Infobrief vom 25. Juni 2022: Das Wiedererblühen des Partizips

1. Presseschau

Das Wiedererblühen des Partizips

Grammatik ist bei Schülern nicht die beliebteste Disziplin – viele Regeln, viel Gehirnschmalz, den es einzusetzen gilt. Das Partizip Präsens fristete bisher ein Nischendasein. Doch durch das Gendern kommt es zu neuem Ruhm. In der FAZ-Politik-Glosse Fraktur skizziert Timo Frasch den momentanen Siegeszug des Partizip Präsens: „Inzwischen wimmelt es in Behörden, Parteien und Gazetten (nicht unbedingt in Gesprächen) von ‚Flüchtenden‘, ‚Ausbeutenden‘, ‚Menstruierenden‘, ‚Studierenden‘.“ Die Anwendung dieser geschehe in der Absicht, alle Geschlechter mit einzubeziehen. Dabei sei die Annahme wenig durchdacht, dass Wörter, die auf -er enden, rückschrittlich seien. Wer ‚Parlamentarier‘ als Partizip sehen möchte, stehe vor der Frage, wie das aussehen soll: „Sind es Vertretende? Sitzende? Masken Vermittelnde?“ Tatsächlich wird die zeitliche Komponente aus den Angeln gehoben. „Viele andere Wählende blieben dagegen diesmal zuhause,“ hieß es zur NRW-Wahl in einem Bericht der Zeit. „Kann man ein Wählender sein, wenn man gar nicht wählt? Ist man nur dann ein Wählender, wenn man im Wahllokal sitzt?“ fragt sich Frasch. Die Angst, dass ein -er am Ende eines Wortes jemanden unverhofft zu einem Genderfall mache, sei groß. Eine Person namens „Schuhmacher“ könnte also versehentlich zu einem „Schuhmachenden“ werden – dann wäre er nebenbei auch gendersensibel. (zeitung.faz.net (Bezahlschranke))


Hattingens nette Wortpartnerschaft

Das Wort „nett“ ist ein Ausdruck des Wohlwollens, kann heutzutage jedoch auch ironisch-abwertend verwendet werden. Diesem Missstand widmet sich nun die Stadt Hattingen in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Um das Ansehen des Adjektivs aufzubessern, geht die Stadt eine Wortpartnerschaft ein. Hattingens Bürgermeister Dirk Glaser begründet die Entscheidung: „Das Wörtchen nett ist ein bisschen in die falsche Ecke gerutscht.“ Und auch Lutz Kuntzsch von der GfdS erläutert, dass „nett“ ursprünglich im 16. Jahrhundert in das Deutsche gekommen sei, jedoch zunächst mit einer rein positiven Bedeutung. Ironie habe die Bedeutung des Wortes später verändert, ein Phänomen, das bereits vor 100 Jahren zu beobachten war, zum Beispiel in Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“. Für Hattingens Bürgermeister Glaser sei es jedoch weiterhin ein positiv besetztes Wort. Im Rahmen einer Marketingkampagne wird die Stadt nun seit dem 23. Juni 2022 mit dem Ausdruck „nett hier“ oder dem Hashtag #netteshattingen beworben. Dafür wurden zehn Schilder in der Stadt aufgestellt. (supertipp-online.de)


Tatort Wittenberg

Am Donnerstag wurde in Wittenberg die Ausstellung „Tatort 1522“ eröffnet. Die Schau ist als „Escape-Spiel“ konzipiert, bei dem die Teilnehmer (in Gruppen) Aufgaben lösen müssen, um die vermeintlich verschwundene deutsche Übersetzung des Neuen Testaments wiederzufinden. Die Ausstellung ist für Schulklassen sowie für Familien und Erwachsenengruppen geeignet. Sie soll auf spielerische Art die bahnbrechende Leistung Martin Luthers und seiner Mitstreiter mit der Übersetzung der Bibel ins Deutsche würdigen. Das Projekt wird von der Stiftung Luther-Gedenkstätten getragen und durch den Verein WortWerkWittenberg sowie von der Stiftung Deutsche Sprache unterstützt. (zeit.de, mdr.de)


Deutungshoheit, eine Sparversion von Macht

Der Genderstreit erhitzt die Gemüter, „weil man sich nicht nicht dazu verhalten kann“, wie Stefan Ayan einen Auszug aus dem Buch „Was man noch sagen darf“ in spektrum.de beginnt. Das erinnert an Paul Watzlawicks: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Tatsächlich wird man beim Sprachgendern fortwährend genötigt, mitzuspielen oder sich zu erklären.

