Die Gremien rechtfertigen die Entscheidung damit, dass keine Person gemeint sei, sondern die (Zeitschrift) Architekt. Man berufe sich auf die rhetorische Figur der Ellipse, um Widersprüche des Berufsfelds sichtbar zu machen und gleichzeitig das geistige Bild des einsamen (und männlichen) Architekten zu überwinden. Die mühsam zusammengesuchten Argumente für diese Umbenennung hält FAZ-Feuilletonautor Matthias Alexander jedoch nicht für ein solides Gedankengebäude, eher eine windschiefe Hütte. (faz.net)
Von „Freierinnen“ in Wien
Frauen sind in einem Bordell nicht gern gesehen – zumindest nicht, wenn sie dort keiner Arbeit nachgehen. Nicht so in Wien: „Wien gendert Puff-Gesetz“ titelt das Portal heute.at und berichtet von einer Novellierung des Wiener Prostituiertengesetzes. Offenbar hat sich die Stadt die seit 2004 vorgeschriebene sprachliche Gleichbehandlung so sehr auf die Fahnen geschrieben, dass es jetzt in der neuen Fassung des Gesetzes heißt „Wer als Freierin oder Freier (…)“. Peter Laskaris, der Manager des Bordells „Laufhaus“ kann sich ein Zwinkern nicht verkneifen: „Bis dato war es ‚normalen‘ Frauen per Gesetz samt saftiger Strafe verboten und oft auch aus betrieblichen Gründen untersagt, ein Freudenhaus zu betreten.“ Nur die sogenannten „Kontrollprostituierten“ mit der Grünen Karte (ärztliches Gesundheitszeugnis) der Stadt Wien hatten Zutritt. Nun jedoch dürften Frauen „legal den weltweit wohl letzten existenten gesetzlich verbotenen geheimen Ort der Lust und des Lasters betreten“, so Laskaris. Die meisten Etablissements hätten Frauen den Zutritt eh nicht gestattet: „Sie haben einfach keine Lust auf hinterherspionierende, rachsüchtige Ehegattinnen. Auch das ist nachvollziehbar“, sagt Laskaris. An eine Welle neuer Kundinnen glaubt er aber nicht: „Nur für Sex muss keine Frau weltweit bezahlen. Für den solventen Gentleman gibt’s hingegen kaum was Günstigeres als bezahlten Geschlechtsverkehr.“ Auf eine VDS-Anfrage über Twitter, ob es für Wien valide Zahlen der Freierinnen gebe, hat die Stadt nicht geantwortet. (heute.at)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Beauftragte
Warum gibt es so viele Beauftragte in unserer Zeit? Missbrauchsbeauftragte, Antisemitismusbeauftragte, Drogenbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte, Frauenbeauftragte und viele andere? Es ist eine neue Form, Aufgaben zu delegieren, auszugliedern, teils um einem Thema Gewicht zu verleihen, teils aber auch, um es zu verstecken, auf Eis zu legen. Hast Du einen Beauftragten, ist die Sache erst einmal in Gang gesetzt. Der oder die Beauftragte wird sich kümmern. Dazu trägt auch die sprachliche Seite bei: Das Wort ist so schön durchsichtig. Das erkennt man schon an der Bedeutungsangabe im Duden: ‚jemand, der einen bestimmten Auftrag erhalten hat‘. Zugrunde liegt das Substantiv Auftrag. Daraus ist das Verb beauftragen ‚einen Auftrag erteilen‘ abgeleitet. Zum Verb kann das Partizip ‚beauftragt‘ gebildet werden und dieses Adjektiv lässt sich als Substantiv gebrauchen. Fertig ist der Beauftragte. Wir können nun anfügen, wer den Auftrag erteilt hat. Darum gibt es Beauftragte der Kirche, einer Partei, des Papstes und so weiter. Meist wird aber nicht der Auftraggeber genannt sondern der Zweck der Beauftragung, vom Datenschutzbeauftragten bis zum Missbrauchsbeauftragten. Sie sollen sich um Problembereiche kümmern. Ist der Datenschutz durch eine Verordnung gefährdet? Wo in Vergangenheit und Gegenwart findet sich Antisemitismus? Dies ist angesichts unserer Geschichte ein besonders ergiebiges Feld. So hat ein diesbezüglich Beauftragter in der Buchstabiertafel (A wie Anton, B wie Berta …) Antisemitisches entdeckt. Die Nazis hatten drei unerwünschte, angeblich jüdische Namen aus der Liste entfernt und ersetzt. Darauf hat der zuständige DIN-Ausschuss gleich das ganze Diktier-System mit Vornamen verworfen. Denn sie entdeckten, nun gleichsam in der Funktion eines Gleichstellungsbeauftragten, dass es nicht genug weibliche Vornamen in der Buchstabiertafel gab. Darum sollen nun Städtenamen als Buchstabierhilfe dienen. Auf der Strecke blieb die eigentliche Funktion: Buchstaben durch gängige, gute hörbare Wörter zu symbolisieren. Ferner wurde vergessen, dass die bisherige Diktiertafel auch in Österreich und der Schweiz gilt. Ohne jeden Kooperationsversuch soll nun ein länderübergreifendes Element des Deutschen beseitigt werden. Der Fall ist typisch für die Arbeitsweise von Beauftragten: der Tunnelblick auf ihr Revier. So entdeckte ein Berliner Antisemitismus-Beauftragter, dass in 290 Berliner Straßennamen Personen genannt sind, die auch Rassistisches geäußert haben wie die Brüder Grimm, Konrad Adenauer und natürlich Richard Wagner. Hier werden Umbenennungen angemahnt. Aus dem Blick geriet die eigentliche Funktion von Straßennamen: die Identifizierung der Verkehrswege in einer Gemeinde. Ehrung oder Erinnerung ist nur ein Nebenaspekt. Dies schert den Beauftragten ebenso wenig wie die Kosten einer Umbenennung für alle Betroffenen. Ein Paradebeispiel des Beauftragten-Unwesens sind die unzähligen Frauenbeauftragten an Universitäten, in Firmen und in Kommunen, die nur eines im Blick haben: die Frauenquote auf besseren Posten zu erhöhen. Sie fühlen sich auch als Vorhut des allgemeinen Genderns. In einer Sprachreform zum sprachgerechten Deutsch haben sie eine Daueraufgabe gefunden.