Mit dem Sprachgendern „wollen viele die Sichtbarkeit des ‚anderen‘ erhöhen und gleiches Recht für alle signalisieren.“ Das sei legitim, sagt Ayan, aber es wirft schwer lösbare Probleme auf. In manchen Situationen „wirkt das Vermeiden generischer Maskulina (Bürgermeister, Mitfahrer, Partner) gestelzt“. Gleich welche Signale man wählt, eine Zumutung seien sie allemal. Man könne sie trotzdem gutheißen, denn Irritation löst Nachdenken aus, an sich ein willkommener Vorgang. Doch was sei mit dem Bemühen, „dem Androzentrismus zu entgehen, letztlich gewonnen?“ fragt Ayan. Nach dem auslösenden Denkanstoß setze „bei häufiger Verwendung früher oder später die Gewöhnung ein, was dazu führt, dass Wendungen konventionalisieren und ihren Signalcharakter einbüßen.“

Obendrein fördert das Moralisieren des Mitmeinens (‚Wer nicht gendert, hat etwas gegen Gleichberechtigung‘) die Zersplitterung der Gesellschaft. Die sprachpolizeiliche Schere im Kopf nötigt die Menschen in getrennte Nischen mit je eigenen Sprechblasen hinein. Das Problem sei die Doppelbödigkeit des nur scheinbar harmlosen Wunsches nach Gerechtigkeit, sagt Ayan, denn das Gendern setze viele Menschen unter Druck, es dränge sie an den Rand. Darauf reagieren sie nicht wie gewünscht. „Man kann sich nicht nicht zum Gendern verhalten, wird damit einfach nicht in Frieden gelassen. (…) Je mehr sich die einen über die Rückständigkeit der Verweigerer empören, desto erbitterter keifen diese zurück.“

Vernünftiger wäre es, die Beliebigkeit anzuerkennen, mit der Dinge bezeichnet werden. Schließlich sind „tree“, „arbre“ und „Baum“ große Gewächse, auch wenn dabei jeder ein anderes vor Augen hat.  Die Realität dürfe nicht mit ihrem sprachlichen Ausdruck gleichgesetzt werden, genau das tue jedoch, „wer eine Sprechweise unmittelbar an das Denken und die Weltsicht des Sprechers knüpft.“ Ayan hat recht, „Gendern allein verändert die Denkweise von Menschen oder die Rolle von Frauen in der Gesellschaft zunächst keinen Deut“. Es berge sogar umgekehrt die Gefahr, dass eine „korrekte Sprechweise als Signal für Gleichberechtigung dient, ohne dass diese wirklich gelebt wird.“ Ayan schließt mit einem selten geführten Argument: „Tabus (…) dienen heute nicht mehr dem Machterhalt einer Elite, sondern dem Versuch, eine Sparversion von Macht, die Deutungshoheit, zu erringen. Nur sollte man nicht so blauäugig sein, zu glauben, dass die Welt schon eine andere ist, weil man anders redet.“ (spektrum.de)


2. Gendersprache

Journalisten-Preis für genderkritischen Artikel

Der Journalist Ingo Meyer erhält den Theodor-Wolff-Preis 2022 in der Kategorie „Meinung“ für einen Text, der das Gendern kritisch hinterfragt. Er zeigt anhand einfacher Beispiele, dass Sprache stetig verändert wird, und wie mit der Veränderung ein Wandel im Verständnis von Begriffen geschieht: „Im Wort ‚Bäcker‘ hingegen ist ein Mensch der Bedeutungsträger, und dabei ist völlig schnuppe, was er zwischen den Beinen trägt. Bäcker bezeichnet den Berufsstand des Backhandwerks, lange Zeit vorwiegend betrieben von Männern mit weißen Mützen. Irgendwann buk die Frau mit, das Wort ‚Bäckerin‘ entstand, es war von Anfang an weiblich markiert. Bäcker hingegen blieb männlich und generisch.“ Gendern führe auf „semantische Abwege“, so Meyer: „Terroristinnen und Terroristen“ klinge seltsam respektvoll, „die Vertreibung der Armenierinnen und Armenier“ verharmlosend. Die Jury würdigte einen unaufgeregten Text, der „ohne Polemik“ auskomme. Es sei ein mutiger „Text gegen den Mainstream“, so die Jury. Meyer habe ein Thema aufgegriffen, „über das gerade in jeder Redaktion hitzig diskutiert“ werde. Argumentativ und kompetent beschreibe er den „Übereifer in der Diskussion, der zu Absurditäten in der Sprache führt“, schreibt die Berliner Zeitung. (berliner-zeitung.de, berliner-zeitung.de)


Genderleitfaden an TH Nürnberg eskaliert

Eine weitere Hochschule hat sich selbst einen Genderleitfaden gegeben – diesmal die TH Nürnberg. Die Mitteilung darüber an einen E-Mail-Verteiler mit über 15.000 Adressen sorgte jedoch nicht für Frohlocken. Vielmehr scheint es, als habe die Uni-Leitung nicht mit dem Widerspruch gerechnet, der sich ebenfalls an den 15.000-Adressen-Verteiler richtete. Viele der Mails sind an die Presse (und auch an den VDS) durchgesickert, die Peinlichkeit für die Uni ist damit komplett. Mehrere Professoren und Mitarbeiter der Uni beklagen sich zum einen über den „Basta-Charakter“ des Leitfadens, der vorher nicht mit den Abteilungen besprochen wurde; dazu kommt der Unmut über das Gendern generell. So schreibt ein wissenschaftlicher Mitarbeiter: „Sehr geehrte Hochschulleitung, hiermit stelle ich den Antrag, dass die TH Nürnberg zukünftig den Studentinnen aus Gründen des Respekts und der Sicherstellung der Gleichbehandlung als Studienabschluss die Titel ‚Mistress‘ bzw. ‚Bachelorette‘ verleiht.“ Ein Gastdozent schreibt: „Vielen Dank für den „LEIDfaden“. (…) Jede Vorlesung genderneutral zu gestalten hat für mich nicht gerade den Anstrich von Fortschrittlichkeit, sondern es wirkt eher etwas wie gewollt und nicht gekonnt und hat auch eine erbärmliche und wirklich peinliche Komponente.“ Ein Bauingenieurs-Professor versucht einen wissenschaftlichen Ansatz: „Was bedeutet Kolleg*innen? Sieht nach einem Quelltext in einer Programmiersprache aus. Als Verfechter der lateinischen Sprache bekomme ich da schon mittelgroße bis große Schmerzen.“

Besondere Brisanz bekommt die Sache, weil sich die Universitätsleitung bemüht, den Streit abzuwiegeln und schon im Keim zu ersticken. Der TH-Präsident Niels Oberbeck sagt zwar „Ja“ zum Diskurs an sich, möchte ihn aber lieber nicht an die große Glocke gehängt sehen: Man möge Kritik privat, nicht öffentlich äußern: „Ich bitte Sie daher eindringlich, die Diskussion über das Thema Umgang mit gendersensibler Sprache aus dem hochschulweiten Mailverkehr zu verlagern.“ Ein Mitarbeiter kontert: „Die Mehrheit lehnt diese grotesken Spachregeln ab (…), traut sich aus Angst vor sozialen Sanktionen jedoch nichts dagegen zu sagen. Daher ist es umso wichtiger, dass öffentlich widersprochen wird.“ Interessant ist übrigens der Blick in die Bezeichnung der genutzten Verteiler: Die Mails gehen u. a. an „OHM-Professoren“ und „OHM-Mitarbeiter“. (focus.de)


Kapitalismus vs. Wokeness

Wer aufmerksam und sensibel ist in Bezug auf soziale Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen gilt als „woke“, was in etwa „erwacht“ bedeuten soll. Die „Wokeness“ verkehrt sich aber – zumal in den sozialen Medien – immer mehr zu einem Zerrbild des ursprünglich Gedachten. Die sich selbst als „woke“ betrachten, sind nicht offen für verschiedene Sichtweisen, sondern zunehmend in einem Korsett der Selbstbestätigung befangen: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ Philip Plickert untersucht in einem Artikel in der FAZ, wie vereinbar „Wokeness“ und Kapitalismus seien. In Zeiten der politischen Korrektheit gehen immer mehr Unternehmen und Medien dazu über, sich eine Anmutung der Offenheit zu verleihen. Man beschwört Diversität, zeigt sich interessiert an Randgruppen. Das könne allerdings missraten. „Manager vertreten also nach außen progressive, soziale und ökologische Haltungen, doch dieser Ansatz ist umstritten. Linke Kritiker sagen, die Konzerne betrieben lediglich ‚Woke Washing‘, sie wollten neue Kunden gewinnen“, so Plickert.

Eine vielbeachtete Studie, durchgeführt von Vanessa Burbano, Professorin an der Columbia Business School in New York, befragte Mitarbeiter von Unternehmen zu sozialen Themen. In einer Folgerunde wurden per Zufall ausgesuchte Teilnehmer der Studie mit einer Übersetzungs-Aufgabe zu einem genderbezogenen Thema konfrontiert. Die Wissenschaftler stellten fest: Wer sich mit der vermeintlich progressiven Botschaft des Unternehmens nicht identifizierte, war für die Zusammenarbeit deutlich demotiviert; die Motivation der Übrigen blieb unverändert. Diese Erkenntnis sei interessant vor dem Hintergrund des Rechtsstreits zwischen Audi und dem VW-Mitarbeiter, der gegen den Genderleitfaden seines Arbeitgebers klagt, schreibt Plickert: „Würde Audi die Forschung von Burbano studieren, kämen dem Management vielleicht doch Zweifel, ob sie auf dem richtigen Weg sind.“ (faz.net)

Nicht gegendert – kein Job

Weil sie „nicht einheitliche gendergerechte Sprache“ in ihrer Bewerbung benutzte, wurde einer Österreicherin eine ausgeschriebene Stelle verweigert. Die ausgebildete Behindertenpädagogin hatte sich in einem Jugendzentrum beworben. Der Träger sagte ab, sie sei nicht mal in die Vorauswahl gekommen, weil sie ihr Schreiben nicht „gendergerecht“ verfasst habe. In den sozialen Medien habe die Bewerberin nach Bekanntwerden des Vorfalls viel Zuspruch bekommen, schreibt die Kronenzeitung. Amüsiert sei sie gewesen, weil sie in der Absage als „Frau“ angesprochen wurde, „das ist ja dann wohl auch nicht genderkorrekt“. Brono Sundl, Chefjurist der steirischen Arbeiterkammer sagte, so etwas sei ihm noch nie untergekommen; einen Rechtsanspruch oder Schadenersatz könne man daraus aber nicht ableiten. Der Träger des Jugendzentrums räumte ein, man habe das „sehr, sehr unglücklich formuliert“. (krone.at)


3. Sprachspiele: Unser Deutsch

Gestorben oder verstorben?

Geht es Ihnen auch so, dass Sie sich manchmal fragen: Warum heißt es hier verstorben und nicht einfach gestorben? Gehen wir der heiklen Sache zunächst in den Wörterbüchern nach. Sterben – so lesen wir – ist die neutrale Form für ‚aufhören zu leben‘, gebräuchlich in Bezug auf Menschen. Tiere hingegen verenden, Pflanzen gehen ein. Wird für Tiere das Verb sterben verwendet, zum Beispiel bei unserem vertrauten Hund, unserer geliebten Katze, dann ist das Ausdruck menschlicher Nähe.

In einem meisterhaften Wortartikel des Deutschen Wörterbuchs von Hermann Paul, 2002 völlig neu bearbeitet, hat Helmut Henne das Wortfeld des Sterbens in seiner semantischen Differenzierung umrissen: ‚gewaltsam‘: umkommen, ‚im Krieg‘: gefallen, ‚nach Todesart‘: ersticken, ertrinken, verbluten, ‚nach Krankheit‘: erliegen, ‚emotional‘: entschlafen, einschlummern, ‚religiös‘ heimgegangen. Als nüchtern gelten versterben und verscheiden. Im Übrigen drücke sich „das Bedürfnis nach Distanzierung vom unerklärlichen Rätsel des Todes in einer Vielzahl drastischer und witzelnder Umschreibungen aus“. Mit ihnen beenden wir diese lexikalische Übersicht: ins Gras beißen, den Löffel abgeben, den Arsch zukneifen, abkratzen, verrecken, krepieren.

In diesem Umfeld unterscheiden sich sterben und versterben nur minimal. Dem können wir mit einem Blick auf die Wortbildung näherkommen. Das Präfix ver- hat eine Vielfalt von Funktionen. Aber eine sticht hervor, die sich auch in versterben findet. Es geht um die ‚Vollendung eines Geschehens‘, zum Beispiel in den Verben verreisen, versenken, verheilen. In den einfachen Verben wird jeweils der Vorgang bezeichnet, in den Verben auf ver- der Abschluss hervorgehoben. Häufig wird auch das Aufbrauchen oder Beseitigen thematisiert wie in verfüttern, verspeisen, vergießen, auch umgangssprachlich in verplempern, verschleudern, vernaschen. So verstärkt das ver- in versterben die Sicht auf das Vergehen des Lebens.

Wir sehen zweierlei: Während sterben eher den Vorgang und im Perfekt gestorben die zeitliche Nähe ausdrückt, verweist versterben – meist nur im Perfekt verstorben gebräuchlich – auf ein zurückliegendes Geschehen. Es wirkt distanzierend, weniger betroffen. Das drückt sich auch in dem substantivierten Adjektiv aus, wenn in Würdigungen und Erinnerungen vom Verstorbenen die Rede ist.

War es pietätlos, das zu erörtern? Es ging darum, herauszufinden, wie unsere Sprache auch Unsägliches bewältigt.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


4. Kultur

Deutscher Sprachpreis 2022 für Daniela Danz

Die Henning-Kaufmann-Stiftung hat die Schriftstellerin und Übersetzerin Daniela Danz mit dem Deutschen Sprachpreis 2022 ausgezeichnet. Danz habe sich in ihren Texten mit sozialen und politischen Fragen der Gegenwart auseinander setzt, aber auch mit großen literarischen Stoffen und Motiven der klassischen Antike (so den Werken Homers und Ovids) und der Zeit um 1800, erklärte die Jury. Die Preisverleihung findet am 30. September 2022 in Kassel statt. (henning-kaufmann-stiftung.de)


Schmuck, Schrift und Sprache in Pforzheim

Das Schmuckmuseum Pforzheim steht anlässlich des 500. Todestags des Philosophen Johannes Reuchlin „ganz im Zeichen von Schmuck, Schrift und Sprache“ berichtet die Zeit. Bis zum 6. November zeigt das Haus die Ausstellung „Schöngeschrieben – Schmuck, Zeichen- und Druckkunst“. Gezeigt wird Reuchlins Vorstellung von Wertschätzung fremder Kulturen und Sprachen, so steht die Ausstellung für Verständigung und Toleranz. Schmuck verbinde man zwar nicht direkt mit Schrift und Sprache, jedoch diene er als Kommunikationsmittel und Bedeutungsträger. Der Humanist, Jurist und Diplomat Johannes Reuchlin wurde am 29. Januar 1455 in Pforzheim geboren und setzte sich zeitlebens für die Verständigung zwischen Christen und Juden ein. (zeit.de)


5. Berichte

Freie Studienplätze am Eurythmie-Theater in Hannover

In der Eurythmie wird wahlweise Musik oder Text mit dem Körper dargestellt. Ganze musikalische Werke und Theaterstücke oder Gedichte können mit dieser Bewegungskunst auf die Bühne gebracht werden. Das geschieht nach Regeln, welche die Eurythmie vom Ballett unterscheiden. Am MeRz Theater, der Bühne und Schule für Eurythmische Kunst Hannover, sind zum Beginn im Oktober 2022 (oder nach Absprache) noch freie Plätze verfügbar für das Studium zum Diplom-Eurythmisten° und zum Diplom-Eurythmielehrer°. Vorkenntnisse in der Eurythmie werden nicht vorausgesetzt. Die Studienschwerpunkte und die späteren Arbeitsfelder liegen in Pädagogik, Bühnenkunst, Therapie und Soziales. Anschreiben, Lebenslauf und letztes Zeugnis bitte an: info@merz-theater.de schicken. (merz-theater.de)

(°): selbstverständlich m/w/d


Medien-Praktikum im Ausland

Lust, gleichzeitig Medien- und Auslandserfahrung zu sammeln und etwas für die deutsche Sprache zu tun? Im Ausland gibt es viele hundert Zeitungen, Zeitschriften und Radioprogramme in deutscher Sprache, die Praktikumsplätze anbieten! Bewerbungsvoraussetzungen: Alter von mindestens 20 Jahren (nach oben keine Grenze) und sehr gute Deutschkenntnisse. Mehr Information gibt es hier: medienhilfe.org


Märchenhafter Schuh-Einkauf

Die Brüder Grimm-Gesellschaft Kassel, eine Partnerorganisation des VDS, hat im Schuhgeschäft Schäfer in der Oberen Königsstraße in Kassel eine Ausstellung über das Märchen „Der Gestiefelte Kater“ aufgebaut. Zwischen den vielen angebotenen Schuhen werden historische Dokumente, herausragende Märchenillustrationen und andere Objekte der weltweiten Wirkungsgeschichte dargestellt. Der Geschäftsführer der Brüder Grimm-Gesellschaft, Bernhard Lauer, meint dazu: „Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm sind ein Weltthema, illustrierte Ausgaben aus aller Welt können heute in mehr als 190 Sprachen und fast allen Ländern (auch im globalen Süden) dokumentiert werden. Aus dem reichen Fundus der Brüder Grimm-Gesellschaft haben wir nur einige Sprachen ausgewählt, darunter Arabisch und Hebräisch“. Die Ausstellung bei Schuh-Schäfer in der Kasseler Fußgängerzone kann bis zum 17. Juli 2022 montags bis samstags zu den Öffnungszeiten besichtigt werden. (grimms.de)


6. Denglisch

Wie ein Skandal die Sprache änderte

Seit der Watergate-Affäre von 1972, die durch gravierenden Amtsmissbrauch des damaligen US-Präsidenten Richard Nixon seinen Rücktritt zur Folge hatte, wird der Begriff „Watergate“ – der Name eines Gebäudekomplexes in Washington D. C– mit allerlei Skandalen assoziiert. Die Endung „-gate“ gilt auch in der deutschen Medienlandschaft als Standardsuffix für kontroverse Ereignisse. Ein bekanntes Beispiel aus der Pop-Kultur ist das „Nippelgate“ von 2004, als für den Bruchteil einer Sekunde die Brüste der US-Sängerin Janet Jackson bei einer Direktübertragung des Super Bowl entblößt wurden. Als Begriff für Skandale wurde „-gate“ in den USA erstmals nach der Watergate-Affäre verwendet. In Frankreich kam es 1973 zu einem „Winegate“, als in betrügerischer Absicht billiger Wein als teurer Bordeaux ausgegeben wurde. Ein bekanntes Beispiel aus Deutschland ist „Dieselgate“ von 2015, als der deutsche Autohersteller Volkswagen gestehen musste, bei den Abgaswerten seiner Fahrzeuge betrogen zu haben. Linguisten kritisieren jedoch, dass die Medien das Suffix „-gate“ jeder beliebigen Kontroverse anhängen. Dadurch werde der Schweregrad mancher Verfehlungen im Vergleich zu anderen verharmlost. Trotz aller Kritik bleibt dieser Wortfortsatz ein fester Bestandteil der Sprache für allerlei Skandale und ist nun im Deutschen als denglisches Suffix festgesetzt. (dw.com)


7. Soziale Medien

Gegenderte Verschriftlichung

Tolle Information – leider verfälscht wiedergegeben. Das Stadtpalais Stuttgart hat auf seinem TikTok-Kanal ein Infovideo von der Siedlung „Ziegelklinge“ hochgeladen. Das ist eine ehemalige Wohnanlage für Tuberkulosekranke. Die Informationen, die der Sprecher vorträgt, sind interessant, kurz und bündig präsentiert – und: ungegendert. Die Videoplattform TikTok bietet für Videos eine automatische Spracherkennung an, die das gesprochene Wort verschriftlicht. Da sich allerdings immer wieder kleine Fehler einschleichen, weil jemand Endungen verschluckt oder zwei Wörter zu eng miteinander verbindet, besteht die Möglichkeit, die Texte zu redigieren. Diese Verschriftlichung, die das Stadtpalais anschließend ergänzt hat, wurde gegendert. Wo der Sprecher sonst eine klare und verständliche Sprache spricht, wurden jetzt Gendersternchen eingesetzt – zu lesen gab es „Bewohner*innen“, „Bewerber*innen“ und „Anwohnende“. Schade – so sahen es auch mehrere Nutzer und setzten entsprechende Kommentare. Das Stadtpalais selbst hat sich weder bei TikTok noch bei Twitter zu der Veränderung der gesprochenen Sprache geäußert. (tiktok.com)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

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