Was könnte helfen gegen diese Beauftragerei? Vielleicht ein Beauftragter für die Prüfung und Beaufsichtigung der Beauftragten. Seine Aufgabe ist Rückbau und Rückverweisung an jene, die sich durch die Einführung von Beauftragten aus der Verantwortung gestohlen haben. Eine vielversprechende Aufgabe.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de.
4. Kultur
Kreative Ausdrücke füllen sprachliche Lücken
Die deutsche Sprache umfasst ungefähr 500.000 Wörter, sie inspirierte etliche Dichter und Denker. Anlässlich des Internationalen Tags der Muttersprache stellt die Frankfurter Rundschau jedoch einige Phänomene vor, die bisher noch keinen passenden Ausdruck im Deutschen haben. Das norwegische „Utepils“ würde wörtlich etwa mit „Draußenbier“ übersetzt werden können. Ursprünglich war damit das erste Bier des Jahres gemeint, welches man ohne zu frieren unter freiem Himmel trinken konnte. Heutzutage ist damit jedes Bier gemeint, welches draußen getrunken wird. Thematisch passend gibt es in Dänemark den „Morgenfrisk“, also das Gegenteil des Brummschädels. „Morgenfrisk“ drückt die Frische des jungen Morgens in Person aus.
Die Japaner sprechen von „Tsundoku“, wenn ein neues Buch ungelesen im Regal verstaubt, denn in Japan arbeiten viele Menschen rund um die Uhr und Freizeit ist knapp bemessen. Dies geht sogar so weit, dass es im Japanischen einen Ausdruck für den Tod durch Überarbeitung gibt: „Kuroshi“. Weltweit lassen sich kulturell geprägte und kreative Ausdrücke für alltägliche Phänomene finden. Die sprachliche Vielfalt und kulturelle Bereicherung der Sprachen werden am Internationalen Tag der Muttersprache gefeiert und gleichzeitig warnen sie uns vor dem Verfall, der vielen Sprachen droht. (fr.de)
Kisuaheli für das Selbstbewusstsein Afrikas
Im kenianischen Parlament wird seit geraumer Zeit auf Kisuaheli debattiert. Insgesamt sprechen in Afrika rund 200 Millionen Menschen die Sprache. Laut Sprachwissenschaftler Ally Khalfan wird die Sprache vor allem an der Küste gesprochen und wird maßgeblich durch den dortigen Handel beeinflusst. Die Sprache vereint einige Worte indischen und arabischen Ursprungs, jedoch lassen sich auch deutsche Überbleibsel, wie beispielsweise die „Shule“ finden. Das dürfte an dem Beitrag des schwäbischen Missionars Johann Ludwig Krapf liegen, da er die erste Bibel auf Kisuaheli und ein Wörterbuch veröffentlichte. Vor allem die jungen Menschen haben ihren Frieden mit Einflüssen aus der Kolonialzeit gemacht und nutzen sie nun, um sich von den kolonialen Wurzeln zu befreien. Daraus könne ein sprachlicher Neuanfang entstehen, wie einst in Tansania, als der erste Präsident nach der Unabhängigkeit des Landes Kisuaheli zur Amtssprache machte. Khalfan meint, dass Kisuaheli für die afrikanische Identität stehe, daraus könne sich ein grenzüberschreitendes Zusammenhörigkeitsgefühl entwickeln. (tagesschau.de)
5. Berichte
Jürgen-Moll-Preis für Michael Andrick
Der Berliner Philosoph und Historiker Michael Andrick ist mit dem Jürgen-Moll-Preis für verständliche Wissenschaft ausgezeichnet worden. Andrick schreibt über Erfolg, Ehrgeiz und Führung, in einer Weise, die auch für ein Publikum fernab der Akademikersprache verständlich sei, hieß es in der Laudatio. So leiste er einen wertvollen Dienst für die Gesellschaft. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird jährlich von der Theo-Münch-Stiftung für die Deutsche Sprache und der Zeitschrift Deutsche Sprachwelt verliehen. (presseportal.de)
6. Denglisch
Weltgewandte Manager
In der Satire-Sendung Extra3 gab es vergangene Woche eine Fortbildung, wie Büroangestellte mit Denglisch Eindruck schinden können. Denn wer sich wichtig machen möchte, spricht Büro-Denglisch. In dem Beitrag gibt die Chefin ihrem Buchhalter Anweisungen – und der passt sich an: „Danke fürs Briefen. Ich mache dann einen All-Nighter im Home-Office“, verspricht er. „Hauptsache Sie delivern!“, verlangt sie. Man kann allerdings nicht sicher sein, ob deutschsprachige Mitarbeiter immer die Satire erkennen oder ob es nicht längst der sprachliche Alltag ist. (ndr.de)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke